Business-IT
29.05.2018
Im Gespräch mit Harald Esch
1. Teil: „CRM-Anbieter Pegasystems will angreifen“

CRM-Anbieter Pegasystems will angreifen

Customer Relationship Management CRMCustomer Relationship Management CRMCustomer Relationship Management CRM
Wright Studio / shutterstock.com
So will es der CRM-Anbieter Pegasystems mit den Großen der Branche aufnehmen: Der ehemalige Salesforce-Mitarbeiter und jetzige Geschäftsführer und VP Sales DACH erklärt, was das Unternehmen vorhat.
  • Harald Esch: Geschäftsführer und Vice President Sales DACH bei Pegasystems
    Quelle:
    Pegasystems
Rund drei Jahre war Harald Esch für das Mittelstands­geschäft bei Salesforce tätig, bevor er im November 2017 als Geschäftsführer und Vice President Sales DACH zum Mitbewerber Pegasystems wechselte. Im Interview mit com! professional erklärt er, was er mit Pegasystems vorhat.
com! professional: Herr Esch, Sie waren vorher bei Salesforce für das Mittelstandsgeschäft in der DACH-Region zuständig. Was hat Sie bewogen, diesen Branchenriesen für ein relativ kleines und wenig bekanntes Unternehmen zu verlassen?
Harald Esch: Ich bin sehr gerne bei Salesforce gewesen – ein tolles Unternehmen, aber auch sehr zentral aus Amerika heraus geführt. Lokal hatte ich vergleichsweise geringe Entscheidungsmöglichkeiten. Bei Pegasystems kann ich dagegen etwas gestalten …
com! professional: … aber Pegasystems ist doch auch ein amerikanisches Unternehmen?
Esch: Ja, aber es ist überschaubarer, persönlicher. Wir sind nur ein Zehntel so groß wie Salesforce, wir sind der David, der gegen Goliath kämpft, das ist eine spannende Herausforderung. In unserem Markt gibt es ja nicht nur einen Goliath, sondern mit Microsoft, SAP und eben Salesforce gleich drei davon. Wir sind ein bisschen wie ein ungeschliffener Diamant, den man zum Strahlen bringen muss.
com! professional: Was haben Sie sich konkret für die kommenden Monate vorgenommen?
Esch: Zunächst einmal ist wichtig, das Fundament für den Erfolg zu setzen. Das heißt, ich muss eine Mannschaft aufbauen, mit der ich das Wachstum in der Region aufzeigen kann. Dafür muss ich die richtigen Leute finden. Wir sind ja nicht alleine im Markt. Da muss man zum einen natürlich zeigen können, dass die Technologie gut ist, aber auch, dass es für den Kandidaten eine Perspektive gibt und die Kultur stimmt. Für mich ist entscheidend, dieses Fundament zu setzen und dann auch Pegasystems im Markt zu etablieren.
com! professional: Was heißt das konkret?
Esch: Unsere Vertriebsstrategie konzentriert sich auf große Projekte in komplexen Strukturen. Dabei darf man allerdings in Deutschland den Mittelstand nicht aus den Augen verlieren. Ich denke, dass Pegasystems von der Technologie und dem Anspruch her ein innovatives Unternehmen ist.
com! professional: Wie wollen Sie gegen die drei genannten Goliaths und eine Vielzahl kleinerer Mitbewerber im CRM-Markt bestehen?
Esch: Ich glaube, dass wir mit unserer Technologie eine sehr gute Antwort auf diese Herausforderung haben. Wir müssen uns natürlich in den Bereichen engagieren, in denen wir eine berechtigte Chance sehen, und nicht in ein Rennen gehen, das von vorneherein keinen Sinn macht. In dieser Transformation befindet sich Pegasystems ja grundsätzlich.
com! professional: Welche Transformation meinen Sie?
Esch: Ich meine zum einen die Bewegung aus der klassischen Business-Process-Management-Welt, aus der Pegasystems kommt, hinein in den größeren CRM-Markt und die Transformation von der On-Premise- in die Cloud-Welt.
com! professional: Bedeutet das auch, dass sich Pegasystems aus der Großkunden- in eine breitere Mittelstandswelt bewegen will?
Esch: Das ist noch nicht unser Ziel. Wichtig ist jetzt erst einmal, die Marke zu etablieren. Dann geht es darum, unseren Vertrieb branchenspezifisch auszurichten. In der Vergangenheit kamen die meisten Kunden aus dem Versicherungs- und Bankenumfeld. Wir haben auch sehr viele Bestandskunden im Telekommunikationsbereich. Ich habe nun Telekommunikation, Transport und Medien zu einer Vertriebssparte zusammengefasst. Dann ist im deutschen Markt natürlich die Fertigungsindustrie ein wesentlicher Faktor, schließlich gibt es noch den Bereich Healthcare und Life Science und als neues Segment wollen wir uns auch auf das Thema öffentliche Hand konzentrieren.
2. Teil: „Enge Zusammenarbeit mit großen Beratungsgesellschaften“

Enge Zusammenarbeit mit großen Beratungsgesellschaften

com! professional: Wie sieht denn aktuell Ihre Partnerlandschaft aus?
Esch: Wir arbeiten sehr eng mit den großen Beratungsgesellschaften wie Accenture, Athos oder Cognizant zusammen, wollen nun aber stärker auch Systemintegratoren auf lokaler Ebene an uns binden. Wir sind in erster Linie ein Software­Unternehmen und keine Vertriebsorganisation.
com! professional: Sie hatten die Technologie angesprochen. Was unterscheidet Ihr Angebot von dem der Mitbewerber?
Esch: Zum einen bieten wir die freie Wahl bei der Bereitstellung. Kunden haben die Möglichkeit, unsere Lösung On-Premise hinter ihrer Firewall oder auf den Cloud-Plattformen von Amazon und Microsoft zu betreiben. Wir nennen das Cloud Choice. Ein weiterer Faktor ist unser „No Code/Low Code“-Ansatz. Wir können Prozesse über eine grafische Bedienoberfläche abbilden, die dann weitgehend automatisiert in Code umgesetzt werden. Schließlich sind wir in der Lage, die klassische BPM-Welt mit CRM-Funktionalitäten zu verbinden. Ein großer Differenzierungsfaktor ist zudem unser Central Decision Hub, der Mitarbeitern, aber auch Kunden über unsere KI-Engine Empfehlungen ausspricht, welcher Schritt in einem Angebotsprozess oder der Customer Journey als Nächstes sinnvoll wäre.
com! professional: Wie sehen solche Empfehlungen aus?
Esch: Das sind beispielsweise Informationen darüber, welchen Einfluss eine bestimmte Aktion voraussichtlich auf die Abschlusswahrscheinlichkeit in einem Angebot haben wird.
com! professional: Und bei der Customer Journey?
Esch: Wir stellen dem Kunden relevante Informationen zur Verfügung und machen ihm die richtigen Angebote, je nachdem in welcher Phase der Customer Journey er sich gerade befindet. Dabei ist es unerheblich, ob er über einen Browser, sein Mobilgerät oder einen anderen Kanal Kontakt aufnimmt. Dazu integrieren wir die verschiedensten Datentöpfe. Das können interne Quellen sein, aber auch externe Datenbanken.
com! professional: Ist diese KI-Lösung selbst entwickelt oder nutzen Sie KI-Services aus der Cloud?
Esch: Der Central Decision Hub ist eine Eigenentwicklung von Pegasystems.
com! professional: Sie hatten erwähnt, dass Ihre Lösung sowohl On-Premise als auch in der Cloud nutzbar ist. Viele Ihrer Kunden kommen aus sehr traditionellen, zum Teil hoch regulierten Branchen. Nutzt denn überhaupt ein signifikanter Anteil dieser Kunden Public-Cloud-Plattformen?
Esch: Das hängt immer vom jeweiligen Einsatz ab. Die Frage „Cloud oder On-Premise?“ sollte nicht im Mittelpunkt stehen, das ist der Grundgedanke unserer Cloud-Choice-Philosophie. Stattdessen sollten Kunden über die Lösung nachdenken und sie dann dort betreiben, wo es am sinnvollsten ist.
com! professional: Spricht denn wirklich noch etwas für den On-Premise-Betrieb, von rechtlichen oder regulatorischen Notwendigkeiten einmal abgesehen?
Esch: In vielen Fällen ist das eine Frage der Total Cost of Ownership, der TCO. Wenn Server und Personal ohnehin vorhanden sind, kann der Eigenbetrieb günstiger kommen. Ich glaube dennoch, dass es über kurz oder lang in die Cloud geht.
com! professional: Wie hybrid ist Ihre Lösung, kann ich Cloud und On-Premise nahtlos integrieren?
Esch: Ja, das geht, die In­stallation muss natürlich auf die jeweilige Plattform angepasst werden. Und vor allem muss entschieden werden, was das führende System ist. Unsere Plattform legt sich ja wie eine Schicht über die bestehende Infrastruktur, sie macht die Daten sichtbar und bringt sie nach vorne auf den Desktop.
3. Teil: „Mit Business-Verantwortlichen auf Augenhöhe sprechen

Mit Business-Verantwortlichen auf Augenhöhe sprechen

com! professional: Pegasystems adressiert mit seiner Plattformstrategie klassisch den IT-Verantwortlichen im Unternehmen. Wird es hier Veränderungen geben?
Esch: Das Thema BPM kommt in der Tat sehr stark aus dem IT-Umfeld und wie unsere Mitbewerber SAP und Microsoft auch haben wir vornehmlich die IT adressiert. Salesforce hat es verstanden, über die Fachabteilungen in die Unternehmen zu kommen und dann erst die IT einzubinden. Es ist natürlich auch mein Ziel, unseren Vertrieb in die Lage zu versetzen, mit den Business-Verantwortlichen auf Augenhöhe zu sprechen. In Deutschland spielt die IT nach wie vor eine wichtige Rolle.
com! professional: Welche Bedeutung hat das Thema robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) in Ihrer Strategie?
Esch: Wir sind nicht alleine in diesem Markt unterwegs, aber die Verzahnung von RPA mit dem Thema CRM durch unsere Plattform macht uns einzigartig. Im Service haben Sie zum Beispiel bei vielen Unternehmen nach wie vor eine Vielzahl von Clients, die betrachtet werden müssen. Eine Automatisierung löst ein Thema, ohne dass ich Altsysteme infrage stellen muss. Viele Kunden wollen nicht ihre Infrastruktur komplett erneuern. Sie suchen nach Wegen, den Mehrwert im Gesamtprozess zu verbessern. Diese Anforderungen finden Sie bei jedem großen Unternehmen. Ich glaube, da liegt ein sehr großer Vorteil unserer Plattform, denn wir können die unterschiedlichsten Komponenten zusammenbringen.
com! professional: Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird nach einer zweijährigen Übergangsfrist am 25. Mai wirksam. Wie weit sind die Unternehmen in der Umsetzung?
Esch: Ich glaube, dass viele noch nicht so weit sind, dass sie ihre Daten guten Gewissens ihren Kunden gegenüber transparent machen können.
com! professional: Ist das ein technisches Problem?
Esch: Das glaube ich nicht. Man kann jedes Problem technisch lösen, wenn man genügend Vorlauf und Ressourcen hat. Das ist aber nur zum Teil eine technische Frage. Die Vorstellung, ein durchgängiges CRM zu nutzen, ist ja noch relativ jung. In der Vergangenheit herrschte häufig ein Denken in Abteilungen und Gruppen vor. Jeder wachte eifersüchtig über seine Datentöpfe und ließ niemand anderen an sie he­ran. Das führt jetzt zu einem massiven Problem, denn es fehlt die einheitliche Sicht auf alle Daten. Heute mag es vielleicht eine CRM-Installation für das Gesamtunternehmen geben, aber viele Mitarbeiter führen weiter ihre Excel-Tabellen. Solange der einzelne Mitarbeiter keine Vorteile davon hat oder sie nicht erkennen kann, wenn er seine Daten in einem zentralen System pflegt, wird es weiterhin diese Spreadsheets geben.
com! professional: Welche Folgen erwarten Sie für Unternehmen, wenn sie die DSGVO nicht fristgerecht umsetzen?
Esch: Ich fürchte, dass eine Welle von Abmahnungen auf uns zurollt. Da werden sich neue Geschäftsmodelle für Anwaltskanzleien entwickeln.
com! professional: Und die Kunden selbst? Haben sie überhaupt ein Interesse, ihre in der DSGVO verbrieften Rechte auf Dateneinsicht und Transparenz durchzusetzen?
Esch: Da fehlt in vielen Fällen sicher noch das Bewusstsein, wie eine von uns durchgeführte Befragung von 7.000 Konsumenten in Europa zeigt. Von diesen hatten 79 Prozent keine Kenntnis von der DSGVO.
com! professional: Unternehmen können sich also in Sicherheit wiegen …
Esch: … nicht notwendigerweise. Wurden die Befragten über ihre Rechte informiert, dann gaben 82 Prozent an, diese auch nutzen zu wollen, 93 Prozent wollen eine Löschung ihrer Daten fordern, wenn sie mit deren Verwendung nicht einverstanden sind, 89 Prozent würden die Geschäftsbeziehung zu einem Unternehmen beenden, das nicht sorgfältig mit ihren Daten umgeht.
com! professional: Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich die Anfragen und Löschungsforderungen häufen werden?
Esch: Das ist wahrscheinlich. Die Auswirkungen werden aber auch sehr stark davon abhängen, ob Kunden die Rechte aus der DSGVO tatsächlich einfordern können und ob die drakonischen Strafen auch wirklich verhängt werden.
com! professional: Welche Unterstützung bietet Pegasystems bei der Umsetzung der DSGVO-Anforderungen?
Esch: Über unsere Plattform haben wir die Möglichkeit, senkrecht in die Datentöpfe zu greifen und diese horizontal zusammenzuführen, um so eine Synchronisation der Daten zu ermög­lichen und eine mehr­fache Datenhaltung zu unterbinden.

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