Windows
28.04.2015
Migration in 5 Schritten
1. Teil: „Die Uhr tickt für Windows Server 2003“

Die Uhr tickt für Windows Server 2003

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Michael Nivelet / Fotolia
Mitte Juli 2015 stellt Microsoft den Support für Windows Server 2003 ein. com! professional zeigt in fünf Schritten, wie die Server-Migration problemlos gelingt.
  • Was IT-Entscheider beunruhigt: Die durch das Support-Ende von Windows Server 2003 entstehenden Sicherheitsrisiken machen den IT-Entscheidern am meisten Sorgen.
Am 14. Juli wird Microsoft den Support für Windows Server 2003 offiziell einstellen. Ab diesem Zeitpunkt wird es keine frei verfügbaren Sicherheits-Updates für das in Unternehmen noch weit verbreitete Server-Betriebssystem mehr geben.
Obwohl dieser Schritt spätestens seit dem Support-Ende von Windows XP, das im vergangenen Jahr vollzogen wurde, bekannt sein sollte, sind viele Unternehmen nicht auf die Situation vorbereitet. Rund 47 Prozent berichteten laut einer von Appzero durchgeführten Umfrage, dass sie entweder nicht über das Datum und seine Konsequenzen informiert seien oder noch keinen Migrationsplan hätten. Befragt wurden 1000 Mitarbeiter der „Fortune 500“, also der 500 umsatzstärksten Unternehmen weltweit. Appzero ist auf das Transferieren von Server-Anwendungen in virtuelle Umgebungen und in die Cloud spezialisiert.

Zahlen oder migrieren?

Die Position von Microsoft zum Support-Ende von Windows Server 2003 ist klar: Das System ist veraltet und sollte erneuert werden. Abgesehen davon werde ja niemand zum Umstieg gezwungen. Wer will, kann einen Support-Vertrag abschließen und für Updates zahlen. Nur gratis gibt es – bitteschön – nichts mehr.
Wie Paul DeGroot von Pica Communications laut der englischen Website The Register erfahren hat, wird ein Support-Vertrag mit Microsoft voraussichtlich 600 Dollar im ersten Jahr kosten – pro Server. Danach werde sich der Betrag jedes Jahr verdoppeln. Im dritten Jahr sind es also schon 2400 Dollar pro Maschine. Der Appzero-Umfrage zufolge setzt ein Viertel der Fortune-500-Unternehmen derzeit noch jeweils mehr als 500 Server mit Windows Server 2003 als Betriebssystem ein. Für viele dürfte das auf Dauer nicht wirtschaftlich sein. Um eine Migration kommt also kaum einer herum. Nur, wie plant man die am besten?

Migration als Katalysator

Zunächst müsse man sich klarmachen, dass es meist gar nicht um Windows Server 2003 allein gehe, meint Lynda Stadt­mueller, Vice President Cloud Computing Services beim Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan: „Die Migration kann der Katalysator sein, der es Ihnen ermöglicht, sich von alten Prozessen zu verabschieden.“
Außerdem könne eine Migration dafür sorgen, dass sich „sowohl die IT- als auch die Finanzabteilung stärker an den Unternehmenszielen ausrichten“. Laut Stadtmueller sei dies ein guter Zeitpunkt, um eine „vollständige Transformation der IT-Rollen und -Prozesse hin zu einem ‚IT as a Service‘-Modell“ zu überlegen.
  • Lynda Stadtmueller, Vice President Cloud Computing Services bei Frost & Sullivan: „Eine Migration ist die ideale Gelegenheit, die Infrastruktur des Rechenzentrums neu zu konfigurieren.“
IT-Verantwortliche benötigten einen „unverstellten Blick auf ihren IT-Lebenszyklus“, fordert die Analystin. Stadtmueller weiter: „Die Migration von Windows Server 2003 hat erhebliche Auswirkungen auf Ihre Hardware und Ihre Anwendungen. Das ist eine ideale Gelegenheit, die Infrastruktur Ihres Rechenzentrums neu zu konfigurieren, Virtualisierung und Automatisierung zu erweitern, Anwendungen zu modernisieren und/oder eine private oder hybride Cloud-Umgebung einzuführen.“ Weiterreichende strategische Ziele haben laut Stadtmueller unterm Strich den Vorteil, „Zeit und Geld einzusparen“.

Windows Server 2012 R2 als Ziel

Als Migrationsziel bietet sich vor allem Windows Server 2012 R2 an. Von einem Umstieg auf Windows Server 2008 hält Nick Cavalancia, Tech Evangelist und Berater, nichts: „Davon ist unbedingt abzuraten“, schreibt Cavalancia in einem Whitepaper, das er für Acronis verfasst hat. Der sogenannte Mainstream Support für Windows Server 2008 ist im Januar dieses Jahres ausgelaufen, ab 2020 wird es dann auch keine kostenlosen Security-Patches mehr für dieses System geben.
Die nächste Server-Version – sie trägt voraussichtlich den Namen Windows 10 Server – (bislang Windows Server 2015) wird nach derzeitigem Stand nicht mehr in diesem Jahr erscheinen und kommt damit für eine Migration zunächst nicht infrage. Bleibt also nur Windows Server 2012 R2.
Eine Migration von Windows Server 2003 zu einem moderneren Server-Betriebssystem lässt sich im Prinzip in fünf Schritte aufteilen, die hier beschrieben werden.
2. Teil: „Server-Migration Schritt 1 - Bestandsaufnahme“

Server-Migration Schritt 1 - Bestandsaufnahme

Frost & Sulli­van rät Unternehmen, die ihre veraltete Infrastruktur mit Windows Server 2003 aktualisieren wollen, zunächst zu einer gründlichen Untersuchung ihrer Umgebung, einschließlich der Hard- und Software und auch der vorhandenen Fachkenntnisse der Mitarbeiter. In vielen Unternehmen werde genau dieser wichtige Schritt vernachlässigt.
„Schließen Sie unbedingt alle Infrastruktur-, Anwendungs- und Workload-Komponenten ein, das heißt, nicht nur diejenigen, die von der IT verwaltet werden, sondern auch Server, Speicher und Workloads, die bei Entwicklern und Kollegen in anderen Geschäftsbereichen existieren“, betont Lynda Stadtmueller. Diese Untersuchung sei insbesondere in großen und schlecht dokumentierten Umgebungen ein zeitaufwendiger Prozess, der aber gerade deswegen trotzdem durchgeführt werden sollte. Automatisierte Tools wie HP Discovery beschleunigen diesen grundlegenden Schritt zum Teil erheblich.
Ein nicht zu unterschätzendes Risiko stellen Altanwendungen dar, die im schlimmsten Fall mehr als eine einfache Migration erfordern: „Möglicherweise muss der Code umgeschrieben werden, damit er unter den modernen erweiterten Windows-Server-Betriebssystemen funktioniert“, warnt Stadtmueller. Der Zeitrahmen für die Umstellungen sollte deshalb nicht zu knapp gewählt werden. Weil das Support-Ende bereits in wenigen Monaten erfolgt und dann keine frei verfügbaren Sicherheits-Patches von Microsoft mehr zu bekommen sind, drängt die Zeit.
Nach Aussage von Al Gillen, Analyst bei IDC, läuft der Großteil der 32-Bit-Applikationen dank der WoW-64-Technologie (Windows on Windows 64) auch unter Windows Server 2012 R2. Nur wenn 16-Bit-Code verwendet wurde oder Anwendungen im Kernel-Modus laufen, müsse mit Problemen gerechnet werden, so der IDC-Analyst.
Die nächsten zu stellenden Fragen drehen sich um das Thema Virtualisierung. Welche Anwendungen lassen sich ohne Leistungsverlust virtualisieren? Können sich mehrere virtuelle Computer einen physischen Server teilen? Gibt es möglicherweise neue Programmversionen, die Funktionen zusammenfassen, für die bislang mehrere verschiedene Anwendungen benötigt wurden?
Bereits in dieser Phase sollte auch klar sein, was mit außer Betrieb genommener Hardware geschehen soll. Sie muss sicher und datenschutzkonform entsorgt werden.
3. Teil: „Server-Migration Schritt 2 - „Komatöse“ Server“

Server-Migration Schritt 2 - „Komatöse“ Server

  • Mangelndes Interesse: 32 Prozent der befragten IT-Leiter haben noch nie versucht, herauszufinden, ob ein Server überhaupt noch genutzt wird oder nicht.
Sie haben im Zuge der Bestandsaufnahme also beispielsweise 50 Server mit Windows Server 2003 identifiziert, die nun alle migriert werden sollen. Das ist naheliegend, aber der falsche Ansatz. Laut einer 2010 von Green Grid durchgeführten Studie werden zehn Prozent aller laufenden Server gar nicht mehr genutzt. Um im Beispiel zu bleiben, wären das also fünf Server, die sofort abgeschaltet werden können.
Die Autoren der Studie „Unused Server Survey Results Analysis“ nennen diese Server „komatös“. Sie kritisieren darüber hinaus, dass 32 Prozent der IT-Leiter noch nie versucht hätten, zu ermitteln, welche Server überhaupt noch benötigt werden.
Einfach jeden verfügbaren Server zu migrieren, wäre deswegen auch nach Meinung von Lynda Stadtmueller ein „klassischer Projektmanagementfehler“. Die Frost-&-Sulli­van-Analystin weiter: „Wenn Sie Ihr Team mit einer Such- und Migrationsmission beauftragen, deren einziges Kriterium ein Server mit Windows Server 2003 ist, dann können Sie schon jetzt davon ausgehen, dass Zeit und Geld verschwendet werden.“
Nicht mehr genutzte Server lassen sich mit Management-Tools für Rechenzentren identifizieren. Hilfreich sind auch gezielte Nachforschungen bei Mitarbeitern, Partnern und Kunden. Brachliegende Server sollten umgehend außer Betrieb genommen werden. Das spart nicht nur Energiekosten, sondern beschleunigt auch die Migration der wirklich wichtigen Maschinen.
4. Teil: „Server-Migration Schritt 3 - Daten sichern“

Server-Migration Schritt 3 - Daten sichern

Wie Nick Cavalan­cia in seinem Whitepaper für Acronis schreibt, benötigen Sie außerdem einen Plan zur Sicherung bestimmter Daten, damit diese nach der Migration bei Bedarf sofort verfügbar sind. Dazu zählen:
  1. Das komplette Betriebssystem: Am besten ist es, ein Image des kompletten Servers zu ziehen und sicher aufzubewahren. Das Konvertieren des Servers in eine virtuelle Maschine ist ebenfalls eine sinnvolle Möglichkeit.
     
  2. Applikationen und Daten: Achten Sie nicht nur auf die offensichtlichen Datensätze, sondern auch auf die sogenannten unterstützenden Daten, die ebenfalls gesichert werden sollten. Beim Einsatz von Exchange Server 2003 sind das beispielsweise die SSL-Zertifikate.
     
  3. Firmendaten: Datensicherungen sind für alle wichtigen Ordner (freigegebene und gemeinsam genutzte Ordner, persönliche Ordner der Benutzer und so weiter) durchzuführen.
     
  4. Benutzerprofile: Unbedingt sollten auch die Roaming-Profile gesichert werden, wenn Sie verschiedene Windows-Varianten im Unternehmen einsetzen. Microsoft hat die Profilstruktur immer wieder geändert, sodass sie nicht in jedem Fall kompatibel miteinander sind.
Tabelle:
Etwa alle vier Jahre veröffentlicht Microsoft eine neue Server-Version, die dann meist nach ein bis zwei Jahren auf Version R2 aktualisiert wird.

5. Teil: „Server-Migration Schritt 4 - Hardware finden“

Server-Migration Schritt 4 - Hardware finden

  • Windows Server 2003 auf dem Rückzug: Während die Plattform Windows ein wichtiges ServerBetriebssystem bleibt, nimmt die Verbreitung von Windows Server 2003 immer weiter ab.
Selbst in der heutigen service- und softwarezentrierten Welt ist die Hardware eine essenzielle Komponente in jedem Rechenzentrum. Die Anforderungen von Windows Server 2012 R2 oder Windows 10 Server (siehe dazu den Artikel „Windows 10 Server – das ist neu“ auf Seite 28) sind deutlich höher als die Hardware-Anforderungen an Ihre Windows-2003-Server.
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten: den Kauf vergleichsweise preisgünstiger Standard-Hardware oder angepasster Hochleistungsplattformen, die deutlich teurer sind. Das ist eine grundsätzliche Entscheidung, die jedes Unternehmen für sich selbst treffen muss. Frost & Sullivan empfiehlt, „eine Infrastruktur aufzubauen, die den neuen Stil der IT unterstützt und die sich durch Agilität, Geschwindigkeit, Effizienz und Kosteneffektivität auszeichnet“. Interessant sind hier sicherlich auch konvergente oder sogar hyperkonvergente Systeme, wie sie im Artikel „Datenzentren im Rack-Format machen flexibel“ in com! professional 4/2015 vorgestellt wurden.
„Mit der richtigen Infrastruktur und dem richtigen Plan für deren Anschaffung können Sie die Komplexität verringern, die Verwaltung vereinfachen, die Kosten senken und die Bereitstellung von Diensten beschleunigen“, so Lynda Stadtmueller. Die Analystin empfiehlt, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchzuführen, die „die Strategien im Hinblick auf die Technologie und die Investitionen sowie den gesamten Wert des Systems abbildet“. Hierzu gehören ihrer Ansicht nach auch indirekte Vorteile einer Migration wie gesteigerte Mitarbeiterproduktivität, niedrigere IT- und Energiekosten, höhere Einnahmen sowie eine schnellere Marktreife der Produkte eines Unternehmens.
6. Teil: „Server-Migration Schritt 5 - Migration durchführen“

Server-Migration Schritt 5 - Migration durchführen

  • Nick Cavalancia, Tech-Evangelist und Vice President Marketing bei Netwrix
Nick Calavancia rät, die Migration möglichst einheitlich umzusetzen: „Wenn jeder Server eine eigene Installation erfordert, riskieren Sie, mit unterschiedlichen Konfigurationen zu enden – was wiederum den Aufwand zur Lösung aufkommender Probleme in die Höhe treibt.“ Dieser Schritt lässt sich etwa mit dem Microsoft Deployment Toolkit erleichtern, das verschiedene Werkzeuge und Musterlösungen bietet.
Unternehmen, die von diesen Maßnahmen überfordert sind oder die nicht über das dafür notwendige Personal verfügen, sollten sich einen Partner mit ins Boot holen, der sie unterstützt.
Lynda Stadtmueller von Frost & Sullivan nennt vier Eigenschaften, über die ein geeigneter Partner verfügen sollte:
  • Technologisches Know-how: Der Partner muss mit Windows Server, Server-Hardware, Managementsoftware sowie mit den Kernanwendungen und Workloads des Unternehmens vertraut sein.
     
  • Erfahrungen im Projektmanagement: Er muss sicherstellen können, dass alle Projekte zeitgerecht und im Rahmen des Budgets auf disziplinierte Weise abgeschlossen werden.
     
  • Erfahrungen als Unternehmensberater: Der Partner sollte beim Aufbau von Beziehungen zu allen Beteiligten helfen und IT as a Service verstehen.
     
  • Erfahrungen bei IT-Investitionen: Der Partner sollte Unterstützung dabei geben können, eine individuelle IT-Investitionsstrategie zu entwickeln, die für das jeweilige Unternehmen sinnvoll und durchführbar ist.
Es ist auf jeden Fall ratsam, möglichst die komplette alte Umgebung als virtuelle Maschinen aufzuheben. Diese virtuellen Server sind ein mächtiges Werkzeug, falls etwas schiefgeht. Für den Notfall empfiehlt Nick Cavalancia: „Sie müssen einen virtuellen Server nur hochfahren und schon sind Sie wieder im Geschäft.“

Fazit

Für welche Lösung auch immer sich ein Unternehmen entscheidet – es ist nicht sinnvoll, die Migration veralteter Maschinen mit Windows Server 2003 immer weiter aufzuschieben. Obwohl Microsoft gegen eine Gebühr weiter Security-Patches anbieten wird, wird dies doch sehr schnell sehr teuer. Noch schlimmer ist, die Server einfach so weiterlaufen zu lassen. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein GAU passiert. Weit sinnvoller ist es, die Migra­tion jetzt endlich anzugehen. Immerhin bietet sie auch er­hebliche Einsparpotenziale, wenn nicht mehr genutzte Server ausrangiert und Altapplikationen zusammengefasst werden können.

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