Künstliche Intelligenz
09.12.2019
KI in Business-Apps
1. Teil: „Unternehmens-Software wird intelligent“

Unternehmens-Software wird intelligent

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Jirsak / shutterstock.com
Trotz vieler Vorteile - KI führt nicht automatisch zu einem Wettbewerbsvorteil. Weder sollte die Maschine völlig ohne menschliche Kontrolle arbeiten noch ist der Faktor Sicherheit außer Acht zu lassen.
Die digitale Transformation hat ihren Zenit womöglich bereits überschritten, während sich die Welle der Künstlichen Intelligenz (KI) ge­rade erst aufbaut. Die Digitalisierung hat sämtliche Business-Bereiche transformiert, Geschäftsprozesse - Arbeitsplätze und Anwendungen. Künstliche Intelligenz erntet nun die Früchte der Digitalisierung, indem sie die anfallenden Datenmengen veredelt und somit ganz neue Geschäftsfelder eröffnet und bestehende Prozesse optimiert. Doch KI ist kein Selbstläufer, die Hürden der Implementierung im Unternehmen sind hoch, und oftmals fehlen die Experten und das Know-how, um mit dem Einsatz von KI in Business-Anwendungen tatsächlich einen Mehrwert zu erzeugen.
Sehr viele Software-Hersteller haben inzwischen „Irgendwas mit KI“ in ihr Portfolio eingebaut. Es gehört praktisch zum guten Ton der Software-Branche, intelligentes Beiwerk zu integrieren. Nicht selten geht es bei den angeblich intelligenten Anwendungen allerdings nicht um KI, sondern vielmehr um Marketing.
Das Spektrum an Themen, die mit Künstlicher Intelligenz in Verbindung gebracht werden, ist breit. Von Alexa und autonomem Fahren über Chat­bots, Machine Learning (ML) und Deep Learning bis hin zur Übernahme der Weltherrschaft. Grundsätzlich ist KI ein Teilgebiet der Informatik. Es beschäftigt sich mit der Abbildung intelligenten Verhaltens durch IT. Experten unterscheiden zwischen starker KI, deren Ziel es ist, menschliche Intelligenz nachzuahmen, und schwacher KI, die genutzt wird, um intelligente Entscheidungen für spezifische Teilbereiche zu treffen, etwa für die Automatisierung von Prozessen. Starke KI liegt derzeit noch weit außerhalb der technischen Möglichkeiten.
Ist die heute verfügbare KI womöglich nur die Summe von Big Data und Machine Learning? Oliver Oursin, Vice President Solution Engineering EMEA Central beim Cloud-Computing-Unternehmen Salesforce, das die KI-Plattform Einstein anbietet, verneint dies: „Viele der Einstein-Komponenten sind darauf ausgelegt, nicht nur Vorhersagen oder Scores zu produzieren, sondern diese abhängig vom Einsatzszenario in Entscheidungshilfen für die Benutzer zu übersetzen.“
Kay Knoche, Solution Consultant Next Best Action Marketing beim Software-Hersteller Pegasystems, beschreibt es so: „Künstliche Intelligenz ist ein Oberbegriff, der eine Vielzahl technischer Verfahren umfasst. Sie alle haben das Ziel, menschliche Intelligenz nachzuempfinden. Das umfasst Bild-, Sprach- und Texterkennung, automatische Übersetzungsdienste, maschinelles Lernen und Deci­sion Management, um nur einige Beispiele zu nennen.“ Welche technischen Verfahren unter die Rubrik Künstliche Intelligenz fielen, sei schon deshalb schwer abzugrenzen, weil auch die menschliche Intelligenz nicht genau definiert sei. Zudem gebe es etwa analytische Intelligenz, emotionale Intelligenz oder soziale Intelligenz.
Harry Underwood, Senior Solution Consultant bei OpenText, Anbieter von Enterprise-Information-Management-Lösungen, meint: „Es gibt einen gewissen Hype beim Thema KI, Big Data und Machine Learning, aber in vielen Unternehmen findet eine Wertschöpfung bereits statt. Richtig ist, dass man Daten und teilweise große Datenmengen braucht, um bestimmte Kundenszenarien zu bedienen. Wer seine Hausaufgaben im Bereich Big Data gemacht hat, hat sicherlich einen Vorteil und kann diese dann nutzen, um ML-Modelle zu trainieren.“ Es sei aber zu einfach, KI auf Big Data und ML zu reduzieren, weil oft nicht bei null angefangen, sondern auf Vorhandenem aufgebaut werde - sei es bei bestehenden historischen Daten, bereits antrainierten Modellen oder existierenden Business-Logiken. Auch der Faktor Mensch dürfe dabei nicht vernachlässigt werden. Ohne entsprechendes Wissen bezüglich der Daten oder des jeweiligen Anwendungsfalls werde es selten einen erfolgreichen Einsatz von KI geben. „Eigentlich müsste die Formel etwa so lauten: KI ist die Summe aus menschlicher Erfahrung mit Prozessen und Problemen, verfügbaren Daten und der Anwendung des richtigen Machine-Learning-Models.“
2. Teil: „Business-Applikationen“

Business-Applikationen

  • Beispiel: Die Künstliche Intelligenz Einstein ist in viele Salesforce-Anwendungen integriert.
    Quelle:
    Salesforce
In Geschäftsanwendungen hat Künstliche Intelligenz bereits eine gewisse Verbreitung erreicht, etwa in den Bereichen Automatisierung, Datenanalyse und natürliche Sprachverarbeitung. Zu den Early Adoptern zählt Amazon. Schon lange bevor die virtuelle Assistentin Alexa in die Haushalte einzog, war Amazon Innovationstreiber bei der Nutzung von maschinellem Lernen zur Optimierung der Lagerverwaltung und Warenbereitstellung.
Der größte Einfluss wird KI bei Marketing Services, Supply Chain Management und Fertigung attestiert, wofür schon zahlreiche KI-Anwendungen verfügbar sind. Auch im Finanz- und Bankwesen soll KI für neuen Schwung sorgen, zwei Branchen, die sich oft noch auf veraltete Prozesse stützen. Gesundheitswesen, Bildung, Transport und Abfallwirtschaft können mit KI-Anwendungen, die automatisieren, vorhersagen und besser reagieren als Menschen, ebenfalls effizienter gestaltet werden.
Automatisierungspotenzial haben sicherlich auch die typischen Kundenanfragen im öffentlichen Sektor oder bei Finanzdienstleistern. Hier gibt es darüber hinaus viele Ansatzpunkte für Robotic Process Automation (RPA). Der Einsatz von Machine Learning ermöglicht es, bereits bei der Entwicklung von automatisierten Prozessen den manuellen Aufwand zu reduzieren.
Bei alldem darf nicht vergessen werden, dass noch immer knapp die Hälfte der KI-Projekte scheitert, wie eine IDC-Studie jüngst belegte. Die Gründe dafür sind meist unzureichende Planung, fehlende Fachkompetenzen oder eine schlechte Datenbasis. KI als Selbstzweck liefert eben keinen Mehrwert.

Conversational Systems

Weit verbreitete Spezies von KI-Anwendungen sind Chat­bots und virtuelle Assistenten. Beim Kunden-Support etwa lassen sich Anfragen über virtuelle Assistenten aufnehmen, mit FAQ-Datenbanken abgleichen und anschließend beantworten. Auch im Unternehmen selbst kommen diese Assistenten zum Einsatz. Sie verstehen und sprechen natürliche Sprache und sind in der Lage, bei Anfragen Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen einzubeziehen.
„Chatbots wurden in sehr unterschiedlicher Ausprägung realisiert“, so Kay Knoche von Pegasystems. „Viele sind im Prinzip Zugriffe auf Suchmaschinen, die Texteingaben mit Such­ergebnissen oder klassischen Befehlen verknüpfen. Solche Chatbots haben noch nichts mit Künstlicher Intelligenz zu tun.“ Ganz anders verhalte es sich, wenn Sprach- und Text­erkennung mit Decision Management kombiniert werde. „Die Spracherkennung sorgt dafür, dass gesprochene Worte in geschriebenen Text überführt werden. Zudem kann anhand typischer Stimmmerkmale erkannt werden, wer der Gesprächspartner ist. Texterkennung untersucht im nächsten Schritt den Text bezüglich der Klassifizierung (worum geht es?), des Intents (was möchte der Gesprächspartner?) und des Sentiments (wie ist die Gemütslage des Gegenübers?) - und kann im Text Entities erkennen.“ Entities sind etwa Namen, Telefonnummern, Adressen, Bankverbindungen, Songtitel oder Automarken. Wenn diese Informationen ganz oder teilweise zur Verfügung stehen, dann kommt man zur Königsdisziplin der Künstlichen Intelligenz, dem Decision Management: „Was ist die beste Maßnahme, um auf die Anfrage zu reagieren? Decision Management wird häufig auch als Next Best Action beschrieben und stellt die eigentliche Intelligenz dar.“
„Sprachsteuerung und Texterkennung sind bereits Commodity“, konstatiert Knoche. Spracheingabe als Interaktionskanal mit einem technischen System sei beinahe vollständig ausgereift und könne deshalb nicht dazu dienen, das Unternehmen zu differenzieren. „Sprachsteuerung muss einfach funktionieren - Punkt.“
3. Teil: „Trends in KI-Applikationen“

Trends in KI-Applikationen

  • Quelle:
    Tractic / Statista
OpenText-Manager Harry Underwood wagt eine Prognose, welche Fortschritte hinsichtlich KI für 2020 zu erwarten sind und zu was für neuen Anwendungen dies führen könnte: „Es wird eine weitere Integration von KI in bestehende Plattformen geben und eine gewisse Konsolidierung von Features. Im Enterprise-Bereich werden wir sicherlich mehr ausgereifte Modelle sehen. Diese werden in den jeweiligen Business-Bereich so eingebaut, dass weniger spezialisiertes Wissen notwendig sein wird, um bereits einen deutlichen Mehrwert aus dem System ziehen zu können. Es werden mehr Anwendungsfälle mit insgesamt weniger Daten durchführbar sein, auch wenn die Datenqualität gegebenenfalls geringer ist.“
KI verdrängt zudem die klassische Zeichenerkennung. Traditionelle OCR-Anwendungen sind zwar inzwischen in der Lage, auch schlecht lesbare Texte in nahezu fehlerfreie Dokumente zu verwandeln. Doch KI kann hier eine spezifische Form von Textverständnis leisten: KI-Texterkennung könnte intelligent auf von Menschen geschriebene Dokumente reagieren und so vielfältige Möglichkeiten bei der Prozess­automatisierung eröffnen.
Künstliche Intelligenz benötigt jede Menge Daten und Rechenleistung. An Letzterer mangelt es im Zeitalter der Rechenzentren nicht, an Daten hingegen mitunter schon. Auch die Qualität der Daten lässt oft zu wünschen übrig. Nach Einschätzung vieler Experten sind über 80 Prozent der erhobenen Daten schlichtweg nutzlos, was das Reservoir verwertbarer Daten für das Training der KI weiter dezimiert. Eine Alternative könnte künftig das Trainieren mit einem digitalen Zwilling als Datenquelle sein. Ein solcher Digital Twin simuliert Maschinenzustände, die so generierten Daten können dann für das Machine Learning verwendet werden.
Konstantin Greger, Solution Consultant beim BI-Anbieter Tableau, ergänzt, dass Programme immer besser die Absichten hinter einer Frage verstehen werden. „Explain Data“ liefere mit Hilfe einer KI auch das „Warum“ hinter den Antworten. „Tieferes statistisches Wissen wird so verfügbar für Mitarbeiter aller Kompetenzniveaus.“
Künftig werde der Mangel an Fachkräften zu einem ernsthaften Problem, ist sich Oliver Oursin von Salesforce sicher. „Die erweiterte Nutzung von Künstlicher Intelligenz wird zum kritischen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Deren individuelle Prozesse, Daten und Anwendungsfälle erfordern aber jeweils eine auf sie zugeschnittene KI. Angesichts des gravierenden Mangels an Datenwissenschaftlern, die für individualisierte KI-Anwendungen notwendig sind, stellen die erforderlichen Anpassungen für Unternehmen eine gewaltige Herausforderung dar.“
Ein weiterer Trend betrifft die Sprachsteuerung. „Die Konvergenz vernetzter Geräte und die Fortschritte in der natürlichen Sprachverarbeitung sorgen dafür, dass sich Sprachschnittstellen rasant verbreiten“, erklärt Oursin. „Inzwischen haben laut jüngstem Voicebot-Report fast 20 Prozent der volljährigen US-Bürger vernetzte Lautsprecher zu Hause.“ Und die Unternehmensberatung Capgemini schätzt, dass 40 Prozent der Verbraucher in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA bis 2021 Sprachschnittstellen in Apps und Websites für Dinge wie die Suche im Internet oder das Online-Shopping nutzen werden.

Einsatzgebiete für KI

Allgemeiner gefasst hilft KI also bei der Umwandlung von Informationen und Daten in praktisch umsetzbare Erkenntnisse. „Wir haben unterschiedliche KI-Technologien, die je nach Kunde unterschiedlich in existierende Prozesse integriert werden“, führt Harry Underwood aus. „Die Bandbreite der Anwendungsfälle reicht von Themen wie Text Mining bis hin zu Predictive Maintenance. Konkret heißt das, dass wir bei der Erfassung von Informationen aus E-Mails, Scans und Dokumenten helfen.“ Dies gelte für Business-Prozesse, Vorhersagen von Wartungsintervallen oder mögliche Produktionsausfälle.
Im Einkauf sind automatisierte Bestellvorgänge denkbar, ebenso eine Analyse des Beschaffungswesens. Kundenservice und -Support setzen auf intelligente Sprach- und Text­erkennung, mit der sich automatisiert Anfragen per Mail, Chat oder Telefon beantworten lassen. Der Vertrieb versucht, mit vorausschauenden Verfahren Kundenverhalten vorherzusagen, um die Kunden besser zu verstehen und potenzielle Neukunden und Zielgruppen zu erkennen. Mit KI-Unterstützung lassen sich digitale Arbeitsplätze automatisiert und personalisiert zur Verfügung stellen. Prädiktive Verfahren können Systemprobleme erkennen, bevor es zu Ausfällen kommt. Mit KI sind auch dynamische Produktionsumgebungen entwickelbar, die sich an veränderte Bedingungen anpassen. Autonome Fahrzeuge sind wahrscheinlich der am besten erforschte KI-Sektor. Große Autobauer wie Tesla, Toyo­ta, Audi, BMW und Daimler setzen inzwischen KI-Algorithmen ein. Kleine Busse fahren bereits fahrerlos.
4. Teil: „Integration im Unternehmen“

Integration im Unternehmen

Trotz der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und des starken Interesses an KI-Lösungen mangelt es vielfach noch an der Umsetzung. Die rasante Entwicklung macht den Markt unübersichtlich und es fällt den Unternehmen oft schwer, das richtige Angebot zu finden. Cloud-Plattformen und -Services wie AWS, Microsoft Azure, Google Cloud Platform oder IBM Watson sind zwar leicht zu nutzen, die Inte­gration der Anwendungen und Geschäftsprozesse ist jedoch meist komplex und bleibt in der Regel den Unternehmen selbst überlassen.
„Es steht und fällt mit den zur Verfügung stehenden Daten und deren Qualität“, so Harry Underwood. Der alte Spruch „Quality in, Quality out“ treffe es gut. „Die längere Antwort ist, dass es kundenspezifische Anforderungen auf der einen Seite und zeit- und businesskritische Faktoren auf der anderen Seite gibt. Dies kann dann auch mal die Verfügbarkeit der benötigten Stakeholder oder Experten sein oder die Erwartungshaltung, welche Ergebnisse ein KI-System Out of the Box für den jeweiligen Anwendungsfall und im jeweiligen Kontext liefern kann.“
Tableau-Solution-Consultant Konstantin Greger sieht die größte Herausforderung ebenfalls bei den Daten: „Um KI-Systeme in Zukunft wirklich sinnvoll nutzen zu können, braucht es Daten, und zwar nicht nur viele Daten, sondern auch gute Daten. Ich muss ihnen vertrauen können, sonst werden die Ergebnisse ebenfalls nicht glaubwürdig sein. Auch das Thema Know-how wird eine große Rolle spielen in den Unternehmen, insbesondere braucht es hier ausgebildete Kräfte, die Datenanalysen umsetzen können. Sie müssen eine KI mit den entsprechenden Daten füttern und damit eine sinnvolle und starke KI aufbauen können.“ Das Sammeln der Daten ist oft der schwierigste Part, da die meisten Unternehmensdaten in vielen unterschied­lichen Systemen liegen.
Beim Einsatz von KI in Business-Anwendungen stellt sich grundsätzlich die Frage, wie sich Daten aus anderen Applikationen und Plattformen einbinden lassen. Das Schlüsselwort heißt API - Programmierschnittstelle. „Da die KI-Funktionen von Einstein in den Salesforce-Lösungen inte­griert sind, nutzen sie automatisch alle in Salesforce erfassten Daten. Mit dem Salesforce Einstein Analytics Connector lassen sich zudem Daten aus externen Quellen mit Salesforce Einstein Analytics synchronisieren und KI-basiert analysieren“, erklärt dazu Oliver Oursin.

Ausblick

Die faszinierenden Möglichkeiten von KI und die Geschwindigkeit des Fortschritts sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Künstliche Intelligenz kein Universalmittel ist und auch Gefahren birgt. „Es gibt immer gewisse Risiken, mit jeder neuen Technik. Das ist bei KI nicht anders. Ich würde das Risiko aber hier eher beim Faktor Mensch sehen“, so die Einschätzung von OpenText-Consultant Harry Underwood. „Wenn der Mensch die Maschine trainiert, ist das Verhalten der Maschine abhängig vom Menschen. Oder aber der Mensch lässt die Maschine sich selbst trainieren - allerdings ist nicht kontrolliertes, selbstständiges Arbeiten schon in der Gesellschaft oft nicht zielführend. Das ist bei Maschinen meist nicht anders.“ Wichtig sei, wo die Verarbeitung der Daten stattfinde, also lokal oder in der Cloud. „Denn auch für eine weitere Verwertung von Daten ist das Thema Kon­trolle wichtig. Wird das auf meinen Daten trainierte Model weiterverwendet von anderen? Und wie kann ich das verhindern?“
„Menschen werden nach wie vor diejenigen sein, die die Entscheidungen treffen“, ist sich Konstantin Greger sicher. „Gerade deshalb müssen sich Anwender immer wieder die Frage stellen: Wie können wir sicherstellen, dass die automatisierten Empfehlungen und Modelle vertrauenswürdig sind?“ Die Forderung nach mehr Transparenz werde den Aufstieg der „erklärbaren Künstlichen Intelligenz“ stark vorantreiben. „Nutzer sollen transparente Einblicke in Machine-Learning-Modelle und damit ein Verständnis für deren Funk­tionsweise erhalten. Entscheidungsträger und Mitarbeiter in Unternehmen sind zu Recht skeptisch, wenn durch KI gelieferte Antworten nicht erklärbar sind.“
Wenn die zugrunde liegenden Algorithmen fehlerhaft oder falsch gewichtet sind, spiegelt sich dieses Ungleichgewicht auch in den Ergebnissen wider. Die Algorithmen hinter den KI-Anwendungen sind immer nur so gut wie die Entwickler, die sie programmiert haben. Problematisch wird es vor allem dann, wenn der Künstlichen Intelligenz mehr Vertrauen entgegengebracht wird als der menschlichen Entscheidungskompetenz. So könnte einem Kunden etwa ein Kredit verwehrt werden, weil der Algorithmus im Hintergrund von Vorurteilen oder Stereotypen des Programmierers geprägt war. Ein KI-Fehler dieser Art führte vor einigen Jahren zu einem öffentlichen Aufschrei - die automatische Bilderkennung von Google hatte Afroamerikaner auf einem Foto als Gorillas klassifiziert.
Plattformen und Dienste für KI in Business-Anwendungen (Auswahl)
5. Teil: „Im Gespräch mit Aljoscha Niazi Shahabi, Culsultant bei BTC“

Im Gespräch mit Aljoscha Niazi Shahabi, Culsultant bei BTC

  • Aljoscha Niazi-Shahabi: Consultant bei BTC
    Quelle:
    BTC
Aljoscha Niazi-Shahabi, Consultant beim Technologieberater BTC, erklärt im Interview, welchen Nutzen Künstliche Intelligenz für Unternehmen haben kann - und welche Risiken lauern.
com! professional: Ist KI mehr als die Summe von Big Data und Machine Learning?
Aljoscha Niazi-Shahabi: Im Marketing und im unternehmerischen Jargon werden die Begriffe KI und Machine Learning häufig – und fälschlicherweise – synonym verwendet. Eigentlich ist Machine Learning ein Teilbereich der KI und bezeichnet einfach gesagt Algorithmen, die aus Daten lernen. KI bezeichnet Software, die Probleme selbstständig lösen kann, ist also deutlich weiter gefasst. Big Data ist in diesem Fall ein Hebel, der viele Potenziale von KI erschließt. In Unternehmen fallen sehr viele Daten an, die durch Big-Data- Technologie nutzbar und damit für KI-Ansätze verwertbar gemacht werden können.
Ich möchte aber erwähnen, dass man nicht zwangsläufig gigantische Datenmengen braucht, um Künstliche Intelligenz gewinnbringend einzusetzen. Je nach Anwendungsfall können auch schon aus kleineren Datenmengen wichtige Erkenntnisse gewonnen werden.
com! professional: Was kann KI in Business-Anwendungen leisten, und wo liegen die Grenzen?
Niazi-Shahabi: Da eine Maschine eine große Menge an Daten viel schneller verarbeiten kann als ein Mensch, entstehen prin­zipiell erst einmal große Potenziale – nicht nur, um Prozesse zu automatisieren und effizienter zu gestalten, sondern auch, um Mitarbeiter zu entlasten, weil die KI ihnen ständig wiederkehrende Aufgaben abnimmt. Auch die Qualität von Entscheidungen kann verbessert werden, wenn diese zusätzlich durch intelligente Systeme abgesichert werden.
Die Grenzen sehe ich vor allem in einer Vollautomatisierung. Das Ziel des KI-Einsatzes ist nicht, jeden Menschen zu ersetzen. KI kann eher eine Art Vorauswahl treffen und Menschen unterstützen. KI hat jedoch kein Konzept von Recht, Moral und sozialen Implikationen und damit auch kein korrektes Verständnis von der wirklichen Welt. Das bleibt selbstverständlich uns Menschen überlassen. Hierzu finden auf politischer Ebene aktuell an vielen Orten Diskussionen statt.
com! professional: Was sind die größten Herausforderungen bei der Integration von KI in bestehende Business-Prozesse?
Niazi-Shahabi: Die Herausforderungen sind tatsächlich vielfältig. Ein Problem ist beispielsweise die Integration heterogener Datenquellen. Daten existieren in Unternehmen in vielen unterschiedlichen Formaten und Quellsystemen und in unterschiedlicher Qualität. Diese so zu harmonisieren, dass sie von einem KI-Modell verarbeitet werden können, ist ein sehr aufwendiger und zeitintensiver Prozess.
Aber auch auf der Ebene Mensch gibt es noch viele Herausforderungen. Oft herrscht eine gewisse Skepsis gegenüber KI aufseiten der Mitarbeiter, unter anderem aus Angst, ersetzt zu werden. Hier ist gezielte Aufklärungsarbeit und Weiterbildung der Mitarbeiter ein wichtiger Schritt zur Integration von KI in das alltägliche Geschäft.
com! professional: Wie beurteilen Sie die Risiken einer Technik wie KI, welche Kontrollmöglichkeiten gibt es?
Niazi-Shahabi: Die Palette möglicher Anwendungen ist breit gefächert und reicht von medizinischer Diagnostik über autonom fahrende Autos bis hin zur Vorhersage von Störungen in indus­triellen Anlagen, um Probleme bereits im Vorfeld zu erkennen und zu verhindern. Damit einhergehend entstehen Risiken, die wir nicht außer Acht lassen dürfen.
Ein Beispiel dafür ist die Gefahr einer fehlenden Nachvollziehbarkeit maschineller Entscheidungen. Bei sehr komplexen KI-Modellen, die viele verschiedene Daten als Input bekommen, ist es für den Menschen sehr schwer zu verstehen, wie die Künst­liche Intelligenz zu einer Entscheidung gelangt. In einem automatisierten Kreditvergabeprozess dürfen Personengruppen nicht benachteiligt werden, ohne dass wir diese Entscheidung nachvollziehen können.
Ich bin sehr froh darüber, dass Europa im Gegensatz zu den USA oder China aktuell strenge ethische Regeln entwickelt, die sicherstellen, dass Systeme für die Künstliche Intelligenz zur Stärkung der Grundrechte beitragen und die Unabhängigkeit der Menschen nicht einschränken. Das ist ein wichtiger Grundstein für die sichere Integration von Künstlicher Intelligenz in unsere Gesellschaft.

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