CEBIT
29.11.2018
Konzept gescheitert
1. Teil: „IT-Messe CEBIT wird eingestellt“

IT-Messe CEBIT wird eingestellt

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Die einst weltgrößte Computershow CEBIT in Hannover wird eingestellt. Die Mitarbeiter würden zur Zeit informiert. Die CEBIT versuchte in diesem Jahr nach drei Jahrzehnten einen Neuanfang mit einem "Festival"-Format.
Die einst weltgrößte Computershow CEBIT in Hannover wird eingestellt. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus Unternehmenskreisen. Die Mitarbeiter würden zur Zeit informiert, bestätigte ein Unternehmenssprecher.
In diesem Jahr hatten die Organisatoren der Deutschen Messe AG versucht, die CEBIT als "Europas führendes Digital-Event" neu zu positionieren. Insgesamt lockte die CEBIT in neuem Gewand aber nur 120.000 Menschen aufs Messegelände - noch einmal deutlich weniger als 2017 mit 200.000 Besuchern.
Konkret wurde ein Neuanfang mit einem "Festival"-Format und einem späteren Termin im Sommer versucht. Die Messe war auf dem Gelände in neue Hallen umgezogen, im Zentrum des neuen Konzepts stand eine Art Campus unter dem Expo-Dach. Bei den Veränderungen ginge es vor allem darum, die 25- bis 35-Jährigen als neue Zielgruppe zu erreichen - als "Mitarbeiter und Digital-Entscheider der Zukunft", erklärte Messechef Oliver Frese damals.

Rückläufige Flächenbuchungen

Inzwischen hat sich auch die CEBIT selbst dazu geäußert. "Angesichts rückläufiger Flächenbuchungen für die CEBIT 2019 bereinigt die Deutsche Messe ihr Veranstaltungsportfolio. Die industrienahen Digitalthemen der CEBIT werden in der Hannover Messe weitergeführt, für die übrigen Themenfelder der CEBIT sollen inhaltlich spitze Fachveranstaltungen entwickelt werden, die sich gezielt an Entscheider ausgewählter Branchen richten", so das Unternehmen.
Die technologische Entwicklung der vergangenen Jahre würden zeigen, dass eine Horizontalmesse wie die CEBIT in der digitalen Wirtschaft zunehmend auf rückläufige Nachfrage stößt. "Da die Innovationsschritte durch die Digitalisierung vor allem in den Anwendungsbranchen greifen, ist Digitalisierung bei nahezu allen Branchenfachmessen das beherrschende Thema. Dies beeinflusst die Messepolitik der Unternehmen, die zu den klassischen Kernausstellern der CEBIT gehören. Sie nutzen immer häufiger die Branchenmessen der Anwender als Plattform für Geschäftsanbahnung", so die Erklärung.

Oliver Frese geht

"Die deutsche Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren immer wieder über die thematische Überschneidung von Hannover Messe und CEBIT diskutiert. Wir werden daher die Themen überführen, die inhaltlich zur klaren Ausrichtung der Hannover Messe passen", sagte Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe AG. In den nächsten Wochen werde zudem intensiv mit dem Digital-Markt geprüft, welche Themen Potenzial für fokussierte Fachmessen aufweisen.
Deutsche Messe AG Vorstand Oliver Frese bat das Aufsichtsratspräsidium zudem um Entbindung von seinen Aufgaben zum 31. Dezember. Das Gremium gab diesem Ersuchen statt. Bernd Althusmann, Aufsichtsratschef und Niedersachsens Wirtschaftsminister, sprach von "Bedauern und Respekt". Es sei bedauerlich, einen so erfahrenen Messemacher zu verlieren, betonte der CDU-Politiker. Mit dem neuen Konzept der CEBIT habe Frese "Mut, Innovationskraft und Pioniergeist" bewiesen.
2. Teil: „Weitere Reaktionen zum Aus der CEBIT“

Weitere Reaktionen zum Aus der CEBIT

"Das ist ein herber Verlust für die Wirtschaft in Niedersachsen", meinte der Chef der Unternehmerverbände des Bundeslandes (UVN), Volker Müller zum Aus der CEBIT, und betonte: "Dass so ein Thema beerdigt wird, ist auch ein fatales Signal für den Standort Deutschland. Die CEBIT war für drei Jahrzehnte ein echtes Aushängeschild und hat maßgeblich zum Renommee der gesamten deutschen Informations- und Kommunikations-Wirtschaft beigetragen." Ein Ende mit Schrecken sei jedoch besser als ein Schrecken ohne Ende. Mit der CEBIT verliere der Messestandort Hannover eins seiner wichtigsten Standbeine - diese Ansicht teilt auch die IHK Niedersachsen (IHKN). Die Messe habe das Image des Wirtschaftsstandorts weltweit geprägt, meinte IHKN-Präsident Helmut Streiff und forderte: "Diese Kompetenz darf uns nicht verloren gehen."
Die oppositionelle FDP im Landtag in Hannover sprach von einem "Desaster" und einer krachenden Niederlage für Niedersachsens Digital- und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlein meinte: "Während die Bundesregierung von einer Führungsrolle bei der digitalen Transformation träumt, zeigt das Ende der einst weltgrößten Digitalmesse, wo wir in Deutschland wirklich stehen: Auf dem digitalen Nebengleis."

CEBIT-Macher waren von neuem Konzept überzeugt

Dennoch zogen die CEBIT-Macher noch ein positives Fazit für ihr neues Konzept: Erstmals war die Messe in runderneuertem Gewand mit Festival-Charakter an den Start gegangen. Messe-Vorstand Oliver Frese sagte damals, alle Ziele seien erreicht worden.
Zu besten Zeiten um die Jahrtausendwende hatte die Messe noch bis zu 800.000 Besucher gezählt, dann ging die Kurve kontinuierlich nach unten. Ein Grund war dafür auch hausgemacht: Die CEBIT wollte sich zu den Hoch-Zeiten des Personal Computers immer wieder von den als "Beutelratten" verschmähten Privatbesuchern trennen und speziell auf Business-Kunden ausrichten. Unterhaltungselektronik wie Spielekonsolen war nicht mehr gern gesehen. Und nicht zuletzt zog auch die stetig wachsende Mobilfunkmesse Mobile World Congress nach ihrem Umzug von Südfrankreich nach Barcelona immer mehr Stammkunden aus der Telekommunikations-Branche aus Hannover ab.
Die alte und neue CEBIT seien nicht zu vergleichen, betonte Frese Mitte Juni. Aussteller und Partner seien allesamt zufrieden gewesen. In wirtschaftlichen Zahlen spiegelte sich diese Begeisterung allerdings nicht unbedingt wider: Event statt Messe, Streetfood statt Bratwurst - das funktionierte offensichtlich nicht.
Roboter und autonome Fahrzeuge wurden präsentiert, der Software-Konzern SAP steuerte mit einem Riesenrad zur lockeren Atmosphäre bei - und spendierte der Messe ein neues Wahrzeichen. Große Messe-Kunden wie Hewlett Packard Enterprise, Vodafone und Salesforce unterstützten den Angaben zufolge das neue Messe-Konzept. Microsoft dagegen hatte in diesem Jahr auf eine CEBIT-Präsenz verzichtet.

CEBIT als Opfer des eigenen Erfolges

"Der weitere Nachfragerückgang bei der neuen CEBIT ist umso bedauerlicher, gleichzeitig zeigt er aber auch, dass die CEBIT-Idee in der gesamten Wirtschaft angekommen ist", sagte Althusmann.

Diese Ansicht teilt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: "Der digitale Wandel findet inzwischen überall statt, auch auf allen anderen Messen. Die CEBIT ist insofern ein Opfer des eigenen Erfolges", sagte der SPD-Politiker. "Ein wichtiges Kapitel der Messen in Hannover geht zu Ende, und das ist sehr schade."
Dennoch gilt: "Unabhängig von der positiven Resonanz, die das neue Konzept fand, muss es sich natürlich auch für den Veranstalter rechnen", betonte Bitkom-Präsident Achim Berg. Markt und Messelandschaft hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt.
Zumal die Computershow 1986 - vor 32 Jahren - als Paukenschlag begann: Denn ihre Premiere wurde gleich von einem Todesfall überschattet. Der Computer-Unternehmer Heinz Nixdorf brach auf einer Messe-Party auf der Tanzfläche mit einem Herzinfarkt zusammen und starb. 1995 stimmte Microsoft-Gründer Bill Gates auf der CEBIT auf das - damals - neue Zeitalter des Betriebssystems ein. Ein Jahr später war Windows 95 etabliert. Aber auch die Messe-Konkurrenz wurde stärker.
Für die Deutsche Messe AG sinkt die Bedeutung der CEBIT auch in wirtschaftlicher Hinsicht schon seit Jahren. Das Unternehmen sei angesichts anderer starker Veranstaltungen und das wachsende Auslandsgeschäft "sicher und solide" aufgestellt, sagte Köckler. Die Marke CEBIT will die Deutsche Messe im Ausland weiter nutzen. Ganz verschwindet die CEBIT also nicht.

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