Business-IT
26.10.2017
Stromkosten und IT
1. Teil: „Kosten senken beim Energieverbrauch“

Kosten senken beim Energieverbrauch

StromkostenStromkostenStromkosten
Shutterstock / vchal
Die Digitalisierung erhöht den Energieverbrauch der IT. com! professional zeigt, auf was Unternehmen jetzt achten müssen und wie sich Kosten reduzieren lassen.
  • Quelle: Borderstep Institut
Für die deutschen KMUs ist das Thema Energiekosten ein Dauerbrenner. Die mittelständische Wirtschaft in Deutschland verbraucht so viel Energie wie die Niederlande. „KMUs könnten jährlich eine Milliarde Euro Energiekosten einsparen“, sagt Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen
Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF) unter Berufung auf eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB).
In Zeiten der digitalen Transformation kommt der Energieeffizienz eine kritische Bedeutung zu. Die fortschreitende Digitalisierung und die IT-gestützte Automatisierung von Geschäftsabläufen erhöhen die Abhängigkeit der Unternehmen vom Faktor Energie. Hinzu kommt die Notwendigkeit, Big Data aus Sensorik der Industrie 4.0, „smarter“ Infrastruktur und Logistik in Rechenzentren zu verarbeiten. Der Bedarf an zusätzlichen IT-Kapazitäten geht gewöhnlich mit einem höheren Energieverbrauch einher. Hier sind Auswege gefragt.

Preis und Bezugsmenge

Mittelständische Firmen können nur selten auf die Entlastungsregelungen für energieintensive Unternehmen zurückgreifen. Obwohl über 80 Prozent der mittelständischen Investitionen im Inland blieben, würden satte 96 Prozent der Unternehmen die volle Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) entrichten, beklagt Hans-Toni Junius, Vorsitzender des BDI/BDA-Mittelstandsausschusses.
Für die Unternehmen gebe es „zwei Stellgrößen, um die Stromkosten zu beeinflussen“, so der Deutsche Indus­trie- und Handelskammertag im „Faktenpapier Strompreise in Deutschland 2017“. Diese ergäben sich aus „der einfachen Gleichung Preis mal Bezugsmenge“, heißt es in dem Papier. Die Beschaffungspreise lassen sich in der Praxis durch zweierlei Maßnahmen senken: Vertragsbündelung und Ausschreibungen. „Es ist erstaunlich, welche Preisunterschiede im Wettbewerb sichtbar werden“, bemerkt Joachim Weindel, kaufmännischer Leiter der AVL Deutschland GmbH mit Sitz in Mainz-Kastel. AVL Deutschland ist der weltweit größte unabhängige Anbieter von Lösungen rund um die Entwicklung, Simulation und Prüftechnik von Antriebssystemen. Das Unternehmen konnte sich über den Energiemarktplatz der EMP Energie AG aus Hamburg (Energiemarktplatz.de) Zugriff auf günstigere Strom­angebote verschaffen.
Wer den Preis nicht beeinflussen kann, dem bleibt, die Menge zu reduzieren. Energieeffizienz heißt also die Devise.

Sparpotenzial ermitteln

Der erste Schritt zu mehr Energieeffizienz beginnt mit der geeigneten Messtechnik sowie der Einführung von Energiemanagementsystemen und Energieaudits. Letztere sind für Großkonzerne verpflichtend, für KMUs freiwillig. „Das Einsparpotenzial kann bis zu 15 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs betragen“, erklärt Patrick Unkauf, Energiemanagement-Beauftragter bei der KBR Kompensationsanlagenbau GmbH und BAFA-gelisteter Energieauditor.
Das Programm „Energieberatung im Mittelstand“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA soll in kleinen und mittleren Unternehmen durch geförderte Energieaudits wirtschaftlich sinnvolle Energieeffizienzpotenziale in den Bereichen Gebäude und Anlagen sowie beim Nutzerverhalten aufzeigen.
Ein ähnliches Ziel verfolgt das vom Bundesumweltministerium geförderte Energiesparkonto für KMUs. Mit dieser Lösung kontrolliert ihren Energieverbrauch zum Beispiel die W. Neudorff GmbH KG aus dem niedersächsischen Emmerthal. Um Energiesparpotenziale aufzudecken, greift das Energiespar­konto auf die kostenfreie Energiemanagement-Software der gemeinnützigen co2online GmbH zurück.
2. Teil: „IT als Stromfresser“

IT als Stromfresser

  • Intelligente Wärmerückgewinnung: Das Dresdener Unter­nehmen Cloud & Heat schafft mit seinem Container-Rechenzentrum DD2 einen Effizienzrekord.
    Quelle:
    Cloud & Heat / René Schübel
Zu den größten Stromfressern der digitalen Transformation zählt die Unternehmens-IT, das Herz der datengetriebenen Wertschöpfung des Mittelstands. In Deutschland entfallen  derzeit etwa 2,3 Prozent des gesamten Stromverbrauchs allein auf Rechenzentren, so die Schätzung des Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit gGmbH in einer aktuellen Studie. Im Raum Frankfurt sollen es sogar 20 Prozent sein.
Die Notwendigkeit, stets mehr Rechenleistung, mehr Massenspeicher und mehr Konnektivität bereitzuhalten, um die wachsende Datenflut zu bändigen, treibt den Energiebedarf erbarmungslos in die Höhe. Technologische Innovationen mit dem Fokus auf einer höheren Energieeffizienz seien weiterhin „zwingend geboten“, sagt Senior Researcher Ralph Hintemann vom Borderstep Institut in Bezug auf den deutschen Rechenzentrumsmarkt.
In der Rechenzentrumsbranche ist das Thema Energieeffizienz mittlerweile angekommen. Fast 50 Prozent der befragten RZ-Betreiber wollen in naher Zukunft ein Energiemanagementsystem einführen oder haben das bereits getan, fand das Borderstep Institut in einer zwischen März und Juni 2017 durchgeführten Umfrage heraus.

Kosten mit Technik zähmen

Dem IT-Fachpersonal fehlen oft Informationen darüber, wie sich der Strombedarf einzelner Geräte zu bestimmten Zeiten entwickelt und welche Faktoren darauf Einfluss nehmen. Diese Informationen sind eine wichtige Voraussetzung für Optimierungen des Energieverbrauchs.
Intelligente PDUs (Power Distribution Units) von Anbietern wie Vertiv oder Raritan schaffen vielerorts Abhilfe. Sie erlauben unter anderem Messwertabnahmen auf Steckdosenebene und/oder auf Leistenebene. Eine Management-Software überwacht diese Werte in Echtzeit und schlägt bei Überschreiten von Schwellenwerten Alarm. So werden Optimierungen des Energieverbrauchs unter Berücksichtigung der tatsächlichen Auslastung möglich. Intelligente PDUs können den Stromverbrauch pro Anschluss messen und zusätzliche Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Kühlluft in einer Einheit erfassen.
Infrastrukturelemente wie eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) und die Kühlung lassen sich dann auch ohne unnötige Reservenprovisionierung dimensionieren. Zusätzliche Sensorik ist ebenfalls nicht mehr nötig. Umgebungswerte und Stromparameter in Server-Räumen und Rechenzentren lassen sich drahtlos übertragen, protokollieren, evaluieren und auf dieser Basis auch im Hinblick auf die Energieeffizienz optimieren. Intelligente Überwachungsfunktionen dieser Stromverteilungsgeräte helfen, die Systemverfügbarkeit zu gewährleisten, und bieten einen Überblick über den Energieverbrauch in Echtzeit.
In vielen Unternehmen beginnen Initiativen zur Steigerung der Energieeffizienz im Server-Raum. Ihn hat sich beispielsweise auch die Datev vorgenommen – mit Erfolg. Durch die Einhausung der Server-Systeme und eine Erhöhung der Raumtemperatur von circa 23 auf 26 Grad konnte Datev im eigenen RZ bei gleicher Leistung und Ausfallsicherheit die Energie­kosten für die Klimatisierung reduzieren. Jedes Grad senkt den Bedarf an der Gesamtkühlleistung um 3 Prozent pro Jahr, stellte das Unternehmen fest. Die Energieeffizienz kommt auch den Datev-Kunden zugute, die auf den IT-Outsourcing-Dienst DATEVasp vertrauen. So konnte etwa die Leipziger GOB Steuerberatungsgesellschaft durch das Abschalten der eigenen Server und die Migration in die Datev-Cloud bereits in den ersten drei Jahren rund 15.000 Euro an Energiekosten sparen.
3. Teil: „Wärmerückgewinnung“

Wärmerückgewinnung

  • Öko-zertifiziert: Datev konnte die Energiekosten für die Klimatisierung seines RZ deutlich senken.
    Quelle:
    Datev
Der Dresdner Rechenzentrumsanbieter Cloud & Heat Technologies GmbH hat ein einzigartiges Know-how in Steuer- und Regelungstechnik entwickelt. Das Rechenzentrum DD2 des Anbieters schlägt weltweite Energieeffizienzrekorde. Intelligente Wärmerückgewinnung macht es möglich: Die Kaltluft aus der betriebseigenen Tiefgarage speist der Anbieter ins eigene Rechenzentrum ein; die warme Abluft aus den Server-Räumen beheizt die Büros. Durch eine Kombination aus Kaltluft- und Wasserkühlung sowie die Wiederverwendung der Abwärme gelang dem Unternehmen der völlige Verzicht auf Kälteanlagen. Solche Energieeinsparungen lassen auch börsennotierte Großkonzerne vor Neid erblassen.
„Unsere neuesten Messergebnisse in unserem Rechenzentrum in Dresden unterbieten die Energiewerte der modernsten und effizientesten Server-Anlagen“, freut sich Nicolas Röhrs, Geschäftsführer von Cloud & Heat. Das DD2-Rechenzentrum von Cloud & Heat erreicht einen PUE-Wert von 1,014 ohne und 1,046 mit Wärmepumpe. PUE steht für Power Usage Effectiveness. Per Definition ist der PUE-Wert größer eins, je niedriger er ist, umso besser. Zum Vergleich: Face­book, Aushängeschild in Sachen Energieeffizienz, kommt eigenen Angaben zufolge gerade einmal auf einen durchschnittlichen PUE-Wert von 1,07 – und das trotz generell günstigeren Klimabedingungen. Google spricht von einem PUE-Wert von 1,12.
  • Kräftiger Anstieg: Prognosen sagen beim IKT-bedingten Energieverbrauch vor allem für die Rechenzentrums- und TK-Branche einen wachsenden Bedarf voraus.
    Quelle:
    Fraunhofer IZM, Borderstep Institut 2017
Zum niedrigen PUE-Wert von Cloud & Heat kommt ein ebenfalls beneidenswert niedriger ERE-Wert (Energy Reuse Effectiveness) in Höhe von 0,684 mit und 0,621 ohne Wärmepumpe. Der ERE-Wert des Dresdner Rechenzentrums unterschreitet beispielsweise die Bestmarke von Google um beachtliche 42 Prozent. Bei Rechenzentrumsbetreibern, die die Abwärme ungenutzt verpuffen lassen und auch sonst keinerlei Maßnahmen zur Energierückgewinnung umsetzen, gleicht der PUE-Wert dem ERE-Wert.
Die patentierte Technologie der Cloud & Heat Technologies GmbH haben die beiden Gründer Christof Fetzer und Jens Struckmeier in langjähriger Forschungsarbeit gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden entwickelt. Für seine gesamtheitliche Energieeffizienz wurde das Unternehmen mehrmals ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Rechenzentrumspreis 2015 und 2016.
4. Teil: „Effizienter mit Gleichstrom“

Effizienter mit Gleichstrom

  • Ungleiche Verteilung: Der Stromverbrauch in den Rechenzentren wächst vor allem in den Bereichen Server und Storage.
    Quelle:
    Fraunhofer IZM, Borderstep Institut 2017
Unternehmen in verschiedenen Branchen experimentieren neuerdings mit der Stromversorgung via Gleichspannung (DC) anstelle von Wechselspannung (AC). Batterien, Brennstoffzellen, Windturbinen und Solaranlagen liefern Gleichstrom, die Bauteile eines IT-Systems laufen ohnehin mit Gleichstrom. Der Einsatz von Gleichstrom bedeutet also den Wegfall der Umwandlungsschritte von AC zu DC und umgekehrt, niedrigere Anschaffungskosten bei der Ausrüstung, niedrigere Streuverluste im Betrieb, eine Wärmereduktion von bis zu 40 Prozent, eine höhere Nutzungsdichte der Stellfläche und zahlreiche weitere Vorteile.
Das erste deutsche Gleichstrom-Rechenzentrum steht in Stuttgart bei der Bachmann Systems GmbH & Co. KG. Klimaanlagen, Beleuchtung sowie sämtliche Server und Geräte im Rechenzentrum werden mit 380 Volt Gleichstrom versorgt. 42 Photovoltaikmodule mit 15 kW Leistung auf dem Dach speisen umweltfreundlichen Gleichstrom direkt ins Netz ein. Das unternehmenseigene Elektromobil lässt sich an der 380-Volt-Ladestation „betanken“.  Das Rechenzentrum versorgt etwa 500 Bachmann-Mitarbeiter mit einem Warenwirtschaftssystem, Office-Anwendungen sowie E-Mail- und anderen Diensten (insgesamt 10 kW Abnahme).
Mit 380-Volt-Gleichstromtechnik betreibt auch die Green Datacenter AG ihr Rechenzentrum in Zürich. Bei voller Auslastung ermögliche das DC-System von ABB „Energieeinsparungen von bis zu 20 Prozent beim allgemeinen Stromverbrauch und bei der Kühlung“, erklärt Franz Grüter, CEO von Green. Hewlett Packard Enterprise lieferte hochspannungsgleichstromfähige (kurz: HVDC-fähige) Server sowie Speicher und Netzwerkkomponenten, die sich von einem zentralen Leitstand aus verwalten lassen. Die Umstellung auf Gleichstrom habe die Gesamtkosten der Anlage um bis zu 30 Prozent senken können, berichtet ABB.
Unternehmen leiden seit jeher unter den Nachteilen der Wechselstromtechnik wie der permanent wechselnden Spannung, aus der unvermeidliche Leistungsschwankungen resultieren, die beispielsweise in der IT folgenschwere Nebeneffekte verursachen. Zwar werden IT-Geräte mit Gleichstrom betrieben, jedoch erst nach einer aufwendigen, verlustreichen und damit kostspieligen Umwandlung von Wechselstrom aus dem Versorgungsnetz.
  • Gleichstrom: Das Rechenzentrum der Green AG läuft mit Stromtechnik von ABB und IT-Equipment von HPE.
    Quelle:
    ABB / Frederic Meyer
Bisher gab es dazu keine Alternative. Erst dank neuester technologischer Fortschritte rückt der groß angelegte Einsatz von Gleichstrom in greif­bare Nähe. Durch die vermehrte Nutzung regenerativer Energien wie Wind, Wasser und Sonne sind immer mehr Unternehmen in der Lage, den Eigenbedarf mit selbst produziertem Gleichstrom zu decken. Darüber hinaus lassen sich dank der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnologie, wie sie beispielsweise die Siemens AG anbietet, große Distanzen vergleichsweise verlustarm überbrücken.
Bei der Siemens AG befürwortet den Einsatz von Niederspannungsgleichstrom im circa 400-V-Bereich unter anderem Roland Weiss, R&D Scientist. Er sieht Gleichstrom als eine „strategische Maßnahme“ zur Senkung des Energieverbrauchs in Gebäuden.
Nicht nur die deutsche Industrie setzt sich für Gleichstrom ein. Auch renommierten Wissenschaftlern erscheint die Umstellung auf Gleichstrom angebracht. Rik W. De Doncker von der RWTH Aachen sieht Gleichstrom als die Schlüsseltechnologie für das flexible Elektrizitätsnetz der Zukunft an.

Fazit

Der Drahtseilakt „weniger Energie dank mehr IT“ fordert vom Mittelstand neben modernster Technik auch geballtes Fachwissen und eine gehörige Portion an eigener Kreati­vität. Für viele Unternehmen stellt die Energieversorgung nicht nur einen wichtigen Kostenfaktor dar, sondern zählt zu den Vo­raussetzungen für die Verfügbarkeit unternehmenskritischer IT-Dienste.
Der erste Schritt zu mehr Energieeffizienz führt über den Einsatz intelligenter Power Distribution Units. Auch Lösungen zur Wärmerückgewinnung und Gleichstrom leisten ihren Beitrag.

mehr zum Thema