E-Commerce
28.01.2020
Mit der Stimme bestellt
1. Teil: „Voice-Commerce steht vor hohen Hürden“

Voice-Commerce steht vor hohen Hürden

Voice CommerceVoice CommerceVoice Commerce
lasse designen / shutterstock.com
Über einen Alexa Skill etwas zu kaufen, ist bisher kaum möglich. Zwei Erfolgsbeispiele zeigen jedoch, dass es funktioniert. Auch, wenn es noch ein paar Feinabstimmungen fehlen.
Voice-Commerce ist noch kompliziert: Wer heute den smarten Lautsprecher  Amazon Echo bei sich zu Hause stehen hat, kann über die Alexa Skills, also die dazugehörigen Sprach­anwendungen, Wetterdaten oder das Kinoprogramm abrufen. Kinotickets direkt zu bestellen, ist hingegen nicht möglich. In aller Regel endet der sprachbasierte Kaufprozess innerhalb einer Alexa-Anwendung mit dem Füllen des Warenkorbs. Für den Kaufabschluss werden die Kunden in den Online-Shop geleitet, um dort Liefer- und Bezahldaten einzugeben und den Kauf rechtsgültig abzuschließen. Grund: Die Dateneingabe per Sprache ist fehleranfällig und komplex, der Aufwand für die Umsetzung schreckt viele Anbieter ab - zumal die Nutzerschaft der Skills noch überschaubar ist. 8 Prozent der Deutschen lassen sich im Alltag von Alexa Skills unterstützen, hat die repräsentative „Postbank Digitalstudie 2019“ ergeben.

Reifendirekt ist Vorreiter

  • Reifendirekt: Über den Alexa Skill können Kunden per Sprachbefehl die neuen Reifen direkt bestellen.
    Quelle:
    Reifendirekt
Dennoch gibt es einige Anwendungen, die den kompletten Kaufprozess innerhalb des Alexa Skills abbilden. Einer davon ist die Lösung von Reifendirekt.de, einem Online-Shop der Delticom AG. Seit Mai letzten Jahres können Kunden ihre Reifen sprachbasiert auswählen und auch kaufen. Maren Höfler, Head of Marketing bei Delticom, ist überzeugt, dass sich das Engagement lohnt: „Wir glauben an die Bedeutung des Voice-Commerce, er wird unseren Alltag in Zukunft prägen. Wir sind als Pionier im Online-Reifenhandel seit jeher Innovationstreiber und in Deutschland offiziell der erste ­Anbieter einer Sprach­anwendung, die den Kauf physischer Güter mittels Alexa und Amazon Pay ermöglicht.“
Doch wie hat der Vorreiter beim Voice-Commerce die Herausforderungen gelöst? Kernfunktion des Skills ist die Reifenauswahl. Wie im Online-Shop können die Kunden die Reifen nach Größe und Art selektieren. Auch ein Filtern nach Kategorien wie „höchste Qualität“, „beste Bewertung“, „bester Preis“ sowie über die Marke ist möglich. Verfügt der Lautsprecher des Nutzers über einen Bildschirm, werden Ergebnisliste und Warenkorb dort angezeigt. Sonst liest Alexa die Ergebnisse, die Produkt­details und die Warenkorbpositionen vor.
Um das Problem der Dateneingabe zu umgehen, greift Delticom auf die bei Amazon hinterlegte bevorzugte Lieferadresse zurück. Und die Bezahlung ist ausschließlich über Amazon Pay möglich. „Amazon Pay bietet auf Alexa die einfachste Nutzerführung für unsere Kunden“, so Höfler. Denn auch dort sind die Kundendaten bereits ­gespeichert. Die Autorisierung erfolgt einmalig über die Freigabe von Amazon Pay für den Skill. Eine weitere Autorisierung der einzelnen Zahlung ist deswegen nicht nötig.
Ein kleiner Kanalbruch bleibt: Die Bestellbestätigung und die Rechnung kommen wie gehabt per E-Mail, für eine Änderung der Lieferadresse oder eine Stornierung der Bestellung muss sich der Käufer an den Kundenservice wenden.
Delticom hat den Skill mit Amazons Software Development Kit selbst entwickelt. Mit Zahlen zur Nutzung hält man sich zurück, räumt aber ein, dass das Bestellen per Sprachsteuerung für ­viele noch sehr ungewohnt sei. Trotzdem wird eine Ausweitung des Angebots auf andere Voice-Plattformen wie Google Assistant nicht ausgeschlossen - auch wenn man sich erst einmal auf die Weiterentwicklung des Alexa Skills konzentriert.
2. Teil: „Zander Online mit B2B-Skill“

Zander Online mit B2B-Skill

  • Zander-Gruppe: Mit dem Alexa Skill können B2B-Kunden aus dem Handwerk per Sprachbefehl Steck­dosen und Schalter kaufen sowie indivi­duelle Preise und Liefer­zeiten abrufen.
    Quelle:
    Zander
Im April hat auch die Zander-Gruppe ihren Alexa Skill gestartet. Der Großhändler für Elektro- und Sanitärinstallationsmaterial bedient 60.000 Kunden in Deutschland. Über den Skill können sie 1,5 Millionen Artikel durchsuchen, sich über individuelle Preise und Lieferzeiten informieren und die Bestellung per Sprachbefehl abschließen. Vor dem Kaufabschluss liest Alexa den Warenkorb komplett vor. Die Bestellfreigabe erfolgt über eine PIN, die der Kunde im Kundenkonto selbst festlegen kann. Der Vorteil für den B2B-Händler: Alle Kunden sind registriert und die Adress- und Zahlungsmodalitäten im Shop hinterlegt. ­Dadurch entfällt die anspruchsvolle ­Dateneingabe via Sprache.
Dennoch stößt auch der Zander-Skill an seine Grenzen: Der Warenkorb kann zwar innerhalb der Anwendung per Sprache verändert werden, deutlich komfortabler ist dies aber im Online-Shop. Daher wird während des Kaufvorgangs ein identischer Warenkorb parallel im Online-Shop eingerichtet, sodass der Kunde bei Bedarf ­sofort darauf zugreifen kann.

Partnerschaft senkt Kosten

Zander hat den Skill im Rahmen einer Entwicklungspartnerschaft gemeinsam mit dem Lösungsanbieter Apinauten und  dessen Plattform Apiomat entwickelt. Sie knüpft an den Online-Shop an, der komplett API-basiert ist und auf einer ERP-Lösung von Schramlsoft aus München fußt. Rund ein Jahr hat die Entwicklung gedauert: „Wir ­haben den Skill 20 Mal eingereicht, bis Amazon ihn akzeptiert hat“, erinnert sich Patrick Egloff, Geschäftsführer der Zander GmbH in Freiburg. Amazon habe dies mit dem Qualitätsanspruch und den Anforderungen an die User Experience begründet. Nach dem Start hat der Skill „relativ schnell eine Nutzerzahl im dreistelligen Bereich“ erreicht, so Egloff. Er rechnet hier mit einem deut­lichen Wachstum. Rund die Hälfte der Nutzer ­bestellt auch über die Sprachanwendung.
Eine der großen Herausforderungen war, zu lernen, wie die Kunden mit Sprache operieren: Welche Begriffe und Formulierungen verwenden sie? Welche und wie viele Informationen sind im Sprachumfeld relevant? „Der Skill muss alle wichtigen Daten enthalten, darf aber nicht überfrachtet sein“, erklärt Egloff. Diese Lerneffekte sind maßgeblich für die Kosten-Nutzen-Rechnung: „Die Kosten für den Skill werden sich voraussichtlich nicht innerhalb der nächsten zwei Jahre durch Zusatzerträge amortisieren“, so Egloff weiter. Sprach­anwendungen werden wohl nie als Stand-alone-Lösung existieren, sondern stets Teil einer Gesamtstrategie sein, glaubt er. Um dem Kunden aber künftig alle Vertriebs­wege an­bieten zu können, die er sich wünscht, müsse man jetzt Erfahrungen sammeln.
Das tut Zander: Derzeit ist eine Sprachanwendung für Google Assistant in der Entwicklung - inhouse.
3. Teil: „Im Gespräch mit Michael Reiserer von Apinauten“

Im Gespräch mit Michael Reiserer von Apinauten

  • Michael Reiserer: Leiter Sales beim Leipziger Software-Entwickler Apinauten
    Quelle:
    Apinauten
Mit der Plattform Apiomat des Software-Entwicklers Apinauten lassen sich auch Voice-Anwendungen realisieren.
com! professional: Herr Reiser, warum ist der Bestellprozess per Voice so kompliziert?
Michael Reiserer: Die Bestellung per Sprache hat einige Herausforderungen - zum Beispiel hinterlegte Zahlungsmittel oder die Authentifizierung der Zahlung. Deswegen wird der Kunde hier oft noch auf den Online-Shop umgeleitet.
com! professional: Was muss sich tun, damit es leichter wird?
Reiserer: Eine Schlüsselfunktionalität ist die Authentifizierung per Sprache: Nahezu alle Sprachassistenten arbeiten derzeit daran. Alternativ wäre über die Kamera auch eine Art Face-ID zu realisieren.
com! professional: Rechnen Sie in Zukunft denn vermehrt mit wirklichen Shop-Funktionalitäten in Alexa Skills?
Reiserer: Ich nehme an, dies passiert mehr und mehr. Gerade bei den Geräten mit Bildschirm ist eine Shop-Funktionalität sehr sinnvoll, da das Device auch gleich als Screen dienen kann. Die entscheidende Frage ist, wie Amazon sich aufstellt, wenn als Shop-Backend nicht die Amazon-Plattform dient.
com! professional: Sind sprachbasierte Verkaufskanäle auch für B2B-Unternehmen relevant?
Reiserer: Ich denke, Sprache als Kanal wird sich auch im B2B etablieren. Kunden wollen den Komfort, den sie aus dem privaten Bereich kennen, auch im B2B haben.

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