Business-IT
21.04.2021
IT-Strategien und Projektmanagement
1. Teil: „Erfolgreiche IT-Projekte in stürmischen Zeiten“

Erfolgreiche IT-Projekte in stürmischen Zeiten

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Macrovector / shutterstock.com
Neue, disruptive Technologien ermöglichen neue Geschäftsmodelle. Der Fokus liegt dabei vermehrt auf der Zusammenarbeit von Teams und Mitarbeitern.
Es sollte das größte IT-Projekt in der Firmengeschichte des Lebensmittel-Discounters Lidl werden: Ein neues Warenwirtschaftssystem auf Basis von SAP sollte das bisherige, selbst programmierte und jahrzehntealte System Wawi ablösen. Das Ziel war eine Reduzierung des Aufwands für die Stammdatenpflege sowie die Möglichkeit für Prognosen in Echtzeit. Doch dann wurde nach sieben Jahren Entwicklungszeit das Projekt Elwis (Elektronisches Lidl-Warenwirtschaftsinformationssystem) 2018 gestoppt. Wie die Tageszeitung „Heilbronner Stimme“ aus einer internen Mitteilung des Lebensmittelhändlers zitiert, habe man festgestellt, mit Elwis seien „die ursprünglich definierten strategischen Ziele nicht mit vertretbarem Aufwand erreichbar“. Also hieß es bei Lidl: Alles auf Anfang. „In der Kosten-Nutzen-Abwägung spricht alles für die Weiterentwicklung der Wawi“, wie die Tageszeitung weiter schreibt. Damit war das größte IT-Projekt des Discounters gestorben. Kurzum: außer Spesen nichts gewesen. Medienberichten zufolge soll Lidl bis dahin bereits rund eine halbe Milliarde Euro in das SAP-Projekt investiert haben. Doch immerhin nicht ganz umsonst: Das alte System soll nun zukunftsfähig gemacht werden - indem man die Erfahrungen aus dem SAP-Projekt einbringt.
Egal welche Studie oder Statistik man auch nimmt: Die Erfolgsquoten von IT-Projekten fallen häufig ziemlich mau aus. Manche Experten sprechen davon, dass über 60 Prozent aller Projekte auf die eine oder andere Weise scheitern - die Kosten explodieren, das Ganze dauert am Ende deutlich länger als geplant, Zielvorgaben werden nicht erfüllt oder, wie im Beispiel von Lidl, es werden Projekte schlussendlich ganz eingestampft. Außer Kon­trolle geratene IT-Projekte sind dabei brandgefährlich. Sie vernichten Millionen und können Unternehmen unter Umständen auch in den Ruin treiben. Und nicht selten kosten sie dem einen oder anderen Manager den Job.
Doch um IT-Projekte kommt nun mal kein Unternehmen herum: Die Einführung einer neuen Software, die Erweiterung vorhandener Infrastrukturen oder die Nutzung neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz - IT-Projekte sind vielfältig und erstrecken sich quer durch alle Branchen und Abteilungen.
Grundsätzlich unterscheiden sich IT-Projekte aber nicht von anderen Projekten, erklärt Stefan Ebmeyer, Business Manager beim IT-Dienstleister Lufthansa Industry Solutions. Alle Herausforderungen in IT-Projekten könnten auch in anderen Arten von Projekten auftreten. „Spezifisch für IT-Projekte sind jedoch der Umgang mit modernsten Technologien, der hohe Business-Impact und die Notwendigkeit zwischen der Sprache der Anwender und der Sprache der IT zu übersetzen.“ Dennoch hat sich die Bedeutung von IT-Projekten in den letzten Jahren stark gewandelt. „Technologie hat sich vom Unterstützer für Geschäftsprozesse zum Treiber für völlig neue Geschäftsmodelle entwickelt“, so Jochen Malinowski, Leiter des Geschäftsbereichs Cloud, Infrastruktur und Software Engineering DACH beim Beratungsunternehmen Accenture. IT-Projekte würden heutzutage nicht mehr nur die Umsetzung eines neuen IT-Systems oder die Verwendung neuer Technologien umfassen, „sondern betreffen das gesamte Unternehmen, vom Fachbereich über die Anwendungen bis hin zur Infrastruktur“.
2. Teil: „Projekt-Herausforderungen“

Projekt-Herausforderungen

Die wohl größte Herausforderung bei Projekten rund um die IT ist die vorausschauende Planung, die den immer disruptiveren Wandel berücksichtigen muss. Das bedeutet konkret: „Die IT-Strategie muss passen, aber gleichzeitig muss ich mein Projekt so weit offenhalten, dass ich in der Lage bin, auf neue oder notwendige Veränderungen zu reagieren und agil zu sein“, betont Lutz Keller. Er ist Leiter DevOps bei der Münchner IT-Beratungsfirma Consol. In der IT stünde man oftmals vor komplexen Problemen, deren richtige Lösung nicht immer klar sei. „Die Technologien und Infrastrukturen unterliegen einem kontinuierlichen Wandel und - was noch wichtiger ist - immer wieder disruptiven Veränderungen, die in immer kürzeren Abständen auftreten.“ Dadurch sei es schwierig, ein großes IT-Projekt wie ein Bauvorhaben über mehrere Jahre bis zum Ende durchzuplanen. „Oft ändern sich durch die Schnelllebigkeit während des Projekts die Anforderungen, und damit umzugehen, ist eine besondere Herausforderung“, führt Keller weiter aus.
Komplexität und Schnelllebigkeit beißen sich oft mit althergebrachten Herangehensweisen, etwa Projekte mit strikten Zeitvorgaben zu versehen. Wenn Projektteams dann versuchen, diese Vorgaben einzuhalten, fangen die Probleme an, weil einzelne Bereiche zügiger - und damit möglicherweise nicht mit der gebotenen Sorgfalt - bearbeitet werden, als es für ein erfolgreiches Projekt notwendig wäre. Man spricht hierbei auch von einer technischen Schuld, die entsteht. Darunter versteht man beispielsweise den zusätzlichen Aufwand, den man für Änderungen und nachträgliche Erweiterungen an nicht wie vorgesehen funktionierender Software einplanen muss.
Martin Obmann, Geschäftsführer von tremso, Digitalagentur und IoT-Dienstleister, ergänzt, dass „auch die unterschiedlichen Befindlichkeiten verschiedener Stakeholder oft für immer neuen Hürden sorgen, die es im Projektverlauf zu überwinden gilt“.

Die richtige Strategie

Am Anfang eines jeden Projekts sollte daher eine ordentlich ausgearbeitete und ganzheitliche Projektstrategie stehen.Ganzheitlich ist sie dann, wenn sie sowohl Infrastruktur, Systeme und Anwendungen als auch Governance und Prozesse umfasst. „Das Ganze sollte dann wiederum in übergreifende Leitlinien eingebettet sein und letztendlich einem messbaren Zielbild folgen“, betont Jochen Malinowski, „mit formulierten Erfolgsfaktoren für die Durchführung von IT-Projekten.“
DevOps-Manager Lutz Keller unterstreicht, dass eine IT-Projektstrategie idealerweise dafür sorgt, dass Business und IT aneinander ausgerichtet sind. Dabei folge die IT-Strategie dem Leitbild des Business und orientiere sich daran, wie sie den Business-Zielen dienen kann, „etwa durch die Auswahl eines geeigneten Technologie-Stacks, die Erstellung von Blueprints oder den Einsatz von Vorgehensmodellen“.
Dabei gibt es durchaus auch Dinge, die man bewusst nicht in eine IT-Projektstrategie aufnehmen sollte - ein zu enges Korsett kann nämlich sehr hinderlich sein. So ist zum Beispiel eine fixe Liste an zu verwendenden Diensten und Produkten unter Umständen kontraproduktiv. Nach der Erfahrung von Martin Obmann sollte es definierte Leitlinien zur Auswahl von Diensten und Produkten geben, an denen sich ein IT-Projektteam orientieren kann. „Diese Leitlinien sollten einen gewissen Entscheidungsspielraum lassen, innerhalb dessen im Einzelfall entschieden werden kann.“
Ähnlich sieht es Frank Jacobsen, Vice President beim Beratungsunternehmen Capgemini: „Das gesamte Thema der Technologien ist zwar wichtiger Bestandteil der IT-Strategie, in der IT-Projektstrategie ist es jedoch von nachrangiger Bedeutung.“
3. Teil: „Einer hat das Sagen …“

Einer hat das Sagen …

Für jedes IT-Projekt sollte es einen Projektmanager geben. Er ist zuständig für die Planung, Umsetzung, Abnahme und Nachbereitung des Projekts. Er koordiniert dabei alles, delegiert einzelne Aufgaben und fungiert als Bindeglied zwischen den einzelnen Projektbeteiligten und den Führungsebenen. Ein Projektmanager sollte vor allem wissen, dass er nicht alles weiß. Das muss er auch nicht, denn dazu verfügt er hoffentlich über ein kompetentes Team für die Umsetzung.
Die Hauptanforderung an den Projektmanager ist kurz gesagt das Sicherstellen des wirtschaftlichen Erfolgs eines Projekts. „Die Vielschichtigkeit der Aufgabe zeigt, dass der Projektmanager eine Reihe von Kompetenzen benötigt: Er muss sowohl sach- als auch wirtschaftlich kompetent sein, gleichzeitig braucht er Führungserfahrung und die Fähigkeit, Konflikte mit dem Kunden oder innerhalb des Teams zu lösen“, erklärt Lutz Keller. „Er ist der Motivator, der sein Team immer wieder zu Leistung anspornt und dabei natürlich auch stets den Zeitplan im Blick hat.“
„So simpel es klingt: Die Projektmanagerin beziehungsweise der Projektmanager haben den Auftrag, ein Projekt im geplanten Zeitrahmen mit vollständigem Inhalt auf geplantem Qualitätsniveau innerhalb des Budgets abzuschließen“, fasst Frank Jacobsen zusammen. Interessant sei dabei, dass zur Erreichung dieser elementaren Ziele häufig weniger stark methodisches Projektmanagement-Wissen benötigt werde, sondern vielmehr Kommunikationsfähigkeit und Leadership die relevanten Eigenschaften seien.

Intern oder extern?

Bei jedem Projekt stellt sich früher oder später die Frage: selber machen oder andere machen lassen? Vor allem Mittelständler mit einem begrenzten IT-Budget und einer überschaubaren IT-Mannschaft dürften hier vielfach auf externe Dienstleister setzen, während große Unternehmen das eine oder andere Projekt selbst stemmen.
Grundsätzlich ist es laut Stefan Ebmeyer von Lufthansa Industry Solutions wünschenswert, ein Projekt intern betreuen zu lassen. Eine externe Betreuung sei dann zu wählen, wenn kein geeigneter interner Mitarbeiter verfügbar ist. „Das kann sich aus einem grundsätzlichen Mangel an Projektmanagern im Unternehmen ergeben oder wenn das anstehende Projekt spezielle Anforderungen an den Projektleiter stellt, die im Unternehmen nicht abgedeckt werden können.“
Es stellt sich hierbei die Frage, ob die Durchführung von IT-Projekten zu den Kernkompetenzen eines Unternehmens zählt. Frank Jacobsen zufolge sollte eine interne Umsetzung nur dann erwogen werden, wenn die eingesetzten Mitarbeiter tatsächlich mit genügend Zeit und Know-how für einen erfolgreichen Abschluss ausgestattet seien.
Auf die Frage, ob man ein Projekt intern oder extern erledigt, gibt es also keine einfache Antwort, da dies von sehr unterschiedlichen Faktoren abhängt. Ein Faktor ist nach Auffassung von Jochen Malinowski die Kritikalität eines Projekts und ob das dahinterstehende Know-how ebenfalls als unternehmenskritisch angesehen wird, sodass man bestimmte Dinge lieber inhouse lassen möchte. „Dann spielen auf dem Markt verfügbare Skills eine Rolle sowie die übergreifende IT-Strategie bezüglich der Zusammenarbeit mit Dienstleistern, Lieferlokationen und dem Betrieb.“ Die Entscheidung sollte auf jeden Fall sehr früh getroffen werden. Statistiken zeigten, dass die meiste Zeit in der Anfangsphase von Projekten verloren gehe. „Eine Entscheidungsphase über Lieferanten, Technologien und die Budgetierung, die sich über Monate hinzieht“, warnt Malinowski, „können sich Unternehmen kaum noch leisten.“
4. Teil: „Outsourcing-Risiken“

Outsourcing-Risiken

Über eines sollten sich Unternehmen jedoch im Klaren sein, wenn sie Projekte extern vergeben: Outsourcing geht immer auch mit einem gewissen Wissensverlust einher und ist mit einem Verlust an Entscheidungskompetenz verbunden. Andererseits wird sich oft genau aus diesem Grund auch für ein Outsouring entschieden.
Laut Lutz Keller von Consol lassen sich beim Outsourcen von IT-Projekten grob drei Risiken unterscheiden: das Qualitäts-, das Kommunikations- und das Lokationsrisiko. Das Qualitätsrisiko könnten Unternehmen minimieren, indem sie entweder den Anbieter anhand bestimmter Zertifizierungen überprüfen oder ihn nach ihren Prozessen arbeiten lassen, sodass ein bestimmter Qualitätsmaßstab gewährleistet sei. Das Kommunikationsrisiko lässt sich, so Keller, durch präzise Abstimmung mit dem Dienstleister mindern, aber nicht eliminieren. „Ein weiterer interessanter Faktor kommt hinzu, wenn der Dienstleister prinzipiell andere Vorstellungen von einer Zusammenarbeit hat, die beispielsweise kulturell bedingt sein können.“
Bleibt noch das Lokationsrisiko. Prinzipiell sollte es keinen Unterschied machen, an welchem Ort sich der Dienstleister befindet, doch sieht das in der realen Welt nach der Erfahrung von Lutz Keller anders aus. Das Outsourcing in Länder mit günstigen Löhnen geht nicht selten mit dem Risiko einher, dass Projekte aufgrund von politischen Umstände vor Ort scheitern. Sein Fazit: „All diese Risiken zusammengenommen münden in einem wirtschaftlichen Risiko für den Auftraggeber. Daher wird er die Risiken und den Gewinn durch das Outsourcing gut gegeneinander abwägen.“
Die wesentliche Gefahr besteht also darin, am Ende ent­weder technologisch und/oder personell in Abhängigkeit zu geraten.
Sechs wichtige Kriterien für IT-Projekte
Wo liegen die Gründe dafür, dass IT-Projekte ganz oder teilweise scheitern? Laut dem Project Management Institute (PMI), einem weltweiten Verband im Bereich Projektmanagement (PM), reichen die Ursachen von im laufenden Projekt umdefinierten Prio­­ritäten bis hin zu knappen Ressourcen.
Microsoft hat die PMI-Studie „Pulse of the Profession“ analysiert und sechs Gründe ausgemacht, die einen Projektplan außer Kontrolle geraten lassen.
Unflexible Methoden: Heute zeichnen sich viele Projekte durch eine agile Struktur aus. Ob Marketing, Personalwesen, IT, Fertigung oder andere Bereiche – fehlende Agilität und Flexibilität können den Erfolg jedes Projekts zunichtemachen.
Laut PricewaterhouseCoopers sind agile Projekte um 28 Prozent erfolgreicher als klassische Projekte.
Low-End-Software-Lösungen: Viele Unternehmen machen den Fehler, in eine Low-End-Software zu investieren, die nicht die erforderlichen Funktionen bietet. Knapp ein Viertel der Unternehmen setzt sogar überhaupt keine Projektmanagement-Software ein. Erfolgreiche Unternehmen haben erkannt, welche Bedeutung eine effizientere und umfassendere Projektmanagement-Software für den Projekterfolg hat.
Aber nicht jede Software ist gleich. Zuverlässigkeit, nahtlose Integration und einfache Bedienung sind die wichtigsten Fak­toren bei der Wahl einer neuen Projektmanagement-Software. Die Qualität der Software hängt außerdem davon ab, ob sie mit gängigen Lösungen kompatibel ist und ob sie professionelle, cloudbasierte PM-Services enthält. Nur so lassen sich Projekte flexibel und sicher und ohne größeren technischen Aufwand bewältigen.
Ineffiziente virtuelle Teams: Dezentrale Teams, die oft über mehrere Zeitzonen, Kulturen und Sprachen hinweg zusammenarbeiten, müssen noch einfacher als zuvor kommunizieren und ihre Zeit besser einteilen können. Um mit anderen verbunden und organisiert zu bleiben, benötigen Projektbeteiligte mobile Lösungen. So können sie von unterwegs den Projektfortschritt mitteilen, Unterhaltungen führen und Projektfristen auf einer Projektwebsite planen.
Mangelnde Unterstützung durch das Management: Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Projekte ist die Unterstützung durch eine Führungskraft, die ein persönliches Interesse an der Durchführung des Projekts hat und alle Phasen begleitet. Ein häufiges Pro­blem ist aber Zeitmangel. Daher sollten sich Unterstützer und Projektmanager vor dem Projektstart treffen, um Dinge wie Zeitaufwand, Reporting, Meetings und Eskalationspfad zu besprechen.
Darüber hinaus empfiehlt sich eine Software, mit der das Projektteam oder Unterstützer PM-Einstellungen eigenständig verwalten können.
Fehlende Abstimmung von Zielen und Strategien: Unklare Projektziele sind einer der Hauptgründe für das Scheitern von Projekten. Man sollte daher darauf achten, dass die wichtigsten strategischen Prioritäten gesetzt sind. Danach lässt sich überprüfen, ob – und wie – Projekte mit den strategischen Zielen des Unternehmens beziehungsweise der Abteilung in Einklang sind. So lassen sich Projekte priorisieren oder stoppen, falls diese eine niedrige Priorität haben oder mit der Gesamtstrategie in Konflikt stehen. Das spart Zeit, Arbeit, Geld und Ressourcen.
All dies sind wichtige Argumente, um sich die Unterstützung der Geschäftsleitung zu sichern.
Kommunikationsprobleme: Mangelnde Kommunikation ist ein weiterer wesentlicher Grund für gescheiterte Projekte. Aktuelle Studien belegen, dass sich die Kommunikation durch die Wahl der richtigen PM-Software deutlich verbessern lässt. Eine Echtzeit-Kommunikation ist entscheidend für den Projekterfolg, ganz gleich, ob man mit Teammitgliedern im Büro nebenan oder am anderen Ende der Welt kommuniziert.
5. Teil: „Agil oder klassisch?“

Agil oder klassisch?

Im Projektmanagement gibt es ein Schlagwort, mit dem alles besser gehen soll: Agilität. Damit sollen sich Projekte flexi­bler und schneller umsetzen lassen. Agilität soll helfen, auf Veränderungen und unvorhersehbare Ereignisse besser zu reagieren. Scrum und Kanban sind beim agilen Projektmanagement, insbesondere bei der Software-Entwicklung, die wohl bekanntesten Vorgehensweisen.„‚Agil‘ bezeichnet Methodiken in der Software-Entwicklung, die auf eine kundenorientierte Art und Weise der Produktentwicklung fokussieren - also endbenutzerzentriert und stark iterativ“, erklärt Gernot Gutjahr, Head of CIO Advisory bei der Unternehmens- und Managementberatung KPMG.
„Das ist ein riesiges Fass“, konstatiert Martin Obmann von tresmo. Grundsätzlich beschreibe Agilität eine Kultur zum iterativen und adaptiven Umgang mit Komplexität. „Es geht um die Anpassungsfähigkeit an sich ständig verändernde Rahmenbedingungen - was besonders bei innovativen Projekten immer der Fall ist.“ Traditionelle Methoden hingegen eigneten sich in vorab planbaren Domänen, in denen man Dinge nicht zum ersten Mal mache und dezidiertes Expertenwissen bereits vorhanden sei.
Im klassischen Projektmanagement wird der Projektumfang im Detail vollständig vor Projektstart festgelegt. Zum Beispiel ist beim Outsourcing von IT-Projekten dieser detaillierte Projektumfang Vertragsbestandteil. Jedes Abweichen vom vorab definierten Umfang erfordert eine vertragliche Ergänzung, einen sogenannten Change Request. Anders bei einer agilen Vorgehensweise: Hier wird der Projekt­umfang nur grob detailliert. Die weitere Detaillierung erfolgt im Lauf des Projekts in Zusammenarbeit zwischen dem Projektteam und den zukünftigen Anwendern oder dem Auftraggeber als Sprecher der Anwender. „Der administrative Aufwand für Change Requests wird minimiert, das Projekt kann einfacher auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren“, erläutert Stefan Ebmeyer von Lufthansa Industry Solutions. Andererseits steige die Unsicherheit beim Auftraggeber, was er tatsächlich für sein Projektbudget am Ende der Laufzeit als Ergebnis erhalte.
Ganz neu ist das Thema Agilität nicht. Jochen Malinowski von Accenture zufolge erleben wir bereits die dritte Agilitätswelle: „In der ersten Welle hat sich Agilität auf die Software-Entwicklung beschränkt.“ Methodisch führte dies zu einer Abkehr von Wasserfall- oder V-Modellen hin zu Scrum und Kanban. In der zweiten Welle wurde laut Malinowski die agile Sichtweise dann auf ganze Projekte ausgedehnt. „Die dritte Welle möchte ich mit dem Begriff ‚Geschäftsagilität‘ umschreiben. Hier geht es darum, die gesamte Organisation, das Betriebsmodell, die Art der Führung und eben auch Technologie, Methoden und Infrastruktur agil zu gestalten. Wichtig sind niemals die Methodiken an sich, sondern die Ideen dahinter und das unterschiedliche ‚Mindset‘.“
Doch eignen sich agile Methoden angesichts all dieser vielen Vorteile tatsächlich für alle IT-Projekte? „Für Software-Projekte würde ich das uneingeschränkt bejahen“, so das klare Statement von Frank Jacobsen von Capgemini. Wenn das IT-Projekt allerdings auch Bauleistungen wie beispielsweise IT-In­frastrukturen beinhalte, dann müsse man es unter Umständen anders bewerten.
Laut Stefan Ebmeyer sind besonders IT-Projekte geeignet, in denen direkte Anwenderschnittstellen erstellt werden. Hier sorge der agile Ansatz dafür, dass die späteren Anwender ein Produkt erhielten, mit dem sie gut leben könnten und das sie akzeptierten. Auch er nennt als weniger geeignete Projekte solche, die sich mehr im Backend- oder im In­frastrukturbereich bewegen. „Hier gibt es beispielsweise viele Abhängigkeiten zu Nachbarsystemen, die man sinnvoll vor Projektstart komplett analysiert und deren Berücksichtigung Teil des Projektauftrags werden.“ Eine nicht im Detail analysierte Abhängigkeit oder Schnittstelle könne im Projektverlauf zu erheblichen Verzögerungen und Mehrkosten bis hin zum Scheitern des Projekts führen.
Heutzutage wird aber oft auch vorschnell von agilen Methoden gesprochen: „Es reicht nicht, nur ein Lippenbekenntnis abzugeben“, betont Lutz Keller von Consol. Der Wechsel zur Agilität sei ein anhaltender Prozess, der Bewegung im gesamten Unternehmen brauche und erzeuge. Dabei stünde nicht so sehr der Wechsel der Prozesse im Vordergrund, „vielmehr erfordert Agilität das Verinnerlichen neuer Denkweisen - das ist die eigentliche Herausforderung.“
Wichtig ist dabei, agile Methoden nicht als Allheilmittel zu sehen: Die reine Anwendung agiler Methoden macht aus einem Unternehmen noch lange kein agiles Unternehmen. Hierzu bedarf es einer Änderung in der Organisation, dem Betriebsmodell, der Kultur, der Art der Führung und in vielen anderen Punkten. Jochen Malinowski bestätigt das. Ihm zufolge sollte darüber hinaus auch eine intensive Auseinandersetzung mit den Methoden erfolgen. „Wir sehen in der Praxis vielfach, dass genutzte Methoden gar nicht ausreichend trainiert und verstanden, aber trotzdem schon als neuer Standard deklariert wurden.“ Das führe oft einfach zu keinem guten Ergebnis.
6. Teil: „Typische Fehler“

Typische Fehler

Ob klassische Methode oder agiles Vorgehen - es gibt eine Reihe typischer Fehler, die ein IT-Projekt gefährden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Unternehmen der Anforderungserhebung nicht genügend Stellenwert beimisst. Oder es herrscht eine Unternehmenskultur, die Fehler bestraft und nicht für Verbesserungen nutzt. Auch die Trennung von Business und Umsetzern in der IT oder unzureichend hohe Testniveaus führen nicht selten zu wenig zufriedenstellenden Resultaten.
Auch ein Zuviel an Planung kann sich negativ auswirken, wie Lutz Keller zu bedenken gibt. Es sei ein klassischer Fehler, Projekte von Beginn an durchzuplanen und dann am Plan festzuhalten, da sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Anforderungen während der Projektlaufzeit ändern. Es komme auch vor, dass Unternehmen rein nach Kostengesichtspunkten outsourcen, jedoch nicht die Gesamtleistung inklusive Overhead und Qualität betrachten.
IT-Projekte sind hier nicht anders als andere Projekte. Capgemini-VP Frank Jacobsen sieht zwei wesentliche Konstellationen, die einen Projekterfolg gefährden: „Unerfahrene Projektleiterinnen und Projektleiter verfallen gern dem ‚Prinzip Hoffnung‘ anstelle eines professionellen Risikomanagements.“ Und zweitens: In Organisationen ohne ausgeprägte Fehlerkultur gebe es so gut wie nie „rote“ Statusberichte, „obwohl gerade Situationen, in denen der Projektmanager Hilfe von ‚oben’ braucht, so früh wie möglich erkannt werden müssen, um das Scheitern eines Projekts noch abzuwenden“.

Fazit & Ausblick

Projektarbeit bedeutet, eine Aufgabe zu erfüllen, für die ein bestimmter Ressourcenkreis für eine begrenzte Zeit zusammentritt und eine Lösung bis zu einem bestimmten Termin zu liefern hat. Diese Form der Aufträge gab es in der Arbeitswelt schon immer. Das wirklich Spannende an vielen Projekten ist heutzutage, dass IT und Business sich gegenseitig antreiben.
Neue, disruptive Technologien ermöglichen neue Geschäftsmodelle, die wiederum zu einer starken Weiterentwicklung der IT führen. Die Geschwindigkeit, mit der das passiert, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Und darauf müssen Unternehmen reagieren. „Die agile Methodik versucht, in diese Entwicklung wieder Kontinuität zu bringen. So wird zum Beispiel nicht so sehr das Projekt mit seinen zeitlichen Grenzen, sondern das Produkt für das Business und dessen Kundennutzen in den Vordergrund gestellt“, so DevOps-Leiter Lutz Keller von Consol. Der Trend zum agilen Arbeiten werde ungebrochen bestehen bleiben, „weil sich die IT-Architekturen und das Setup der IT-Landschaften mehr und mehr an den Teams und der Zusammenarbeit von Mitarbeitern orientieren“.
Auch Gernot Gutjahr von KPMG sieht das Thema Agilität als den aktuell wichtigsten Trend in Sachen Projektmanagement: „Agil ist eine der wichtigsten Triebfedern des Silicon Valley für schnelle Innovation, zu lernen und sich anzupassen.“ Zunächst seien agile Methoden in der Software-Entwicklung eingesetzt worden, um Code iterativ zu schreiben und freizugeben, ohne Monate oder Jahre auf die Freigabe von Funktionalität zu warten. „Der Begriff hat sich mittlerweile auf viele Facetten der Lösungsentwicklung ausgeweitet, mit den gleichen zugrundeliegenden Prinzipien – iterative Entwicklung, häufige Freigabe, Fokus auf den Kunden und Zusammenarbeit in einem funktionsübergreifenden Team - wobei Test- und Lernmethoden immer Vorrang vor detaillierter Planung haben.“
Und Corona tut ein Übriges: Unterstützt durch die Pandemie und die voranschreitende Verbesserung von Kommunikationssystemen wie Microsoft Teams, Slack oder Zoom wird die Remote-Projektarbeit zunehmen. Das bringt laut Stefan Ebmeyer von Lufthansa Industry Solutions für die Projekt­mitarbeiter, vor allem aber für den Projektleiter ganz neue Herausforderungen mit sich: „Wie kann ich einen Teamspirit aufbauen, wenn sich das Team nie oder nur selten persönlich trifft?“
7. Teil: „Im Gespräch mit Dr. Finn Breuer von CGI“

Im Gespräch mit Dr. Finn Breuer von CGI

  • Dr. Finn Breuer: Executive Consultant bei CGI
    Quelle:
    CGI
Im Zusammenhang mit Projekten ist immer öfter von agilen Methoden die Rede. Auf diese Weise sollen zum Beispiel kurze Entwicklungszyklen - auch Sprints genannt - die kontinuierliche Verbesserung bei der Entwicklung eines Produkts oder Dienstes gewährleisten. Dabei bezeichnet Agilität nicht nur die Ausgestaltung eines Projekts, sondern die dauerhafte Ausrichtung unter Umständen des gesamten Unternehmens, wie Finn Breuer im Interview erklärt. Er ist Executive Consultant beim Beratungsunternehmen CGI.
com! professional: Herr Breuer, bei Projekten spricht man häufig von agilen Methoden. Was genau macht Agilität aus? Und worin unterscheiden sich klassische und agile Methoden?
Finn Breuer: Agile Methoden, zum Beispiel Scrum oder Kanban, sind wie das klassische Vorgehen (Wasserfall) Vorgehensmodelle für die Umsetzung von Projekten sowie für die dauerhafte Lieferung von Leistungen in Richtung des Kunden.
Agilität bezeichnet nicht nur die temporäre Ausgestaltung eines (Pilot-)Projekts mit agilen Methoden, sondern die dauerhafte Ausrichtung der IT oder sogar der gesamten Organisation - und damit auch des Geschäftsbetriebs - auf agile Methoden. Mit der Agilisierung von ganzen Organisationen, seien es Unternehmen oder zum Beispiel Organisationen im öffentlichen oder öffentlichkeitsnahen Umfeld, geht die konsequente und kompromisslose Kundenzentrierung einher. Das Ziel der Organisation ist fortan, sämtliche Aktivitäten zur Erbringung von Produkten und Dienstleistungen auf den Kunden auszurichten und im besten Fall bereits während der Produktentwicklung mit dem Kunden partnerschaftlich zu interagieren.
com! professional: Und welche Bereiche eines Unternehmens sind davon betroffen?
Breuer: Der damit verbundene Wandel der Organisation betrifft alle Bereiche und Personen innerhalb der Organisation, seien es Rollen, Abläufe, Zeitrahmen, Kultur, Zusammenarbeit, Entscheidungen, Hierarchien, Technologie et cetera. In manchen Organisationen kommt die Agilisierung einer Revolution gleich.
com! professional: Eignen sich agile Methoden für alle IT-Projekte?
Breuer: Nein. Agile Methoden erfordern veränderte Rollen, Vorgehen, Abläufe und Lieferergebnisse in der Projektorganisation. Der Einsatz agiler Methoden muss gewollt sein und unterstützt werden - unter anderem vonseiten des Managements. Bleibt ein solches Commitment aus, wird es für agil aufgesetzte IT-Projekte schwer, ihr Vorgehen zu erklären und entsprechende Ergebnisse zu produzieren.
com! professional: Agilität passiert allerdings nicht von allein …
Breuer: Zunächst einmal gilt es, die für das jeweilige Vorhaben passende agile Methode zu ermitteln. Hier können praxiserfahrene interne oder externe Experten helfen. Oftmals hilft es, von externen Experten zu erfahren, wie Organisationen in einem vergleichbaren Umfeld mit derartigen Herausforderungen umgegangen sind und welche Erfahrungen gemacht wurden. Ist die passende agile Methode identifiziert, müssen einerseits die verantwortlichen Stellen das agile Vorgehen unterstützen, andererseits wird entsprechend in der agilen Methode geschultes Personal benötigt. Unterschiedliche agile Methoden bringen unterschiedliche Rollen und Verantwortlichkeiten mit sich. Dazu kommen gegebenenfalls spezielle Anforderungen an Zeit, Werkzeuge, Interaktionen und Lieferergebnisse.
com! professional: Ein in der Praxis immer wieder vorkommendes Dilemma sind unklare Anforderungen, die die Basis eines erfolgreichen Projekts bilden. Was sind die klassischen Fehler, die ein IT-Projekt gefährden?
Breuer: Ist nicht klar genug definiert, was sich genau hinter einer fachlichen Anforderung verbirgt und wann diese Anforderung von der IT als „fertig umgesetzt“ gilt (Definition of Done), dann besteht die realistische Gefahr, dass Zeit, Kosten und Qualität aus dem Ruder laufen. Auch wenn die Ziele eines Projekts eigentlich klar sind, nehmen sich erfolgreiche Projekte zu Beginn dennoch bewusst Zeit, um Anforderungen zwischen Fach- und IT-Seite sauber zu definieren, zu dokumentieren und fachlich auf der gültigen Basis zu beauftragen. Änderungen von Anforderungen im Lauf des Projekts sind gängig und werden mithilfe eines Change Requests sauber dokumentiert und zur Umsetzung, zum Beispiel durch die IT, beauftragt. Ein sorgfältiges Vorgehen auf dieser Ebene erspart allen Beteiligten unnötigen Stress und Probleme bei der Umsetzung des Projekts in den gegebenen Zeit-, Budget- und Qualitätsvorgaben.
com! professional: Heutzutage hat ja praktisch jeder im Beruf mit Projekten zu tun. Welchen Stellenwert hat die Projektarbeit in Unternehmen? Wird Arbeit in Projekten neben den eigentlichen Berufsaufgaben wichtiger und anspruchsvoller?
Breuer: Projektarbeit ist heute essenzieller Bestandteil in Unternehmen - ob im Fachbereich oder in zentralen Funktionen wie IT, HR, Legal oder Marketing. In Projekten werden neue oder geänderte Markt- oder Kundenanforderungen umgesetzt, die entweder einmalig benötigt werden oder dauerhafter Bestandteil einer geänderten Organisation werden sollen. Die einmal definierte Organisation zur Befriedigung der statischen Kundenbedürfnisse gibt es nicht mehr.
com! professional: Was sind die Trends? Wie organisieren Unternehmen ihre IT-Projekte in einigen Jahren?
Breuer: Basierend auf der aktuellen Kundenbefragung von CGI, den „CGI Client Global Insights 2020“, ist das Thema Business-Agilität die drittwichtigste Geschäftspriorität von Unternehmen. Doch lediglich 12 Prozent der befragten Führungskräfte erzielen bislang die erwarteten Resultate aus ihrer Business-Strategie. 84 Prozent sehen den kulturellen Wandel im Unternehmen als größte Barriere für das Projektmanagement.
Dabei zeigen Untersuchungen, dass Unternehmen, die hochgradig agil sind, ihre Konkurrenten in Bezug auf Umsatz und profitables Wachstum um das Zwei- bis Dreifache übertreffen.
com! professional: Agile Geschäftspraktiken treiben also die Ergebnisse im gesamten Unternehmen voran …
Breuer: Agile Methoden erobern immer stärker den IT-Bereich und damit auch IT-Projekte. Diese Bewegung zieht mittlerweile auch den Geschäftsbereich mit - in diesem Zusammenhang ist dann von Business Agility die Rede.
Darunter wird aber nicht die „eine“ Maßnahme oder das „eine“ Vorgehen verstanden, sondern die kompromisslose Ausrichtung auf die Kunden mit ihren Bedürfnissen. Kunden werden in Zukunft durch weitgehend autonom agierende Business-Teams begleitet. Diese Teams orientieren sich klar an den Bedürfnissen des Kunden, sind auf Innovation ausgerichtet und beinhalten situativ unterschiedliche Mitspieler aus allen Bereichen der Organisation, also zum Beispiel neben Business-Spezialisten auch situativ Experten aus IT, HR, Legal oder Marketing.
Entscheidungen für den Kunden werden dabei durch die dezentralen Business-Teams schnell, flexibel und nah am Kunden getroffen, ohne langatmige Entscheidungsprozesse von Stellen oder Personen, die weit entfernt vom Kunden sind.

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