Business-IT
08.10.2014
Software-Development
1. Teil: „Scrum macht Spaß - Boris Gloger im Interview“

Scrum macht Spaß - Boris Gloger im Interview

Schnell, flexibel, in Teams ohne Hierarchien: So entstehen Websites und Shops nach Scrum, einer agilen Methode für eine schnelle Software-Entwicklung.Schnell, flexibel, in Teams ohne Hierarchien: So entstehen Websites und Shops nach Scrum, einer agilen Methode für eine schnelle Software-Entwicklung.Schnell, flexibel, in Teams ohne Hierarchien: So entstehen Websites und Shops nach Scrum, einer agilen Methode für eine schnelle Software-Entwicklung.
Foto: Fotolia / Fabrique
Boris Gloger, führender Scrum-Trainer DACH, erläutert im Gespräch mit com! die Vorteile der agilen Software-Entwicklung Scrum sowie Chancen für Developer und Unternehmen.
com! professional: In einem Satz zusammengefasst: Warum sollte ein Unternehmen Scrum in Betracht ziehen?
Boris Gloger: S
  • Quelle: com! 9/2014 / Scrum.org
crum erreicht - bei korrekter Anwendung - dass ein Unternehmen in sehr kurzer Zeit genau weiß, was gerade im Unternehmen passiert, wo die Probleme liegen und wird bei konsequentem Ausräumen dieser Probleme schnell sehr viel effektiver und produktiver.
Kurz: Es bringt gigantische Wettbewerbsvorteile. Es war und ist eine disruptive Technologie - am Anfang nutzen diese Technologien die Firmen, die die Mittel nicht haben, sich die teuren überkommenen Lösungen zu leisten - dann werden sie - durch diese neuen Technologien so effektiv, dass sie die großen schlagen. Genau das passiert und passierte mit Scrum.
com! professional: Scrum ist allerdings nicht die einzige Methode zur agilen Softwareentwicklung. Was hebt Scrum von anderen Methoden ab, was zeichnet es aus?
Boris Gloger: Das fragen Sie ja eigentlich den Falschen - ich bin befangen. Lassen Sie es mich so formulieren: Scrum war erfolgreicher. Die anderen Methoden XP, FDD, DSDM sind in Vergessenheit geraten. Einige Ihrer Leser werden jetzt sagen - Moment, da gibt es noch Kanban – richtig. Doch jeder, der beide Methoden kennt und sich wirklich intensiv damit auseinandersetzt, sieht: Sie sind bis auf wenige Aspekte deckungsgleich in ihrem methodischen Vorgehen.
Daher sagen auch viele schon Scrumban – aber ganz ehrlich … die Frage - so verständlich sie ist, zielt in die verkehrte Richtung, denn Sie verfehlen den Kern. Es sind keine Werkzeuge, die auswechselbar sind - sondern sie gehören beide einem neuen Denken an. Der tiefen Überzeugung, dass es wichtiger ist, Produktteile zu liefern als Aufgaben, dass es wichtig ist, Teams zusammenarbeiten zu lassen und dass man es den Menschen überlässt, die die Aufgabe kennen, zu beurteilen, wie die Aufgabe zu erledigen ist.
Ihnen die entsprechende Entscheidungsgewalt geben uvm. Das ist den echten agilen Ansätzen immer gemeinsam gewesen. Scrum hat sich durchgesetzt, weil es einfach und klar ist, effektiv und erfolgreich war und schnell und ohne große Kosten einzusetzen war und ist.
2. Teil: „Motivation für Scrum kommt ganz von selbst“

Motivation für Scrum kommt ganz von selbst

com! professional: Müssen es unbedingt Schulungen sein oder reicht auch ein Buch zum Thema Scrum aus, um die Maßnahmen zu erlernen?
Boris Gloger: Ich habe mit Scrum angefangen, weil ich im Internet 2001 darüber gelesen habe, mir Bücher dazu gesucht habe – damals über Amazon.com auf Englisch – und mal ausprobiert habe, was das eigentlich sein soll.
  • Quelle: com! 9/2014 / Scrum.org
Ich war dann so begeistert, dass ich zum damals einzigen Menschen gefahren bin, der Trainings gegeben hat: Ken Schwaber. Er gab ein Tutorial in Salt Lake City auf der 1. Agile Development Conference. Das Tutorial dauerte vier Stunden und in diesen war es Ken gelungen, die Essenz, also das Wesen von Scrum so zu erklären, dass ich nicht lernte, was Scrum als Methode ausmacht, sondern das Mindset von Scrum verstand: Ehrlichkeit, Professionalität. Er erklärte uns seinen Ethos - Scrum wurde von der Methode zu einem neuen Verständnis darüber, wie Projekte funktionieren sollten. 
Die Bücher, die Sie heute am Markt finden, meine eigenen, die von Kollegen wie Mike Cohn, und anderen, erklären heute die Methode und das „Wie“ von Scrum besser als das erste Buch, dass Ken und Jeff vor 14 Jahren geschrieben hatten. Die Erfahrung, die ich immer wieder mache: Die Seminarteilnehmer spüren den Geist in einem Training. Sie finden heraus, was es ausmacht und werden motiviert, es anzugehen. Das können Bücher oft nur bedingt leisten. Obwohl ich mir beim Schreiben viel Mühe gebe, das Gefühl für Agilität und Scrum durch die Zeilen mitzutragen.
com! professional:
  • Quelle: com! 9/2014 / Scrum.org
Wie wichtig ist der individuelle Einsatz der Mitarbeiter, deren Motivation mitzuziehen, damit die Einführung von Scrum Erfolg haben kann?
Boris Gloger: Diese Frage impliziert die Annahme, dass von außen, vielleicht vom Management oder manchmal vom Kunden gefordert wird, dass “wir jetzt Scrum machen”. Das ist mittlerweile tatsächlich häufig so, dass man Scrum einführen will, ohne die Kollegen miteinzubeziehen, ohne sie zu fragen. Mein Rat an die Führungskräfte (Manager, Geschäftsführer, Unternehmer): Beginnen Sie bei sich selbst. Finden Sie für sich selbst heraus, was es bedeutet, ein Daily Scrum zu machen.
Einmal in der Woche zu planen, was Sie mit Ihrem Team vorhaben. Wenn Sie das selbst ein paar Monate gemacht haben, dann verstehen Sie, was Sie von Ihren Kollegen einfordern. Dann werden Sie merken, dass die Motivation für Scrum und agile Methoden ganz von selbst kommt. Sie werden verstehen, dass nach Scrum zu arbeiten Spaß macht, weil Sie als Teammitglied mitentscheiden dürfen, Sie werden gefragt, Sie spüren, dass Ihre Arbeit etwas zählt und Sinn hat.
com! professional: Klassische Führungsstrukturen müssen aufgebrochen werden. Für manche Mitarbeiter, die eventuell jahrelang auf eine bestimmte Position hingearbeitet haben, ist das vielleicht gar nicht so einfach.
Boris Gloger:
  • Methoden der agilen Entwicklung: Einer Umfrage der Scrum Alliance zufolge ist Scrum die weitaus beliebteste Methode agiler Software-Entwicklung.
    Quelle: com! 9/2014 / Scrum.org
Stimmt! Aber damit fängt man doch nicht an - im Grunde ist die Tatsache, dass wir nun wissen, was alles auf uns zukommt, wenn wir Scrum in einer Organisation machen wollen, hinderlich für die Einführung von Scrum.
Es ist so, als würden Sie jemandem, der das erste Mal mit Sport anfangen will – zum Beispiel möchte er erfolgreich Marathon laufen – erklären, dass er, wenn er das wirklich will, seine Ernährung umstellen muss, viel Freizeit für das Laufen aufwenden wird, und ihm von Anfang an sagen, dass das auch sehr qualvoll wird.
Dann fangen viele an zu überlegen, ob sie das wirklich wollen, bevor sie den Spaß am Laufen, die Lust an der Bewegung für sich entdecken konnten - und den Schmerz in Kauf nehmen. Genau so ist das mit der Einführung von Scrum - es wird auch mal weh tun, aber die Lust mit anderen Menschen gemeinsam wundervolle Projekte zu erzeugen, zu spüren, wie man Projekte in kurzer Zeit fertigstellt, jeden Tag zu sehen, dass man vorankommt, wiegt die Tatsache auf, dass ich vielleicht mein eigene Position im Unternehmen hinterfragen muss.
3. Teil: „Unternehmen sind mit Scrum 200% produktiver“

Unternehmen sind mit Scrum 200% produktiver

com! professional: Wann ist ein Einsatz von Scrum nicht zu empfehlen?
Boris Gloger: Scrum ist ein Management-Framework. Eine Art und Weise, eine Abteilung, ein Team, eine Vielzahl von Teams in großen und in kleinen Vorhaben so zusammenarbeiten zu lassen, dass es hoch produktiv werden kann.
  • Die Größe von Scrum-Teams: Die meisten Scrum-Projekte werden von kleinen Teams entwickelt. Empfohlen werden Teams mit sieben Mitgliedern.
    Quelle: com! 9/2014 / Scrum.org
Scrum ist teambasiert, darauf fokussiert, ständig etwas zu liefern und möglichst rasch erste Ergebnisse zu erzielen. Wer das haben will, der ist gut beraten, sich mit Scrum intensiv zu beschäftigen, zu verstehen, wie Menschen anders effektiv zusammenarbeiten können.
Doch wer mit Scrum anfängt, der muss sich klarmachen: Das Ganze wird zu gravierenden Veränderungen in der Organisation und im Arbeiten führen. Wer das nicht will, der sollte die Finger davon lassen. Seien wir ehrlich, es gibt genug Firmen, in denen zwar gejammert wird, dass man nicht effizient genug arbeitet, aber wirklich etwas ändern will man nicht.
com! professional: Lässt sich der Nutzen von Scrum beziffern?
Boris Gloger: Jeff Sutherland hat gerade ein neues Buch herausgebraucht: “Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time” - das ist Fakt. Scrum verhilft vielen Firmen dazu, vierfach so produktiv zu liefern wie zuvor. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Beispiele, in denen die CIO sagen, dass sie mit Scrum 200% produktiver gewesen sind nach 12 Monaten.
Salesforce.com hat 2008 berichtet, dass sie von 2006 auf 2007 576% mehr Funktionalitäten eingebaut haben. 600 Prozent mehr mit der gleichen Mannschaft. Wie das ging: Komplette organisationsweite Umstellung auf Scrum - der radikale Umstieg. Viele Firmen in Deutschland kommen jedoch nie an diesen Punkt, weil sie zu früh aufhören.
  • Open Project: Die Open-Source-Applikation ermöglicht netzgestütztes Zusammenarbeiten. Sie wird nach der Scrum-Methode entwickelt.
Da beginnt ein Team, besser zu laufen, das erste Projekt wird wieder geliefert und … wunderbar - das Management steht wieder besser da. Es ist schade, dass die Aufsichtsräte von AGs, die Gesellschafter bei GmbHs nicht wissen, dass ihre Chef-Etage erreichen könnte, die Produktivität der Firma um 200% in nur 12 Monaten zu steigern.
Sicher, das geht nur mit externer Hilfe, aber der Return on Investment ist einfach so gigantisch. Rechnen Sie mal mit: Einer unserer Scrum Coaches hat in nur 8 Wochen mit einem Team aus 5 Menschen das Projekt geliefert, das zuvor über 1,5 Jahre mit der gleichen Mannschaft zweimal komplett gescheitert ist.
com! professional: Welche Fehler werden besonders oft bei Scrum gemacht?
Boris Gloger: Leider wird Scrum als Bedrohung vom Management empfunden - nicht als die große Chance, sich selbst extrem zu profilieren. Daher machen Sie sich nicht die Mühe, einmal selbst ScrumMaster zu werden, oder die Rolle als Product Owner einzunehmen.
Täten Sie das, würden Sie sofort verstehen, wie wichtig es ist, dass man in diesen Positionen jemanden hat, der hinter einem steht - der Manager. Wenn alle in einem Unternehmen am selben Strang ziehen, sich gegenseitig eingestehen, dass sie noch nicht genau wissen, wie dieses neue Arbeiten funktioniert, es aber miteinander lernen wollen, dann hätten auch alle die Chance eines tollen Ergebnisses. Aber solange viele Abteilungs-, Team-, und Projektleiter Scrum als Methode sehen, die für andere ist, werden viele unnötige Fehler begangen.

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