Business-IT
11.06.2018
Virtual Reality – Augmented Reality – Mixed Reality
1. Teil: „VR und AR fassen im Business Fuß “

VR und AR fassen im Business Fuß

Virtual-Reality-BrilleVirtual-Reality-BrilleVirtual-Reality-Brille
PR Image Factory / shutterstock.com
VR- und AR-Brillen eigen sich nicht nur für den privaten Gebrauch. Für computergenerierte Welten gibt es schon viele konkrete Einsatzszenarien - auch im Business-Bereich.
  • Quelle: Hubspot (n=7.406 Verbraucher aus aller Welt)
Für Fans der Star-Trek-Saga ist das Holodeck ein alter Hut. Denn bereits in frühen Episoden der Reihe nutzen die Besatzungsmitglieder des Raumschiffs Enterprise eine Virtual-Reality-Umgebung, um sich zu entspannen oder weiterzubilden. Doch während die USS Enterprise laut ihren Schöpfern erst ab dem Jahr 2300 die Weiten des Weltraums erforschen wird, können wir bereits heute solche Techniken nutzen. Neben reinen Virtual-Reality-Applikationen (VR) sind das oft auch solche, bei denen die reale Welt mit einem digitalen Pendant verschmilzt: Anwendungen mit Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR).

Mehr als ein Hype

Ebenso wie bei anderen hoch gehandelten Techniken wie Künstlicher Intelligenz (KI) ist auch rund um VR, AR und MR ein regelrechter Hype entstanden. Entsprechend zuversichtlich geben sich die Anbieter solcher Lösungen: „Wir sind davon überzeugt, dass Virtual Reality die Interaktion mit Computern in der Zukunft komplett verändern wird. Die Art und Weise, wie wir spielen, lernen und arbeiten, wird durch Virtual Reality und Augmented Reality grundlegend anders aussehen als heute“, erklärt beispielsweise Dominic Eskofier, Virtual-Reality-Experte und Tech-Enthusiast bei Nvidia.
Das Unternehmen stellt Hochleistungsgrafik­karten für VR- und AR-Anwendungen her. Außerdem hat Nvidia mit Holodeck eine VR-Plattform entwickelt. Mit ihr können Entwickler in einer virtuellen Umgebung 3D-Modelle von Autos oder Maschinen betrachten und bearbeiten. Selbst einzelne Schrauben oder Feinheiten im Innenraum lassen sich originalgetreu und in Originalgröße darstellen. „Das erlaubt es Designern, nicht nur eine bessere Vorstellung vom fertigen Produkt zu bekommen, sondern auch Kosten zu sparen, indem sie Fehler im Design schon vor der Produktion erkennen“, so Eskofier.
Auch Filippo Rizzante, Chief Technology Officer der italienischen Hightech-Unternehmensgruppe Reply, sieht ein breites Anwendungsfeld für AR und VR in der Industrie: „Vor allem Unternehmen, die große Anlagen, etwa für die Öl- und Gasförderung, planen, bauen und warten, aber auch die Entwickler und Lieferanten komplexer Maschinen betrachten AR als ein nützliches Tool zur Unterstützung ihres Personals vor Ort“, so Rizzante. „Solche Firmen können dadurch sowohl die Qualität der Wartungsarbeiten als auch die Sicherheit ihrer Mitarbeiter erhöhen.“
2. Teil: „AR/VR in der Industrie“

AR/VR in der Industrie

  • AR-App „cAR“ für die A-Klasse: Interessenten konfigurieren ihr Fahrzeug auf dem Smartphone oder Tablet in 3D.
    Quelle:
    MediaPortal Daimler AG
Den Trend, Virtual, Augmented und Mixed Reality in Entwicklungs- und Produktionsumgebungen einzusetzen, spiegelte auch die Hannover Messe 2018 wider. Dort zeigten et­liche Unternehmen und Forschungseinrichtungen entsprechende Lösungen. Ein Beispiel dafür ist ein Verfahren, mit dem sich Montageplätze planen lassen und für das der Automobilzulieferer Hella und das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik (IEM) Augmented Reality nutzen.
Bei Hella wird ein solcher Arbeitsplatz zunächst als sogenannter Mock-up aus Pappe gebaut und anschließend geprüft. Zu diesem Zeitpunkt fehlt aber eigentlich noch das Wichtigste: die realen Bauteile und die zugehörigen Werkzeuge. Die werden deshalb mit einer AR-Datenbrille auf das Modell des Arbeitsplatzes projiziert.
Nach den Erfahrungen von Hella lässt sich auf diese Weise nicht nur der optimale Arbeitsplatz einrichten, auch die Kommunikation zwischen Produktion und Entwicklung läuft besser. Denn Konstrukteure werden direkt in den Aufbau des Mock-up mit einbezogen, weil sie echte Konstruktionsdaten bereitstellen. „Da wir stets den aktuellen Konstruktionsstand vor Augen haben, können wir die Produktionslinie künftig wesentlich früher entwerfen und ausarbeiten, und das parallel zur Produktentwicklung“, freut sich Matthias Pretzlaff. Er ist im Hella-Werk im westfälischen Lippstadt für den Bereich Operational Excellence & Industrial Engineering zuständig.

Lokführer lernen virtuell

Auf der Hannover Messe war auch die Deutsche Bahn mit EVE vertreten. Die Abkürzung steht für Engaging Virtual Education. Mit Hilfe einer VR-Brille können Mitarbeiter in ihren Einsatzstellen alle Handgriffe in einem virtuellen ICE-4-Zug trainieren. Begleitet werden sie dabei von einem Praxistrainer. Die Trainer haben eine App auf ihrem Tablet, über das sie bei Bedarf eingreifen und unterstützen können.
Auch die Lokführer steigen dank einer mobilen 3D-Simulation auf einem Tablet virtuell in den Führerstand eines ICE 4. In der digitalen Version des Zuges haben die Lokführer beispielsweise die Möglichkeit, das Öffnen der Bugklappe oder das Absenken der Luftfedern im Fall einer Störung zu üben. Sie betreten dabei eine virtuelle Lernumgebung, in der natürliche Bewegungen und Gesten erfasst werden. Funktionen werden im wahrsten Sinne des Wortes greifbar, wodurch das Lernen intensiviert wird. Das trifft vor allem auf Schulungsinhalte zu, die in echten Zügen und Fahrsimulatoren nicht unterrichtet werden können.
Glossar: VR, AR, MR
Mit Augmented Reality und Mixed Reality haben sich neben
Virtual Reality weitere Technologien etabliert. Sie verknüpfen die physische Welt mit einer virtuellen Realität.
Virtual Reality (VR): Bei VR taucht der Nutzer gewissermaßen mit Hilfe einer entsprechenden Brille in eine virtuelle Welt ein. Diese hat keinen Bezug zur realen Umgebung; es werden keine Elemente der „echten“ Welt eingeblendet. Bei VR-Anwendungen wie Spielen oder Applikationen für das Training von Mitarbeitern können Controller und Sensoren zum Einsatz kommen. Sie geben dem Nutzer eine Rückmeldung: Er hört beispielsweise Töne oder spürt einen Druck an der Handfläche, wenn er – vir­tuell – einen Rennwagen lenkt. Mittlerweile sind Standalone-VR-Headsets wie Oculus Go und Mirage Solo verfügbar. Sie benötigen keine Verbindung mehr mit einem PC oder einer Spielekonsole und sind dadurch einfacher zu handhaben.
Augmented Reality (AR): Sie kombiniert die reale Welt mit Zusatzinformationen, die auf einem Endgerät eingeblendet werden. Das kann ein Head-up-Display sein, aber auch ein Tablet, ein Smartphone oder eine spezielle Brille. Auf diesen Systemen werden ergänzende Daten zu einem physischen Objekt bereitgestellt, meist Bilder, Videos oder Textinformationen. In einem Museum könnten eine AR-Brille oder ein Smartphone beispielsweise Informationen zu einem Maler oder Bildhauer liefern, dessen Werk der Besucher betrachtet. Bekannte Einsatzgebiete sind die Head-up-Displays in Flugzeugen und Autos. Ein Autofahrer kann zum Beispiel auf der Windschutzscheibe Informationen über den aktuellen Standort, die nächste Abzweigung oder den Straßenzustand ablesen.
Mixed Reality (MR): Dieser Begriff wurde maßgeblich von Microsoft für sein Mixed-Reality-Headset HoloLens geprägt. Mixed Reality deckt Microsoft zufolge im Gegensatz zu AR und VR komplett beide Sphären ab: die digitale und die physische. So sei es bei MR möglich, Abbilder von Elementen aus der physischen Welt auch in eine digitale Umgebung einzubauen, etwa Wände, Möbel und Türen. Der Nutzer könne sich somit in dieser Sphäre bewegen, ohne dass er gegen eine – real vorhandene – Wand läuft. Gleichzeitig lassen sich mit Mixed Reality komplett digitale Welten einrichten.
Um Mixed Reality zu nutzen, sind ein Windows-10-Rechner, ein Headset und ein Motion Controller er­forderlich. Das Headset muss nicht zwingend eine HoloLens von Microsoft sein.
3. Teil: „Cäsar und Cicero live“

Cäsar und Cicero live

  • Virtuelle Schulung: Mitarbeiter der Bahn lernen mit VR-Brillen auf Basis von Microsoft-Technik den Umgang mit dem ICE 4.
    Quelle:
    Deutsche Bahn
Gerade in Branchen, die durch einen harten Wettbewerb geprägt sind, sehen Unternehmen in Virtual-Reality-Anwendungen eine Möglichkeit, sich von Konkurrenten abzuheben. Ein Musterbeispiel dafür ist Touristik-Sparte. Die Studie „Hotel 2025“ von Oracle ergab beispielsweise, dass zwei Drittel der Hotelgäste Virtual-Reality-Touren durch ein Hotel und dessen Umgebung nutzen möchten. Auf diese Weise können sie sich einen realistischen Eindruck vom Haus, den Zimmern und den Freizeiteinrichtungen verschaffen.
„Virtual Reality eröffnet gerade im Tourismus Möglichkeiten, an die wir vor einiger Zeit nicht gedacht hätten“, betont Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom. „Virtuelle Reisen können gerade für Orte interessant sein, die nur schwer zugänglich sind oder die gar nicht mehr existieren. Zum Forum Romanum fahren und dort Cäsar und Cicero erleben: Mit Mixed Reality wird dies künftig möglich sein.“
Bereits seit 2015 präsentiert die Marriott-Hotelgruppe ihre Häuser in 3D-Videos, die Interessenten mit einer VR-Brille betrachten können, um einen virtuellen Rundgang durch die Unterkunft zu unternehmen. Mittlerweile setzen auch Hotels in Deutschland auf diese Technik, etwa das Radisson Blu in Hannover. Und auch einige Reisebüros stellen ihren Kunden erste virtuelle Touren von Urlaubszielen zur Verfügung.

(K)eine Frage der Standards

Eine Klippe, die VR, AR und MR umschiffen müssen, ist die Fragmentierung des Marktes, bedingt durch eine Vielzahl von Standards und Entwicklungsumgebungen. Wer etwa 3D-Inhalte und Erweiterungen (Content) für VR- und AR-Anwendungen erstellt, hat die Wahl zwischen Spezifikationen wie Unity 3D, Unreal, WebVR und diversen proprietären Normen. Außerdem müssen auf der Ebene der Endgeräte herstellerspezifische Technologien berücksichtigt werden. Bekannte Hersteller und Plattformen sind Oculus, Samsung (Gear), die Open-Source-Plattform OSVR (Open-Source Virtual Reality for Gaming) und Google Daydream.
Für Filippo Rizzante von Reply stellt sich allerdings die Frage nach Standards für VR und AR nur bedingt: „Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass all diese Technologien im Prinzip auf Unity 3D und Unreal basieren“, so der Chief Technology Officer des Hightech-Unternehmens aus Turin. „Diese Entwicklungs-Engines beziehungsweise Treiber aus der Gaming-Welt avancieren damit früher oder später zum Standard.“
Doch darauf wollen sich die Herstellervereinigung Khronos Group und das Normierungsgremium Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) nicht verlassen. Khronos hat unter der Bezeichnung OpenXR Standardschnittstellen für Hard- und -Software entwickelt, die bei VR-, AR- und MR-Lösungen zum Einsatz kommen. Auch die Virtual Reality and Augmented Reality Working Group des IEEE arbeitet an Standards für VR und AR. Sie sollen unter anderem die Interaktion zwischen der echten und der virtuellen Welt, Benutzerschnittstellen sowie Audio- und Streaming-Formate auf eine gemeinsame Grundlage stellen.
4. Teil: „Vor dem Massenmarkt“

Vor dem Massenmarkt

  • Kein Standard: Anbieter aus dem Bereich Virtual, Augmented und Mixed Reality müssen sich auf zahlreiche Plattformen einstellen.
    Quelle:
    Perks Coie (n=140 Unternehmen)
Naturgemäß verbreiten die Anbieter von Content und entsprechenden Endgeräten für VR, AR und MR Optimismus, wenn es um die Zukunft dieser Technologien geht. Doch sind in der Praxis noch etliche Herausforderungen zu meistern, etwa bei VR-Systemen für die Bereiche Unterhaltung, Gaming und Video: „Die Entwicklung auf diesem Gebiet wird derzeit noch durch die im Vergleich zu den Prognosen zu langsame Verbreitung entsprechender Visoren gehemmt, also jener Lösungen, die den Blick in die virtuelle Welt überhaupt erst ermöglichen“, weiß beispielsweise Filippo Rizzante von Reply. „Wir glauben aber, dass VR ein optimal geeignetes Instrument dafür ist, Geschichten ‚hautnah‘ und emotional fesselnd zu erzählen.“
Doch damit VR, AR und MR zu einem Massenmarkt werden, sind laut einer Studie der international tätigen Sozietät Perkins Coie von Anfang 2018 Verbesserungen in mehreren Bereichen nötig. So monierten an die 40 Prozent der befragten Entwickler und Hersteller solcher Lösungen, dass sich Nutzer mit sperriger Hardware und zu vielen Software-Fehlern herumquälen müssen. Auch die hohen Entwicklungs- beziehungsweise Herstellungskosten sowie der Mangel an hochwertigen Inhalten seien problematisch. Hinzu kommen Faktoren wie die Unsicherheit in Bezug auf den Datenschutz.
Filippo Rizzante sieht zudem Nachholbedarf bei mobilen Endgeräten: „Nicht alle mobilen VR-Lösungen sind in der Lage, die Position des Nutzers innerhalb der jeweiligen Szenen zu bestimmen und zu verfolgen. Hier fehlen die typischen Lighthouse-Sensoren, wie sie mit Oculus und HTC Vive geboten werden“, so der Fachmann von Reply. Daher eigne sich mobile VR zwar, um 360-Grad-Videos oder -Bilder in guter Qualität anzusehen, wirklich eindringliche 3D-Erlebnisse stellen seiner Ansicht nach jedoch noch ein Problem dar. Besserung können Rizzante zufolge mobile VR-Lösungen wie Oculus Go bringen.

Bedingt cloudfit

  • AR in der Produktion: Via Datenbrille projiziert das Fraunhofer-Institut IEM Bauteile und Werkzeuge auf Prototypen aus Pappe.
    Quelle:
    Fraunhofer-Institut IEM
Derzeit werden VR- und AR-Applikationen meist lokal bereitgestellt: über VR-Brillen, Workstations oder das hauseigene Rechenzentrum. Das steht im Widerspruch zum Trend Richtung Cloud-Computing. Dabei befinden sich Daten und Anwendungen in einem Cloud-Rechenzentrum und werden Nutzern über Datenleitungen zur Verfügung gestellt. Doch VR und Cloud lassen sich, zumindest gegenwärtig noch, schwer kombinieren, so Dominic Eskofier von Nvidia: „Mittelfristig könnten VR-Anwendungen tatsächlich über die Cloud ausgespielt werden. Im Moment ist dazu aber die Bandbreite zu niedrig und vor allem die Latenz zu hoch.“
Die Latenzzeit umfasst den Zeitraum, um die Bewegungen der Virtual-Reality-Brille auszulesen, diese Informationen an das Render-System zu übertragen, die Szene korrekt zu rendern und anschließend für die Darstellung auf dem Display wieder an die Brille zu senden.
„Wenn dieses Senden von Informationen über das Internet geschieht, ist die Latenz derzeit noch zu hoch. Erst Systeme wie 5G-Mobilkommunikation, die für niedrige Latenz optimiert sind, werden dies möglich machen“, prognostiziert Eskofier. Für Anwender bleibt aus seiner Sicht bis dahin nur eine Option: „Nutzer mit höchstem Anspruch an die Qualität von VR-Anwendungen werden auf absehbare Zeit noch auf High-End-PCs mit kraftvollen Grafikkarten zurückgreifen.“
5. Teil: „Maschinen mit Gedanken steuern“

Maschinen mit Gedanken steuern

  • Gedanken-Steuerung: Die US-Firma Neurable hat eine Headset mit Brain-Computer-Interface für die VR-Brille Vive von HTC entwickelt.
    Quelle:
    Neurable
Noch weiter als Anbieter von Virtual- und Augmented-Reality-Lösungen gehen IT-Unternehmen wie Neurable und Rythm, aber auch Automobilfirmen wie Nissan. Sie arbeiten an Konzepten, um Computer, Spielekonsolen oder Autos durch die Übermittlung von Gedanken zu steuern. Das hat nichts mit Zauberei zu tun. Vielmehr kommuniziert das menschliche Gehirn dabei über ein Brain-Computer-Interface (BCI) mit Sensoren und Rechnern in der realen Welt. Nissan arbeitet beispielsweise an einem Konzept namens Brain to Vehicle (B2V). Damit können die Reaktionszeiten des Fahrers um 0,2 bis 0,5 Sekunden verkürzt werden. Eine auf dem Kopf des Fahrers platzierte Vorrichtung misst die Gehirnströme, die anschließend von autonomen Systemen ausgewertet werden. Die Technik kann Bewegungen wie das Steuern des Lenkrads oder Bremsvorgänge vorhersehen. Intelligente Assistenten setzen diese Aktionen schneller in die Realität um, also beispielsweise in eine Lenkbewegung.
Das US-amerikanische Start-up-Unternehmen Neurable aus Boston wiederum hat bereits ein BCI-Headset entwickelt. Anhand eines Breakout-Spiels können Interessenten die Technik testen: Sie müssen mit Hilfe von Gehirnwellen Bälle an die Wände eines Raumes lenken und Codezahlen in Schlösser eingeben, um sich aus einem Gefängnis zu befreien. Diese Fingerübung soll nur einen Vorgeschmack auf die Einsatzmöglichkeiten des Headsets geben – im Gaming-Bereich, aber auch bei Geschäftsanwendungen.

Fazit & Ausblick

Trotz der Hürden, die noch zu nehmen sind, ist die Akzeptanz von Virtual, Augmented und Mixed Reality in Deutschland gut: „Von großen Unternehmen wie Daimler oder der Deutschen Bahn über ‚Hidden Giants‘ wie Palfinger bis hin zu innovativen Start-ups wie Innoactive, Hyve oder A4VR stürzen sich derzeit viele Firmen auf Virtual Reality, weil sie damit ihre Mitarbeiter effizienter schulen, Ressourcen sparen und sie für Marketingzwecke nutzen können“, erklärt Dominic Eskofier.
Diese Meinung teilt auch Filippo Rizzante. Er hat bei VR- und AR-Testprojekten in Deutschland ein interessantes Phänomen beobachtet: „Selbst wenn ein Proof of Concept noch nicht die erhofften Ergebnisse liefert, investieren die Unternehmen dennoch. Das zeigt, dass die Unternehmen in diesen Technologien generell einen echten Mehrwert erkennen.“
Während sich Anwendungen für VR, AR und MR gerade erst auf dem Markt etablieren, bahnt sich bereits der nächste Schritt an: die Steuerung von Fahrzeugen, Rechnern und Maschinen mittels Gehirnwellen. Dies lässt sich mit VR- und MR-Applikationen kombinieren. Wie alle Technologien hat auch dieser Ansatz gute und eher beängstigende Seiten. Positiv wäre sicher, wenn schwerbehinderte Menschen dadurch in der Lage wären, Kommunikationssysteme, Prothesen oder Exoskelette zu steuern. Querschnittsgelähmte Patienten könnten aktiver am Alltagsleben teilnehmen.
Andererseits warnen Datenschützer davor, dass sich Auswertungen von Hirnwellen nutzen lassen, um noch umfassendere Profile von Menschen, ihren Aktivitäten und Vorlieben zu erstellen. Auch staatliche Stellen wie Geheimdienste könnten versucht sein, sich solche Daten und Techniken zunutze zu machen.
So betonte vor Kurzem die Freiburger Rechtswissenschaftlerin Silja Vöneky im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf der Tagung re:publica in Berlin, dass es sich bei Elektroenzephalogrammen (EEGs) um hochsensible Daten handle. Doch wenn ein Mensch diese einem Unternehmen freiwillig zur Verfügung stelle, etwa einem Anbieter von VR-Computerspielen oder Fahrzeugen mit einem „Brain-Interface“, sei das seine Privatsache.
Wie bei vielen Dingen kommt es somit darauf an, wie der Nutzer Technologien wie VR, AR und MR einsetzt.
6. Teil: „Im Gespräch mit Inken Kuhlmann, Senior Manager Marketing bei Hubspot“

Im Gespräch mit Inken Kuhlmann, Senior Manager Marketing bei Hubspot

  • Inken Kuhlmann: Senior Manager Marketing bei Hubspot
    Quelle:
    Hubspot
Virtual Reality und Augmented Reality können für Unternehmen von Nutzen sein, um sich von Mitbewerbern zu differenzieren, findet Inken Kuhlmann. Die Marketing-Expertin ist bei Hubspot tätig, Anbieter einer Plattform für Inbound-Marketing, Sales, CRM und Kundenservice. Allerdings, so fordert Kuhlmann, müssen Unternehmen zuvor ihre Hausaufgaben machen, das heißt in erster Linie: Einsatzszenarien erarbeiten.
com! professional: Wie schätzen Sie das Potenzial von AR und VR ein?
Inken Kuhlmann: Momentan besetzt die Unterhaltungsindustrie Augmented und Virtual Rea­lity sehr stark, dabei gibt es auch für Marketing und Vertrieb viele Einsatzgebiete. Beide Technologien eignen sich besonders dafür, komplexe oder abstrakte Abläufe und Produkte anschaulich darzustellen.
Für die User Experience halten Augmented und Virtual Reality daher ein großes Potenzial bereit. So können Marketingfachleute und Vertriebler visuelle Erlebnisse und bleibende Eindrücke schaffen, die den entscheidenden Ausschlag für ihr Produkt geben können.
com! professional: In welchen Anwendungsbereichen und Branchen können Unternehmen AR/VR in besonderem Maße einsetzen?
Kuhlmann: Augmented und Virtual Reality kommen für zahlreiche Branchen und Anwendungsszenarien infrage – sowohl für die Nutzung zu Hause auf der Couch als auch am Verkaufsort oder bei Messen und Veranstaltungen.
Im Bereich Industrie und Technologie könnten Unternehmen etwa dazu einladen, neue Maschinen oder Prototypen zu erkunden oder mit Hilfe eines VR-Videos in komplexe Produktionsabläufe einzutauchen. Händler können Kunden ermöglichen, Anschaffungen vor dem Kauf virtuell zu testen.
com! professional: Können Sie Beispiele nennen?
Kuhlmann: Der Einrichtungskonzern Ikea bietet zum Beispiel mit der App IKEA Place seinen Kunden an, Möbelstücke im eigenen Zuhause mit Hilfe einer AR-Lösung zu platzieren und sich so einen Eindruck von der Wirkung im Raum zu verschaffen.
Aber auch abseits des konkreten produkt­bezogenen Einsatzes können Unternehmen kreativ werden: Der amerikanische Baumarkt Lowe’s hat ein VR-Training für Hobby-Hand­werker entwickelt, in dem gezielt bestimmte Abläufe und Bewegungen geübt werden.
Das Erstaunliche: Die Kunden, die das VR-Training absolviert hatten, konnten sich deutlich besser an die Arbeitsschritte erinnern als diejenigen, die nur ein übliches How-to-Video gesehen hatten. Dies ist ein Beispiel dafür, wie AR und VR einen Mehrwert für Kunden gene­rieren können und auf diese Weise die Kundenbindung stärken.
com! professional: Den größten Nutzen für VR- und AR-Anwendungen sieht der Digitalverband Bitkom im Tourismus. Teilen Sie diese Einschätzung?
Kuhlmann: Natürlich können auch Reiseveranstalter diese Technologien nutzen, damit Kunden, Urlaubsorte oder Hotelanlagen entdecken können. Einige Museen zeigen bereits, wie AR und VR dem Besuchererlebnis eine neue Qualität einhauchen können. So können AR-Lösungen Hintergrundinformationen per App auf das Smartphone bringen.
Das Städel-Museum in Frankfurt geht sogar noch einen Schritt weiter und bietet auch Führungen durch die Ausstellungsräume des Jahres 1878 mit einer VR-Brille an.
com! professional: Wie hoch ist die Akzeptanz der VR- und AR-Technologien bei Endanwendern und Unternehmen?
Kuhlmann: In unserer Studie „Hype versus Realität: Welche neuen Technologien Verbraucher wirklich wollen“ haben wir herausgefunden, dass 15 Prozent der Konsumenten bereits eine AR-App ausprobiert haben und weitere 6 Prozent dies in Zukunft tun möchten. VR-Headsets haben schon 10 Prozent der Umfrageteilnehmer getestet und weitere 14 Prozent beabsichtigen dies. Das Interesse und die Akzeptanz dieser Technologien steigen bei Verbrauchern also zusehends.
com! professional: Und wie sieht das im B2B-Bereich aus?
Kuhlmann: Unternehmen müssen sich die Sinnhaftigkeit von AR-/VR-Apps und -Videos häufig erst noch erschließen. Es geht nicht darum, Augmented und Virtual Reality um ihrer selbst willen einzusetzen. Vielmehr gilt es in jedem Fall, ein konkretes Einsatzszenario zu entwickeln, das einen Mehrwert bietet, der ohne diese noch recht kostspielige Technologie nicht zu erzielen wäre. Hier sehen wir großes Potenzial bei vielen Unternehmen, die heute noch zögerlich sind.
com! professional: In Deutschland bilden vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen das Rückgrat der Wirtschaft. Wie können diese AR und VR einsetzen?
Kuhlmann: Im Prinzip gibt es keinen Unterschied zu großen Unternehmen. Es ist wahrscheinlich, dass wir bei AR/VR einen ähnlichen Wandel erleben werden wie bei Videoinhalten. Noch liegen die Produktionskosten für AR-/VR-Videos in der Regel deutlich höher als bei Standard-Video-Content. Deswegen muss der Nutzen bei einem begrenzten Marketing-Budget genau ab­gewogen werden. Aber wenn man ein geeignetes Szenario entwickelt, bei dem Augmented und Virtual Reality einen Mehrwert bieten, kann sich die Investition durchaus lohnen. Gerade im Mittelstand und auch in der B2B-Kommunikation kann man sich mit einem gut durchdachten AR-/VR-Video heutzutage signifikant von seinen Wettbewerbern abheben.

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