Business-IT
23.06.2022
Prozessautomatisierung
1. Teil: „Agiler durch Hyperautomation “

Agiler durch Hyperautomation

Shutterstock / TierneyMJ
Die Kombination von Techniken und Lösungen zur Prozessautomatisierung macht Unternehmen produktiver, schneller und kundenfreundlicher.
Wer Produkte und Services effizienter entwickeln, günstiger produzieren und schneller auf den Markt bringen will, muss automatisieren, und zwar nicht nur Fertigungsumge­bungen, sondern auch Geschäftsprozesse. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Deshalb setzen sich in Unternehmen Automatisierungstechnologien durch wie Business Process Management (BPM) und Robotic Process Automation (RPA).
Einen Schritt weiter weist ein Begriff, den das Analystenhaus Gartner 2019 in die Welt gesetzt hat: Hyperautomation. „Es handelt sich um einen Ansatz, der Folgendes besagt: Alles, was automatisiert werden kann, wird letztlich auch automatisiert“, definiert Cathy Tornbohm, Distingui­shed Vice President Analyst bei Gartner. „Es handelt sich bei Hyperautomation somit um keine Technologie, sondern um unterschiedliche Typen von Software-Tools, durch die sich manuelle Aufgaben ersetzen lassen, und zwar im Geschäftsbetrieb und in der IT“, so Tornbohm.
Mittlerweile haben weitere Beratungsunternehmen die Idee von Gartner aufgegriffen. Forrester beispielsweise spricht von „Digital Process Automation“ (DPA), IDC von „intelligenter Prozessautomatisierung“. Das macht es für Interessenten nicht gerade einfach, sich einen Überblick über die Angebote im Bereich Hyperauto­mation zu verschaffen.

Die Kernkomponenten

Zu den Werkzeugen und Anwendungen, die Hyperautomation kombiniert, zählen neben Robotic Process Automation und Low- und No-Code-Plattformen Lösungen aus dem Bereich Erfassen, Automa­tisieren und Verwalten von Prozessen (Business Process Management, Process Mining). Hinzu kommen Komponenten wie KI- und Machine-Learning-Funktionen sowie iPaaS-Plattformen.
Peter Haase, Field Marketing DACH des Software-Hauses Boomi, weist auf einen weiteren Gesichtspunkt hin: „Ergänzend zu Gartners Definition muss unbedingt der Aspekt Workflows berücksichtigt werden, im Idealfall der von automatisierten Arbeitsabläufen.“
Auf welche Komponenten ein Unternehmen letztlich zurückgreift, hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel:
  • Welche Ziele sollen mit Hyperautomatisierungs-Projekten verfolgt werden? Beispiele sind Kosteneinsparungen, eine höhere Geschäftsagilität, eine bessere Unterstützung der Digitalisierung, ein optimierter Kundenservice sowie eine Reduzierung der Fehlerquote, die mit manuellen Prozessen verbunden ist.
  • Welche Automatisierungs-Tools sind bereits im Einsatz und mit welchem Aufwand lassen sich diese zu einer Hyperautomation-Lösung zusammenfassen?
  • Wie ist es um die Expertise und die Ressourcen der IT-Abteilung bestellt? Sie ist es, die letztlich diese Tools und Plattformen miteinander verknüpfen muss.
  • Ist es für den Anwender akzeptabel, eine (Public-)Cloud-Plattform zu nutzen?
  • Wie viel Geld möchte ein Unternehmen für Hyperautomation aufwenden?
2. Teil: „„Hyperautomation ist mehr als die Summe von Digitalisierungsschritten“ “

„Hyperautomation ist mehr als die Summe von Digitalisierungsschritten“

„Wir optimieren doch bereits Geschäftsprozesse“, so die Einschätzung vieler Unternehmen, wenn die Rede auf das Thema Hyperautomation kommt. Doch der Fokus auf einzelnen Schritten und Technologien bringt oftmals nicht die erhofften Vorteile, etwa eine höhere Agilität und eine optimierte Kundenansprache, argumentiert Michael Baldauf. Er ist Industry Architect Financial Service EMEA beim Automatisierungsspezialisten Pegasystems.
com! professional: Herr Baldauf. Was Automatisierung ist, wissen wir alle. Aber was ist Hyperautomation?
  • Michael Baldauf Industry Architect Financial Service EMEA, Pegasystems
    Quelle:
    Pegasystems
Michael Baldauf:
Der Begriff steht für durchgängig digitalisierte Prozessketten durch intelligente Automatisierung. Erreicht wird das durch das Zusammenspiel verschiedener Digitalisierungs-Tools.
com! professional: Was für Tools sind das? Gartner führt in seiner Definition von Hyperautomation beispielsweise Künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation (RPA) und einiges Weitere an.
Baldauf: Wir nutzen dafür Methoden wie Business Process Management (BPM), RPA, Case-Management und Prozessintelligenz auf einer Low-Code-/Case-Management-Plattform. Durch den Einsatz von KI wird die Lernfähigkeit und dadurch die ständige Selbstoptimierung des Systems gewährleistet.
com! professional: Welche Vorteile bringt Hyperautomation dem Anwender?
Baldauf: Digitalisierungsinitiativen und entsprechende Maßnahmen waren bislang meist auf einzelne Prozessschritte begrenzt, etwa die Optimierung von Kundenschnittstellen oder die Nutzung von RPA für Eingaben in Legacy-Systemen. Dieses „Flickwerk“ weicht bei der Hyperautomation einem durchstrukturierten Prozess. Wichtig ist dabei neben der Optimierung der kompletten Prozesskette auch die Fähigkeit zur laufenden Anpassung und Veränderung. Deshalb sind die Hyperautomation-Tools kontinuierlich lernfähig. Neben KI spielt dabei auch der Low-Code-/Case-Plattform-Ansatz eine wichtige Rolle.
com! professional: Welche Vorteile bringen diese Technologien?
Baldauf: Nutzer können Änderungen ohne großen Programmieraufwand vornehmen. Das minimiert die Kosten und die Risiken für neue Produkte und Prozesse. Außerdem lässt sich auf diese Weise Time-to-Market reduzieren.
com! professional: Wie bewerten Sie das Potenzial und die Akzeptanz von Hyperautomation? Manche Kritiker sehen darin nur ein weiteres Hype-Thema.
Baldauf: Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren bereits Erfahrungen mit der punktuellen Digitalisierung von Prozessen gemacht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Prozessoptimierungen mit nur einer Technologie, also etwa RPA ohne KI, BPM ohne Low-Code, Natural Language Processing ohne Case-Tools, nur zu geringen Ergebnisverbesserungen führen. Sie haben die Lehren daraus gezogen und sind daher offen für das Konzept einer integralen Plattform, die bereits alle nötigen Digitalisierungs-Tools beinhaltet und bestehende Lösungen leicht anbinden kann.
Hinzu kommt, dass der Anwendungsdruck wächst. Ein Grund dafür ist, dass sich die Anforderungen durch gesetzliche Regelungen wie Compliance-Vorgaben, das Geldwäschegesetz oder ESG-Bestimmungen (Environmental, Social, Governance) permanent verschärfen. Gleichzeitig stellen Kunden immer höhere Anforderungen an die Präzision und die Geschwindigkeit, mit der Unternehmen mit ihnen kommunizieren und interagieren. Dafür ist Hyperautomatisierung der richtige Ansatz.
com! professional: Worauf sollten Anwender achten, die Hyperautomation einführen wollen?
Baldauf: Dass Hyperautomation mehr ist als die Summe von einzelnen Digitalisierungsschritten. Denn die Aufgabe besteht nicht darin, mit den Instrumenten der Hyperautomatisierung vorhandene Prozesse zu optimieren, sondern vielmehr Abläufe komplett neu zu denken. Dabei helfen Methoden wie Design Thinking. Am Anfang muss die Bereitschaft stehen, Prozesse auf den Prüfstand zu stellen und sich dabei auf neue Formen der Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens oder auch mit Kunden und Dienstleistern einzulassen. Wer von vorneherein glaubt, seine Prozesse bereits zu kennen, verschenkt viel Potenzial bei der Hyperautomation.
3. Teil: „Die Ziele und Vorteile“

Die Ziele und Vorteile

„Mit einer Hyperautomation-Strategie werden mehrere digitale Prozesse zu einem automatisierten End-to-End-Prozess verknüpft, sodass Unternehmen ihre Geschäftsziele mit weniger Fehlern und einer besseren Gesamtleistung erreichen können“, beschreibt Derrek Clarke, Product Marketing – Service Providers bei Planon Software, das zen­trale Ziel von Hyperautomatisierung. Das Unternehmen nutzt den Ansatz bei seinen Lösungen für das Workplace-Management (digitale Arbeitsplätze) und die Gebäudeverwaltung (Facility-Management).
Zu den zentralen Vorteilen von Hyperautomation zählt für Gartner-Analystin Cathy Tornbohm, dass sich Daten schneller und effizienter zwischen unterschiedlichen Systemen hin und her bewegen lassen, und zwar sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Informationen. „Wird dieser Vorgang automatisiert, lassen sich Abläufe beschleunigen, kostspielige Fehler vermeiden und bessere Möglichkeiten schaffen, um in Echtzeit aus Daten verwertbare Informationen zu gewinnen“, so Tornbohm. Hinzu kommt, dass durch die Automatisierung von Abläufen Ressourcen freigemacht werden, die sich anderweitig einsetzen lassen, etwa in der Produktentwicklung. „Dadurch ergeben sich kürzere Entwicklungs- und Produktzyklen sowie schnellere Reaktionszeiten“, folgert Peter Haase.
Die höhere Agilität eines Unternehmens ist ein Faktor, der insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung an Bedeutung gewonnen hat. Das untermauert Annette Maier, Vice President Central and Eastern Europe beim RPA-Spezialisten UiPath: „Hyperautomatisierung sorgt in Unternehmen für mehr Geschwindigkeit und Agilität und bietet mehr Möglichkeiten als RPA allein. Denn Unternehmen sind dadurch in der Lage, auch unstrukturierte Daten zu verarbeiten und verstärkt KI-gestützte Entscheidungen zu treffen.“
Wichtig dabei sei jedoch, dass die Mitarbeiter aktiv eingebunden werden, „damit sie nicht nur Seite an Seite mit der Technologie arbeiten, sondern mit ihr kollaborieren. Dadurch erhalten sie mehr Zeit für ihre Kernaufgaben – und Abteilungen arbeiten effektiver und kundenorien­tierter“, so die Managerin weiter.
Vorteile der Hyperautomation
  • Vereinfachung und Beschleunigung der Abwicklung komplexer Aufgaben
  • Schnellere Geschäftsentscheidungen auf fundierter Datenbasis und der Grundlage KI-basierter Analysen; generell höhere Agilität des Unternehmens
  • Bislang unbekannte beziehungsweise unerkannte Beziehungen zwischen Funktionen, Prozessen und KPIs werden transparent
  • Echtzeitinformationen über Geschäftsaktivitäten und den geschäftlichen Erfolg des Unternehmens
  • Unterstützung beziehungsweise Entlastung von Mitarbeitern durch eine Digital Workforce (Bots)
  • Mitarbeiter können sich auf höherwertige Tätigkeiten konzentrieren
  • Optimierte Zusammenarbeit mit Kunden und Mitarbeitern
  • Auch Mitarbeiter in den Fachbereichen können mittels Low-Code- und No-Code-Lösungen Prozesse automatisieren
  • Geringere Kosten durch Verlagerung von Tätigkeiten auf Bots

Von IT bis Facility-Management

Zu den Einsatzfeldern, in denen Hyperautomation besonders gefragt ist, zählen IT-Umgebungen. Agile Entwicklungsmethoden und DevOps haben zusammen mit Techniken wie Container, Virtualisierung und Hybrid-Cloud dazu geführt, dass immer mehr IT-Ressourcen automatisiert zugewiesen werden. Red Hat stellt dafür beispielsweise die Ansible Automation Platform bereit. „Die Mehrheit der Kunden verwendet die Plattform, um die Ausführung komplexer Abläufe in der IT zu automatisieren – von der Bereitstellung von Anwendungen über die Neukonfiguration ganzer Netzwerke nach Fusionen und Übernahmen bis hin zur Orchestrierung von Sicherheitsmaßnahmen nach einem Security-Vorfall“, erläutert Götz Rieger, Principal Solution Architect bei Red Hat.
Im Bereich Facility-Management wiederum trifft Hyperautomation nicht nur auf Geschäftsanwendungen, sondern auch auf IoT-Applikationen (Internet of Things): „Der Kern der Hyperautomatisierung ist die Fähigkeit, Technologien wie Sensoren, mobile Apps, Gebäudesysteme und Wartungs- oder Reinigungssysteme mit Betriebsplattformen zu verbinden, um eine nahtlose Workflow-Integration und eine verbesserte betriebliche Effizienz zu erreichen“, befindet Derrek Clarke von Planon Software. Ein zusätzlicher Vorteil sei die Möglichkeit, datengestützte „Insights“ zu gewinnen und die Entscheidungsfindung zu verbessern. Solche Informationen sind zudem wichtig, um das Gebäudemanagement umweltfreund­licher und nachhaltiger zu gestalten. „Anbieter solcher Services können beispielsweise automatisch einen Workflow starten, wenn der Energieverbrauch einen bestimmten Wert überschreitet“, so Clarke.
Elemente von Hyperautomation-Lösungen
Das Marktforschungsunternehmen Gartner geht davon aus, dass der weltweite Umsatz mit Hyperautomation-Tools 2022 ein Volumen von rund 600 Milliarden Dollar erreichen wird. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in dieser Summe die Ausgaben für eine ganze Reihe von Schlüsseltechnologien enthalten sind, die eine weitreichende Automatisierung von Prozessen erlauben. Zu diesen Technologien und entsprechenden Lösungen zählen insbesondere:
  • Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) inklusive Unterkategorien und Anwendungen wie die Verarbeitung natür­licher Sprache (Natural Language Processing), Optical Character Recognition (OCR) und maschineller Bildverarbeitung: Sie er­kennen und analysieren beispielsweise Muster in großen Datenbeständen. Das kann als Grundlage für Entscheidungen heran­gezogen werden.
  • Process-Mining-Lösungen: Laut dem deutschen Process-Mining-Spezialisten Celonis erfasst dieser Ansatz die digitalen Fußab­drücke von Systemen in einer Organisation und strukturiert sie so, dass sich jeder Prozessschritt und alle Abweichungen vom erwarteten Prozesspfad visualisieren lassen. Eine Analyse, teilweise mit KI und ML, zeigt auf, welche Prozesse ineffizient ablaufen und warum das so ist.
  • Robotic Process Automation (RPA): Diese Technologie ermöglicht es, mithilfe von Bots wiederkehrende Aufgaben, Prozesse und Workflows zu automatisieren. Beispiele sind die Bearbeitung von Rechnungen, die Eingabe von Daten und die Kontrolle von Konten.
  • Low-Code-/No-Code-Tools und -Plattformen: Sie stellen Nutzern Anwendungen, Services und Prozesse in Form von Bausteinen zur Verfügung, die sich mittels Drag and Drop verknüpfen lassen. Dadurch können auch technisch weniger versierte Mitarbeiter Abläufe automatisieren.
  • Anwendungen für das Business Process Management (BPM) und Intelligent Business Process Management (iBPM): Dies sind Komplettlösungen, die als Cloud-Services oder für den Einsatz im eigenen Rechenzentrum bereitstehen. Mit ihnen lassen sich Prozesse identifizieren und optimieren. Bei iBPM kommen dafür KI und ML zum Einsatz.
  • Integration Platform as a Service (iPaaS): Dies sind Cloud-Services, mit denen Anwender Integrationen erstellen und verwalten können. Solche Integrationen verknüpfen Daten, Anwendungen, Dienste und Prozesse in IT-Umgebungen und Clouds. iPaaS-Plattformen sind wichtig, weil der Trend in Richtung Cloud beziehungsweise Hybrid-Cloud geht.
  • Ein API-Management (Application Programming Interfaces) für die Anbindung von Applikationen.
  • Paketierte Software (Gartner tituliert diese Lösung als „Packaged Software“) und integrierte Automatisierungsdienste: Dazu zählen Services, die Anbieter von Geschäfts-Software bereitstellen, etwa SAP, Oracle und Salesforce. Zudem können Nutzer auf branchenspezifische Automatisierungs-Software zurückgreifen, etwa von Planon Software für das Facility-Management.
Generell gilt, dass ein Großteil der Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen von Hyperautomation profitieren kann, ist sich Gartner-Analystin Cathy Tornbohm sicher. „Sie können beispielsweise das Onboarding von Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten automatisieren, aber auch die Bearbeitung von Rechnungen und von Journaleinträgen im Finanz- und Rechnungswesen.“
Herausforderungen der Hyperautomation
  • Tragfähige Daten zum Return on Investment ermitteln und den Erfolg von Hyperautomation messen
  • Mitarbeiter, Fachabteilungen und Management von den Vorteilen von Hyperautomation überzeugen
  • Verzögerte Implementierung von Hyperautomation-Ansätzen, weil Informa­tionen über bestehende Geschäftsprozesse fehlen
  • Geringere Effizienz der Mitarbeiter und Zufriedenheit von Kunden während der Implementierungsphase von Hyperautomatisierungs-Lösungen
  • Strukturierte und unstrukturierte Daten erfassen, konsolidieren und auf einer Plattform bereitstellen
  • Den richtigen Einstiegspunkt finden, etwa in Form kleinerer Prozesse, die zuerst automatisiert werden
  • Eine durchgängige, also Ende-zu-Ende-Automatisierung etablieren
  • Die passenden Lösungen aus einem wachsenden Angebot herausfiltern
  • Eine realistische Projektierung erstellen (Zeitrahmen, Budget, personelle Ressourcen)
4. Teil: „Implementierung und Fazit“

Implementierung und Fazit

Implementierung Schritt für Schritt

Ob Hyperautomation ein Erfolg wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Wichtig sind nach Einschätzung der meisten Fachleute nicht nur die zugrunde liegenden Technologien. Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, die eine Hyperautomation-Strategie umsetzen wollen, sollten sich beispielsweise bei Projekten im Bereich Hyperautomatisierung nicht übernehmen, sondern besser schrittweise vorgehen, rät Boomi-Manager Peter Haase. „Oft sehen Unternehmen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Sie sollten nicht gleich alles automatisieren, sondern mit kleinen Prozessen beginnen, etwa Kundenanfragen. Nach und nach können sie dann weitere Prozesse einbinden.“
Solche Projekte in einem Zug „durchzuziehen“, ist laut Derrek Clarke von Planon Software auch gar nicht erforderlich: „Strategien wie die Hyperautomatisierung sind modular aufgebaut und lassen sich im Lauf der Zeit umsetzen, wenn die Anforderungen einer Organisation wachsen.“
Ähnlich wie bei der Einführung anderer Technologien, etwa Künstlicher Intelligenz und Machine Learning, darf aber keinesfalls der Faktor Mensch außer Acht gelassen werden. So sei das Engagement des Unternehmens und seiner Mitarbeiter gefragt, betont Annette Maier von UiPath, inklusive einer engen Partnerschaft aller Beteiligten. „Eine größere Akzeptanz wird durch die Zusammenführung verschiedener Geschäftsbereiche sowie von IT-, Sicherheits- und Versicherungsfunktionen in einem zentralen Automatisierungsgremium ermöglicht“, so Maier. Unternehmen sollten außerdem klar mit ihren Mitarbeitern kommunizieren sowie Schulungen und Trainings zu den neuen Technologien anbieten. „Dadurch lässt sich die Furcht der Mitarbeiter vor einem Verlust ihrer Jobs zerstreuen, wenn sie in einer Automation-first-Umgebung arbeiten.“

Keine Entmündigung der Nutzer

Eine offene Kommunikation und das frühzeitige Einbeziehen von Fachabteilungen und Nutzern kann außerdem dazu beitragen, den Mitarbeitern die Angst vor einem Verlust der Kontrolle über Geschäftsabläufe zu nehmen. Solche Bedenken hält Peter Haase von Boomi für überzogen: „Einen Kontrollverlust wird es nicht geben, wenn die Prüfung und anschließende Freigabe von Prozessen durch Menschen sichergestellt ist.“ Und Entscheidungen durch Mitarbeiter seien trotz einer Automatisierung in etlichen Fällen nach wie vor nötig, um die nächsten Schritte in einem Prozess zu initiieren.
Einen weiteren wichtigen Aspekt spricht Götz Rieger von Red Hat an: „Der Nutzen einer Automatisierungslösung hängt zu einem großen Teil davon ab, wie gut sie sich in die heterogenen Systeme von Drittanbietern integrieren lässt. Schließlich gibt es in großen Organisationen typischerweise sehr viele verschiedene Systeme und Plattformen, die Unternehmen nicht mit unterschiedlichen Tools automatisiert verwalten wollen.“ Anwender sollten daher darauf achten, dass für die Automatisierungsplattform eine große Zahl von Integrationen zur Verfügung steht. Red Hat profitiert bei seiner Ansible Automation Platform in diesem Punkt von einer Open-Source-Community, die solche Integrationen entwickelt.

Fazit & Ausblick

Auf den ersten Blick scheint es so, als hätten Beratungshäuser mit „Hyperautomation“ oder „intelligenter Prozess­automatisierung“ ein neues Hype-Kaninchen aus dem Hut gezaubert. Aber so einfach ist es nicht. Denn die Erfahrungen mit der Prozessautomatisierung in deutschen Unternehmen haben gezeigt, dass der Einsatz von unterschiedlichen Tools wie RPA und Intelligent Business Process Management zwar einen Nutzen bringt – doch der fällt größer aus, wenn sich solche Lösungen kombinieren lassen, auch mit Technologien wie KI und Machine Learning. Einfach ist es allerdings nicht, in der Praxis eine solche Kombination zustande zu bringen. Denn „schlüsselfertige“ Hyperautomation-Lösungen gibt es noch nicht. Um dieses Manko zu beseitigen, haben mittlerweile etliche Anbieter von Automatisierungswerkzeugen und -Plattformen Kooperationen geschlossen. Nach wie vor ist es aber eine knifflige Aufgabe für Interessenten, die passenden Hyperautomation-Partner zu finden.

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