Business Cloud
10.06.2020
Cloud-Ära
1. Teil: „Zeitenwende für Rechenzentren“

Zeitenwende für Rechenzentren

ServerServerServer
hobbit / shutterstock.com
Immer mehr Unternehmen migrieren in die Cloud. Das verändert die Hosting-Landschaft grundlegend. Deutschland bietet hervorragende Standorte, viel Know-how und eine gute Infrastruktur.
Wir erleben gerade den Abschied vom eigenen Rechenzentrum“ - erklärt Volker Ludwig. Natürlich hat diese Einschätzung mit Ludwigs Beruf zu tun, er ist Senior Vice President Sales & Marketing des Geschäftsbereichs Global Data Centers EMEA beim Dienstleister NTT. Der Trend ist dennoch unübersehbar: Das eigene Rechenzentrum im Keller eines Unternehmens wird immer mehr zum Auslaufmodell. Unternehmen setzen vermehrt auf Outsourcing - auf das externe Hosting ihrer Server oder gleich auf die Cloud, an der heutzutage kaum mehr ein Weg vorbeiführt und die ein essenzieller Treiber der digitalen Transformation ist.
Doch wie verändern diese Entwicklungen die Rechenzentrumslandschaft und die Co-Location? Und welche Auswirkungen haben zum Beispiel Cloud-Hyperscaler wie Amazon, Microsoft oder Google auf die Betreiber von Data-Centern?

Data-Center in Deutschland

Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten Dichte an Rechenzentren. Und mit dem DE-CIX wird in Frankfurt am Main der Internetknoten mit dem höchsten Datenmengen weltweit betrieben. Das Marktforschungs- und Beratungshaus Information Services Group (ISG) sieht hierzulande in IT-Services beziehungsweise Managed Services, Hosting, Co-Location und IT-Outsourcing Milliardenmärkte. So repräsentierte allein der Markt für Managed Hosting laut der ISG-Studie „Pri­vate/Hybrid Cloud - Data Center Services & Solutions“ vom vergangenen Jahr ungefähr 10 Prozent der gesamten IT-Ausgaben, deren Umfang ISG mit rund 125 Milliarden Euro angibt.
Eine wichtige Rolle spielen dabei Rechenzentren. Egal wo sie stehen, sie stellen neben den Breitbandnetzen ein zentrales Element der digitalen Infrastruktur dar und bilden daher eine Grundvoraussetzung für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, wie das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit konstatiert. Was wirtschaftlich ebenfalls eine Rolle spielt: In Rechenzentren waren 2017 rund 130.000 Personen vollzeitbeschäftigt. Hinzu kamen etwa 85.000 Arbeitsplätze, die direkt von Rechenzentren abhängig sind.
Und diese Zahlen dürften weiter deutlich steigen: Der Bedarf an Rechenzentren sowie an Highspeed-Netzen und -Leitungen für den Austausch von Daten wächst rasant. Das merkt man vor allem in der aktuellen Zeit von Corona, in der das Homeoffice - von den Unternehmenslenkern mehr oder weniger gewollt - einen regelrechten Boom erlebt und selbst dort zum Einsatz kommt, wo Heimarbeit bislang ein No-Go war.
Trotz dieser positiven Entwicklung kam das Borderstep Institut in seiner Untersuchung „Rechenzentren in Deutschland: Eine Studie zur Darstellung der wirtschaftlichen Bedeutung und der Wettbewerbssituation“ bereits vor rund zwei Jahren zu dem Schluss, dass sich die internationale Position des Rechenzentrumsstandorts Deutschland verschlechtert: „Im internationalen Vergleich entwickelt sich der deutsche Markt nur durchschnittlich.“ Insbesondere in den bereits dominanten Märkten in den USA und in Asien sei ein deutlich stärkeres Wachstum der Rechenzentrums-Kapazitäten festzustellen. Auch innerhalb Europas zähle die hiesige Data-Center-Landschaft nicht zur Spitzengruppe, wenn es um die Entwicklung der Investitionen gehe. Dem gemeinnützigen Institut zufolge liegen hier die skandinavischen Länder und die Niederlande vorn.
Dennoch wachsen die Kapazitäten natürlich auch in den deutschen Rechenzentren. So zählte das Borderstep Institut 2017 hierzulande rund 2.500 kleinere Rechenzentren mit einer Fläche bis zu 500 Quadratmetern, 330 Data-Center mit einer Fläche bis zu 5000 Quadratmetern und 90 große Rechenzentren mit über 5.000 Quadratmetern Server-Fläche. Vor allem die Zahl der großen Rechenzentren mit mehr als 5.000 Quadratmetern hatte sich im Vergleich zum Jahr 2007 verdoppelt.
Jens-Peter Feidner, Geschäftsführer beim Rechenzen­trumsbetreiber Equinix Deutschland, hält den deutschen Rechenzentrumsmarkt für sehr dynamisch. Als größten Wachs­tumstreiber sieht er die Migration weg von der zentralisierten IT-Infrastruktur hin zur Cloud. „Das beobachten wir nicht nur bei Großkonzernen, sondern auch immer mehr im Mittelstand.“ In diesem Kontext seien direkte und flexible Anbindungen zu Cloud-Providern gefragter denn je. Rechenzen­tren setzten daher immer stärker auf den Ausbau ihres Verbindungsangebots über direkte, physische Verbindungen, sogenannte Interconnections. „Nur durch die direkten Interconnections können kritische Geschäftsprozesse digitalisiert werden, ohne Einschränkungen bei der Datenübertragung. Und nur so bilden sich auch digitale Ökosysteme, innerhalb von Industrien, zum Beispiel in der Automobilindustrie, oder industrieübergreifend, wenn etwa Versicherungen, Big-Data-Analysen, Verkehrsdaten und die Autohersteller Daten austauschen.“ Ein weiterer, auch hierzulande wichtiger Trend in der Branche ist laut Feidner die zunehmende Virtualisierung von Prozessen, die früher eher hardwarelastig waren. Softwarebasierte Produkte wie Software-defined Networking (SDN) oder Virtual Cross Connects (VXC) ermöglichen nicht nur ortsunabhängige Vernetzung, sondern reduzieren auch Kosten. „Dazu kommen noch ‚Hardware-as-a-Service-Produkte‘ wie Bare-Metal-Lösungen für Server oder Netzwerkkomponenten.“
Den Trend weg von der zentralen IT im Unternehmens­keller bestätigt auch SpaceNET. Dem IT-Dienstleister zufolge spielte der Betrieb der IT in den eigenen vier Wänden noch bis vor ein paar Jahren für Firmen eine große Rolle. Das habe sich stark gewandelt - „neben mangelnden Fachkräften und hohen Betriebskosten durch teuren Strom ist es für Unternehmen zunehmend attraktiv, ihre Server und weitere IT-Dienste ins externe Rechenzentrum zu stellen“, so die Erfahrung des Unternehmens aus München. „IT-Outsourcing ist in aller Munde und immer mehr Unternehmen lagern ihre Daten aus. Alle wollen in die Cloud“, bringt es Markus
Angermüller, Leiter Vertrieb beim Dienstleister Centron, auf den Punkt.
2. Teil: „Angriff der Hyperscaler“

Angriff der Hyperscaler

  • Hart umkämpfter Markt: Das zeigt die ISG-Studie „Private/Hybrid Cloud - Data Center Services & Solutions“, die unter anderem die Co-Location-Anbieter in Deutschland unter die Lupe nahm.
    Quelle:
    ISG, Juni 2019 
Das Wachstum im Rechenzentrumsbereich wird in erster Linie vom Cloud-Markt getrieben. Laut „Global Cloud Index (GCI)“ des Netzwerkausrüsters Cisco sollen im kommenden Jahr bereits 95 Prozent des Datenverkehrs in Rechenzentren aus der Cloud kommen. Die Cloud-Anbieter bauen daher ihre Ressourcen weiter aus - vor allem in Europa. Das liegt nicht zuletzt auch an den Anforderungen durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie veranlasst viele Unternehmen dazu, Daten nur noch in Deutschland beziehungsweise innerhalb der Europäischen Union abzulegen. Dementsprechend stocken vor allem die großen Anbieter wie Amazon, Goo­gle oder Microsoft ihre Ressourcen hierzulande deutlich auf.
Die Hyperscaler betreiben ihre Angebote über zentrale Rechenzentren mit Zehntausenden Servern. Was sie gut können, ist das Skalieren ihrer zahlreichen Dienste. Dagegen bleibe bei den Großen, so Sebastian von Bomhard, das Eingehen auf Kundenbedürfnisse und -wünsche auf der Strecke. „Das bedeutet für mittelständische Service-Provider, dass sie mit Nähe zum Kunden und flexiblem Angebot stark punkten“, so der Vorstand von SpaceNet. Zudem erfordere der Betrieb der IT-Umgebung bei einem Hyperscaler einiges an Wissen, und das solle man nicht unterschätzen. „Prinzipiell brauchen viele Unternehmen nicht nur Rechenleistung und Speicherkapazität, sondern auch fachliche Unterstützung beim Betrieb der Applikationen oder es müssen zum Beispiel Standorte vernetzt werden.“
„Cloud und Hosting stehen teilweise im Wettbewerb und die Grenzen sind fließend“, ergänzt Volker Ludwig von NTT. Für die aktuell sehr gefragten Hybrid-IT-Szenarien spielten beide Modelle eine wichtige Rolle, „insbesondere auch im Hinblick auf die Anforderungen, die durch die zunehmende Digitalisierung des privaten wie auch des geschäftlichen Lebens an leistungsfähige IT-Infrastrukturen gestellt werden“. Deshalb profitieren nach Ansicht Ludwigs Rechenzentrumsbetreiber und Service-Provider vom Wachstum beider Bereiche.

Die Cloud als Chance

Hosting-Unternehmen müssen sich, so die Überzeugung von Falko Timme, Geschäftsführers von Timme Hosting, jedoch rechtzeitig mit den nötigen Technologien für Cloud-Lösungen vertraut machen, neue Produkte entwickeln und diese umsetzen. Wer hier rechtzeitig die Weichen stelle, könne Unternehmen von der Konzepterstellung bis zur kompletten Cloud-Infrastruktur begleiten und erreiche dadurch eine höhere Kundenbindung.
Als Beispiel für neue Spielräume und Ideen nennt Timme das Marketing: „Unternehmen mieten mit der Cloud High-Performance-Ressourcen, für die sie sonst eigene und teure Hardware benötigen würden. Das eingesparte Geld lässt sich beispielsweise in Marketing­aktionen investieren.“ Denn eine skalierbare Cloud habe eine viel höhere Rechenleistung, die individuell an die Bedürfnisse angepasst werden könne. So ließen sich mit wenigen Klicks große Marketingmaßnahmen mit wechselnden Besucherströmen wesentlich performanter umsetzen.
Auch Markus Angermüller von Centron sieht im Cloud-Boom eher eine Chance für Rechenzentrumsbetreiber. Die Anbieter könnten sich durch selbst entwickelte Innovationen vom Wettbewerb absetzen. Wer allerdings die vorhandenen Potenziale nicht nutze, werde früher oder später ins Hintertreffen geraten. „Das Thema Cloud ist noch lange nicht am Höhepunkt angelegt und den Chancen, hier voranzugehen, sind eigentlich keine Grenzen gesetzt.“ Der Rechenzentrumsmarkt sei durch das Aufkommen der Hyperscaler für angestammte Rechenzentrumsbetreiber nicht unbedingt härter geworden. „Ich würde es anders nennen“, so Angermüller. „Klar verlagert sich einiges zu den Hyperscalern, da diese einfach durch ihre Größe ganz andere Möglichkeiten haben als ein mittelständischer Rechenzen­trumsbetreiber. Hier gilt es, die eigenen Stärken wie Support, Kommunikation und Kundenorientierung klar herauszustellen, um so zu punkten und das Geschäft in die eigene Richtung zu lenken.“
Sebastian von Bomhard von SpaceNet nennt als Chancen für eigene Angebote den häufigen Wunsch nach geografischer Nähe zu den Unternehmensdaten, Datenschutz konform zu deutschem Recht und dass ausländische Behörden nicht berechtigt sind, auf die Daten zuzugreifen. So könnten regionale Anbieter flexibler und individueller auf die Wünsche der Kunden eingehen und darauf zugeschnittene Dienstleistungen bereitstellen -  „und wenn sie möchten, auch in Verbindung mit Angeboten der großen Hyperscaler“. Eine Möglichkeit sei etwa das Erweitern eigener IT-Dienstleistungen um die Amazon Web Services (AWS) unter einem einheitlichen Management. Kunden profitierten hierbei von den Vorteilen des Cloud-Marktführers, aber gleichzeitig auch von der technischen und individuellen Betreuung durch ihren lokalen Dienstleister.
Tipps zur Auswahl eines Rechenzentrumsbetreibers
Unternehmen sollten der Suche nach einem externen Rechenzentrum ausreichend Zeit und Priorität einräumen. Schließlich geht es um den Betrieb des Unternehmens und somit auch um den Geschäftserfolg, den man in die Hände des Betreibers eines Rechenzentrums legt. Im ersten Schritt sollte man mit den entsprechenden Fachabteilungen und Mitarbeitern überlegen, welche Aufgaben der Rechenzentrumsbetreiber übernehmen und welche Anforderungen er erfüllen sollte und was man als Kunde an Service und Performance erwartet. Dabei sind die folgenden Punkte besonders wichtig:
  • Der Rechenzentrumsbetreiber hat bereits Erfahrung im Einsatzbereich des Unternehmens und ist schon länger auf dem Markt tätig
  • Der Anbieter stellt genau die Leistungen bereit, die das Unternehmen benötigt - auch für zukünftige Anforderungen
  • Vereinbarkeit mit der vorhandenen Unternehmens-IT
  • Die Internetanbindung des Rechenzentrums ist für die geplanten Einsatzbereiche ausreichend dimensioniert
  • Die Internetverbindung ist mit den geplanten Einsatzbereichen kompatibel, ideal ist hier Carrier-Neutralität
  • Physische Sicherheit und redundante Rechenzentren, Verfügbarkeit/Ausfallsicherheit (SLAs prüfen)
  • Technischer Stand der Infrastruktur und Innovationsbereitschaft des Providers, vor allem im Hinblick auf eine länger­fristige Zusammenarbeit
  • Zertifizierungen, zum Beispiel nach Sicherheitsstandard ISO 27001 und EN 50600
  • Wie geht der Anbieter mit dem Thema Sicherheit um?
  • Kompetenter Support und persönliche Beratung
  • Wenn der Aspekt Umwelt wichtig ist: Ökostrom und klima­neutrale Services
  • Datenschutz und Rechtssicherheit: Standort des Rechenzen­trums in Deutschland
  • Notfall- und Krisenpläne sind vorhanden
3. Teil: „Cloud versus Co-Location“

Cloud versus Co-Location

  • Entwicklung der Rechenzentrumsflächen: Der Platz für Server wuchs in Deutschland zwischen 2010 und 2020 (Prognose) stetig.
    Quelle:
    Borderstep Institut
Co-Location, oft auch als Server-Housing bezeichnet, war viele Jahre eine Alternative zum eigenen Rechenzentrum: Man bringt die eigene Unternehmens-Hardware im Rechenzen­trum eines Anbieters unter. Mit einer solchen Lösung bekommt man nicht nur ein Dach für die eigenen Server, sondern kann auch die Vorteile eines großen Rechenzentrums nutzen, etwa schnelle Netzwerkanbindungen, professionelle Gebäudeinfrastrukturen wie Klimaanlagen sowie eine umfangreiche physische Sicherheit wie Zutrittskontrollen oder Brandschutz. Das alles sind Dinge, die ein Unternehmen natürlich auch in den eigenen vier Wänden umsetzen kann, die aber in der Summe ziemlich kostspielig sind.
ISG zählte 2019 in seiner Untersuchung „Private/Hybrid Cloud - Data Center Services & Solutions“ allein im Raum Frankfurt 35 Co-Location-Anbieter, die rund 600.000 Qua­dratmeter Server-Fläche in rund 65 Rechenzentren betrieben. Hinzu kamen weitere rund 125 Co-Location-Standorte in Deutschland, verteilt auf Ballungszentren oder großen Wirtschaftsräume, „die von mittelständischen Unternehmen bevorzugt werden, um ihre IT-Infrastruktur in ihrer Nähe betreiben zu können. Davon profitieren jedoch auch Großkunden, denn Nähe ist noch immer ein Faktor bei der Rechenzentrumsauswahl“.
Doch spielt das Thema Co-Location im Zeitalter der Cloud überhaupt noch eine bedeutende Rolle? „Diese Frage würde ich mit einem Jein beantworten“, erklärt Markus Angermüller von Centron. Natürlich gebe es aktuell sehr viele Unternehmen, die ihre Daten in die Cloud legen wollten. Doch müsse man hier zwischen Public und Private Cloud unterscheiden: „Wer viel Wert auf Datenschutz und Datensicherheit legt, wird immer in der Private Cloud und somit auf eigenen Servern laden.“ Ein weiterer Punkt, der laut Angermüller für Co-Location spricht, sei die Auslagerung der IT-Infrastruktur eines Unternehmens. Viele Firmen möchten seiner Erfahrung nach weiterhin Herr über ihre Server bleiben. Diese sollten an einem Standort betrieben werden, wo sich andere um Strom, Klima und die Netzwerkanbindung kümmern. Der Betrieb der eigentlichen IT werde nach wie vor selbst betreut.
  • Quelle:
    Borderstep Institut
Ähnlich sieht es Falko Timme: Ein Wechsel in eine Cloud-Infrastruktur bedeute vor allem die Übertragung von Aufgaben wie die Wartung oder die Sicherstellung der Betriebs- und Ausfallsicherheit der Hardware an den Rechenzen­trumsbetreiber. „Co-Location bietet sich weiterhin für spezielle Anforderungen an den Server an, die ein Cloud-Anbieter aufgrund seiner zwangsläufig homogenen Infrastruktur nicht ohne Weiteres leisten kann.“
Alles in allem verlieren laut Jens-Peter Feidner von Equinix unternehmenseigene On-Premise-Kapazitäten immer stärker an Relevanz, „da sie in Aufbau, Wartung und Betrieb vergleichsweise teuer sind, dabei aber wenig Flexibilität und Skalierbarkeit mit sich bringen“. Diese Kapazitäten wandern - trotz Cloud-Boom - weiterhin oft in Co-Location-Rechenzentren.
Zudem müsse man, so Feidner, auch den Nachhaltigkeitsaspekt berücksichtigen. Erhebungen der Internationalen Energieagentur (Internatinal Energy Agency, IEA) zeigten, dass kleinere On-Premise-Lösungen deutlich ineffizienter seien als die größeren Co-Location-Rechenzentren. „Außerdem eröffnet die Co-Location in den meisten Fällen den kosteneffizienten Zugang zu umfassenden digitalen Ökosystemen, über die der direkte Datenaustausch mit Partnern möglich ist.“ Da diese Verbindungen das öffentliche Internet umgehen, böten sie darüber hinaus eine überlegene Übertragungsgeschwindigkeit und höchste Datenschutzstandards.
In einigen Branchen, etwa in der Industrie, wird man nach Feidners Einschätzung zudem eine Art Arbeitsteilung in der IT beobachten können: „In der Smart Factory ist zum Beispiel ein gewisses Level an eigenen IT-Kapazitäten nötig, um vor Ort zeitkritische Echtzeitauswertungen von Sensordaten vorzunehmen. Das externe Rechenzentrum wird so entlastet und kann sich auf die Analyse großer Datenmengen zur langfristigen Verbesserung von Algorithmen konzentrieren - zum Beispiel für Predictive Maintenance.“

Fazit & Ausblick

„Angesichts des Booms im IT-Bereich, speziell beim Rechenzentrumsmarkt, ist es sehr erstaunlich, dass der Markt bei uns in Deutschland deutlich langsamer wächst als anderswo auf der Welt. Dabei gibt es bei uns hervorragende Standards, viel Know-how und eine ausgezeichnete Infrastruktur“, so die Bilanz von Sebastian von Bomhard von SpaceNet. Dass diese nicht flächendeckend sei, tue dem Rechenzentrum keinen Abbruch. „Also, woran wird es wohl liegen? Es ist der Preis.“ Regulatorische Kosten, allen voran der hohe Strompreis, sorgten dafür, dass viele Anbieter von draußen heimische Anbieter zwingen, sich Nischen zu suchen, in denen sie erfolgreich sein können.
Doch trotz der Vorteile eines lokalen Diensteanbieters und Rechenzentrumsbetreibers „ums Eck“ dürfte die Nachfrage nach Cloud-Services, sowohl von der Industrie als auch von Endverbrauchern, in den kommenden Jahren weiter steigen. Gerade im Mittelstand ließen Vorbehalte gegenüber der Cloud weiter nach, „sodass Unternehmen immer stärker auf externe Anbieter setzen, die mehr Flexibilität bieten und kosteneffizienter sind als der Aufbau eigener Kapazitäten“, erklärt Jens-Peter Feidner von Equinix. Dies bedeute, dass die Branche sich noch weiter in eine Richtung bewege, die auf die Vielfalt von Kunden und Partnern im Rechenzentrum setze, dadurch digitale Ökosysteme schaffe und kleinere, eigenständige Installationen ablöse. „Die ‚All in One‘-Anbieter werden hier sicher Vorteile haben“, resümiert Feidner. Aber auch wenn die Branche wachse, gibt es dem Equinix-Geschäftsführer zufolge in Deutschland einige Herausforderungen. Diese liegen auch seiner Meinung nach in den vergleichsweise hohen Strompreisen, aber auch in der geringen Verfügbarkeit geeigneter Grundstücke für neue Rechenzentrumskapazitäten. Die Suche nach qualifizierten Fachkräften werde uns in den nächsten Jahren ebenfalls beschäftigen. „Hier sind auch Bund, Länder und Städte gefragt, die neue Konzepte entwickeln müssen, um besser mit der Digitalisierung und der steigenden Nachfrage nach Rechenzentren umzugehen.“
4. Teil: „Im Gespräch mit Holger Nicolay von Interxion“

Im Gespräch mit Holger Nicolay von Interxion

  • Holger Nicolay: Business Development Manager bei Interxion
    Quelle:
    Interxion
Der Diplom-Informatiker Holger Nicolay ist Business Development Manager beim Rechenzentrumsbetreiber Interxion. Sein Fokus liegt auf den Bereichen digitale Transformation sowie Connectivity- und Infrastruktur-Konzepte.
Im Interview erklärt er, wie sich die Rechenzentrumslandschaft momentan verändert und was Unternehmen bei der Auswahl eines Data-Center-Anbieters beachten sollten.
com! professional: Herr Nicolay, immer mehr Unternehmen setzen auf die Cloud. Was bedeutet das für die Betreiber von Rechenzentren?
Holger Nicolay: Tatsächlich nutzen immer mehr Unternehmen große Public-Cloud-Provider wie Amazon Web Services. Das hat den Markt verändert, und Hosting-Provider müssen jetzt neben Rechenzentrums-Infrastruktur und Anbindung an das Internet auch direkte Vernetzungen zu den Public-Cloud-Anbietern offerieren.
Die Integration der Public-Cloud-Services in ihre Angebote eröffnet aber auch viele neue Geschäftschancen für Hosting-Unternehmen. Zum Beispiel bieten zahlreiche Anbieter eine Anpassung von Standardservices der Hyperscaler. Andere setzen auf deren Infrastruktur eigene Plattform- oder Software-Services auf, statt selbst den gesamten Infrastruktur-Stack zu betreiben. Anbieter, die ihre Angebote konsequent am Bedarf des Marktes ausrichten, werden von dieser Entwicklung sicher profitieren.
com! professional: Und wie verändert sich der Data-Center-Markt speziell in Deutschland?
Nicolay: Der Bedarf an Rechenzentren sowie an Highspeed-Netzen und -Leitungen für den Austausch von Daten wächst rasant. Auch aufgrund der aktuellen Steigerung an Homeoffice-Mitarbeitenden hat der Datendurchsatz am Internetknoten DE-CIX in Frankfurt erstmals einen Spitzenwert von 9 Terabit pro Sekunde erreicht. Prognosen schätzen die jährliche Datenmenge im Jahr 2025 auf 175 Zettabyte weltweit - das ist eine Zahl mit 21 Nullen.
Dabei beobachten wir ein starkes Wachstum in allen Feldern, also Cloud-, Hosting-, Rechenzentrums- und Netzwerk-Dienstleistungen sowie -Equipment. Zudem verschwinden die Grenzen zwischen klassischem Hosting und (Private-)Cloud-Angeboten. Denn viele Anbieter - ob Systemhaus, System-Integrator, Hosting-Anbieter oder Cloud-Provider - positionieren sich mit hybriden Formen am Markt.
com! professional: Wie beeinflusst der aktuelle Cloud-Trend das Co-Location-Geschäft? Je mehr Daten in die Cloud wandern, desto weniger benötigt man eigene Server?
Nicolay: Ganz so einfach ist das nicht. Natürlich können Unternehmen nach einer Cloud-Migration eigene Server abbauen. Klar ist aber auch, dass nach wie vor viele Prozesse On-Premise laufen - im eigenen Rechenzentrum oder bei einem Co-Location-Anbieter. Marktführende Co-Location-Provider profitieren von der steigenden Cloud-Nachfrage. Denn die Public-Cloud-Provider selbst bauen ja nicht nur eigene Rechenzentren, sondern mieten sich auch in großem Stil in die Data-Center der Top-Co-Location-Anbieter in Frankfurt, Amsterdam und Paris ein. Sie „veredeln“ gewissermaßen deren Basisinfrastruktur wie Stromversorgung, Kühlung und Netzwerkanbindungen mit ihren Cloud-Services. Einige Unternehmen haben den Vorteil einer direkten Cloud-Anbindung bereits erkannt. Sie nutzen Public-Cloud-Services und mieten in unmittelbarer Nähe - idealerweise auf demselben Data-Center-Campus - Co-Location-Services. So optimieren sie ihre Netzwerkkosten, Latenz und Datensicherheit.
com! professional: Ist das Geschäft aufgrund der Hyperscaler Amazon, Microsoft oder Google härter geworden?
Nicolay: Der Nachfrage-Boom durch Amazon, Microsoft oder Google, aber auch globale Social-Media- und Streaming-Anbieter, hat sicherlich dafür gesorgt, dass sich die Rechenzentrumsbranche konsolidiert hat und globaler aufgestellt ist. Für klei­-ne Co-Location-Provider besteht die Chance darin, ihr Profil mit regionalem Touch und zusätzlichen Managed Services zu schärfen.
com! professional: Was sind eigentlich Ihrer Erfahrung nach die üblichen Aufgaben und Workloads, die mittelständische Unternehmen an ein externes Rechenzentrum auslagern?
Nicolay: Applikationen mit hohem Standardisierungsgrad - wie HR-Anwendungen, Marketing-Automation-Tools und Backup - wandern häufig in die Public Cloud. Im eigenen Rechenzentrum verbleiben eher diejenigen Applikationen, auf die die Anwender direkten und häufigen Zugriff benötigen wie ERP und CRM, obwohl es hier schon beachtliche Cloud-Angebote gibt.
Der Co-Location-Bedarf ist in vielen Bereichen vertreten - Spitzenwerte erreichen das für den globalen Zugriff betriebene Customer-Relationship-Management, Storage- und Backup-Systeme sowie Datenbanken. Also alles, was für Kunden ausgesprochen geschäftskritisch ist oder sie aus Gründen der Alleinstellung selbst und individualisiert in einer hoch­sicheren Rechenzentrumsumgebung betreiben wollen.
com! professional: Eigenes Rechenzentrum, Co-Location, Managed Services - welche Betriebsform eignet sich für welches Unternehmen?
Nicolay: Eine pauschale Antwort, die unternehmensübergreifend oder gar für ganze Branchen gilt, gibt es hier nicht. Allgemein lässt sich aber sagen: Großen Konzernen mit umfangreicher IT-Mannschaft fällt es leichter, eigene Rechenzentren zu betreiben. Der klassische Mittelständler hingegen will sich häufig auf sein Kerngeschäft fokussieren - gerade aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels - und bevorzugt deshalb häufig die Rechenzentrums-Infrastruktur von Co-Location-Providern. Mittelständler, die weite Teile der IT ganz auslagern, bedienen sich eines Managed-Services-Providers, der neben der Infrastruktur gleich die gesamte Applikation betreibt. Aber: Je individueller der eigene Bedarf ist, desto schwieriger wird es, ein geeignetes und für den selbst gesteckten Kostenrahmen attraktives Angebot zu finden.
Hinzu kommt, dass IT immer mehr vom Unterstützer des Geschäfts zum Geschäft selbst wird. Wer will sich dann schon gern bei seinem Differenzierungsmerkmal standardisieren lassen oder in die Hände eines Dritten begeben? Dieses Klientel ist bei Co-Location gut aufgehoben, denn hier wird Basisinfrastruktur hochverfügbar zugekauft, die eigene Wertschöpfung auf Applikationsebene aber in der eigenen Hand belassen.
com! professional: Welchen Rat geben Sie Entscheidern in Unternehmen, wenn es um die Wahl eines geeigneten externen Rechenzentrums geht?
Nicolay: Neben den Themen Standort und Qualität spielt die Netzwerkanbindung eine immer bedeutendere Rolle. Kaum ein Kunde sucht mehr ein Rechenzentrum ausschließlich für ruhende Daten. Die Verbindung mit Partnern des eigenen Ökosystems, die globale Netzwerkanbindung und die Vielfalt an Providern sind zu ausschlaggebenden Merkmalen geworden.
Meiner Ansicht nach sind zukunftssichere Anbindungen des Rechenzentrums an das Internet und an andere WAN-Provider sowie direkte Verbindungen zu den Public-Cloud-Hyperscalern heute die entscheidenden Kriterien für die Auswahl eines Providers.
com! professional: Blicken wir noch kurz in die Glaskugel: Wie sieht die Rechenzentrumsbetreiber- und Hosting-Landschaft in Deutschland in wenigen Jahren aus?
Nicolay: Die Landschaft der Rechenzentrumsanbieter wird sich weiter konsolidieren. Durch bedarfsgetriebene Neubauten aufgrund der zunehmenden Nutzung von Cloud- und Streaming-Angeboten werden Mega-Data-Center mit 100 Megawatt Stromverfügbarkeit und mehr entstehen. Dies ist auch wichtig, da ohne geeignete Co-Location-Rechenzentren die Digitalisierung Deutschlands scheitert.
Im Hosting- und Private-Cloud-Umfeld werden Automatisierung und Kundenportale die Antwort auf steigende Anforderungen sein. Standardlösungen kundenfreundlich und sofort bereitzustellen, wird zunehmend zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Hosting- und Cloud-Services werden sich in der Benutzerfreundlichkeit einander annähern. So verschwindet der Unterschied zwischen den heute schon unscharf gebrauchten Hosting- und Cloud-Begriffen völlig.
Doch eines bleibt gleich - unabhängig von der technischen Realisierung als Co-Location-, Hosting- oder Cloud-Service: Dienste in den Bereichen Beratung, Implementierung, Migration und Betrieb für die individuelle Anpassung standardisierter Module sind auch in Zukunft ein wichtiges Geschäftsfeld.

mehr zum Thema