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18.10.2021
ITK-Markt 2021

Die IT trotzt der Pandemie

Shutterstock / hvostik
Die IT-Branche ist in der Corona-Krise nur kurz eingeknickt. Viele Unternehmen verzeichneten 2020 sogar Rekordumsätze.
Des einen Leid, des anderen Freud’: Salesforce gehört bereits seit einigen Jahren zu den großen Aufsteigern in der Software-Welt und baut sein Geschäft stetig aus. Dabei trumpfte der Anbieter cloudbasierter Unternehmens-Software in der Corona-Krise erst richtig auf: So steigerte der SAP-Konkurrent im Pandemiejahr 2020 seinen weltweiten Umsatz um satte 24 Prozent. Salesforce profitiert dabei vom Trend zum Homeoffice und davon, dass Unternehmen hierfür vermehrt auf Anwendungen aus der Cloud setzen. Und der Höhenflug des Software-Anbieters scheint erst einmal ungebrochen – auch für das erste Quartal dieses Jahres meldet das US-Unternehmen neue Rekordumsätze.
Salesforce ist ein Paradebeispiel dafür: Die Informationstechnologien mit ihren Hard- und Software-Anbietern und ihren IT-Dienstleistern bilden das Rückgrat der modernen digitalen Wirtschaft. „ITK-Dienstleistungen bauen hierzu die Brücke zwischen den Technologien einerseits und deren Nutzung durch Haushalte und Unternehmen andererseits und tragen damit wesentlich zu Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bei“, wie das ifo Institut zusammenfasst. Dies trete, so die Wirtschaftsforscher, gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise infolge der Corona-Pandemie sehr deutlich zutage.
  • Umsätze für ITK-Dienstleistungen: Ein Rückgang war bislang auf das Frühjahr 2020 beschränkt. Seit Sommer 2020 geht es mit dem Geschäft wieder aufwärts.
    Quelle:
    ifo Institut/Statistisches Bundesamt, März 2021
Wenn man sich die Umsatzentwicklung für ITK-Dienstleistungen in Deutschland ansieht, dann kannte diese in den ver­gangenen Jahren nur eine Richtung: nach oben. Die Umsätze haben in den letzten fünf Jahren kontinuierlich zugelegt. Lediglich im Frühjahr vergangenen Jahres kam es zu einem kurzen, aber deutlichen Einbruch. Dieser ist laut ifo Institut darauf zurückzuführen, dass vor allem Unternehmen aus der Industrie beim Aufkommen der Corona-Pandemie ihre Produktion stoppen mussten und sie erst nach mehreren Wochen schrittweise wieder hochfuhren. Das führte zu Umsatzeinbußen und einem Kostendruck, der sich auch auf IT-Projekte niederschlug.
Das bestätigt Marco Burk: „Manche Kunden riefen beispielsweise von einem Tag auf den anderen einen sofortigen Ausgabenstopp aus“, so Burk, Vice President beim IT-Dienstleister CGI. Hier galt es ihm zufolge, schnell neue Einsatzmöglichkeiten für die Berater zu finden und Bedarfe zwischen den Kunden auszugleichen, „denn die Auswirkungen waren je nach Branche sehr unterschiedlich.“

Positive Grundstimmung

Dass trotz einiger Rekordumsätze die Digitalbranche in Deutschland wie viele andere Bereiche Anfang 2020 erst einmal in einen Corona-Schock verfiel, zeigt auch nachdrücklich der „Bitkom-ifo-Digitalindex“. So hatte sich das Geschäftsklima unter dem Eindruck der Corona-Krise im Frühjahr 2020 stark eingetrübt. Die IT- und Telekommunikationsunternehmen bewerteten im April vergangenen Jahres ihre aktuelle Lage im Durchschnitt als nur noch befriedigend. Zu diesem Zeitpunkt erreichte das Geschäftsklima der Digitalunternehmen seinen absoluten Tiefpunkt, der Index der Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate fiel auf den niedrigsten Wert seit der erstmaligen Erhebung im Jahr 2006.
  • Bitkom-ifo-Digitalindex: Nach einem deutlichen Einbruch im Frühjahr 2020 hat sich das Geschäftsklima in der IT-Branche weitgehend stabilisiert.
    Quelle:
    Bitkom/ifo Institut
Der Index des ifo Instituts und des Digitalverbands Bitkom basiert auf der monatlichen ifo-Konjunkturumfrage und berücksichtigt die Geschäftslage und die Geschäftserwartungen aus Unternehmen der Digitalbranche, die sich aus den Bereichen verarbeitendes Gewerbe, Handel und Dienstleistungssektor zusammensetzen, also zum Beispiel Hersteller von IT-Technik, Software-Anbieter oder IT-Dienstleister.
Doch abgesehen von einem weiteren kleinen Dämpfer während der dritten Corona-Welle zum Jahreswechsel entwickelte sich das Geschäftsklima der Digitalbranche seit Mai 2020 kontinuierlich positiv. So erreichte der Bitkom-ifo-Digitalindex im Juni dieses Jahres sein Allzeithoch. Die ITK-Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage insgesamt als sehr gut. Das schlägt sich auch in Zahlen nieder: Für 2021 erwartet der Digitalverband Bitkom für die Unternehmen der IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik ein Umsatzplus von 4 Prozent auf 178,2 Milliarden Euro. Das Fazit des Digitalverbands: Das Wachstum im Kern der digitalen Wirtschaft sei so stark wie seit 20 Jahren nicht mehr und die Umsätze lägen deutlich über dem Vorkrisenniveau.

Projekte in der Warteschleife

Auch wenn 2020 für Hard- und Software-Unternehmen sowie für IT-Dienstleister alles in allem ein ganz gutes Jahr war – in den IT-Abteilungen der Unternehmen lief pandemiebedingt selbstverständlich nicht alles rund. So kommt die „IT-Trends-Studie 2021“ des Beratungshauses Capgemini zu dem Ergebnis, dass so manches für 2020 geplante IT-Projekt auf der Strecke blieb. Gut 42 Prozent der Unternehmen in der DACH-Region haben im vergangenen Jahr Projektstarts aufgrund von Corona in die Zukunft verschoben. Und sogar ein Viertel der Unternehmen hat Projekte ganz gestoppt.
„Insbesondere in den stark von der Pandemie betroffenen Branchen mussten Kosten eingespart werden, um die Liquidität zu sichern“, erklärt Jörn Messner, Managing Director beim IT-Dienstleister Lufthansa Industry Solutions. Dadurch seien auch IT-Projekte auf einen unmittelbaren, schnellen RoI hin überprüft und teils vertagt worden. „Andere IT-Projekte zur Kosten- und Effizienzoptimierung wurden dagegen zum Teil aber auch vorgezogen.“
Die Verzögerungen bei Projekten trafen dann auch große Unternehmen wie den Software-Riesen SAP. „Natürlich ist die Corona-Pandemie auch an uns nicht spurlos vorübergegangen“, sagt Florian Dreifus. Er ist COO bei SAP Success Factors in der Region Mittel- und Osteuropa. „Lockdowns, Umsatzeinbrüche und gestörte Lieferketten haben viele SAP-Kunden im vergangenen Jahr ausgebremst.“ Die Folge: Bereits geplante Transformationsprojekte wurden auf Eis gelegt, zum Teil sogar vollständig gestoppt. Um hier gegenzusteuern, habe man sich bei SAP verstärkt auf den Ausbau des Cloud-Geschäfts konzentriert. Laut SAP stieg der entsprechende Auftragsbestand allein im zweiten Quartal dieses Jahres um 17 Prozent auf 7,77 Milliarden Euro. Daher blicke man optimistisch in die Zukunft.
Ein alles in allem sehr gutes Jahr 2020 konstatiert auch Martin Wibbe, CEO und Vorstandsvorsitzender beim IT-Dienstleister Materna. Aber auch er stellte bei seinen Kunden fest, dass einige Projekte warten mussten. „Allerdings wurden insbesondere Digitalisierungsprojekte bald wieder aufgenommen, wenn diese die Geschäftsziele oder die Customer Experience unterstützen.“
  • IT-Projekte in der Pandemie
    Quelle:
    Capgemini „IT-Trends-Studie 2021“
Gerade in der öffentlichen Verwaltung wurden Martin Wibbe zufolge vergangenes Jahr zahlreiche Digitalisierungsprojekte beschleunigt, „die ohne Pandemie eventuell nicht so schnell angegangen worden wären“.

Fachkräfte Dringend gesucht

Die Auswirkungen von Covid-19 stellen den Arbeitsmarkt in zahlreichen Branchen noch immer vor große Herausforderungen. Die Arbeitslosenzahlen gingen zwar durch In­strumente wie Kurzarbeit nicht durch die Decke – aber nach einem Bericht der „Tagesschau“ vom April dieses Jahres verloren bundesweit mehr als eine Million Beschäftigte infolge der Pandemie ihren Job.
Das sind allerdings Sorgen, die für Beschäftigte in der IT-Branche in der Regel ganz weit weg sind. Auch die Krise verringerte den bereits seit Längerem anhaltenden Fachkräftemangel nicht – ganz im Gegenteil. Eine Auswertung des Business-Netzwerks Linkedin und des ifo Instituts ergab, dass die Zahl der Stellenanzeigen in den Bereichen Software und IT-Dienstleistungen von März bis Mai 2020 im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres um mehr als ein Fünftel gestiegen ist.
Der Fachkräfte-Index für den Bereich Information Technology der Personalberatung Hays meldet für das zweite Quartal 2021 den mit Abstand höchsten Wert seit 2015. Das Fazit der Personalberater: „Trieb die Digitalisierung schon länger den Bedarf an IT-Fachkräften nach oben, so hat die Pandemie diese Entwicklung nochmals beschleunigt.“ Die höchsten Zuwächse gab es laut Hays bei Datenbankentwicklern, IT-Security-Spezialisten und IT-Architekten. Der Fachkräfte-Index des Personaldienstleisters wertet die Stellenanzeigen der meistfrequentierten Online-Jobbörsen, der Tageszeitungen und des Business-Netzwerks Xing aus.

Fazit & Ausblick

„2020 war ein arbeitsintensives Jahr. Letztlich haben wir die Krise aber gut gemeistert und konnten in Summe sogar deutlich wachsen“, so das Resümee von Marco Burk von CGI. „Vom Weckruf, den viele Kunden in der Krise in Bezug auf ihren Digitalisierungsgrad erlebten, haben wir sicherlich auch profitiert.“ Die IT genießt seiner Ansicht nach inzwischen eine deutlich veränderte Wahrnehmung und Stellung in Betrieben, da ihre Möglichkeiten strategische und taktische Unternehmensentscheidungen wesentlich be­einflussen. „Ein Kunde auf CXO-Level beschrieb die veränderte Positionierung der IT vor Kurzem mit ,vom Maschinenraum auf die Brücke‘.“ Zwar halte er dies für etwas überzeichnet, doch stecke viel Wahres darin.
Nach Einschätzung des Digitalverbands Bitkom hält der Boom der Tech-Branche auch im kommenden Jahr an. 2022 soll der Markt laut Prognose des Verbands um 3,4 Prozent auf 184,3 Milliarden Euro zulegen. Und die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche könnte erstmals auf über 1,3 Millionen ansteigen.
Die IT-Branche eilt also trotz der Pandemie von einem Rekordwert zum nächsten. Es gibt aber weiter zahlreiche Unsicherheiten. Auch wenn die Impfungen hierzulande weiter voranschreiten und sich – vorsichtig optimistisch – zumindest in Deutschland allmählich ein Ende abzeichnet, mahnt Bitkom-Präsident Achim Berg zur Vorsicht: Das Auftreten neuer Corona-Varianten, eine mögliche vierte Welle, der ungewisse Ausgang der Bundestagswahl im Herbst und auch der anhaltende Mangel an Halbleitern mache die aktuelle Lage fragil – und es bleibe konjunkturell weiterhin spannend.

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