Business-IT
14.11.2022
Zugpferde und Bremsklötze
1. Teil: „Themen, Trends und Technologien“

Themen, Trends und Technologien

Shutterstock / Gregory Johnston
Ob die Cloud als Booster oder vermehrte Cyberangriffe als Belastung – viele Themen treiben IT-Verantwortliche um. Ein Überblick.
Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Das ist ein gern verwendeter Satz, wenn es um IT-Sicherheit geht: Jedes Unternehmen wird irgendwann Opfer eines Cyberangriffs.
Für die Cloud gilt der Satz gleichermaßen: An der Cloud führt kein Weg vorbei, sie ist essenzieller Treiber der Digitalisierung. Daher ist die Frage auch nicht ob, sondern wann ein Unternehmen auf die Cloud setzt. Bereits heute ist für sehr viele IT-Verantwortliche klar, dass sich eigene Server eigentlich kaum mehr lohnen – und es werden im großen Stil Server-Ressourcen und Anwendungen in der Cloud gemietet.
Den seit Jahren anhaltenden Trend zur Cloud spiegeln auch die Ergebnisse der aktuellen „Cloud-Monitor-2022“-Studie der Unternehmensberatung KPMG wider: 84 Prozent der Unternehmen in Deutschland beschäftigen sich mit der Cloud. Knapp 80 Prozent versprechen sich davon Kostenreduzierungen, eine erhöhte Agilität und mehr Innovationsfähigkeit. Das Ziel dabei: Über 60 Prozent der produktiven Anwendungen sollen im Jahr 2025 in der Cloud laufen. Über die Vorteile der Cloud muss man den meisten Unternehmen also nichts mehr erzählen. Sie gehört inzwischen zum Standard in den IT-Landschaften und gilt als Architektur der Zukunft – immer mehr Bereiche der IT werden quasi Software-definiert.
Die Cloud ist auch die Voraussetzung für den Einsatz weiterer Technologien wie Künstliche Intelligenz und daher sind fast alle Projekte mittlerweile Cloud-Projekte. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Experten. „Dabei überarbeiten und optimieren Unternehmen ihre bisherige Cloud-Strategie“, erklärt Jörn Messner, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Lufthansa Industry Solutions. „Es gibt aber auch viele Unternehmen, die erst jetzt Cloud-Projekte mit höherer Priorität angehen.“
Dass die Cloud ein starker Treiber ist, bestätigt Christian Scharrer, Enterprise Architect bei Dell Technologies Deutschland: „Große Zugpferde sind Cloud und Automatisierung: IT-Ressourcen werden immer stärker als As-a-Service-Modell nachgefragt, unter anderem auch im Backup-Bereich.“
2. Teil: „Aktuelle Trendthemen“

Aktuelle Trendthemen

Auch laut André Schindler steht das Thema Automatisierung auf der Agenda vieler IT-Verantwortlichen: „Wenn man die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Rezession in Betracht zieht, ist es wahrscheinlich, dass sich viele IT-Führungskräfte auf die Automatisierung und Konsolidierung konzentrieren werden“, unterstreicht der General Manager EMEA bei Ninja One, einem Anbieter von Fernwartungs- und Verwaltungs-Software.
IT-Verantwortliche hätten, so Schindler, ein Auge auf Technologie, die ihnen helfen könne, die Effizienz zu steigern, ihre Arbeitsabläufe zu rationalisieren und mit weniger Aufwand mehr zu erreichen. „Wenn diese Technologie mehrere bestehende Tools in ihren Stacks ersetzen kann, umso besser.“
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Unternehmen heutzutage immer höhere Anforderungen an die IT stellen. André Schindler zufolge wird zunehmend erwartet, dass die IT-Abteilung nicht nur die Arbeit vor Ort und/oder an entfernten Standorten ermöglicht, sondern eine flexible Mischung aus beidem verwaltet und unterstützt.
„Wir beobachten, dass Unternehmen nach Technologien und Dienstleistern suchen, die ihnen ein flexibleres und nahtloses Arbeitsumfeld bieten können.“ Die wichtigsten Faktoren seien hier die Reduzierung von Komplexität und die Priorisierung maximaler Sicherheit.

Flexible Arbeitsplätze setzen laut Dell-Architect

Christian Scharrer eine technische Infrastruktur voraus, die die gleiche Produktivität und Sicherheit gewährleistet, wie man es im Büro gewohnt ist. „Das umfasst moderne Endgeräte und die entsprechenden Tools, um jederzeit auf Daten und Anwendungen zugreifen zu können. In puncto IT-Sicherheit wiederum ist ein Zero-Trust-Konzept gefragt. Angesichts der Zunahme hybrider Arbeitsmodelle und der Cloud-Nutzung wird es zudem schwieriger, die eingesetzten Software-Lizenzen sauber zu verwalten.“ Das Zauberwort laute hier IT-Asset-Management.
Die steigende Digitalisierung in allen möglichen Bereichen hält die Unternehmen auf Trab. „Ganz grundsätzlich treiben nahezu alle Branchen und Industriezweige ihre Digitalisierung voran“, so Christian Scharrer. So nehme beispielsweise die Smart Factory mittlerweile Gestalt an: „Das Ziel ist eine Produktionsumgebung, die sich im Idealfall ohne menschliche Eingriffe selbst organisiert.“ Hier spiele auch der sogenannte Digital Thread eine Rolle. Dieser „rote Faden“ verbindet Christian Scharrer zufolge Informationen in einer sehr heterogenen Software-Landschaft. „In der Produktentwicklung etwa werden Konstruktionsdaten, gemischt mit Stücklisten der Bauteile samt Herkunftsinformationen, Service- und Wartungshistorie, Reparatur- und Ersatzteildokumentationen oder Leistungsdaten aus bestimmten Anwendungsphasen zum digitalen Zwilling einer Maschine.“

Green IT und Menschenrechte

Die vielen Vorteile der Digitalisierung mit allen ihren Möglichkeiten sind unbestritten. Einen großen Nachteil hat die Digitalisierung allerdings auch: Die vielen Dienste verschlingen weltweit Milliarden Kilowattstunden an Strom. So verbrauchten etwa die Rechenzentren in Deutschland 2020 stolze 16 Milliarden Kilowattstunden. Trotz Corona-Pandemie und des damit einhergehenden Einbruchs der Wirtschaft waren das 7 Prozent mehr als 2021, wie das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit errechnete.
Ein Ende des wachsenden Stromhungers ist erst einmal nicht in Sicht. Genauso wenig wie ein Ende der steigenden Energiekosten abzusehen ist. Kein Wunder also, dass das Thema Nachhaltigkeit bei immer mehr Unternehmen eine Rolle spielt. Nachhaltigkeitsinitiativen sparen in vielen Fällen nicht nur ein Menge Ausgaben für Energie, sondern man kann sich nebenbei auch noch ein grünes Image geben.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit habe bereits jetzt erheblichen Einfluss darauf, wie Unternehmen von Kunden und Stakeholdern wahrgenommen werden, erklärt Jörn Messner von Lufthansa Industry Solutions. „Dies wiederum hat Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krise und der neuen gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz haben Energiesparmaßnahmen, der effiziente Einsatz von Ressourcen und der Schutz von Menschenrechten eine hohe Relevanz bekommen“, führt er weiter aus.
Zunehmend wichtig wird laut Messner Green IT mit den drei Schwerpunkten Green Architecture, Green Cloud und Green Coding. Hinzu kämen aber auch die Effizienzsteigerung und der ressourcenschonendere Umgang mit den vorhandenen Arbeitsmitteln. Gerade hierbei könnten Technologien wie Data Analytics und Künstliche Intelligenz helfen, indem sie bessere Vorhersagen für Verbräuche treffen oder den Ausschuss von Material durch genauere Berechnungen reduzieren.
Auch der Gesetzgeber nimmt die Unternehmen in die Pflicht – und zwar in Sachen Menschenrechte: Auf Basis des Gesetzes zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht in der Lieferkette müssen Unternehmen mit über 3000 Beschäftigten ab dem Jahr 2023 ihre Maßnahmen zur Wahrung von Menschenrechten in der Lieferkette dokumentieren. Nur ein Jahr später sind zudem Unternehmen ab 1000 Mitarbeitenden dazu verpflichtet.
„Bedacht werden muss, dass die betroffenen Unternehmen die entsprechenden Pflichten an viele KMUs in ihrer Rolle als Lieferanten weitergeben“, erklärt Jörn Messner. „Hinzu kommen für KMUs weitere Anforderungen durch die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive.“ Sie sehe vor, dass Kapitalgesellschaften, wie etwa GmbHs, die zwei der drei Kriterien „mehr als 250 Mitarbeitende, Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro, Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro“ erfüllen, ab 2026 eine nichtfinanzielle Erklärung mit relevanter ESG-Information (Environment, Social, Governance) veröffentlichen müssen. „Diese Kennzahlen zur ökologischen, sozialen und Governance-Leistung werden damit integral für die Unternehmensberichterstattung und finanziellen Themen schrittweise gleichgestellt werden.“
3. Teil: „Bremsklötze für die IT“

Bremsklötze für die IT

Trotz aller Boom-Themen – die aktuelle Weltlage dämpft die Euphorie im ITK-Bereich. Vor allem der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen beschäftigen die Unternehmen. Der russische Angriff wird nämlich auch im Cyberraum geführt. Die deutschen Digitalunternehmen rechnen damit, dass die Auswirkungen auch hierzulande zu spüren sein werden. Laut Digitalverband Bitkom gehen rund zwei Drittel der Unternehmen davon aus, dass sich die Bedrohungslage im Cyberraum verschärfen wird. Und: 17 Prozent sahen bereits wenige Wochen nach Kriegsausbruch konkrete Anzeichen dafür. Die Folge: Jedes dritte Unternehmen hat seine IT-Schutzmaßnahmen kurzfristig hoch­gefahren.
  • Bremsklötze für den ITK-Sektor
    Quelle:
    com! professional
Dass die Angst vor Cyberattackenaufgrund des Ukraine-Kriegs nicht unberechtigt ist, bestätigt das Bundesamt für Verfassungsschutz: Der russische Angriffskrieg werde von Cyberangriffen und Versuchen der Einflussnahme begleitet. So gebe es zum Beispiel von prorussischen Cybercrime-Gruppierungen DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service) gegen deutsche Webseiten aus der Privatwirtschaft und der Forschung. Verbunden seien die Angriffe mit dem Aufruf, die Unterstützung für die Ukraine einzustellen.
Doch auch unabhängig vom Ukraine-Krieg steigt die Zahl der Cyberattacken unaufhaltsam. Ransomware-Angriffe etwa nehmen auch in Deutschland stetig zu. Laut Zahlen des Antiviren-Spezialisten Bitdefender belegte die Bundesrepublik 2021 bei den von Ransomware am meisten betroffenen Ländern Platz fünf.
„Das Thema Sicherheit beschäftigt alle Unternehmen“, unterstreicht Christian Scharrer von Dell. Angesichts der rasanten Zunahme und immer raffinierterer Cyberangriffe seien ganzheitliche Security-Strategien unverzichtbar. „Vor dem Hintergrund, dass es keinen hundertprozentigen Schutz gegen die Kriminellen gibt, gewinnt zudem der Punkt Incident Response an Bedeutung.“
Die steigende Nachfrage nach unterschiedlichen Sicherheits-Technologien bestätigt auch Stefan Schmugge. Er ist Director Solution Architecture Corporate Accounts bei Dell Technologies in Deutschland. „Die Unternehmen überlegen sich sehr gut, wie sie sich am besten vor Ransomware und anderen Angriffen schützen können.“ SIEM-Lösungen (Security Information and Event Management) seien hier ein beliebter Weg, um volle Sichtbarkeit und Transparenz von Aktivitäten innerhalb des Netzwerks zu erreichen und damit in Echtzeit auf Bedrohungen reagieren zu können. „Viele Unternehmen interessieren sich auch für Managed-Security-Services, um die Sicherheitsanforderungen extern zu verwalten“, so Schmugge weiter.
  • Zugpferde für den ITK-Sektor
    Quelle:
    com! professional
4. Teil: „Interview mit Jochen Fauser“

Interview mit Jochen Fauser

„Die Stabilisierung der Lieferketten steht für viele Unternehmen im Vordergrund“

Was sind die IT-Themen, die Unternehmen aktuell beschäftigen? Und welche Bereiche wirken als Bremsklötze? com! professional spricht darüber mit Jochen Fauser, Offering Lead Technology Strategy & Transformation bei der Unternehmensberatung Deloitte Deutschland.
com! professional: Herr Fauser, was sind Ihrer Einschätzung nach aktuell die Zugpferde in der IT-Branche? Welche Themen werden in den kommenden Monaten an Relevanz gewinnen?
  • Jochen Fauser Offering Lead Technology Strategy & Transformation bei Deloitte
    Quelle:
    Deloitte
Jochen Fauser:
Im derzeitigen Marktumfeld und geprägt durch den Einfluss der aktuellen Krisen steht die Stabilisierung der Lieferketten für viele Unternehmen im Vordergrund. Entsprechende Maßnahmen erfolgen vielfach im Einklang mit gängigen ESG-Anforderungen (Environmental Social Governance).
com! professional: Darüber hinaus bleibt wahrscheinlich eine konsequente Umsetzung der jeweiligen Digitalisierungs-Strategien wichtig …
Fauser: Entscheidend ist dabei die Integration von IT und OT (Operational Technology), das heißt, klassische Produktion und Produkte sind zunehmend integriert zu managen. Hierbei spielen Technologien wie IoT, 5G, Cloud, Künstliche Intelligenz sowie Automatisierung und Blockchain eine herausragende Rolle. Cloud-Technologien werden zunehmend vertikal integriert, um bestehende Prozesse zu modernisieren und innovative Lösungen zu erleichtern. Dabei kommt cloudbasierten industriespezifischen Lösungen eine immer wichtigere Rolle zu.
Parallel dazu entwickeln vorausschauende Unternehmen ihr Backoffice bereits jetzt in eine völlig neue Richtung. Ticket-Systeme mit ihren wiederkehrenden Aufgaben werden zunehmend durch automatisierte Selfservice-Systeme ersetzt.
com! professional: Sie haben das Internet of Things und Künstliche Intelligenz erwähnt. Wichtig sind also vor allem die Daten?
Fauser: Die grundsätzliche Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung solcher Technologien sind Daten und ihr reibungsloser Austausch zwischen sowie innerhalb von Organisationen. Nur so sind innovative Geschäftsmodelle und Produkte möglich.
com! professional: Und was sind demgegenüber derzeit die Bremsklötze? Ein Problem dürfte die weiter angespannte Lage im Hinblick auf Cyberkriminalität sein, oder?
Fauser: Cyberkriminalität ist in der Tat eine große Herausforderung und Unternehmen sind gut beraten, sich frühzeitig damit zu beschäftigen, um sich in organisatorischer, prozessualer und technologischer Hinsicht resilient aufzustellen. Die Stabilisierung der Lieferketten und der Chipmangel sowie der anhaltende Fachkräftemangel spielen ebenso eine große Rolle.
com! professional: Der Chipmangel könnte darüber hinaus so manches Digitalisierungsprojekt ordentlich ausbremsen …
Fauser: Kurzfristig führen Herausforderungen wie die Chipknappheit zwar zu einer verlangsamten Umsetzung bestehender Transformationsvorhaben. Andererseits lenkt die aktuelle Situation die Aufmerksamkeit der Unternehmen auf die – auch unter ESG-Kriterien – notwendige Modernisierung der Lieferketten. Dies äußert sich in einer wachsenden Nachfrage nach Projekten zur Optimierung der Lieferketten.
5. Teil: „Fazit & Ausblick“

Fazit & Ausblick

Cloud, IT-Security und moderne Arbeitsumgebungen, Stichwort Hybrid Work – es sind auch im Jahr 2022 die altbekannten Themen, die die IT-Verantwortlichen in Deutschland umtreiben.
Neu hingegen ist das verstärkte Engagement der Unternehmen hinsichtlich einer nachhaltigeren IT-Landschaft, Stichwort Green IT. Das unterstreichen auch die Ergebnisse der diesjährigen Umfrage „Top 100 ITK-Unternehmen“ von com! professional: Für 40 Prozent der befragten Firmen in Deutschland sind Nachhaltigkeitsinitiativen „wichtig“, für gut ein Fünftel der Unternehmen sind sie sogar „sehr wichtig“. Lediglich 15 Prozent halten das Thema aktuell für unwichtig. Die ressourcenfressende ITK-Branche hat also die Weichen auf Grün gestellt.
  • Nachhaltigkeitsinitiativen in Unternehmen
    Quelle:
    com! professional
Ob es bei diesen Bemühungen aber wirklich in erster Linie um den Schutz der Umwelt geht, ist fraglich. Wahrscheinlich sind es eher die durch die Decke gehenden Energiepreise, die entsprechende Initiativen in den Unternehmen nach sich ziehen.

mehr zum Thema