Business-IT
06.11.2019
Trend Co-Location
1. Teil: „Ein Rechen­zentrum als Untermieter“

Ein Rechen­zentrum als Untermieter

RechenzentrumRechenzentrumRechenzentrum
Maximumm / shutterstock.com
Server-Housing verdrängt in vielen Firmen das selbst betriebene Rechenzentrum. Der Trend geht hin zu Co-Locations. Deutsche Strompreise behindern die Entwicklung jedoch.
  • Klares Motiv: Für 32 Prozent der Unternehmen ist bei Investitionen in Data-Center-Services die Steigerung der Produktivität der Geschäftsbereiche ein wichtiger Treiber.
    Quelle:
    IDC, 2019 (n = 210)
Das Data-Center ist tot“, erklärte kürzlich der Gartner-Analyst David Cappuccio, meinte damit aber keineswegs das Ende aller Rechenzentren. So sind Cloud-Services keine Alternative zu Rechenzentren, sondern sie werden selbst aus Data-Centern bezogen. Was der Marktforscher damit tatsächlich aussagen wollte, war, dass die selbst betriebenen Rechenzentren langsam aussterben. Bis 2025 sollen laut Gartner 80 Prozent aller Firmen ihre eigenen Rechenzentren abgeschaltet haben. Stattdessen werden die Unternehmen auf Co-Location, Hosting und Cloud-Dienste setzen.
„Die Verantwortlichen für Infrastruktur und Betrieb müssen sich darauf vorbereiten, Work-loads basierend auf den Geschäftsanforderungen zu platzieren, ohne durch den physischen Standort eingeschränkt zu sein“, meint Ross Winser, Senior Research Director bei Gartner. „Von Co-Location bis zur Public Cloud - es gibt viele Alternativen zu lokalen Rechenzentren. Die Führungskräfte müssen herausfinden, ob es wirklich strategische Gründe gibt, um den Bedarf vor Ort aufrechtzuerhalten, insbesondere wenn sie bedenken, dass sich das erhebliche Investitions­volumen oft erst über viele Jahre amortisiert“, so Winser weiter. Die Vorbereitungen dazu müssten allerdings jetzt beginnen, da der kritische Zeitrahmen dafür zwischen 2021 und 2025 liege.
Antje Tauchmann von der German Datacenter Association empfiehlt, auf den richtigen Mix bei den IT-Infrastrukturen zu achten: „Basis-IT und kritische Daten finden im Co-Location-Rechenzentrum oder in der Private Cloud ihr sicheres Zuhause, während weniger sensible Daten in der Public Cloud gut aufgehoben werden können. Wie die Aufteilung genau aussehen sollte, bedarf dabei einer spezifischen Analyse und Planung.“

Vorteil Co-Location

Welche Alternative zum eigenen Rechenzentrum gewählt wird, hängt unter anderem davon ab, ob ein Unternehmen bereits über geeignete Hardware verfügt oder nicht. Bei Hosting-Modellen stammt die Hardware vom Betreiber des Data-Centers, bei Co-Location dagegen bringt ein Unternehmen eigene Hardware im Rechenzentrum des Anbieters unter. Man spricht bei Co-Location auch von Server-Housing, doch bekommt man mehr als nur die Räumlichkeiten für die eigenen Server, und zwar die Vorteile des jeweiligen Standorts wie schnelle Glasfaserverbindungen, Gebäudeinfrastrukturen wie Klimatisierung und Einrichtungen für die physische Sicherheit wie eine hochwertige Zutrittskontrolle, Brandschutz und Videoüberwachung.
Je nach Anbieter und gebuchten Co-Location-Services teilt man sich einen Server-Raum mit anderen Kunden, dann sind zum Beispiel die Serverracks speziell gesichert. Oder man erhält einen exklusiven Co-Location-Bereich, bei dem beispielsweise die Sicherheitsmaßnahmen auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden können.
„Gerade mittelständische Unternehmen haben zum Teil nicht die Expertise oder Mittel, um die passenden räumlichen Anforderungen für ein zuverlässiges, professionelles eigenes Rechenzentrum (RZ) zu erfüllen, besonders in Bezug auf Sicherheit, effiziente und effektive Kühlung sowie auf die Stromversorgungsinfrastruktur“, weiß Roman Bansen, Referent IT-Infrastrukturen beim Digitalverband Bitkom. „Da ist ein Spezialist auf diesem Sektor die passende Lösung. Teils sind auch Kostenüberlegungen ausschlaggebend - ein großer Co-Location-Betreiber hat ein entsprechendes Scale of Business, um die Infrastruktur kostengünstiger einzukaufen.“
Co-Location verringert den Investitionsaufwand für die IT, erklären die Marktforscher von IDC den Trend hin zu Co-Location. Die entsprechenden Angebote auf dem Markt beschränken sich ihnen zufolge nicht mehr auf die Core-Komponenten „Space, Power und Netzwerk“, sondern würden um Plattformen für den Betrieb hybrider Infrastrukturen erweitert. Damit träfen sie auf einen hohen Bedarf seitens der Anwenderunternehmen. 53 Prozent der von IDC befragten Unternehmen nutzen Co-Location-Ser­vices oder planen eine Nutzung. Lediglich 37 Prozent gaben an, dass Co-Location derzeit kein Thema für sie sei.
2. Teil: „Nachfrageschub“

Nachfrageschub

  • Quelle:
    Gartner
„Vor allem die Flexibilität in der Nutzung von Data-Center-Flächen, Infrastrukturkomponenten, aber auch von Services ist für Unternehmen äußerst lukrativ“, meinen Peter Starziczny, Vorstandsmitglied, und Hartwig Bazzanella, Vorstandsvorsitzender des Verbandes Innovatives Rechenzentrum (VIRZ). „Kurzfristig weitere Racks nutzen zu können oder Storage-Kapazität für zwei Monate zum Testen einer Hadoop-Umgebung zu bekommen, ist derzeit eine sehr bequeme Art, die eigene IT zu betreiben, ohne groß investieren zu müssen.“
Nach Berechnungen von Borderstep, Institut für Innovation und Nachhaltigkeit, wird der Anteil der Co-Location-Rechenzentren gemessen an der Gesamt-IT-Fläche der Rechenzentren in Deutschland von rund 25 Prozent im Jahr 2015 auf 45 Prozent im Jahr 2020 ansteigen.
Auch die ISG-Studie „Provider Lens Private/Hybrid Cloud - Germany 2019 - Data Center Services & Solutions“ kons­tatiert eine enorme Nachfrage nach Co-Location-Services bei Unternehmen aller Größenordnungen und Service-Providern. Der Grund laut ISG: In vielen Fällen entsprechen die Rechenzentren nicht mehr den Anforderungen auf Anwenderseite. Die steigende Durchdringung mit IT-Services er­höhe den Bedarf an Rechenkapazitäten, die Platz, Strom und vor allem eine performante und verlässliche Konnektivität erfordern.
Am größten Co-Location-Standort rund um den Internet-Austauschknoten DE-CIX in Frankfurt bauen die großen Co-Location-Anbieter Jahr für Jahr neue Rechenzentren, um den enormen Bedarf seitens der Kunden zu decken, berichten die ISG-Analysten. Neue Anbieter kommen hinzu oder übernehmen bestehende Data-Center. In Frankfurt betreiben 35 Co-Location-Anbieter 65 Rechenzentren und bieten eine Fläche von 600.000 Quadratmetern.
Darüber hinaus stehen viele der übrigen rund 125 Co-Location-Rechenzentren in der Bundesrepublik in Ballungs­zentren oder großen Wirtschaftsräumen, die von mittelständischen Unternehmen bevorzugt werden, um ihre IT-Infrastruktur in ihrer Nähe betreiben zu können. Davon profitieren jedoch auch Großkunden, denn Nähe sei noch immer ein Faktor bei der Rechenzentrumsauswahl, erklären die ISG-Experten.
Tipps zu Co-Location
Der Verband Innovatives Rechenzentrum (VIRZ) hat Tipps für die Suche nach einem Co-Location-Anbieter zusammengestellt. Grundsätzlich sollten immer die eigenen Anforderungen und Compliance-Richtlinien zugrunde gelegt werden und in einen Anforderungskatalog einfließen. Die möglichen Anforderungen an einen Co-Location Anbieter sind:
  • Vorliegen einer Risikoanalyse des Data-Center-Standorts mit Darstellung der möglichen Bedrohungen, der angenommenen Szenarien und den daraus abgeleiteten Maß­nahmen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung weiterer geo­redundanter Standorte
  • Umsetzung der Business-Continuity-Maßnahmen mit Darstellung der Wiederherstellungsfähigkeit
  • Definition der notwendigen Resilienz zur Sicherstellung des definierten Schutzziels
  • Nachhaltigkeits-, Umwelt- und Klimaschutzziele
  • Umsetzung der Prozesse zur Risikokontrolle (ISAE3402, SOC2)
  • Klare, überprüfbare Funktionen wie Raum-in-Raum-Lösung mit gesicherten Cages, Zutrittssicherung über die verschiedenen Schutzklassen gemäß der DIN-Norm EN 50600-1, elektronischer Blind- und Energiezähler je Nutzerbereich, Kälteversorgung
3. Teil: „Vorteil bei der Energieeffizienz“

Vorteil bei der Energieeffizienz

  • Quelle:
    Borderstep
Neben der Nähe des Rechenzentrum-Standorts zum eigenen Unternehmen ist die Energieeffizienz ein wichtiger Faktor, der für oder gegen einen Co-Location-Betreiber sprechen kann. Mit dem „Blauen Engel“ steht dafür bald ein Gütesiegel zur Verfügung.
Das Umweltbundesamt entwickelt zurzeit mit Experten ein entsprechendes Konzept für Co-Location. „Der Blaue Engel gilt für alle Bereiche eines Rechenzentrums sowie dessen Infrastruktur“, betont Marina Köhn vom Umweltbundesamt. „Wichtiges Kriterium ist außerdem ein umweltbewusstes Management des gesamten Rechenzentrums.“
„Nur Co-Location-Rechenzentren, die in Sachen Energieeffizienz und nachhaltigem Betrieb besonders gut sind, werden die Kriterien für den Blauen Engel erfüllen. Damit hat die deutsche Co-Location-Branche die Chance zu zeigen, wie effizient und nachhaltig sie Rechenzen­tren betreiben kann“, begrüßt Marc Wilkens die Initiative. Er ist der Leiter der Kompetenzgruppe Datacenter Efficiency im eco - Verband der Internetwirtschaft.
Bereits seit dem Jahr 2011 können Rechenzentren, die besonders energieeffizient sind und klimafreundlich gekühlt werden, einen Blauen Engel beantragen. Zwar haben bis heute erst wenige Rechenzentren die hohen Anforderungen erfüllt und tragen die Auszeichnung, jedoch hat sich der Blaue Engel in  der Wirtschaft als Orientierung für den energie- und ressourceneffizienten Betrieb etabliert. Co-Location-Rechenzentren - die bislang ausgenommen waren - erhalten voraussichtlich noch 2019 die Chance, einen Blauen Engel zu beantragen. Für Anwenderunternehmen ist das eine wichtige Zusatzinformation bei der Anbietersuche.
Tabelle:

4. Teil: „Sicherheit unterschätzt“

Sicherheit unterschätzt

Bedarf an zusätzlichen Informationen haben Unternehmen nicht zuletzt auch in Sicherheitsfragen rund ums Rechenzentrum. Die Online-Befragung „Rechenzen­trums-Check“ des RZ-Anbieters Maincubes ergab, dass das Wissen, welche Faktoren für die Datensicherheit in einem Rechenzentrum entscheidend sind, durchaus noch ausbau­fähig ist. Viele Unternehmen beschäftigen sich nicht intensiv mit der Thematik, wie und wo ihre Daten untergebracht sind, was im Ernstfall Konsequenzen haben kann, so das Resümee von Maincubes.
Eine zuverlässige Stromversorgung und eine gute Konnektivität liegen als Bewertungskriterien für ein externes Data-Center nahe und sind den meisten Unternehmen auch bewusst. Doch nicht minder wichtig sind zum Beispiel Kühlung und Brandschutz. Hier sind Mängel häufig Gründe für einen Rechenzentrumsausfall, was den Entscheidern in den Unternehmen allerdings deutlich weniger bewusst ist.
Der Rechenzentrums-Check ergab laut Maincubes, dass im Schnitt nur gut die Hälfte (58 Prozent) der Unternehmen ein Co-Location-Rechenzen­trum mit höherwertiger Ausstattung nutzt - mit sehr guten Standards hinsichtlich Stromversorgung, Client-Zugriff, Vor-Ort-Ingenieuren, Kunden-Service, physischer Sicherheit, Ausfallsicherheit oder Klimatisierung. 28 Prozent hingegen haben in ihrem Co-Location-Rechenzen­trum nur eine Standard- oder Minimal-Sicherheitsausstattung, 14 Prozent wissen darüber gar nicht Bescheid.
Doch gerade im Bereich Betriebssicherheit und Datensicherheit sollten Unternehmen auf eine höherwertige Ausstattung achten: Sollen kritische Geschäftsprozesse in dem Co-Location-Data-Center laufen, müssen erhöhte Anforderungen an Verfügbarkeit, Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit gestellt werden. Die genutzte RZ-Infrastruktur muss die gleichen hohen Sicherheitskriterien erfüllen, wie sie an einen intern betriebenen Prozess gestellt würden.
„Hochverfügbarkeit, Ausfallsicherheit sowie eine redundante und unterbrechungsfreie Stromversorgung stehen ganz oben auf der Prioritätenliste, ebenso wie die IT- und physische Sicherheit durch Zutrittskontrollen, Kameraüberwachung, Sicherheitssysteme sowie Brandschutzvorrichtungen und eine optimale Kühlung der Server-Räume“, so Antje Tauchmann von der German Datacenter Association.
„Ein DSGVO-konformer Datenschutz und Datensicherheit ,Made in Germany‘ sind ebenso unabdingbar. All diese Punkte muss ein Co-Location-Rechenzentrum erfüllen, um vertrauenswürdig zu sein. ISO-Zertifizierungen und TÜV-Prüfungen stellen diese Anforderungen sicher und sind ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des richtigen Rechenzen­trumsbetreibers“, erklärt Antje Tauchmann.
Allerdings geben Peter Starziczny und Hartwig Bazzanella vom Verband Innovatives Rechenzentrum zu bedenken: „Die Transparenz an angebotenen Dienstleistungen sowie der Erfüllungsgrad von normativen und gesetzlichen Anforderungen (EN 50600, BSI, Kritis, IT-SIG, Umweltschutz und so weiter) ist oftmals nicht gegeben. Ergebnisse aus Audits und Zertifizierung, insbesondere deren Transparenz, sollten offengelegt sein, und nicht erst in mühsamen Vertragsverhandlungen zutage treten.“
Tabelle:

5. Teil: „Co-Location nach Plan“

Co-Location nach Plan

Die Nutzung von Co-Location-Services entlastet ein Unternehmen von vielem, die möglichen Folgen von Co-Location dürfen aber nicht übersehen werden. Die Marktforscher von Gartner geben wichtige Hinweise dazu:
Unternehmen müssen ein Ökosystem von Service-Partnern aufbauen, um skalierbare, agile Infrastrukturen zu ermöglichen.
Unternehmen benötigen Tools zur Überwachung und Verwaltung von Assets und Prozessen, jederzeit und überall.
Die Umstellung auf digitale Infrastrukturen wird zu einer drastisch zunehmenden Komplexität führen, sodass die Mitarbeiter umgeschult werden müssen.
Die Stromversorgungskapazitäten des Rechenzentrums müssen den Kundenanforderungen entsprechen.
Die Aufrechterhaltung einer Exit-Strategie ist von entscheidender Bedeutung. Bevor ein Unternehmen in ein Co-Location-Rechenzentrum einzieht, sollte es unbedingt wissen, wie es von dort wieder ausziehen kann, ohne den eigenen IT-Betrieb zu unterbrechen und zu gefährden. Sonst hat die Untermiete in einem Rechenzentrum womöglich später eine (teure) Betriebsunterbrechung zur Folge.

Fazit & Ausblick

Die Experten bewerten die weitere Entwicklung von Co-Location in Deutschland durchaus unterschiedlich.
„Primäres Problem der Co-Location-Branche in Deutschland sind ganz klar die Strompreise, welche einen fairen Wettbewerb mit Anbietern im Ausland sehr schwierig machen. Technisch, personell und rechtlich sind die deutschen Standorte hingegen sehr gut aufgestellt“, meint Roman Bansen
von Bitkom.
„Die Strompreise spielen bei ganzheitlicher Betrachtung der Kosten eher eine untergeordnete Rolle“, sagen dagegen Peter Starziczny und Hartwig Bazzanella vom VIRZ. „Das  größte Problem ist bei dem wachsendem Markt eher der Mangel an qualifizierten Fachkräften sowie erfahrenen Führungskräfte im Bereich der angewandten Compliance.“
Doch die Co-Location-Branche macht Fortschritte, womit der Ausblick insgesamt positiv ausfällt: „Wir als VIRZ beobachten mittlerweile eine gute Entwicklung der Co-Location-Anbieter vor allem im Bereich der Compliance, sodass zum  Beispiel Banken und Versicherungen als regulierte Unternehmen auch eine kritische Infrastruktur ohne große Bedenken outsourcen können. Dies beginnt jetzt im Bereich Co-Location, wird sich aber mittelfristig im Bereich IaaS und PaaS ausweiten.“
Top 10 Auswahlkriterien
Laut einer Online-Umfrage des Co-Location-Anbieters Maincubes haben Firmen bei der Anbieterwahl diese Prioritäten:
  1. Stromversorgung
  2. Konnektivität
  3. Client-Zugriff
  4. Stromzuführung
  5. Vor-Ort-Ingenieure
  6. Notstromversorgung
  7. Sicherheit
  8. Hardware-Lagerung
  9. Racks
  10. Standort
6. Teil: „Im Gespräch mit Dr. Béla Waldhauser“

Im Gespräch mit Dr. Béla Waldhauser

  • Dr. Béla Waldhauser: Leiter Data Center Expert Group im eco-Verband
    Quelle:
    eco
Co-Location hat sich zu einem Trend im Rechenzentrum entwickelt. Béla Waldhauser, Leiter
der Data Center Expert Group im eco-Verband, erklärt im Gespräch mit com! professional, wie das kommt und welche Rolle Co-Location-Dienstleistungen im Mix der Rechenzentrumstypen spielen.
com! professional: Was spricht für Co-Location im Vergleich zu einem eigenen Data-Center?
Béla Waldhauser: Co-Location-Rechenzentren erfüllen hohe Ansprüche an Redundanz und Verfügbarkeit. In der Regel sind 24/7-Facility-Techniker und -Security-Mitarbeiter vor Ort. Es gibt eine professionelle Zugangskontrolle und vieles mehr, das Unternehmen im eigenen Rechenzentrum nicht umsetzen können, weil es zu teuer ist. Die Nutzer haben zudem die Wahl aus mehreren Carriern für den Internet-Access über Glasfaser. Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Zertifizierungen, die Co-Location-Rechenzentren schon mitbringen. Eigene Rechenzentren hingegen sind kapitalintensiv, insbesondere wenn nach den neuesten Standards gebaut werden soll. Viele Unternehmen investieren das Geld lieber in ihr Kerngeschäft.
com! professional: Was beobachten Sie auf dem Markt? Werden eigene Data-Center aussterben?
Waldhauser: In den nächsten Jahren sicherlich nicht, es wird vielmehr einen Mix unterschiedlicher Modelle geben. Mehr als fünf Jahre in die Zukunft zu blicken, halte ich in der IT generell für sehr schwierig. Aber aus meinen Gesprächen mit Unternehmen, die Rechenzentren planen, weiß ich: Auch viele Geschäftskunden investieren noch in eigene Rechenzentren und die werden diese sicherlich länger als ein paar Jahre nutzen.
com! professional: Welche Vorteile bietet Co-Location in Deutschland für deutsche Unternehmen?
Waldhauser: Ein Riesenvorteil gegenüber dem kompletten Outsourcing: Im Co-Location-Rechenzentrum betreiben Unternehmen ihre eigene Hard- und Software. Co-Location-Anbieter kümmern sich um die Räumlichkeiten, unterbrechungsfreien Strom und Kühlung und um die physische Sicherheit. Aber kaum ein Unternehmen hat seine gesamte IT im Co-Location-Rechenzentrum gehostet, die meisten entscheiden sich für einen Mix: Ein Teil der IT bleibt im eigenen Rechenzentrum, viele Anwendungen werden über Co-Location betrieben und andere Anwendungen werden in die Cloud ausgelagert.
Der Vorteil an Deutschland: Hier kann man sich auf viele Dinge verlassen, es gilt die deutsche Rechtsprechung und die deutsche Exekutive. Nicht zuletzt, und für manche ist das wichtig, gibt es keine Sprachbarrieren für deutsche Unternehmen.
com! professional: Stellen Angebote aus dem Ausland eine ernsthafte Konkurrenz dar?
Waldhauser: Natürlich, viele Angebote aus dem Ausland, insbesondere aus Skandinavien, sind eine spürbare Konkurrenz. In Nordeuropa kostet der Strom nur ein Bruchteil dessen, was er in Deutschland kostet. Die Stromkosten machen mindestens 50 Prozent der Kosten für die Kunden aus. Amerikanische IT- und Internetkonzerne sind daher in skandinavischen Rechenzentren stark vertreten. Aber auch die größten deutschen Unternehmen fragen verstärkt Rechenleistung aus anderen EU-Ländern an. Die Standards sind schließlich vergleichbar und in der ganzen EU gilt die DSGVO. Ressourcen in anderen EU-Ländern buchen sie aus Kostengründen dazu und nutzen sie neben ihrer Co-Location-Rechenzen­trumsfläche in Deutschland.
com! professional: Worauf sollten Unternehmen bei der Anbieter­suche achten?
Waldhauser: Die großen renommierten Anbieter erfüllen praktisch alle sehr hohe Standards. Ich würde als Kunde Wert darauf legen, eines der neueren Gebäude nutzen zu können. Die sind besser
in Sachen Redundanz und Verfügbarkeit, die Infrastruktur für Strom und Kühlung ist moderner. Neuere Rechenzentren sind insgesamt energieeffizienter und können das mit Zertifikaten auch nachweisen.
com! professional: Welche Probleme hat die Co-Location-Branche in Deutschland?
Waldhauser: Der Strompreis ist hierzulande ein Riesenthema für die ganze Branche. Des Weiteren bereiten die langen Wartezeiten für Baugenehmigungen Kopfzerbrechen. Die Nachfrage ist sehr groß, man würde gerne weitere Rechenzentren bauen. Das ist wichtig, damit der deutsche Mittelstand mit der digitalen Transformation der Weltmärkte schritthalten kann. Hier wünschen wir uns mehr Engagement von Kommunen und Ländern. Probleme bereitet auch der Fachkräftemangel.
com! professional: Was muss geschehen, damit Co-Location in Deutschland (noch) interessanter wird?
Waldhauser: Co-Location aus Deutschland ist sehr interessant, das zeigt die nach wie vor große Nachfrage. Dennoch würde ich mir attraktivere Strompreise wünschen. In anderen Ländern ist das Wachstum noch deutlich größer als bei uns. Länder, Kommunen und die Bundesregierung müssen gemeinsam daran arbeiten, Flächen und Stromversorgung für weiteres Wachstum zur Verfügung zu stellen.
com! professional: Sehen Sie gute Chancen, dass das tatsächlich auch passiert?
Waldhauser: Meine letzten Gespräche im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie haben mir Hoffnung gemacht. Die Notwendigkeiten sind erkannt. Ein Preisniveau wie in Skandinavien werden wir in Deutschland aber auch mit leicht sinkenden Strompreisen nicht erreichen können. Doch davon unabhängig werden Co-Location-Rechenzentren attraktiv bleiben. Die Zukunft gehört einem Nebeneinander unterschiedlicher Rechenzentrumstypen - von riesigen Hyperscaler-Rechenzentren über die Co-Location-Rechenzentren bis zu kleinen Edge-Rechenzentren. Die Digitalisierung ist im vollen Gang und der Bedarf an digitalen Infrastrukturen, zu denen ich die Co-Location-Rechenzentren zähle, ist ungebrochen hoch.

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