Fintech
30.10.2019
Innovative Finanzdienstleistungen
1. Teil: „Traditionelle Banken kommen nicht hinterher “

Traditionelle Banken kommen nicht hinterher

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Mikko Lemola / shutterstock.com
FinTech-Start-ups machen traditionellen Geldhäusern zunehmend das Leben schwer. Aber trotz aller Innovationen müssen sich auch die Jungunternehmen an die geltenden Regeln und Gesetze halten.
  • Tanja Aschenbeck: Rechtsanwältin und Partnerin bei Osbourne Clarke
    Quelle:
    Osbourne Clarke
Die FinTech-Branche boomt - immer mehr Start-ups sind in diesem Bereich tätig. Vor allem die Blockchain-Technologie gehört hier zu den vielversprechendsten Entwick­lungen. Doch immer neue Verordnungen sorgen für Verun­sicherung: Was bedeuten diese etwa für die Blockchain? Und welche Gesetzesänderungen haben Einfluss auf das Geschäft von FinTechs?
Im Gespräch mit com! professional beschreibt Tanja Aschenbeck, Rechtsanwältin und Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke, unter anderem, welche neuen Richtlinien auf FinTechs zukommen und wie diese einzuordnen sind. Tanja Aschenbeck leitet bei Osborne Clarke den Bereich Financial Services und berät nationale und internationale Konzerne, Banken und Start-ups im Bereich des Kapitalmarkt- und Finanzaufsichtsrechts.
com! professional: Frau Aschenbeck, seit September gilt die Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 in Gänze. Sie soll mehr Konkurrenz und mehr Drittanbieter im Bankensektor bringen. Tut sie das?
Tanja Aschenbeck: Durch die PSD2 beziehungsweise deren Umsetzung in Deutschland im Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) wurden zwei neue Zahlungsdienste, die klassische Fin-Tech-Services bieten, geschaffen: Zahlungsauslösedienste, wie zum Beispiel Sofortüberweisung, und Konto­informationsdienste, insbesondere sogenannte Multi-Banking-Apps. Aus der PSD2 folgt die Verpflichtung von Banken, derartigen Drittdiensten ihre Online-Banking-Infrastruktur unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Dies bedeutet, dass sie FinTechs Zugang zum Zahlungskonto des Kunden gewähren müssen, wenn der Kunde die Dienste eines FinTechs in Anspruch nehmen möchte. Hierdurch wird das Verhältnis von klassischen Banken und FinTechs neu definiert: Banken bleiben - zumindest aus Kundensicht - eher im Hintergrund, da der Kunde sich zum Beispiel gar nicht mehr auf der Online-Banking-Seite seiner Bank anmelden muss, um eine Zahlung anzustoßen oder seinen Kontostand abzurufen.
In der Tat dürften diese neuen Zahlungsdienste klassischen Banken weiter Konkurrenz machen, indem sie zwar einerseits reguliert sind, anderseits aber - was wertvoll ist - Zugriff zu den Bankkonten der Kunden erhalten.
com! professional: Sind also dank PSD2 neue Start-ups in diesem Bereich zu erwarten?
Aschenbeck: Die Zahl von Start-ups, die als Zahlungsdienstleister tätig werden, dürfte aufgrund der derzeit starken Kundennachfrage weiter steigen. Start-ups, die moderne FinTech-Lösungen für das Banking anbieten, dürften von der PSD2 auch teilweise profitieren, sie erhalten durch die PSD2 Zugriff auf Kontendaten, die bisher Banken vorbehalten waren. Traditionelle Banken stehen aktuell vor dem Problem, den digitalen Ansprüchen der Gesellschaft gerecht zu werden - und, ehrlich gesagt, kommen sie oft nicht wirklich hinterher.
2. Teil: „Neue Regeln für Kryptowährungen“

Neue Regeln für Kryptowährungen

com! professional: Bleiben wir noch kurz beim Thema Gesetze. Ab 1. Januar 2020 gelten mit der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie neue Regelungen für Kryptowährungen. Welche regulatorischen Änderungen ergeben sich für Blockchain-Unternehmen in Deutschland?
Aschenbeck: Dies hängt jeweils von der konkreten Tätigkeit des Blockchain-Unternehmens ab. Für Kryptohandelsplattformen dürften sich aus dem Regierungsentwurf zur Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie keine großartigen regulatorischen Änderungen ergeben. Bereits nach geltender Rechtslage können Kryptowährungen als sogenannte Finanz­instrumente im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) ins­besondere Vermögensanlagen, Schuldtitel, Anteile an Investmentvermögen oder Rechnungseinheiten qualifizieren - so etwa Bitcoin als Rechnungseinheit.
Der Umtausch von Kryptowerten, die als Finanzinstrumente im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) gelten, kann bereits heute ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft beziehungs­weise eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung sein. So kann etwa der Umtausch von Kryptowerten in gesetzliche Währung oder umgekehrt sowie in andere Kryptowerte erlaubnispflichtiges Finanzkommissionsgeschäft, Eigenhandel oder den Betrieb eines multilateralen Handelssystems darstellen.
com! professional: Wie sieht es mit den Wallet-Anbietern aus, also den Dienstleistern zur Aufbewahrung von Kryptowährungen?
Aschenbeck: Sofern diese das - in Zukunft - erlaubnispflichtige Kryptoverwahrgeschäft betreiben, bedürften sie hierfür ebenfalls einer Erlaubnis und hätten das Geldwäschegesetz (GwG) zu beachten.
com! professional: Erlaubnispflichtiges Bankgeschäft beziehungsweise erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung - was bedeutet das eigentlich?
Aschenbeck: Bankgeschäfte, etwa die Vergabe von Krediten, und Finanzdienstleistungen, zum Beispiel Anlageberatung oder zukünftig das Kryptoverwahrgeschäft, erfordern eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Anbieter von Bankgeschäften beziehungsweise Finanzdienstleistungen sind zudem Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz (GwG), müssen also ihre Kunden identifizieren und bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen.
com! professional: Sie beraten FinTechs bei der Lizenzierung durch die BaFin. Welche häufigen Hürden gibt es hier?
Aschenbeck: FinTechs stehen im Rahmen eines Erlaubnisantrags bei der BaFin insbesondere vor der finanziellen Hürde des notwendigen Anfangskapitals: Mindestens 50.000 Euro müssen hier auf den Tisch gelegt werden, je nachdem, welche Geschäfte das FinTech anstrebt, sogar deutlich mehr.
Neben dieser finanziellen Anforderung setzt eine BaFin-Erlaubnis voraus, dass der Antragsteller, das FinTech, mindestens einen, in der Regel sogar zwei zuverlässige und fachlich geeignete Geschäftsleiter benötigt. Während die Zuverlässigkeit, etwa Straffreiheit, meist keine Probleme bereitet, wird es bei der fachlichen Eignung schon schwieriger: Ein fachlich geeigneter Geschäftsleiter muss über ausreichende theore­tische und praktische Kenntnisse sowie über eine gewisse Leitungserfahrung verfügen.
Theoretische Kenntnisse sind in der Regel ausreichend vorhanden, kommen die Kandidaten doch nicht selten frisch von der Uni und haben sich viele Gedanken zu einem innova­tiven Geschäftsmodell gemacht. Haben sie zudem bereits praktische Erfahrung im FinTech-Bereich sammeln können, spielt ihnen dies ebenfalls in die Karten.
3. Teil: „Gründer ohne Leitungserfahrung“

Gründer ohne Leitungserfahrung

com! professional: Aber Leitungserfahrung fehlt vielen Gründern, oder?
Aschenbeck: Gerade Unternehmen, die aus einem jungen Team bestehen, haben meist keine Leute in den eigenen Reihen, die in der Vergangenheit bereits eine größere Verantwortung - sowohl finanzieller als auch personeller Art - hatten. Reicht die eigene Mannschaft eines FinTechs hier nicht aus, müssen sie einen externen Geschäftsleiter anstellen, der die vom Gesetz und der BaFin verlangten Anforderungen erfüllt.
com! professional: Wie lange dauert eigentlich solch ein Erlaubnisverfahren und was müssen Start-ups besonders beachten?
Aschenbeck: Ein Erlaubnisverfahren kann gut und gerne mehrere Monate dauern. Im Vorfeld eines Erlaubnisverfahrens begegnen uns jedoch nicht selten Fälle, in denen voreilig angenommen wird, das Geschäftsmodell löse gar keine Erlaubnispflicht aus. Viele Start-ups gehen zu schnell von einer Erlaubnisfreiheit ihres Geschäftsmodells aus, ohne dass sie dies - meist aus Kostengründen - zuvor einmal aufsichtsrechtlich haben prüfen lassen. Spätestens wenn ein professioneller Investor, etwa ein Venture-Capital-Fonds, dazukommt, kommen Themen wie etwaige Erlaubnispflichten aber üblicherweise auf.
com! professional: Ist die BaFin besonders streng, wenn Start-ups ohne eine Erlaubnis tätig werden?
Aschenbeck: Wenn man sich die täglichen Meldungen der BaFin ansieht, dann wird deutlich, dass sie hier wenig Spaß versteht: Sie ordnet in der Regel die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs sowie unter Umständen die Rückabwicklung vorgenommener Geschäfte an, wenn ein Unternehmen erlaubnispflichtige Geschäfte ohne Erlaubnis betrieben hat.
Insbesondere die Anordnung der Rückabwicklung kann gerade junge Unternehmen empfindlich treffen und schlimmstenfalls deren bitteres Ende zur Folge haben, also eine In­solvenz. Start-ups sollten aus diesem Grund sehr sensibel mit ihren Vorhaben sein und im Zweifel einmal mehr Rechtsrat ein­holen. Es besteht auch die Möglichkeit, der BaFin das Geschäftsmodell vorzustellen und eine verbindliche Aussage dazu zu erhalten, ob das Geschäftsmodell erlaubnisfrei oder erlaubnispflichtig ist.
com! professional: Bleiben wir beim Thema FinTech und Start-ups: Wie ist hier Ihre Erfahrung - ist die deutsche Start-up-Szene besser als ihr Ruf, oder sind wir, wie oft gesagt wird, im Hintertreffen und kopieren höchstens erfolgreiche Ideen aus dem Ausland?
Aschenbeck: Es ist ein enormer Zuwachs an FinTechs in Deutschland zu beobachten. Darunter befinden sich auch einige Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen, die durchaus weltweiter Konkurrenz standhalten können. Ein Beispiel für solch ein sehr erfolgreiches deutsches FinTech-Start-up dürfte die Bank N26 sein. Diese sammelte 2018 rund 130 Millionen Euro an Investorengeldern in einer Finanzierungsrunde ein und ist mittlerweile weit über Deutschland
hinaus tätig.
Insgesamt beobachten wir, gerade im Raum Berlin, eine starke, wachsende Start-up-Szene, was sich auch am steigenden Interesse von Venture-Capital-Investoren zeigt.
4. Teil: „Deutsche Start-ups und Crowdfunding“

Deutsche Start-ups und Crowdfunding

com! professional: Sie haben das Thema Finanzierung angesprochen. Wie sind deutsche Start-ups zum Beispiel in Sachen Crowdfunding aufgestellt?
Aschenbeck: Crowdfunding war etwas in den Hintergrund geraten, da mit Wertpapier-Emissionen wesentlich mehr Geld, nämlich bis zu 8 Millionen Euro, ohne Verkaufsprospekt eingesammelt werden konnte.
Mitte Juni dieses Jahres erfolgte allerdings eine Änderung des Vermögensanlagengesetzes (VemAnlG), bei der sich der deutsche Gesetzgeber sehr Crowdfunding-freundlich zeigte: Die Änderung des VermAnlG beinhaltete insbesondere die Anhebung der Obergrenze von 2,5 auf 6 Millionen Euro hinsichtlich des prospektfreien Crowdfundings (Crowdfunding-Ausnahme). Das heißt, dass Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen nun bis zu 6 Millionen an Kapital einsammeln können, ohne einen von der BaFin gebilligten, kostspieligen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen. Auch wurde die Crowdfunding-Ausnahme auf im Vermögensanlagen-Bereich durchaus gängige Genussrechte ausgeweitet. Zudem wurden die bei Nutzung der Crowdfunding-Ausnahmen geltenden Einzelanlageschwellen je Anleger von 10.000 auf 25.000 Euro erhöht.
Auch Initial Coin Offerings (ICOs) beziehungsweise Security Token Offerings (STOs), also eine Art Börsengang mit Krypto-Token, strenggenommen ebenfalls eine Form des Crowdfundings, haben zugenommen - und viele deutsche Start-ups mischen hier mit.
com! professional: Wie kommen deutsche Start-ups sonst an notwendiges Kapital?
Aschenbeck: Als weitere Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung bleiben deutschen Start-ups selbstverständlich die schon fast traditionellen Varianten, Business Angels beziehungsweise Tech-affine Venture-Ca­pital-Investoren mit ins Boot zu holen.

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