06.05.2019
Interconnection
1. Teil: „Unternehmen setzen auf privates Internet“
Unternehmen setzen auf privates Internet
Autor: Klaus Manhart
ktsdesign / shutterstock.com
Direkte Verbindungen sollen die Schwächen des öffentlichen Netzes umgehen. Manche Experten gehen sogar davon aus, dass das Internet bald schon nur noch ein Zugangsnetz ist.
Das Internet ist heute das wichtigste Medium für den Datenaustausch und der Business-Enabler schlechthin. Unternehmen müssen eng vernetzt sein, um jederzeit und von überall geschäftskritische Daten mit Kunden, Partnern und Mitarbeitern auszutauschen. Die bestehende Infrastruktur macht den Business-Akteuren allerdings immer öfter einen Strich durch die Rechnung. Das öffentliche Internet wird vom Business-Treiber mehr und mehr zum Business-Klotz. Das hat mehrere Gründe. Das digitale Business erfordert Schnelligkeit und Echtzeit-Interaktionen zwischen Menschen, Geräten, Standorten, Cloud-Systemen und Daten - eine Anforderung, die das öffentliche Netz immer weniger erfüllt. Es fehlt die Bandbreite, die Leitungen sind mit Daten verstopft, die Informationen tröpfeln nur vom Sender zum Empfänger.
Solche Latenzen stören die Nutzung digitaler Dienste. Gerade wenn es darum geht, Mitarbeitern und Partnern qualitativ hochwertige Dienste zur Verfügung zu stellen, müssen Verzögerungen vermieden werden. Bloß wie? Die Bandbreiten für Internet-Traffic können nicht beliebig erhöht werden.
Ein weiteres Problem: Immer mehr Unternehmen verlagern Rechen- und Speicherressourcen in die Cloud und die bei Technologien wie Künstliche Intelligenz, Virtual und Augmented Reality oder Internet of Things entstehenden Datenmassen sind in vielen Branchen zur wirtschaftlichen Grundlage der Unternehmen geworden. Doch werden diese Datenmassen über das öffentliche Internet transportiert, dann potenzieren sich die Probleme: Die notwendige Skalierbarkeit ist nicht gegeben, die Wartezeiten auf Ergebnisse werden lang und länger, Auswertungszeiten verzögern sich und damit letztlich auch die Aktionszeiten.
Auch die Offenheit des Internets wird für die vernetzte Wirtschaft immer mehr zur Achillesferse, zumal mit dem digitalen Business neue sicherheitsrelevante Schwachstellen entstehen, insbesondere wenn Daten über viele verschiedene Quellen und Nutzer bereitgestellt werden.
2. Teil: „Paralleles Business-Internet“
Paralleles Business-Internet
Das ist eine Art zweites Internet, das auf privaten Verbindungen zwischen Unternehmen basiert. Die maßgeblichen IT- und Netzwerkfunktionen werden dabei in unmittelbarer Nähe zu großen Anwendergruppen sowie zu den Applikationen und Daten platziert. Beteiligt sind neben den Unternehmen selbst Akteure wie Cloud-Provider und Netzwerk-Anbieter. In dem abgeschotteten Netzwerk erlauben IT-Knotenpunkte sichere Verbindungen zwischen Unternehmen und Netzwerk-Providern über alle Regionen hinweg.
Solche Verbindungen werden normalerweise in Carrier-neutralen Rechenzentren gehostet. Damit ist gemeint, dass das Rechenzentrum, in dem Unternehmen ihre Verbindungen herstellen, viele verschiedene Carrier und Service-Provider aufnehmen kann. Neben einer einfachen Eins-zu-eins-Verbindung einer Cloud-Umgebung ist über eine Interconnection-Plattform deshalb eine Vielzahl von Verbindungen auf dedizierte und sichere Weise möglich.
Eine PNI ist insofern eine relativ komplexe Struktur, als Unternehmen sicherstellen müssen, dass sie den richtigen Service für die jeweilige Aufgabe haben. Andererseits braucht es grundsätzlich für Interconnection nicht viel: Erstens eine entsprechende Ausrüstung, zum Beispiel bei einem Co-Locator oder im eigenen Rechenzentrum. Zweitens Glasfaser- oder Kupferkabel, die die Unternehmen verbinden. Drittens Software, die die Übertragung steuert. Und viertens Sicherungsmaßnahmen, die dafür sorgen, dass die Übertragungswege nur denjenigen zugänglich sind, die auch darauf zugreifen dürfen.
PNIs werden in der Regel von den großen Co-Location-Providern angeboten.Bei Co-Location erfolgt der Server-Betrieb im Rechenzentrum eines Providers. Unternehmenskunden mieten Platz für Server und andere IT-Hardware an und betreiben dort ihre eigene Hardware.
Viele dieser Rechenzentrumsbetreiber bieten schon länger direkte Verbindungen innerhalb ihrer Rechenzentren an, um Cloud- und Co-Location-Umgebungen an einen Ort zu bringen. Diese Verbindungen wurden bislang oft über Glasfaser-Cross-Connects bereitgestellt. Dieser Ansatz schränkte jedoch die Möglichkeiten ein, wo Unternehmen ihre Co-Location-Umgebungen platzieren können. Zudem begrenzte dies die Cloud-Umgebungen, mit denen sie sich verbinden können. Die neuesten Lösungen von Interconnection-Anbietern nutzen deshalb nun flexible Konzepte wie Network Exchange Points und Software-Defined Networking (SDN). SDN erlaubt es dem Kunden beispielsweise, seine Verbindungen in Echtzeit zu verwalten, ohne dass der Co-Location-Anbieter involviert sein muss. Er kann einzelne Verbindungen jederzeit aufbauen, abbauen und ändern, meist über eine einfache, webbasierte Bedienoberfläche.
3. Teil: „Vorteile von PNIs“
Vorteile von PNIs
Die idealen Kandidaten für Interconnection sind Unternehmen, die viele sensible Daten sicher und schnell transferieren müssen. Hierzu gehören zum Beispiel der Datenaustausch mit Payment-Providern, digitale Verkehrssteuerungen oder die Just-in-Sequence-Belieferung von Produktionsstraßen. „Heutige IT-Architekturen kommen hier schnell an ihre Grenzen“, sagt Sasha Puljic, Geschäftsführer des Analytics-Spezialisten Teradata. „Interkonnektivität ist daher ein Thema für alle, die sich mit Big-Data-Analysen beschäftigen. Für uns als Anbieter bedeutet Interkonnektivität deshalb, den direkten Weg auf der Autobahn zu nehmen, statt über die Landstraße zu fahren.“
Die schnellere, zuverlässigere und sicherere Übertragung von Daten ermöglicht es Unternehmen vor allem auch, sich zu digitalen Ökosystemen zusammenzuschließen und so das Wachstum ganzer Branchen zu beschleunigen. Gerade die neu entstehenden, durch Big Data, IoT und ähnliche Techniken realisierbaren Business-Ökosysteme brauchen eine sichere und möglichst verzögerungsfreie Kommunikationsbasis, die sich durch Private Network Interconnect am besten umsetzen lässt. Das Gleiche gilt für die Zusammenführung der internen Datenschätze weit verteilter Unternehmensniederlassungen.
Zudem ist mit Interconnection einiges möglich, was aus datenschutzrechtlichen Gründen sonst schwierig wäre. Beispiel Big-Data-Analysen: Viele Daten dürfen, um den Schutzanforderungen des Gesetzes zu genügen, den Einflussbereich des Unternehmens, das sie gesammelt hat, nicht verlassen. Andererseits gibt es kostengünstige Analytik-Services in der Cloud. Interconnection bringt beides zusammen. Co-Location-Anbieter betreiben in der Regel außerdem ein sehr professionelles Sicherheitsmanagement. Dadurch sinkt das Risiko, dem die Daten beim Transport ausgesetzt werden.
4. Teil: „Interconnection für die Cloud“
Interconnection für die Cloud
Interconnection-Services lohnen sich vor allem auch in Hybrid-Cloud-Szenarien. Dort lässt sich damit ein Gutteil der mit einer hybriden Cloud verknüpften Komplexität verringern oder ganz beseitigen. Über eine einzige private Verbindung, die das Unternehmen bei einem Rechenzentrumsanbieter mietet, kann es Zugang zu allen gewünschten Cloud-Anbietern und anderen Rechenzentren bekommen.
„Unternehmen, die sich digitalisieren wollen, suchen nach Wegen, die mit der Integration verschiedener digitaler Dienste einhergehende zunehmende Komplexität möglichst gering zu halten“, weiß Eric Hanselman, Chief Analyst bei 451 Research. „Neue, auf Interconnection basierende Architekturen fangen einen Großteil dieser Komplexität auf.“ Schon 2014 bevorzugten laut einer Umfrage von Dimensional Research 85 Prozent von 659 befragten IT-Entscheidern aus aller Welt direkte Verbindungen zu Cloud-Providern. Als Hauptvorteile assoziieren sie mit Direktverbindungen erhöhte Sicherheit, mehr Zuverlässigkeit und gesteigerte Leistung.
Mehr Sicherheit: Private, direkte Verbindungen zwischen Unternehmen und einem oder mehreren Cloud-Service-Providern reduzieren die Angriffsfläche für Cyberattacken. Die Risiken bei der Rückführung des Cloud-Traffics zu entfernten Rechenzentrumsstandorten über das Internet oder Langstreckennetze mit vielen Zwischenstationen werden eliminiert.
Gesteigerte Zuverlässigkeit: Private Hochleistungsverbindungen optimieren die Leistung von Backup- und Recovery-Prozessen. Interconnection in die Cloud kann zudem die für Disaster-Recovery benötigte Redundanz gewährleisten. Zuverlässige Disaster-Recovery-Prozesse können sogar zwischen zwei verschiedenen Cloud-Services etabliert werden, um die Aufrechterhaltung von Geschäftsabläufen sicherzustellen.
Erhöhte Skalierbarkeit: Das schnelle, automatisierte Provisioning über direkte und sicher virtualisierte Verbindungen macht das Management und die Kontrolle bei der Aktivierung und Deaktivierung von Cloud-Services deutlich einfacher.
5. Teil: „Aktuelle Situation“
Aktuelle Situation
Wie steht es derzeit um die Akzeptanz von Interconnection? Ende 2018 legte der Co-Location-Spezialist Equinix seinen zweiten „Global Interconnection Index“ vor, der den Einsatz von Interconnection analysiert und prognostiziert. Die Studie erfasst die Meinung von 1200 IT-Experten. Das Ergebnis: Interconnection ist für viele deutsche Unternehmen bereits ein wichtiges Instrument. Zwei Drittel der deutschen IT-Experten gaben an, dass Interconnection entscheidend hilft, die Verlangsamung des Datenaustauschs über das ausgelastete öffentliche Internet langfristig zu vermeiden. Für über ein Drittel der Experten ist dies unerlässlich, um das Tagesgeschäft des eigenen Unternehmens sicherzustellen. Über die Hälfte der IT-Führungskräfte in Deutschland sieht in hohen Latenzzeiten ein zentrales Problem, dem sie in ihrer Arbeit gegenüberstehen.
90 Prozent der IT-Experten versprechen sich durch die Nutzung von Interconnection Vorteile für ihr Unternehmen. Schon heute setzen 46 Prozent der deutschen Unternehmen Interconnection ein, um sich mit Partnern, Kunden und Mitarbeitern zu vernetzen und Daten auszutauschen.
„Der zweite Global Interconnection Index zeigt, dass Unternehmen die steigenden digitalen Anforderungen bewältigen, indem sie sich per Interconnection direkt mit wichtigen Geschäftspartnern verbinden, da traditionelle Formen der Konnektivität den hohen Anforderungen moderner Unternehmen nicht mehr gerecht werden“, resümiert Sara Baack, Chief Marketing Officer bei Equinix.
Aus der Studie leitet Equinix auch ab, dass der Einsatz von Interconnection weiter rasant steigen wird: 64 Prozent der befragten deutschen IT-Experten erwarten demnach, dass die Bedeutung von Interconnection für das eigene Unternehmen in den nächsten drei Jahren zunimmt. 2021 soll Interconnection sogar mehr Traffic generieren als das öffentliche Internet. Konkret spricht Equinix von mehr als 8.200 TBit/s beziehungsweise 33 Zettabyte pro Jahr, die 2021 durch die privaten, direkten Leitungen fließen sollen. Das wäre das Zehnfache der Datenmenge, die über das öffentliche Internet generiert wird, und entspräche einer jährlichen Wachstumsrate von 48 Prozent in den kommenden fünf Jahren.
Eine große Menge des Traffics scheint dabei in den Finanzzentren der Welt anzufallen: In Europa, wo das Wachstum durchschnittlich ebenfalls auf 48 Prozent geschätzt wird, verzeichnen etwa Frankfurt und London 58 Prozent beziehungsweise 52 Prozent Wachstum.
Fazit & Ausblick
Die Bedeutung von Interconnection zeigt sich in den Wachstumsraten für PNI-Kapazitäten bei Unternehmen unterschiedlicher Branchen. Interconnection ist längst schon mehr als ein Trend. Sie hat sich vielmehr zu einem zentralen Bestandteil der IT-Infrastruktur in der Digital Economy entwickelt. „Wir sind überzeugt, dass das Internet mittelfristig nur noch ein Zugangsnetz sein wird“, erklärt Roger Semprini, Managing Director von Equinix Schweiz.
Doch obwohl IT-Experten Interconnection eine so hohe Bedeutung beimessen, ist das Konzept in der Führungsebene von Unternehmen oft noch weitgehend unbekannt: Fast 74 Prozent der für den „Global Interconnection Index“ konsultierten IT-Manager gehen davon aus, dass ein Großteil der Führungskräfte im Management deutscher Unternehmen Interconnection zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausreichend oder gar nicht versteht. Diese Unkenntnis kann zum Problem werden. Denn in den nächsten Jahren wird das Tempo der Digitalisierung in den Unternehmen sicher weiter anziehen. Das wird die eingangs geschilderten Herausforderungen für die IT-Infrastrukturen und Internetverbindungen noch einmal deutlich verschärfen. Interconnection wäre zumindest eine Option, mit der Unternehmen darauf reagieren könnten und die sie nicht leichtfertig ignorieren sollten.
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