Business-IT
13.05.2019
Invoice-Management
1. Teil: „E-Rechnung für Firmen und Behörden ist (fast) da“

E-Rechnung für Firmen und Behörden ist (fast) da

Rechnung auf Laptop-BildschirmRechnung auf Laptop-BildschirmRechnung auf Laptop-Bildschirm
Tetiana Yurchenko / shutterstock.com
Die digitale Rechnung bei öffentlichen Aufträgen wird Pflicht - die Cloud hilft bei der Umsetzung. Besonders KMUs sind damit allerdings oft noch überfordert.
  • Rechnung online: Mit Angeboten wie invoiz lassen sich Rechnungen direkt in der Cloud erstellen und bearbeiten.
    Quelle:
    invoiz
Spätestens im kommenden Jahr soll die elektronische Rechnung in der EU zum allgemeinen Standard werden - und alle Unternehmen, die an öffentlichen Aufträgen inte­ressiert sind, müssen sich darauf einstellen.
2014 beauftragte die EU-Kommission das Europäische Komitee für Normung (CEN) mit Sitz in Brüssel damit, einen Standard für elektronische Rechnungen (E-Rechnungen) zu erarbeiten. Herausgekommen ist die Norm EN16931 von Mitte Oktober 2017, die alle öffentlichen Auftraggeber in der EU dazu verpflichtet, spätestens nach 30 Monaten elektronische Rechnungen empfangen und verarbeiten zu können.
Für Deutschland gelten laut E-Rechnungs­gesetz folgende Umsetzungsfristen: Bundesministerien und Verfassungsorgane wie der Bundesrat müssen seit 27. November 2018 elektronische Rechnungen empfangen, alle anderen Bundeseinrichtungen ab 27. November 2019. Für Landeseinrichtungen und kommunale Einrichtungen wie Finanzämter, Gemeindeverwaltungen, Krankenhäuser und Universitäten gelten Landesgesetze. Deadline ist in jedem Fall aber der 18. April 2020. Wichtig ist auch der 27. November 2020. Ab diesem Tag müssen alle Lieferanten ihre Rechnungen elektronisch einreichen können.

Milliarden-Einsparung

Allein für Deutschland haben Fachleute für den Umstieg auf die elektronische Rechnung ein Einsparpotenzial von bis zu 4,5 Milliarden Euro jährlich errechnet. Bei jeder an die öffentlichen Verwaltungen gestellten Rechnung sollen sich bis zu 20 Euro einsparen lassen, haben Donovan Pfaff und Bernd Skiera vom Beratungshaus Bonpago sowie Stefan Wälde von Lufthansa in einer gemeinsamen Studie geschätzt. Bonpago, ein 2000 gegründetes Spin-off aus dem Lehrstuhl für Electronic Commerce und dem E-Finance Lab der Goethe-Universität in Frankfurt, ist auf Financial Supply Chain Management (FSCM) spezialisiert.
Die EU-Kommission geht sogar von einem noch weit höheren Einsparpotenzial von 30 bis 40 Euro pro Rechnung aus. Das würde die öffentlichen Haushalte jedes Jahr um bis zu 8,9 Milliarden Euro entlasten.

Umsetzungsprobleme

So weit die Vorgaben und Schätzungen. Bei der praktischen Umsetzung hapert es bei vielen öffentlichen Auftraggebern jedoch noch. So rechnet etwa die bayerische Landeshauptstadt München nicht mehr damit, die für den Empfang und die Verarbeitung elektronischer Rechnungen benötigte IT-Lösung bis zum vorgegebenen Termin vollständig einführen zu können. Die wichtigsten Gründe für die Verzögerung seien nicht ausreichend verfügbare Ressourcen, fehlende standardisierte Abläufe sowie zu viele Beteiligte und zu lange Entscheidungswege. Auch lägen wesentliche Rechtsvorschriften noch gar nicht vor.
Die Münchner Stadtverwaltung plant deswegen ein „Notfallszenario“, um E-Rechnungen empfangen, revisionssicher archivieren und ausbezahlen zu können. Das bedeutet, dass elektronisch eingegangene Rechnungen erst ausgedruckt und dann von Mitarbeitern manuell in das bisherige System aufgenommen werden. Die „Süddeutsche Zeitung“ bezeichnete dieses Vorgehen als „legales Schlupfloch“.
Der Aufwand für die Umstellung ist in der Tat immens. Jährlich erhält eine Großstadt wie München nach Angaben der Stadtkämmerei etwa 450.000 Rechnungen von mehr als 30.000 Lieferanten. Bislang gehen diese Rechnungen noch in Papierform an ungefähr 3500 Empfängeradressen bei den diversen Dienststellen der Stadtverwaltung. Nach Bestätigung der Korrektheit einer Rechnung durch einen der circa 13.500 sogenannten Feststeller wird die Rechnung in ein SAP-Buchhaltungssystem übertragen. Erst nach der Freigabe durch einen der 1500 „Anordnungsbefugten“ erfolgt dann die Auszahlung des Rechnungsbetrags.
Allein in der Stadt München müssen also bis zu 15.000 Personen in das System der elektronischen Rechnungsstellung und -bearbeitung eingebunden werden.
2. Teil: „Rechnungen as a Service“

Rechnungen as a Service

  • Quelle:
    Lehrstuhl für Betriebswirtschaft Universität Frankfurt
Kleinere und mittlere Unternehmen haben zwar nicht so viele Mitarbeiter, trotzdem sind auch sie zunehmend gefordert, ihr Rechnungssystem auf eine rein elektronische Verarbeitung umzustellen - gleichgültig ob sie selbst öffentliche Aufträge annehmen oder nicht. Dazu bieten sich Invoice-Lösungen an, die vermehrt über die Cloud angeboten werden. Drei Beispiele zeigen, was für diese Gruppe von Unternehmen im Angebot ist.
Seit Ende 2017 verfügbar ist etwa die SaaS-Lösung invoiz. Entwickelt wird sie von der Buhl-Gruppe, von der auch die bekannte WISO-Software stammt. Mit invoiz können Selbstständige und kleine Unternehmen ihre Angebote, Rechnungen und Mahnungen direkt in der Cloud erstellen. Im Fokus steht dabei nach Angaben des Unternehmens vor allem die Usability und die Minimierung des Verwaltungsaufwands. „Rechnungen schreiben sollte kein nerviges Pflicht­programm mehr sein, sondern Spaß machen“, erklärt dazu Moritz Buhl, Head of Business Unit invoiz.
Zu den Funktionen von invoiz zählen eine integrierte Zeit­erfassung nach Stunden- und Tagessätzen sowie ein Export der relevanten Daten für den Steuerberater. Seit diesem Frühjahr ist es möglich, eine mit invoiz erstellte Rechnung um einen vorausgefüllten klassischen Überweisungsträger zu ergänzen. Die Speicherung der Daten erfolgt laut Anbieter auf eigenen, redundant ausgelegten Servern in Deutschland. Die Kosten für invoiz bleiben überschaubar. Bis zu einem Jahresumsatz von 17.500 Euro zahlt man rund 7 Euro im Monat, bis 240.000 Euro Umsatz 16 Euro. Das Umsatzlimit entfällt bei einem Abo für 30 Euro.
Auf die neuen Anforderungen vorbereitet hat sich auch die mittelständische Software-Schmiede gotomaxx aus Hauenstein in Rheinland-Pfalz. Ihre Lösung PDFMAILER ist wie der Name nahelegt vor allem auf das PDF-Format ausgelegt. Mittlerweile ist es damit aber auch möglich, Rechnungen in das Format XRechnung umzuwandeln und sie dann etwa für den Dokumentenaustausch mit einer Behörde zu verwenden. Zusätzlich unterstützt PDFMAILER auch ZUGFeRD 2.0 (siehe dazu unten stehenden Kasten „Standards für elektronische Rechnungen“). Die Business-Version für einen Arbeitsplatz kostet 195 Euro, Unternehmen können die Lösung in der Standardvariante zunächst kostenlos testen. Zudem ist es möglich, den kompletten elektronischen Postversand eines Unternehmens in die Cloud zu verlegen. Die Kosten für die gotomaxx Portalcloud belaufen sich auf 9,90 Euro pro Monat. Alternativ kann der benötigte Server für 890 Euro auch erworben und selbst gehostet werden. Einen Einblick in das Programm erleichtert die 14-tägige kosten­lose Testphase.
Drittes Beispiel: Auch die Rechnungs-Software GetMy­Invoices der Fino Data Services aus Lübeck ist als Cloud-Lösung verfügbar. Sie richtet sich ebenfalls an kleine bis mittelständische Unternehmen und ermöglicht es ihnen, ihre Rechnungen direkt im Browser zu bearbeiten. GetMyInvoices gibt es in fünf Abo-Stufen von 11 bis 59 Euro pro Monat. Für je 40 Euro mehr umfasst die Lizenz auch ein Workflow-Management. Die Desktop-Software gleichen Namens gibt es noch, sie wird aber nicht mehr weiterentwickelt.
Tabelle:

3. Teil: „Informationsdefizite“

Informationsdefizite

  • Erwartungen: Unternehmen erhoffen sich vom Versand digitaler Dokumente vor allem Kostensenkungen und eine schnellere Bearbeitung.
    Quelle:
    Neoopost "Dokumentenversand in Unternehmen", 2016 (Mehrfachnennungen möglich, n=202)
Obwohl es also bereits Lösungen für elektronische Rechnungen gibt, die teilweise auch direkt in der Cloud genutzt werden können, sind sie noch nicht sehr weit verbreitet. Außerdem beherrschen noch längst nicht alle die von der EU-Kommission geforderten Standards.
Auch aufseiten der Anwender ist man noch zögerlich. „Wir haben festgestellt, dass noch immer große Unsicherheit da­rüber herrscht, was genau auf die betroffenen Unternehmen zukommt“, kommentiert Yuri Buholzer, E-Invoicing-Spezialist bei Neopost. Das auf die Bearbeitung von Geschäftspost aller Art spezialisierte Unternehmen mit Hauptsitz in Frankreich ist 1992 aus der Alcatel-Group hervorgegangen und erwirtschaftet eigenen Angaben zufolge mit rund 5800 Mit­arbeitern einen jährlichen Umsatz von mehr als 1,1 Milliarden Euro.
Unsicherheit herrscht laut Buholzer auch bei der Frage, wie viel Zeit die Unternehmen noch haben, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um auf elektronische Rechnungen umzustellen. Es werde jedenfalls nicht damit getan sein, so betont Buholzer, „zukünftig einfach E-Mails mit PDF-Rechnungen im Anhang zu verschicken“. Stattdessen müssten „echte E-Rechnungen“ in einem speziellen, von der EU vorgegebenen Format übermittelt werden. Am wichtigsten seien dabei die beiden mittlerweile frei verfügbaren Standards XRechnung und ZUGFeRD 2.0. Gängige Rechnungs-, ERP- oder Buchhaltungssysteme seien aber meist noch nicht in der Lage, entsprechende Rechnungsdatensätze bereitzustellen. Laut Buholzer erfordert das teils noch erhebliche Investitionen in neue Hard- und Software-Systeme oder die Zusammenarbeit mit einem Dienstleister.
Standards für elektronische Rechnungen
PDF war lange Zeit das wichtigste Format für elektronische Rechnungen. Geeignete Programme zum Erstellen und Betrachten gibt es dafür in großer Zahl. Solange nur Menschen diese Rechnungen bearbeiten mussten, klappte das auch sehr gut. Mit dem Aufkommen der Maschinenlesbarkeit gab es aber größere Probleme. Deswegen wurden mehrere hybride Rechnungsformate entwickelt, die auf PDF basieren, aber zusätzlich strukturierte Inhalte im XML-Format enthalten.
So wurde etwa vom Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) das Format ZUGFeRD 1.0 vorgestellt. Es basiert auf den internationalen Standards Cross Industry Invoice (CII) sowie den Message User Guides (MUG), ist aber nicht mehr mit dem nun von Behörden geforderten Format XRechnung vereinbar.
Mit ZUGFeRD 2.0 hat sich das geändert. Diese Version entspricht der europäischen Norm zur elektronischen Rechnungsstellung EN16931. Damit werden die Anforderungen der EU ebenfalls erfüllt. Rein optisch sind diese Formate nicht von normalen PDF-Rechnungen zu unterscheiden. Der Unterschied liegt in den eingebetteten Datensätzen, die sich elektronisch besser auswerten lassen.
4. Teil: „Planspiel Rechnungsaustausch“

Planspiel Rechnungsaustausch

  • Quelle:
    Stadtkämmerei
Auch die Behörden tun sich schwer. So kam der Verband elektronische Rechnung (VeR) nach einem 2018 durchgeführten „Planspiel zum elektronischen Rechnungsaustausch“ zu einem niederschmetternden Ergebnis: Bereits bei der Einrichtung des Planspiels habe sich herausgestellt, dass „kleine und mittlere Unternehmen nur rudimentäre Kenntnisse zur elektronischen Rechnungsstellung und insbesondere zu Semantik und Syntax der zugehörigen Datenformate haben“, schreibt der Verband in seinem Abschlussbericht.
Mit dem Thema werde vorrangig der Versand und Empfang von Rechnungen als PDF-Bilddatei assoziiert und weniger die Verarbeitung von strukturierten Daten. Aus diesem Grund konnte der VeR kein einziges KMU finden, das an den Planspielen hätte teilnehmen können. Stattdessen mussten „echte Musterrechnungen aus der Praxis“ verwendet werden. Die Abbildung dieser Rechnungen auf den geforderten XRechnung-Standard habe ergeben, „dass die manuellen Prozesse beziehungsweise die rechnungsstellenden Systeme der Lieferanten geändert werden müssten“. 30 Prozent der Belege bedürften „zwingend einer Anpassung der rechnungsstellenden Personen oder Systeme“. Beispielsweise müsste die Darstellung von Rabatten oder Abschlägen angepasst werden.
Auch Sammelrechnungen müssten künftig „in viele Einzelrechnungen aufgeteilt werden, wenn alle wesentlichen Informationen auf Positionsebene strukturiert übermittelt werden sollen“. Das treffe insbesondere dann zu, wenn mehrere Bestellbezüge oder mehrere Lieferorte vorhanden seien. Diese müssten dann „in Einzelrechnungen pro Bestellung und pro Lieferort aufgelöst werden, wenn diese Daten strukturiert verarbeitet werden sollen“.
Ein Effizienzgewinn ergebe sich erst, wenn Verarbeitungsprozesse wie die Rechnungsprüfung automatisiert erfolgen könnten. Bei einer weiter erforderlichen manuellen Prüfung vieler Einzelrechnungen sei sogar mit einer Erhöhung des Verwaltungsaufwands zu rechnen.
Darüber hinaus betonen die Autoren des Abschlussberichts den weiterhin bestehenden großen Aufklärungsbedarf zu den Einführungsfristen und spezifischen Anforderungen des elektronischen Rechnungsaustauschs zwischen Unternehmen und Verwaltungen. Das gelte insbesondere, weil 99,3 Prozent der 2,5 Millionen Unternehmen in Deutschland zu den KMUs gehören. Rund zwei Millionen davon haben maximal neun Mitarbeiter und damit einen „nicht zu unterschätzenden Aufklärungsbedarf“.
Dazu kommt, dass es Sonderregelungen zu beachten gilt, wie sie die Münchner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PSP Peters, Schönberger & Partner in ihrem Leitfaden „Die elek­tronische Rechnung in der öffentlichen Verwaltung“ erwähnt. So gebe es eine Bagatellgrenze bei Direktaufträgen mit einem voraussichtlichen Auftragswert von unter 1000 Euro. Eine Verpflichtung zur Abgabe elektronischer Rechnungen bestehe hier nicht. Ausnahmen betreffen auch geheimhaltungsbedürftige Rechnungsdaten oder den Auswärtigen Dienst.

Fazit & Ausblick

Die Zeit drängt. Die öffentlichen Auftraggeber in der Europäischen Union stellen auf elektronische Rechnungssysteme um. Auch wenn dieser Vorgang nicht immer glatt läuft, werden sich viele Unternehmen aus der Privatwirtschaft dem Umstellungsdruck nicht mehr lange entziehen können. Gerade kleinere bis mittlere Firmen sind damit bislang jedoch häufig überfordert. Im schlimmsten Fall kann sie dies wichtige Aufträge kosten, wenn sie nicht mehr zu behördlichen Ausschreibungen zugelassen werden. Aber auch auf Anbieterseite ist noch einiges zu erledigen. Noch längst nicht alle Hersteller haben die neuen Standards bereits in ihre Lösungen inte­griert, seien ihre Angebote nun schon cloud­fähig oder noch nicht.

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