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30.05.2023
Helmholtz-Zentrum und Teknihall

IT-Management mit Open Source

HZDR
1400 Forscher arbeiten im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Die zwölf Institute benötigten dringend ein effizienteres IT-System.
Theorie und Praxis der Open-Source-Bewegung werden nach wie vor kontrovers diskutiert. An Grundsatz- und Absichtserklärungen besteht kein Mangel. Doch wie sieht es tatsächlich aus?
Einen Einblick verschafft die Zusammenarbeit zwischen dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Firma Cape IT aus Chemnitz, deren Open-Source-Programm KIX seit Kurzem von den Forschern des HZDR sowie beim Reparaturen- und Retouren-Dienstleister Teknihall eingesetzt werden.
Den allgemeinen Rahmen hat mehrfach die Bundesregierung vorgegeben, die sich seit Jahren für Open Source stark macht. So erklärte sie am 31. Mai 2022 als Antwort auf eine „Kleine Anfrage“ der AfD-Opposition im Namen von SPD, Grünen und FDP: „Das Bundesministerium des Innern und für Heimat arbeitet – wie alle Ressorts – an der Umsetzung aller im Koalitionsvertrag (KoaV) genannten digitalen Vorhaben und damit auch an den im KoaV festgelegten Zielen bei der Digitalisierung. Die Bundesregierung erarbeitet unter Federführung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr eine neue Digitalstrategie, die fachspezifische Strategien wie die Open-Source-Strategie und weitere Maßnahmen der Ressorts unter einem gemeinsamen Dach verbindet.“
Zentrale Maßnahmen bezüglich der erfragten Open-Source-Strategie seien zum Beispiel das im Aufbau befindliche Zentrum für Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung (ZenDiS), welches gezielt Open-Source-Software-Produkte für die öffentliche Verwaltung bereitstellen soll. Zudem ist ein auf Open Source basierender „souveräner Arbeitsplatz“ als Alternative zu herkömmlichen proprietären und kommerziellen Lösungen geplant. Bereits eingesetzt wird die Open-Source-Plattform Open CoDE zum Austausch von Open-Source-Software der Verwaltung. Als weitere Maßnahme für die „nachhaltige Digitalisierung“ der Verwaltung ist eine eigenständige Cloud-Umgebung der Öffentlichen Verwaltung (ÖV) vorgesehen, manchmal auch als „Deutsche Verwaltungscloud-Strategie“ (DVS) bezeichnet. Dieses Ziel ist ebenfalls im Koalitionsvertrag festgelegt.
Zur DVS hat die Bundesregierung 2022 erklärt: „Die DVS ist die nationale Multi-Cloud-Strategie der ÖV, die im KoaV verankert ist. Das Konzept zur DVS wurde im vergangenen Jahr durch Bund und Länder beschlossen und bereits erfolgreich pilotiert. Durch die DVS werden gemeinsame Standards und offene Schnittstellen für Cloud-Lösungen (möglichst Open Source) abgestimmt. Derzeit wird die Einsetzung einer koordinierenden Stelle der DVS konzipiert. Die Umsetzung der DVS erfolgt nicht zentral, sondern wird individuell von einzelnen IT-Dienstleistern unterschiedlicher Verwaltungsebenen und weiteren Teilnehmern gestaltet.“

Service-Management statt Tickets

Der Alltag in vielen Landes- und Bundesverwaltungen ist entgegen den hehren Zielen vielfach noch immer von komplexen und fehlerhaften Situationen in der IT gekennzeichnet. So heißt es in einem Bericht des HZDR: „Seit vielen Jahren setzte das HZDR auf ein Ticketsystem, das die Mitarbeiter der IT selbst entwickelt hatten. Doch die IT-Kollegen rannten den Schwachstellen ihres Systems immer eher hinterher als diese nachhaltig zu beheben. Wichtige Features, etwa eine Volltextsuche, gab es nicht. Auch die gesamte Oberfläche war wenig intuitiv, viel zu kompliziert und letztlich einfach nicht mehr zeitgemäß.“
  • Das Eingangsgebäude des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf.
    Quelle:
    HZDR
Ein neues Service-Management-System sollte auf Open-Source-Basis eine Lösung bringen. Bei einem Auswahlprozesss unter vier Systemen fiel die Wahl schließlich auf KIX aus dem Software-Haus Cape IT. Olaf Ruddigkeit, Leiter User Services am HZDR, erklärt zu dieser Entscheidungsfindung: „Natürlich sollte das neue System alle Funktionen eines klassischen Ticketsystems haben. Mit KIX können wir aber darüber hinaus auch die verschiedenen Mandanten abbilden, Rechte rollenbasiert verteilen und dynamische Felder frei konfigurieren, ohne auf die Hilfe des Entwicklers angewiesen zu sein. Das hat bei uns wirklich Eindruck hinterlassen.“
Hinzu kamen Vorteile beim Abrechnungsmodell: „Bei anderen Systemen erfolgt die Abrechnung oft nach der Anzahl der einzelnen Agenten, bei der On-Premises-Variante von KIX ist die Zahl egal.“
Das IT-Service-Management (ITSM) des HZDR besteht aus vier Elementen: dem Unified Endpoint Management, einer zentralen Datenbank, der Monitoring-Software Checkmk sowie KIX als ITSM-Herzstück. Beim Unified Endpoint Management, auch Desktop Central genannt, erfolgt die Inventarisierung und Patch-Verteilung für das System. Sämtliche Assets, User, Benutzerdaten und Standorte werden in einer Datenbank hinterlegt und im Nachgang in KIX gemanagt.
  • Ticket-Übersicht im KIX-Field-Agent.
    Quelle:
    Cape IT
Auch die Monitoring-Software Checkmk versorgt KIX mit Informationen: Hier kommen sämtliche Störungsmeldungen im Managementsystem an, etwa bei ausgefallener Hardware. Die rund 40 IT-Mitarbeiter am HZDR können bereits auf rund 50.000 Assets in der Datenbank zugreifen. Und ungefähr 14.000 Tickets werden mit KIX pro Jahr bearbeitet, so ist es jedenfalls geplant.
Momentan setzt das HZDR die KIX-Software für das Störungsmanagement samt Flächenstörungen ein. Auch das Knowledge Management, Service-Verträge und Service Level Agreements sowie das Berichtswesen laufen über das ITSM-System. Die Installation weiterer Funktionen ist in Planung: „Wir arbeiten bereits am Aufbau einer Gerätedatenbank. Auch Auftragsmanagement und Adminis­trations-Tool möchten wir in Zukunft in KIX integrieren“, erklärt Ruddigkeit. Das langfristige Ziel sei es, den gesamten IT-Service-Katalog des HZDR in KIX abzubilden.
Die Vorteile eines ITSM
IT-Service-Management (ITSM) bildet letzten Endes die Schnittstelle zwischen Business und IT. Es sorgt dafür, dass die in der IT erbrachten Dienstleistungen den Geschäftserfordernissen entsprechen, den Geschäftszweck unterstützen. Das ITSM übernimmt dabei auch eine gewisse Beratungsfunktion für Fachbereiche, die häufig generelle und sehr hohe Anforderungen haben. Allerdings ist nicht immer klar, welche Auswirkungen überhöhte Anforderungen mit sich bringen.
Mit der Erstellung eines Service-Katalogs gegenüber den Fachbereichen, der Definition und Abstimmung realistischer Service Levels und der darauf basierenden Bepreisung der Services leistet das ITSM einen relevanten Beitrag, damit Unternehmen wirtschaftlich arbeiten können. Vor allem bei einer Ersteinführung eines IT-Service-Managements kann es durchaus geschehen, dass vorhandene Organisationsstrukturen innerhalb der IT vollständig aufgebrochen und neu zusammengesetzt werden müssen.

Die KIX-Cloud

Als Alternative zu klassischen Inhouse-Installationen bietet Cape IT seinen Kunden auch eine Cloud-Lösung an, bei der der Dienstleister eine komplexere Service-Leistung erbringt: Nicht nur Software-Komponenten, auch Hardware und weitere Infrastruktur gehen in seine Hand und sein Management über.
So geschah es auch bei dem Kunden Teknihall, der sich um den After-Sales-Service großer Handelsketten sowie fast aller Supermarkt-Discounter in Deutschland und Europa kūmmert. Zu den Service-Leistungen gehören Reparatur, Assemblierung, Lagerung und der Garantietausch von elektronischen Geräten, die Endkunden im Discounter oder online gekauft haben. Das Unternehmen übernimmt dabei zugleich die Aufgaben des Callcenters, das die verschiedenen Aufträge aufnimmt. Um diesen Service jederzeit zu gewährleisten, stand Teknihall vor einiger Zeit vor einer besonderen Herausforderung: Innerhalb kürzester Zeit musste ein neues IT-Service-Management-System installiert werden.
Statt einer Mail- und Ticket-Software, deren Lizenz auslief, sollte ein neues Service-Management-System zum Einsatz kommen – mit den Kernkompetenzen Usability, Flexibilität, Administration und Monetarisierung. Dazu Teknihall: „Eine benutzerfreundliche Anwendung stand dabei an erster Stelle, denn die Service-Teams von Teknihall sind bunt gemischt. Das System sollte – unabhängig vom Alter oder der IT-Erfahrung der Mitarbeiter – leicht zu bedienen sein. Zudem musste es eine Möglichkeit geben, es an die vielen unterschiedlichen Anforderungen der Teknihall-Endkunden sowie deren verschiedene Systemlandschaften und Abläufe anzupassen. Ein hoher Grad an Konfigurierbarkeit war also ein Muss. Auch adminis­trierbar sollte die Lösung sein, damit die Teams und Abteilungsleiter sie nach ihren Vorstellungen und Ansprüchen einstellen können. Das würde nicht nur Sicherheit bei der Anwendung schaffen, sondern auch die haus­eigene IT-Abteilung entlasten.“ Nachdem mehrere Systeme geprüft worden waren, fiel die Wahl auf die KIX-Cloud.
Da das KIX-Ticketsystem alle Abläufe logisch und übersichtlich abbildet, konnte die Zahl der manuellen Fehler auf ein Minimum reduziert werden. Wichtige Arbeitsschritte ließen sich zudem automatisieren und standardisieren. In der Gerätedatenbank befinden sich bereits über 37.000 Assets, mit denen die Service-Mitarbeiter von Teknihall alle Kundenanfragen in kürzester Zeit mit dem passenden Artikel verknüpfen können.
Durch die Umstellung auf KIX konnte Teknihall die Kosten für den Einsatz des Service-Management-Systems um 50 Prozent senken, heißt es vom Hersteller Cape IT.
Rico Barth, Geschäftsführer von Cape IT
Cape IT
Kommentar
„Viele Vorteile, aber kein Allheilmitttel“
Open Source hat sich nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch im Alltag etabliert. Ohne Open-Source-Projekte von globalen Größen, wie etwa Adobe oder Android, würde die Welt heute anders aussehen. Und ohne Projekte wie das Server-Betriebssystem Linux, den Apache-Webserver oder die Datenbankverwaltung MySQL gäbe es das Internet nicht, wie wir es kennen. Trotz aller Vorteile ist auch Open-Source-Software kein Allheilmittel und nicht frei von Fehlern. Im Business-Kontext steht und fällt beispielsweise alles mit den Fähigkeiten der Unternehmen und Communities, die die Open-Source-Lösungen entwickeln. Ist keine aktive und engagierte Community vorhanden oder liefern die Entwickler nicht regelmäßig Updates, kann eine Open-Source-Software ihr Potenzial nicht entfalten.
Rico Barth, Geschäftsführer von Cape IT

Fazit & Ausblick

Kleinen und mittleren ITK-Anbietern und ITK-Dienstleistern fehlt es häufig noch an einer publikumswirksamen Bekanntheit. Sie wirken vielfach im Schatten der großen IT-Konzerne und deren Vertriebs- und Werbemaschinerie.
Dabei heißt es doch so schön im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus dem Jahr 2021: „Für öffentliche IT-Projekte schreiben wir offene Standards fest (...). Entwicklungsaufträge werden in der Regel als Open Source beauftragt, die entsprechende Software wird grundsätzlich öffentlich gemacht. Auf Basis einer Multi-Cloud-Strategie und offener Schnittstellen sowie strenger Sicherheits- und Transparenzvorgaben bauen wir eine Cloud der öffentlichen Verwaltung auf.“ Wir werden sehen, ob und wie schnell das realisiert wird.

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