Cloud
22.09.2015
Cloud-Hosting
1. Teil: „Das Burda-Imperium setzt auf die Amazon-Cloud“

Das Burda-Imperium setzt auf die Amazon-Cloud

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Mark Oleksiy / Fotolia
Das Fallbeispiel Burda zeigt die Vorteile der Cloud, aber auch ihre Grenzen. Jean-Paul Schmetz, Chief Scientist bei Hubert Burda Media, erläutert die Kooperation mit AWS.
Von Offenburg in die weite Welt: Die Gruppe Hubert Burda Media, in Deutschland vor allem durch Bunte, Focus und Freizeit-Zeitschriften bis hin zum Computer-Magazin Chip bekannt, ist von einem regionalen zu einem internationalen Unternehmen herangewachsen. Das Portfolio besteht derzeit weltweit aus rund 500 Medienprodukten, darunter an die 45 Internetgeschäftszweige wie den Online-Shop Computeruniverse oder die Business-Community Xing. Burda hat über die Jahre viel ausprobiert, sich aber auch nie gescheut, unprofitabel gewordene Projekte wieder abzustoßen.
Die IT-Ausrichtung des Konzerns ist um einen hohen Grad an Modernisierung und Digitalisierung bemüht. Ein wichtiges Element: die Kooperation mit Amazon Web Services (AWS).

Kooperation mit Amazon

  • Jean-Paul Schmetz, Chief Scientist bei Burda: „Wenn sich die Nutzung öfter ändert, ist die Arbeit mit Amazon kostengünstiger.“
Wie Jean-Paul Schmetz, Chief Scientist bei Hubert Burda Media und Board Member der Xing AG, im Gespräch mit com! professional erläutert, gilt die Kooperation mit AWS für fast alle Geschäftszweige in Deutschland und in anderen Ländern. Schmetz arbeitet beratend für die gesamte Burda-Holding und ist dafür verantwortlich, dass die IT-Aufgaben „mit der höchstmöglichen technologischen Kompetenz“ ausgeführt werden.
Dazu hat Burda eigens eine Gruppe von Fachleuten berufen, die sich mit den Entwicklungen der IT-Technologie befasst. Als Beispiel führt Schmetz an, dass Burda inzwischen das größte Medienhaus in den Entwicklungsländern sei und deshalb dafür sorgen müsse, dass die Produkte in allen Zielländern erhältlich oder erreichbar seien, auch wenn die Netzwerkverbindungen vielleicht noch nicht ausreichend seien. Das gelte auch für Osteuropa, wo zum Beispiel eine iPad-Version von Publikationen in russischer Sprache über das Internet verbreitet wird. Schmetz beschreibt die Tätigkeit dieses Teams so: „Wir untersuchen alle Technologien, die wir am Markt vorfinden, darauf hin, ob sie für unsere Unternehmenszwecke tauglich sind.“
Die vielen Subunternehmen von Burda agieren teilweise selbstständig, je nach Aufgabenbereich, werden andererseits aber doch vom zentralen Management gesteuert. Das schlägt sich auch in der Ausstattung und im Betrieb der IT-Abteilungen nieder. Das übergeordnete Team, dem Schmetz angehört, berät die IT-Abteilungen bei der Auswahl und Beurteilung von geeigneter Hard- und Software. Es ist laut Schmetz mehr im internen Research- und Consulting-Bereich aktiv, was sich auch bei der deutlichen Entscheidung für die Kooperation mit AWS gezeigt habe. Ressourcen von AWS werden bereits in vielen Abteilungen von Burda eingesetzt, andere evaluieren die Angebote noch. Vor allem die Compute- und die meisten Storage-Ressourcen von AWS würden in Anspruch genommen, wobei der Speicheranteil insgesamt erst bei etwa 20 Prozent liege.
Schmetz zufolge ist Burdas Entscheidung für AWS eine prinzipielle. Dennoch bedeute das nicht, dass man die eigenen Rechenzentren zugunsten der externen Service-Angebote aufgegeben habe. Schmetz betont, dass man zwar fast die ganze Bandbreite der AWS-Dienstleistungen einsetze, konkret hänge das aber in jedem Fall von den Business-Notwendigkeiten und den vorhandenen Ressourcen vor Ort ab. So ergebe sich beim Einsatz von AWS-Ressourcen ein Spektrum von null bis hundert Prozent.
Dabei habe man die Erfahrung gemacht, dass es strategisch falsch ist, vorab bestimmte Nutzungsraten festzulegen. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Ressourcen von AWS variiere sehr stark und sei permanenten Änderungen unterworfen. Bei konstanten Workloads bestehe sogar die Gefahr, dass eine Auslagerung zu einem Service-Anbieter wie AWS teurer komme als die Durchführung in der eigenen IT.
Wenn die meisten Geschäftsprozesse – wie auch im Fall der Burda-Holding – einem steten Wandel unterworfen seien, spreche viel für eine in der Regel zeitlich begrenzte Auslagerung zu AWS. Der Dienstleister verfüge über ein so mächtiges Instrumentarium an IT-Ressourcen, dass man jederzeit darauf zurückgreifen und bei Bedarf wieder aussteigen könne. Das mache, so Schmetz, ja gerade den Charme von AWS aus.
2. Teil: „Wichtig ist die Nutzungsrate der AWS-Services“

Wichtig ist die Nutzungsrate der AWS-Services

Der Chief Scientist bilanziert: „Generell gilt: Eine kontinuierlich steigende Nutzung der gleichen AWS-Services kann mit der Zeit teurer werden als die Nutzung im eigenen Rechenzentrum. Wenn sich aber die Nutzung je nach den Notwendigkeiten des Betriebs öfter ändert, dann ist die Arbeit mit Amazon kostengünstiger.“
Bei Debatten über die Vor- und Nachteile von Cloud-Angeboten wird oft übersehen, dass einige Dienstleister inzwischen einen Entwicklungsstand ihrer IT-Infrastruktur erreicht haben, der vielen in Unternehmenshand gehaltenen Rechenzentren und Ressourcen deutlich überlegen ist. AWS, Google und andere definieren ihre IT selbst und schaffen sich dann entsprechende Hardware an und entwickeln zu einem großen Teil die Software und die Management-Tools – ähnlich wie es zu Beginn der IT-Ära die großen Hersteller und Unternehmen wie Banken, Versicherungen oder Airlines mit ihren Mainframes getan haben.
Die heutigen Cloud-Dienstleister verfügen ferner über Backup-, Disaster-Recovery- oder Security-Funktionalitäten, wie sie sich viele Firmen schon aus Know-how- und Finanzierungsgründen kaum leisten können. Natürlich muss man die Dienstleister genau überprüfen, die Produkte und Services testen und die vertraglichen Bedingungen vorab präzise festlegen. Burda setzt auch aus diesen Überlegungen heraus auf einen allgemein anerkannten Dienstleister wie Amazon Web Services.
Schmetz fügt an, dass Burda auch spezielle AWS-Optionen nutze, die man so gar nicht in den eigenen Rechenzentren besitze. Dazu zählt er ausdrücklich Cloud-Services mit funktional und zeitlich begrenzten Möglichkeiten, einschließlich der Bestellung und Aktivierung per Browser und einer auf kleinstem Niveau genauen Abrechnungseinstellung. Auch einen Storage-Dienst wie S3 (Amazon Simple Storage Service) besitze man gar nicht selbst. Besonders interessant sei hier, verschiedene Datenquellen und Dateiformate in objektbezogenen Speichersystemen (Object Storage) zusammenlaufen zu lassen.
Tabelle:

Es sei, so fügt Schmetz an, im Unternehmen schon öfter vorgekommen, dass man geplante Use Cases nicht umsetzen konnte, weil man nicht über die notwendigen technologischen Voraussetzungen dafür verfügte. Insofern stünden Unternehmen heute durchaus in einer Art Abhängigkeit von Dienstleistern wie Amazon und anderen. Sein Team müsse auch diesen Punkt bedenken und Alternativen erarbeiten.
3. Teil: „Unternehmensziele mit der Cloud effizient umsetzen“

Unternehmensziele mit der Cloud effizient umsetzen

Laut Schmetz hilft die Kooperation mit Amazon sehr, die Unternehmensziele effizient umzusetzen, ohne die On-Premise-IT komplett aufzugeben. Er gibt dafür etliche Gründe an: Man könne durch die externe Unterstützung seine Infrastruktur am aktuellen Bedarf ausrichten und Ressourcen hinzumieten. Dies ergebe eine neue Form von Flexibilität, die sowohl den älteren Modellen eines eigenen Rechenzentrums als auch Hosting und Outsourcing überlegen sei. Laut Schmetz bringt man so das Beste aus allen Welten zusammen.
Tabelle:
* Alle Zahlen beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2014; siehe „Konzernabschluss 2014 – Hubert Burda Media Holding, Kommanditgesellschaft“

Als Beispiel dafür nennt er den Software-Einsatz: Neben der Version, die vor Ort eingesetzt werde, lasse sich eine neue Version zunächst in der Cloud testen, bevor man sie produktiv nutzt. Das sei effizient, weil man keinen zweiten Server für Testzwecke kaufen oder vor Ort einrichten müsse, den man dann später gar nicht braucht. Mit AWS miete man unkompliziert und deutlich günstiger eine neue Maschine für zwei Wochen zum Testen und beende das Ganze wieder, wenn man diese Ressource nicht mehr benötigt. Diese Bandbreite an Auswahlmöglichkeiten und Services kann ein eigenes Rechenzentrum laut Schmetz so nicht zur Verfügung stellen.
Ein anderes Beispiel ist der versuchsweise Einsatz einer neuen Infrastruktur für eine virtuelle PC-Umgebung (Virtual Desktop Infrastructure, VDI). Mit AWS könne man zwar nicht 2000 zusätzliche Arbeitsplatzcomputer anmieten, es sei aber möglich, ein Test-Szenario mit extern zugespielten Images aufzubauen. Mit AWS erhält ein Unternehmen also eine Bandbreite von Test- und Ersatzinstallationen jenseits der eigenen Ressourcen. Schmetz verweist auf Backup- oder Disaster-Recovery-Lösungen in der Cloud, die das interne IT-Management entlasten könnten. Auch Datenanalysen kann demnach AWS wesentlich effizienter mit MapR- und Hadoop-Installationen durchführen, was der internen IT ebenfalls sehr viel Aufwand und Kosten erspart – abgesehen vom Bedarf an Data-Science-Kenntnissen, die rar und teuer seien. Baut man solche Architekturen in  Eigenregie auf, besteht dem Chief Scientist zufolge die Gefahr des Oversizings. Mietet man äquivalente Architekturen bei AWS an, gebe es dagegen jederzeit die Möglichkeit eines Downsizings. Schmetz führt aus: „Mit AWS zu arbeiten ist auch deswegen günstiger, weil man seine eigene IT-Infrastruktur nicht übermäßig ausbauen muss. Wenn man mal mehr Ressourcen braucht, kann man sie sich vorübergehend – und günstiger – bei AWS besorgen.“
4. Teil: „Interne IT-Infrastruktur plus externe AWS-Dienste“

Interne IT-Infrastruktur plus externe AWS-Dienste

„Letztlich schneller und flexibler als andere“ zu sein, macht für Hubert Burda Media den Erfolg der Kooperation mit AWS aus. Die Zusammenarbeit erlaube es, die eigene Infrastruktur kleiner, effektiver und damit kostengünstiger zu halten. Der konkrete Einsatz in den Abteilungen der Holding und auf internationaler Ebene sei jedoch von den Gegebenheiten der einzelnen Applikationen – von ERP bis E-Commerce – und den jeweiligen Downloads abhängig.
  • AWS Region Frankfurt: Seit dem 23. Oktober 2014 ist Amazon Web Services mit einer eigenen Region in Deutschland vertreten.
    Quelle:
    Amazon
Oft wird über AWS etwas abschätzig geurteilt, dass vor allem die Compute- und Storage-Angebote eher etwas für KMUs und Start-ups sind, für größere Unternehmen oder internationale Konzerne aber eigentlich nicht infrage kommen. Das sieht man zum Teil auch bei Burda Media so. Cloud-Angebote wie AWS würden vielen Firmen helfen, wenn sie nicht genügend Geld für eigene Investitionen in die IT hätten. Dank Cloud würden sich die Infrastruktur-Optionen drastisch erweitern, da Start-ups nicht knappes Geld in leistungsfähige Oracle-Anwendungen oder noch teurere Hardware investieren müssten. Sie blieben so länger finanziell unabhängiger und könnten sich auf die wirtschaftliche Expansion sowie den Aufbau von Sales- und Marketing-Teams konzentrieren.
Andererseits kann Schmetz zufolge jedes Unternehmen – unabhängig von Größe und Struktur – Vorteile aus Angeboten wie denen von AWS ziehen. Dieser Standpunkt habe sich aber noch nicht allgemein durchgesetzt. Burda Media sei jedoch ein gutes Beispiel dafür, dass große, international operierende Unternehmen organisatorisch und finanziell von einem gezieltem Cloud-Einsatz profitieren.
Die Vorteile der Cloud-Dienste liegen auf der Hand. Die Grenzen solcher Lösungen sollte man aber auch nicht ignorieren. Zu achten ist zum Beispiel auf eventuelle Probleme bei Security, Compliance oder Datenintegrität – zumal dann, wenn man seine Anwendungen und seine Daten einem amerikanischen Unternehmen anvertraut. Besonders schwerwiegend sind Probleme, die bei den Netzwerkverbindungen auftauchen können. Denn IT-Prozesse On-Premise und über das Netz durchzuführen bedeutet eine automatische Abhängigkeit von der Qualität der Connectivity über das Internet.
Wenn man allerdings virtuelle Maschinen (VMs) als Basis für externe Backups oder Disaster Recovery einsetzt, müssen in der Regel nicht die kompletten Datensätze übertragen werden, sondern lediglich die Deltas der neu hinzugekommenen oder geänderten Daten. Dies bedeutet, dass auch die Netzwerkverbindungen in einem geringeren Maß in Anspruch genommen werden.
  • AWS-Regionen: Das breite Angebot an Amazon-Rechenzentren in verschiedenen Regionen in aller Welt kommt Compliance- und Security-Anforderungen entgegen. Availability Zones sollen den schnellen Datentransport zu den AWS-Rechenzentren gewährleisten.
    Quelle:
    Amazon
Anders verhält es sich, wenn ganze Datensätze zu Anfang einer vertraglichen Vereinbarung neu überspielt werden müssen oder wenn nach einem Ausfall ein Recovery nötig wird. In diesen Fällen stellt sich häufig das Problem der Latenzen, das heißt, dass die Datenübertragung nur sehr langsam oder mit Unterbrechungen läuft.
AWS hat sich zur Vermeidung solcher Probleme ein besonderes Architekturkonzept einfallen lassen: Zusammen mit Partnern wird eine Zwischenstation für Anwendungen und Daten in der Nähe der Amazon-Rechenzentren eingerichtet, die die Distanzen zwischen Kunde und Dienstleister verringert.
Bei Burda Media wie bei anderen deutschen und internationalen Unternehmen hat man es deshalb begrüßt, dass AWS um seine Rechenzentren eine Art Zubringernetz von Hosting-Anbietern aufgebaut hat, mit dem eine unterbrechungsfreie Datenverbindung möglich wird. Neben dem Einsatz von Methoden zur WAN-Optimierung, wie sie Riverbed und andere Hersteller anbieten, hat AWS sogenannte Availability Zones eingerichtet (siehe Infografik). Die Kunden sollen sich in der Nähe dieser Zonen mit einem Teil ihrer Infrastruktur bei einem Hoster oder Co-Location-Anbieter einmieten, um so einen schnellen Datentransport zum jeweiligen AWS-Rechenzentrum zu haben.Durch diese geografische Nähe lassen sich die physikalischen Grenzen der Datenübertragung per Lichtwellenleiter und Latenzprobleme bei TCP/IP-Netzen überwinden. Co-Location-Partner in Deutschland sind etwa Equinix, Interxion und e-shelter.

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