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06.12.2021
Legacy-Migration

Baukonzern Skanska: Aus Desktop wird Web

Skanska
Einer der größten Baukonzerne der Welt hat seine Projekt-Software modernisiert – ein Migrationsprojekt mit 850 Formularen und Dialogen.
Bei Migrationsvorhaben geht es darum, eine in die Jahre gekommene Anwendung wieder fit für die Zukunft zu machen. In der Praxis sind diese Vorhaben oft zäh, wenig spannend und kosten viel Zeit, Geld und Nerven. Im Folgenden wollen wir ein gelungenes Migrationsprojekt bei Skanska vorstellen, einem der weltweit größten Bau- und Projektentwicklungsunternehmen.
Bei dem Projekt ging es um die Modernisierung einer bestehenden Desktop-Anwendung hin zu einer webbasierten Lösung. Ein Erfahrungsbericht, der zeigt, dass auch größere Anwendungssysteme mit dem passenden Ansatz, viel Mut und Durchhaltevermögen in die Welt der IT von heute transformiert werden können.
Das Bau- und Projektentwicklungsunternehmen Skanska beschäftigt rund 32.500 Mitarbeiter weltweit. Der Unternehmenssitz ist in Schweden. Skanska setzt komplexe Projekte in ganz Europa und den USA um, etwa Flughäfen, Brücken, Wohn- und Krankenhäuser, Kraftwerke, Eisenbahnen, Straßen, Schulen und Tunnel.
Ausgangspunkt für das Migrationsprojekt war diese Situation: Das multinationale Unternehmen hat oft mehr als 10.000 Einzelprojekte am Laufen. Für die Verwaltung und Koordination der Projekte setzt Skanska eine interne Anwendung namens Spik ein. Die Anwendung ist an den spezifischen Unternehmensanforderungen ausgerichtet und begleitet den gesamten Bauprozess von der Kostenschätzung bis zum Abschluss des Vorhabens. Zu den Funktionen von Spik gehören Aufgaben aus den Bereichen Ausschreibung, Schätzung, Finanzkontrolle, Risiko- und Chancenanalyse, Änderungsmanagement und Einkauf. Die Anwendung war bereits seit vielen Jahren im Betrieb und hat sich fachlich bewährt.
Als Desktop-Anwendung ist Spik jedoch nicht mehr zeitgemäß. Daher beschloss Skanska, die Anwendung in eine webbasierte Lösung zu überführen. Dazu musste die Anwendung entweder vollständig neu geschrieben oder es musste eine umfassende Migration vorgenommen werden. Betroffen von der Anpassung war nur das Frontend des Software­Systems. Das Backend war in der bestehenden Form beizubehalten. Aufgrund der unternehmerischen Bedeutung von Spik war eine Voraussetzung, dass ein schrittweises Ablösen des bestehenden Software-Systems möglich sein musste. Dazu sollte das Prinzip der inkrementellen Software-Migration angewendet werden. Die zuständigen Mitarbeiter von Skanska haben dafür unterschiedliche Vorgehensweisen evaluiert und mussten die voraussichtlich benötigte Zeit und die anfallenden Kosten einer Neuimplementierung der Software gegenüber einer Migration abwägen.
Letztendlich wurde die Option der Software-Migration als vorteilhaft gegenüber den Alternativen gewertet. Zum Einsatz kam das auf solche Aufgaben spezialisierte Web-Framework Wisej. Wisej ist ein Migrations-Tool des in Washington ansässigen Unternehmens Ice Tea Group. Mithilfe von Wisej können bestehende Desktop-Anwendungen mit einem überschaubaren Aufwand zu einer modernen webbasierten Software-Lösung transformiert werden. Dabei können meist sehr große Teile des Quellcodes übernommen werden. Ebenso gelingt es, weite Teile der bestehenden Bedienoberflächen automatisch zu transformieren. Das war auch eine der größten Herausforderungen bei dem Projekt von Skanska, denn die Software Spik umfasst 850 Formulare und Dialogfelder. Eine automatische Migration dieser Elemente war also das Ziel. Bereits nach zwei Wochen intensiver Arbeit konnte der Proof of Concept vorgelegt werden. Ein Teil der Anwendung ließ sich nun bereits als moderne Web-Applikation im Browser ausführen.
  • Das User Interface Control für Gantt-Charts musste komplett ausgetauscht werden.
    Quelle:
    Skanska
Insgesamt belief sich der Arbeitsaufwand für die Mi­gration einer solch komplexen Desktop-Applikation auf sieben Monate. Danach war das Kernprojekt migriert, es folgten noch die typischen Aufgaben der Qualitätssicherung. Der geleistete Arbeitsaufwand war zu rechtfertigen, denn die alternative Neuentwicklung wurde auf circa 27 Mannjahre geschätzt. Auch das Risiko einer Neuentwicklung für ein Gelingen wurde bei der vorliegenden Größe und Komplexität stets als größer eingeschätzt.
Wie bei anderen Projekten galt es auch bei der Modernisierung und Migration von Spik hin zu einer Web-Anwendung einige größere Herausforderungen zu meistern. Der Wechsel der Art der Anwendung – von einer Desktop- zu einer Web-Applikation – erforderte etliche umfassende Anpassungen. Während man aus einer Desktop-Anwendung nahezu auf alle Systemkomponenten auf dem ausführenden Rechner zugreifen kann, ist dies aus dem Browser nur sehr eingeschränkt möglich.
Typischerweise treten bei einem Wechsel von der Desktop- zur Web-Applikation Probleme bezüglich der folgenden Funktionen auf: Datei- und Registry-Zugriffe, Interaktionen mit lokal installierten Office-Applikationen wie Word und Excel oder der Einsatz von Report-Generatoren, die ursprünglich auf den Clients ausgeführt wurden. Für diese Bestandteile und Funktionen der bisherigen Software mussten neue Lösungen gefunden werden.
Statt einer Interaktion der Anwendung mit der lokal installierten Office-Applikation kommen nun auf dem Server Export-Bibliotheken zum Einsatz. Damit können die Daten nach wie vor aus der Applikation – nun auf dem zentralen Server laufend – exportiert und durch die Anwender in Word oder Excel lokal weiterbearbeitet werden.
Eine größere Hürde war die Anzeige von Gantt-Charts bei der Projektplanung. Eine vorhandene Komponente lief nicht im Browser und das Team von Wisej musste längere Zeit nach Javascript-Alternativen suchen. Schlussendlich wurde man bei einem etablierten Drittanbieter fündig. Die Umstellung hat dann aber einige Zeit gedauert, weil zunächst sehr große Teile der Altkomponente entfernt und dann das Dialogfeld für den Einsatz der neuen Javascript-Komponente angepasst werden musste.
Weitere Stolpersteine gab es beim Deployment der Applikation über das Netzwerk. Nach intensiver Suche waren zu restriktive Firewall-Regeln die Ursache.
Die neu migrierte Applikation weist nunmehr alle Vorzüge einer modernen Web-Applikation auf. Statt lokaler Installationen und Wartungen ist lediglich ein Browser aufseiten der Anwender notwendig. Mit diesem Technologiewechsel hat sich das Deployment einer neuen Version von circa 30 Tagen auf etwa einen Tag verkürzt. Auch wenn man hier die Notwendigkeit von zeitlichen Puffern einplant, ist dies ein gewaltiger Fortschritt. Funktionale Updates und Fehlerbereinigungen können an die Anwender direkt und ohne Verzögerungen weitergegeben werden. Der Aufwand für das Deployment wurde auf diese Weise erheblich reduziert. Ebenso überzeugen ein modernes User-Interface der neuen Web-Applikation, was zu einer besseren User-Experience führt.

Fazit & Ausblick

Die Entscheidung zwischen Neuentwicklung und Migration von Legacy-Applikationen ist stets individuell zu treffen. Das vorliegende Projekt ist ein praxistypischer Fall einer Transformation einer Desktop- zu einer Web-Applikation. Die Umsetzung des Vorhabens zeigt, dass auch umfassende Software-Lösungen mit einem überschaubaren und vor allem planbaren Aufwand migriert werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bedingt durch den Wechsel der Technologie und des Anwendungstyps – hier vom Desktop zum Web – für einen bestimmten Teil der bisherigen Software neue Lösungen zu entwickeln waren.

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