Bluetooth
22.10.2015
Neue Bluetooth-Standards
1. Teil: „Bluetooth ist überall integriert“

Bluetooth ist überall integriert

Tastatur mit Bluetooth-SymbolTastatur mit Bluetooth-SymbolTastatur mit Bluetooth-Symbol
wavebreakmedia / Shutterstock.com
Der Low-Energy-Standard und die Mesh-Netzwerk-Technologie bringen einen neuen Schub für Bluetooth. com! sprach mit Errett Kroeter über die zukünftige Entwicklung des Funkstandards.
Errett Kroeter ist Director of Industry and Brand Marketing der Bluetooth SIG (Special Interest Group) mit Sitz in Kirkland bei Seattle. Im Interview mit com! professional geht es um Einsatzgebiete, Sicherheit und die zukünftige Entwicklung von Bluetooth.
  • Errett Kroeter, Director of Industry and Brand Marketing der Bluetooth SIG
com! professional: Ihre Online-Umfrage zu Anfang des Jahres überrascht damit, dass Deutsche dem Thema Smart Home gegenüber offener zu sein scheinen als Briten oder US-Bürger – eine für Hersteller interessante Aussage. Dabei gelten wir doch eher als konservativ und sensibel, was den Datenschutz angeht.
Errett Kroeter: Das hätte ich auch gedacht. Andererseits gelten die Deutschen auch als besonders sicherheitsbewusst. Und dahingehend sind die Zahlen in der Studie auch nur geringfügig höher als der Weltdurchschnitt. Bluetooth ist dank 128-Bit-AES-Verschlüsselung nicht nur sehr sicher, sondern dient auch dem Persönlichkeitsschutz. Denn es verhindert, dass das jeweilige Gerät nachverfolgt werden kann, weil es kein multiples Pairing zulässt und nur mit einer vertrauenswürdigen Gegenstelle gepaart werden kann.
com! professional: Bluetooth Low Energy hat Bluetooth insgesamt sicherlich mächtig Schub gegeben. Können Sie ein paar Zahlen nennen?
Kroeter: Laut den Marktforschern von IHS Technology werden 2015 rund 3,5 Milliarden Bluetooth-Geräte verschifft, 2018 sollen es mit heute schon überwiegendem Smart-Ready-Anteil 4,9 Milliarden Stück sein. IHS sieht Bluetooth auch als die am stärksten wachsende Connectivity-Lösung für Smart Home. Für 2019 gehen die Analysten in dem Segment von rund 190 Millionen Bluetooth-Devices aus.
com! professional: Was sind die Bluetooth-Wachstumstreiber?
Kroeter: Der größte Wachstumstreiber ist sicherlich, dass Blue­tooth überall integriert ist, allem voran in 96 Prozent aller Handys einschließlich Smartphones. Hersteller, die ein neues Produkt entwickeln wollen, müssen sich keine Gedanken machen, wie dieses zu steuern ist, denn der Controller ist über Bluetooth ja im Smartphone schon enthalten. Hinzu kommt die breite Unterstützung aller großen Betriebssysteme, ob iOS und OS X, Windows Phone und Windows, Blackberry und Android. Das heißt, die Hersteller können ganz leicht eigene APIs für das jeweilige Betriebssystem schreiben, womit nicht viel Entwicklungsarbeit nötig ist, um Bluetooth zu implementieren. Mit Smartphones haben sich viele Einsatzszenarien für Bluetooth entwickelt.
Ein wichtiger Wachstumstreiber für Bluetooth sind auch sinkende Chip-Preise von derzeit unter einem Dollar auf voraussichtlich 50 Cent in ein paar Jahren. Hinzu kommen die Universalität, die Energieeffizienz von Bluetooth Low Energy und das hohe Maß an Sicherheit. Weil sich dies alles in Bluetooth vereint, hält die Technologie auch in immer mehr Smart-Home-Produkten Einzug.
com! professional: Die meisten Mobilfunkgeräte bieten heute schon Abwärtskompatibilität von Bluetooth Low Energy zu älteren Bluetooth-Versionen wie 2.0 oder 3.0, oder?
Kroeter: Stimmt, alle Bluetooth-Geräte, die in den vergangenen drei Jahren ausgeliefert wurden, sind mit beiden Bluetooth-Spiel­arten kompatibel. Die Hersteller von Geräten und Applikationen wissen das zu schätzen, weil sie so in der Lage sind, einen riesigen Markt zu adressieren.
2. Teil: „„Mesh integriert Bluetooth besser ins Smart-Home““

„Mesh integriert Bluetooth besser ins Smart-Home“

com! professional: Beacons basieren ja ebenfalls auf Bluetooth Low Energy. Sind diese und verwandte Technologien in den von Ihnen genannten Zahlen bereits enthalten? Und was halten Sie Bedenkenträgern entgegen, die sagen, wir würden so noch mehr zum gläsernen Bürger?
  • Umfrage der Bluetooth SIG: Verbraucher in Deutschland stehen dem Thema Smart Home etwas offener gegenüber als Briten oder US-Bürger. Das legt eine Umfrage der Bluetooth SIG vom Januar 2015 bei über 4000 Konsumenten in den USA, Großbritannien und Deutschland nahe.
Kroeter: Beacons sind in den Zahlen enthalten, ja. Ob Sie diese nutzen oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung, denn zunächst muss man die betreffende App herunterladen. Ein Beacon kann sich auch nicht aktiv mit Ihrem Handy verbinden oder dieses irgendwie manipulieren, da eben kein Pairing stattfindet. Man muss sich Beacons eher wie Funkstationen vorstellen, die Informationen senden und in Smart-City-Szenarien zum Beispiel helfen können, sich besser zu orientieren. Es gibt bereits eine Lösung, bei der einem der Busfahrplan überspielt wird, sobald man sich der Haltestelle nähert. Doch geschieht das immer mit Einwilligung des Nutzers. Somit erhält er auch keine unkontrollierbare Flut von Nachrichten. Wir von der Bluetooth SIG nehmen berechtigte Sorgen und Bedenken übrigens immer ernst. Aus unserer Sicht muss man offen damit umgehen, was mit den über neue Technologien möglicherweise gewonnenen Informationen geschieht und wofür sie verwendet werden.
com professional!: Moderne Autos verfügen über rund 90 Sensoren. Welche Rolle spielt Bluetooth dabei?
Kroeter: Derzeit sind es noch relativ wenige Bluetooth-Sensoren, es gibt aber viele mögliche Szenarien. Die Kfz-Industrie ist allerdings hoch reguliert, entsprechend konservativ und stellt hohe Anforderungen in puncto Robustheit. Daher bewegen sich die Dinge hier eher langsam.
com! professional: Kann das auch daran liegen, dass proprietäre Lösungen sich teurer verkaufen lassen?
Kroeter: Das mag sein, aber dann sind die Hersteller auch oft in der Abhängigkeit von einem Lieferanten gefangen. Bluetooth bietet dagegen den Vorteil, nicht mit einem Anbieter verheiratet zu sein.
com! professional: Nach Bluetooth 4.0, dem heutigen Low-Energy-Standard, haben Sie auch schon Bluetooth 4.1 und 4.2 auf den Weg gebracht. Was sind die Vorteile für die Kunden?
Kroeter: Zunächst einmal haben wir die gleichzeitig übertragbare Datenmenge verzehnfacht, was für ein deutlich gesteigertes Nutzererlebnis sorgt, weil sich Informationen sehr viel schneller austauschen lassen. Außerdem haben wir die Sicherheit und die Features mit Blick auf den Datenschutz verbessert. Eine weitere wichtige Neuerung ist die Möglichkeit, einem Bluetooth-Gerät eine IPv6-Adresse zuzuteilen.
com! professional: 2016 soll Bluetooth mit Mesh-Netzwerk-Technologie kommen. Mit welcher Version von Bluetooth wird das geschehen?
Kroeter: Auch wenn die Spezifikationen noch nicht finalisiert sind, ist es das große Ziel, Mesh abwärtskompatibel zu Bluetooth 4.0 einzuführen. Mit der neuen Technologie, die als Beta für Ende 2015 angekündigt wurde, kommen wir dem Wunsch der Hersteller entgegen, Bluetooth in Smart-Home-Anwendungen besser integrieren zu können. Mit dem bestehenden Hub gibt es Beschränkungen bei der Reichweite. Mesh ist ein wichtiger Schritt, diese Beschränkungen aufzuheben.
com! professional: Ist Mesh das Tor zum Internet für Smart Home via Bluetooth?
Kroeter: Nicht ganz. Man muss sich Mesh wie ein Netz vorstellen, das sich über das ganze Haus oder die Wohnung spannt und an das sich verschiedene Dinge anschließen lassen. Eines davon kann das Gateway zum Internet sein, um die Beleuchtung als Top-Anwendung für Mesh aus der Ferne über die Cloud zu steuern. Weitere wichtige Szenarien sind Heizen und Klimatisierung, die wie Licht zur heimischen Infrastruktur gehören. Aber das Mesh-Netzwerk erfordert für den Aufbau keinen Internetzugang, um Befehle über größere Distanzen von einem Teil des Hauses zu  einem anderen zu senden.

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