Internet
24.10.2022
Gastkommentar Metaverse 

Die Menschheit möchte bitte aus dem Bällebad abgeholt werden

MetaverseMetaverseMetaverse
Shutterstock/Suwin
Das Metaverse ist doch ein alter Hut, alter Wein in neuen Schläuchen, sagt Tobias Schlotter von Akeneo. Für ihn wird sich das Metaverse maximal als virtueller Raum für VR-Junkies etablieren. Ein kurzer Hype wie die MiniDisc oder das Tamagotchi eben.
Von Tobias Schlotter, General Manager Central & Eastern Europe bei Akeneo
Laut einer aktuellen Studie des IFH Köln zum Thema Metaverse bevorzugen 78 Prozent der Befragten tatsächlich immer noch die Realität und nur ganze 27 Prozent waren schon einmal "im" Metaverse. Aber was ist "dieses" Metaverse eigentlich? Kein Geringerer als Matthew Ball definiert das Metaverse wie folgt: "Ein massiv skaliertes und interoperables Netz von in Echtzeit gerenderten virtuellen 3D-Welten, die von einer praktisch unbegrenzten Anzahl von Nutzern synchron und dauerhaft erlebt werden können, mit einem individuellen Gefühl der Präsenz und mit Kontinuität der Daten, wie Identität, Geschichte, Ansprüche, Objekte, Kommunikation und Zahlungen."

Definitionsmonster, Nerds und VR-Junkies

Und dieses Definitionsmonster soll nun die Zukunft (ja, wovon eigentlich?) darstellen? Echt jetzt? Die Zukunft unserer Freizeitgestaltung? Die neue Art zu Shoppen? Die neue Art, andere Menschen kennenzulernen oder Geschäfte zu machen? NEIN! Leute! Das Metaverse ist doch ein alter Hut, alter Wein in neuen Schläuchen. Aber viele Menschen tun gerade so, als ob irgendwelche, sorry, Nerds das Rad gerade neu erfunden haben.
Wer erinnert sich noch an Second Live? Second Live wurde ähnlich gehypt, wurde uns allen als die Zukunft verkauft. Und was wurde daraus? Nichts! Aber das ist nicht der Grund, warum ich der Meinung bin, dass das Metaverse sich maximal als virtueller Raum für VR-Junkies etablieren wird, der vielleicht von Digital Natives "mal" ausprobiert wird. Ein kurzer Hype wie die MiniDisc oder das Tamagotchi eben.

Metaverse = Identitätsverlust

Wir haben auch in und mit der gegenwärtigen Realität schon genug Probleme damit, etwa Beziehungen zu anderen Menschen oder gar so etwas wie Vertrauen aufzubauen. Das setzt Identität voraus. Mit dem Metaverse und seinen Avataren fördern wir stattdessen einen Identitätsverlust, indem wir uns hinter einer digitalen Anonymität verstecken, die uns letzten Endes in eine krankmachende Einsamkeit führt. Gerade Letzteres hat Corona ja eindringlich bewiesen. Laut Psychreport der DAK-Gesundheit wurde 2021 ein neuer Höchststand bei Fehltagen durch psychische Erkrankungen erreicht.
  • Tobias Schlotter, General Manager Central & Eastern Europe bei Akeneo
    Quelle:
    Akeneo

Spielt bitte weiter Hay Day

Der größte Lacher: Letztes Jahr wurden Grundstücke im Metaverse noch für irrwitzige Summen verkauft. Und jetzt? Seit Jahresbeginn fallen die Preise. Jüngst um bis zu 18 Prozent. Warum sollte man sich auch ein digitales Grundstück, ja vielleicht sogar noch ein virtuelles Haus kaufen und mit teuren, virtuellen Designermöbeln ausstatten? Die Menschheit möchte bitte aus dem Bällebad abgeholt werden.

Kommunikation ist komplex

Seien wir doch mal ehrlich: Tatsächlich merken wir das doch auch schon in unserer teil-digitalisierten Welt. Kommunikations-Tools wie Slack oder auch WhatsApp erscheinen uns als effizient, führen aber nicht selten zu einem Informationschaos und Missverständnissen. Kommunikation ist in Wirklichkeit komplex. Sie bedarf weit mehr als nur Worte und Smileys. Mimik, Gestik, Augenkontakt: 93 Prozent unserer Kommunikation findet nonverbal statt (Mehrabian-Formel) und beruht tatsächlich auf subjektiver Interpretation, auf Wahrnehmung, die wiederum allgemein gültigen Kulturcodes folgen. Wer jetzt noch glaubt, dass der Avatar im Metaverse hier ein ebenbürtiger Ersatz ist, der die 93 Prozent durch Algorithmen und KI perfekt übernimmt, Entschuldigung, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. 

Komm schon, Metaverse!

Ich werde auch in Zukunft lieber mit Kumpels am Tisch sitzen und Pokern, als mich von virtuellen Cowboys in einem virtuellen Vegas abzocken zu lassen. Und ich werde auch in Zukunft lieber mit meiner Familie die Siedler von Catan spielen, als im Metaverse meine Aggressionen mit 3D-Shootern aufzubauen. Schon gar nicht werde ich digitale Items für meinen Avatar kaufen, damit der im Metaverse möglichst einzigartig rüberkommt.
 
Aber das ist doch Business? Komm schon, Metaverse! Es ist unumstößlich, dass Menschen gerne Geschäfte mit Menschen machen, die sie kennen und mögen. Vertrauen ist halt immer noch ein elementarer Baustein für jedwedes Business. Selbst Online-Startups wissen das und bauen ihre Brand entweder über Influencer, Sportler, Künstler (Vorsicht, echte Menschen!) oder eben das Gründerteam auf. Nur so entsteht Vertrauen.
 
Kryptowährungen oder Technologien wie Blockchain möchte ich hier betont außen vor lassen. Sie haben in meinen Augen rein gar nichts mit dem Metaverse zu tun, blicken dafür aber definitiv in eine positive Zukunft - nur im ECHTEN Leben halt.

mehr zum Thema