Digitalisierung
01.10.2018
Smarte Belegschaft
1. Teil: „Szenarien für die Arbeit der Zukunft“

Szenarien für die Arbeit der Zukunft

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Suwin / shutterstock.com
Übernimmt der Computer bald viele Jobs? Die Arbeitswelt verändert sich in jedem Fall. Statt jedoch Arbeitsplätze zu vernichten, sollen lediglich manuelle und repetitive Tätigkeiten wegfallen.
Die Entwicklungen von Computertechnologie und Künstlicher Intelligenz (KI) sind vielversprechend für die Arbeit von morgen. Den Mitarbeitern werden lästige manuelle und repetitive Tätigkeiten abgenommen. Sie können sich künftig auf Aufgaben konzentrieren, die den menschlichen Intellekt fordern. So wird die Belegschaft der Zukunft von Computern mehr unterstützt als ersetzt.
Für viel Verunsicherung sorgte 2013 eine Studie der Oxford-Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael Osborne. Sie sagten voraus, dass etwa die Hälfte aller heutigen Arbeitsplätze in der westlichen Welt schon 2030 nicht mehr existieren könnten. Dafür wurden die Jobbeschreibungen von über 700 Tätigkeiten auf das Ausmaß an Fingerfertigkeit, Kreativität, Routinetätigkeit und sozialer Kompetenz hin untersucht. Anhand der Kriterien entwickelten die Forscher eine Rangliste der am meisten bedrohten Jobs: Telefonwerber, Recherchegehilfen und Schneider wurden als extrem gefährdet eingestuft.
Physiotherapeuten, Vorarbeiter und Einsatzleiter in Katastrophengebieten sowie Sozialarbeiter als maximal sicher.
Die Studie geriet aufgrund methodischer Schwächen in die Diskussion. Den Autoren wurde vorgehalten, sie hätten nicht alle 700 Jobprofile separat analysiert, sondern nur eine Stichprobe. Die Verallgemeinerung sei schwierig, wenn nicht sogar unzulässig, so die Kritik.
Aus heutiger Perspektive haben die Autoren mit ihrer Rangliste aber einen Stein ins Rollen gebracht – und zu Dutzenden weiteren Untersuchungen zum Einfluss der Technologie auf die Arbeitswelt von morgen angeregt.

KI schafft Jobs

Von einem positiven Einfluss des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Arbeitswelt gehen Studien der Beratungsunternehmen Accenture und Capgemini aus. Befragt wurden über 15.000 Mitarbeiter, im Fall von Capgemini mehr als 1000 Firmen. Die Resultate sind vergleichbar: 72 Prozent der von Accenture befragten Angestellten halten KI für entscheidend für die Fähigkeit ihrer Organisation, sich auf dem Markt zu differenzieren. Die von Capgemini befragten Unternehmensvertreter berichten, dass drei Viertel durch die Einführung von KI ihren Absatz um 10 Prozent steigerten. Bei 83 Prozent hat die KI außerdem neue Aufgaben und damit Jobs geschaffen.
Laut Capgemini entstanden durch KI insbesondere Jobs für erfahrene Kräfte, zwei von drei Stellen im Führungskräfte­umfeld. Daneben bildet die Mehrheit der Firmen (71 Prozent) ihre Mitarbeiter aktiv in Umschulungen und Weiterbildungen aus. Die KI kommt bei mehr als der Hälfte der Unternehmen (58 Prozent) allerdings auch für komplexe Fragestellungen zum Einsatz. Der Kundendienst oder autonomes Fahren sind zwei Beispiele.
Das Beratungsunternehmen empfiehlt hingegen, sich im ersten Schritt auf Anwendungen mit hohem Nutzenpotenzial und geringer Komplexität zu konzentrieren. Als Beispiele werden Compliance oder der Chatbot-Einsatz genannt.
Auch in Branchen ohne direkten Kundenkontakt verändern die Digitalisierung und KI die Arbeitswelt. In einer Befragung von 1100 Führungskräften und 600 IT-Entscheidern hat der Telekommunikationskonzern BT ermittelt, welchen Einfluss die IT-Ausstattung der Arbeitsplätze auf die Produktivität hat. Das Ergebnis beeindruckt: Die große Mehrheit der Befragten (neun von zehn) war der Meinung, dass Collaboration-Services und mobile Tools die Produktivität am Arbeitsplatz verbessern.
Allerdings ist der Weg zu einer virtualisierten, globalisierten und mobilen Belegschaft noch weit. Die Autoren rund um Nicola Millard, Head of Customer Insights & Futures bei BT, arbeiteten fünf Bausteine zur Steigerung der Produktivität der Mitarbeiter heraus: erstens ein vernetzter, videofähiger Arbeitsplatz; zweitens das einfachere Arbeiten und Zusammenarbeiten auch außerhalb des Büros; drittens zugängliche Geschäftsanwendungen; viertens Instant-Messaging-Dienste à la WhatsApp sowie fünftens leistungsfähigere Endgeräte.
2. Teil: „Neue Technik fürs Büro“

Neue Technik fürs Büro

  • Collaboration-Tools wie Microsoft Teams: Einer Umfrage zufolge verbessern solche Anwendungen sowie mobile Tools die Produktivität am Arbeitsplatz.
    Quelle:
    Microsoft
Das Büro sollte weiterentwickelt werden, um mobiles Arbeiten und kollaborative Arbeitsstile besser zu unterstützen. Denn so, wie die Angestellten privat sowohl online als auch im Handel vor Ort einkaufen, so wollen sie auch unterwegs und in der Firma arbeiten. Heute werden sechs von zehn Mitarbeitern von ihren Vorgesetzten ermutigt, im Büro zu arbeiten. Dafür ist es nicht mehr zweckmäßig, noch mehr Besprechungsräume zu bauen. Stattdessen wollen die Mitarbeiter eine bessere Konnektivität am Arbeitsplatz.
Fast zwei Drittel der Befragten hätten gern ein besseres WLAN- und die Hälfte möchte ein besseres Mobilfunknetz. Daneben wünschen sich die Mitarbeiter neue Bildschirme, sodass sie zum Beispiel ein Dokument mit ihrem Team teilen können oder einen Videoanruf von ihrem Smartphone auf das Display am Arbeitsplatz schicken können. Die Technologie für beide Anforderungen ist seit vielen Jahren auf dem Markt und hat sich längst bewährt.

Einfache Technik fürs Büro

Zukünftig muss es einfacher für die Mitarbeiter sein, ihre Aufgaben auf mobilen Geräten zu erledigen. Beispielsweise sagt nur die Hälfte der Führungskräfte, dass der Arbeitgeber ihnen die Arbeit außerhalb des Büros erleichtert. Das größte Hindernis ist der fehlende Zugriff auf Geschäftsdaten. Die Mehrheit der Angestellten behauptet, sie könnten effizienter sein, wenn sie unterwegs auf geschäftliche Datenbanken und Dokumente zugreifen und daran arbeiten könnten, anstatt dafür zurück ins Büro zu müssen.
Außerdem werden benutzerfreundlichere Tools für die gemeinschaftliche Arbeit gefordert. Auch wenn Mitarbeiter die neuesten Collaboration-Anwendungen nutzen können, sind sie doch häufig allein damit. Die Hälfte der Kollegen weiß schlicht nicht, wie die Werkzeuge zu benutzen sind. Die Schuld sehen die meisten beim IT-Leiter. Er wird verantwortlich dafür gemacht, den Mitarbeitern die Anwendung der digitalen Technologie zu vermitteln. So können die Angestellten nur dann produktiver sein, wenn sie wissen, wie die vorhandenen Werkzeuge verwendet werden.

Business-Apps

Die Geschäftsanwendungen und ihre Beschränkungen sind den meisten Angestellten sowie Führungskräften ein Dorn im Auge. Einerseits mangelt es an der Benutzerfreundlichkeit, andererseits an der Mobilität. Der Wunsch lautet daher: Mitarbeiter möchten Business-Software, die so einfach zu bedienen ist und ähnlich funktioniert wie die Apps, die sie in ihrem Privatleben verwenden. Auch möchten sie ihre Arbeit komplett auf ihrem Smartphone erledigen können – anstatt nur auf dem Computer im Büro.
Die Bestandsaufnahme zeigt: Aktuell ist es in der Praxis meistens schwierig, unterwegs zu arbeiten. Nur die Hälfte der Führungskräfte greift über eine App auf Datenbanken, Dateien und Dokumente zu oder kann einsehen, ob ein Kollege gerade online oder gerade verfügbar ist. Selbst grundlegende Tätigkeiten – wie das Erfassen von Spesenbelegen – können derzeit nur vier von zehn Personen am Smartphone erledigen.
Der laute Ruf der Anwender nach mehr Bedienkomfort und Mobilität bei Business-Apps wird von den meisten IT-Leitern gehört und verstanden. Sie haben die Aufgabe weit oben auf der Prioritätenliste.

WhatsApp fürs Büro

In der Freizeit gehört das Chatten oder das Instant Messaging bereits bei der Mehrheit zum Standard. Die Umfrage verzeichnete eine enorme Zunahme an Anwendern, die das Instant Messaging auch bei der täglichen Arbeit verwenden. Anstatt sich über das Unternehmensnetz zu mailen, beginnen die Leute, über Facebook Messenger, Skype, Twitter oder WhatsApp zu chatten (plus 44 Prozent innerhalb von zwei Jahren).
Auch im Büro wollen die Angestellten mit einer Statusfunktion auf einen Blick sehen können, wenn ein Kollege verfügbar ist. Die Mitarbeiter halten daher den Chat für eine einfache Möglichkeit, mit dem Team auch an anderen Standorten unkompliziert in Kontakt zu bleiben oder sogar an Führungskräfte heranzu­treten.
Diese Entwicklung ist augenscheinlich auf die Popularität von Messaging im Alltag zurückzuführen.

Am liebsten das Beste

Sieben von zehn Führungskräften sagen, dass ihr privates Smartphone besser ist als das Modell, das sie vom Arbeitgeber für ihre Arbeit bekommen. Und bei den fast neun von zehn Vorgesetzten, die sich eine bessere mobile Ausstattung am Arbeitsplatz wünschen, gibt es definitiv eine Nachfrage nach besseren Smartphones und Laptops.
IT-Entscheider haben aber auch dieses Bedürfnis erkannt und planen, bessere Geräte zu kaufen. Die Ausgaben dafür stehen ebenfalls auf der Prioritätenliste.
Wenn es um die Qualität der Geräte geht, ist gut nicht mehr wirklich gut genug. Der Schritt in die digitalisierte Wirtschaft sollte mit einer Investition in bessere Technologie gegangen werden. Dabei ist für einige Mitarbeiter das Thema Bring Your Own Device (BYOD) durchaus eine Option. Jedoch ist es stets ein Abwägen zwischen den Einsparungen durch weniger Hardware-Einkauf und dem Aufwand, die Gerätevielfalt zu verwalten und die Sicherheitsrisiken unter Kontrolle zu behalten.
Über das Mobilgerät hinaus sollten Unternehmen in die Infrastruktur für Video-Conferencing oder virtuelle Gruppenarbeit investieren. Mehr als zwei Drittel der Führungskräfte würden gern Videoanrufe auch von ihrem
direkten Arbeitsplatz aus tätigen – anstatt dafür extra in einen Konferenzraum laufen zu müssen.
3. Teil: „IT-Anforderungen steigen“

IT-Anforderungen steigen

Heute bezeichnet nur ein Viertel der Führungskräfte die Computerausstattung am Arbeitsplatz als „exzellent“. Die IT-Abteilungen sind zwar bemüht, Verbesserungen an der In­frastruktur zu leisten, sind aber gleichzeitig gezwungen, die bereits vorhandenen und geschäftskritischen Systeme am Laufen zu halten.
In der Umfrage gaben 76 Prozent der IT-Entscheider an, dass die Mitarbeiter oft nicht verstehen, wie schwierig es ist, die eigene IT-Landschaft in Betrieb zu halten. So wird durch die Bereitstellung von mehr digitalen Services die Aufgabenliste der IT-Abteilung immer länger.
Aktuell verfolgen die IT-Leiter konkrete Projekte, die laut Nicola Millard mehrheitlich auf die fünf Bausteine zur Steigerung der Produktivität abzielen: Zwei Drittel (65 Prozent) entwickeln mobile Apps, mit denen interne Business-Systeme und Prozesse auch von unterwegs genutzt werden können. Die Hälfte modernisiert die Videokonferenzsysteme. Und nochmals jeder zweite IT-Leiter implementiert aktuell Lösungen aus der Cloud für die bessere Zusammenarbeit der Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens.

Umlernen ist angesagt

Auf die Belegschaft kommen durch Künstliche Intelligenz und die Digitalisierung generelle Veränderungen in ihren Tätigkeiten zu. Wie Millard sagt, müssen Mitarbeiter heute nicht mehr zwingend alles Wissen der Welt kennen. Das lässt sich googeln.
Allerdings gehört das Methodenwissen, wie und wo Informationen zu finden sind, durchaus zu den notwendigen Kompetenzen künftiger Wissensarbeiter.
Bei vielen Jobs der Zukunft geht es um viele Daten. Dabei ist Millard zufolge hauptsächlich das Verständnis für den Inhalt der Datensätze gefragt und weniger die Analytik. Denn die Auswertungen könnten ebenfalls automatisiert werden.
Für die Interpretation dieser automatisiert ausgewerteten Ergebnisse ist dann wiederum der menschliche Sachverstand erforderlich.
Eine weitere Fähigkeit des Wissensarbeiters der Zukunft ist die des Geschichtenerzählers. Eine Technologie wie Blockchain ist sehr komplex. Die Menschen müssen die Technologie aber verstehen, wenn sie diese einsetzen sollen – sowohl im Beruf als auch privat.
Dafür braucht es Mitarbeiter, die die Funktionsweise anschaulich erklären können, sagt die Expertin.
BT Chris
Chris, die „Schwarmintelligenz“: Er wird gelegentlich für seine Problemlösungen bezahlt, aber er bekommt viele andere Vergünstigungen von Firmen.
BT
Jobprofile der Zukunft
Menschlicher Intellekt wird dann gebraucht, wenn Computer an Grenzen stoßen. Das ist häufig der Fall.
Die Künstliche Intelligenz vernichtet Arbeitsplätze – so lautet die landläufige Meinung. BTs Head of Customer Insights & Futures, Nicola Millard, skizziert vier Stellenprofile, die aufgrund von Computer-Intelligenz bald neu entstehen könnten.
Chris, die „Schwarmintelligenz“
Chris liebt es, Menschen zu helfen und Probleme zu lösen. Er ist ein technischer Berater, der gut in der Gig-Economy lebt, aber gleichzeitig häufig in sozialen Netzwerken und Foren unterwegs ist, um andere Leute bei ihren Problemen zu unterstützen. Chris wird gelegentlich für seine Problemlösungen bezahlt, aber er bekommt viele andere Vergünstigungen von Firmen, für die er „arbeitet“ . Chris ist daneben Teilnehmer diverser Kunden-Panels, da das Einbeziehen von Kunden in Innovation für viele Organisationen immer wichtiger wird. Er erhält so exklusiven Zugang zu Beta-Tests. Chris mag es, selbstständig gefundene Pro­bleme an der richtigen Stelle zu platzieren und Verbesserungsvorschläge zu bringen.
Natalie, die Verhandlerin
Natalie arbeitet gemeinsam mit Experten an besonders herausfordernden Kontakten. Sie hat eine Ausbildung im sozialen Bereich absolviert und ist äußerst kommunikationsstark, aber auch geduldig und eine gute Zuhörerin. Natalie greift komplexe Kundeninteraktionen auf, bei denen einfache und regelbasierte Verhandlungen nicht funktionieren. Sie weiß, dass der Schlüssel zum Verhandeln allseits akzeptabler Ergebnisse darin liegt, dass sie offen, einfühlsam und flexibel vorgeht. Gleichzeitig weiß sie auch, wo jeweils die Grenzen des Unternehmens sind. Nun versucht sie, Gemeinsamkeiten mit den Kunden zu finden. Dafür will sie verstehen, was der Ausgangspunkt für die Kunden ist. Dann ist sie zwar offen für Vorschläge, aber auch selbstbewusst genug, wenn die Kunden zu viel verlangen.
Paula, die Problemlöserin
Paula liebt Probleme. Ihre Aufgabe ist es, Kunden, die durch die Prozesslücken gefallen sind, zu übernehmen und ihre Aufträge zu verwalten. Dabei fungiert Paula als zentrale Anlaufstelle: Sobald sie die Kunden übernommen hat, können sie über beliebige Kanäle mit ihr in Kontakt treten. Anschließend hilft sie bei der Navigation durch das Labyrinth der internen Prozesse, beim Treffen von Entscheidungen und arbeitet mit externen Experten an einer Lösung, die sowohl für die Kunden als auch für die Organisation funktioniert.
Tony, der Technikmeister
Tony ist ein erfahrener Ingenieur, der seine Karriere hinter sich hat. Da er mit 71 noch nicht in den Ruhestand gehen mag, nutzt er seine Fähigkeiten und sein Know-how, um komplexe technische Probleme zu lösen. Alles, was er braucht, ist eine Netzwerkverbindung, sodass er einen Großteil seiner Arbeit flexibel von zu Hause aus erledigen kann. Tony hat sein Leben lang mit Kunden zusammengearbeitet und weiß ganz genau, wie man mit ihnen am besten spricht. So wird er noch oft gebeten, diese Fähigkeiten seinen Technikkollegen weiterzuvermitteln. Denn künftig müssen alle Experten wissen, wie sie Kunden richtig ansprechen, anstatt sie mit ihrem Know-how zu blenden. Tony ist oftmals in Gespräche über mehrere Kanäle eingebunden – einschließlich Telefon, Video, Chat und soziale Medien. Ein Lernalgorithmus alarmiert ihn, wenn eines seiner Themen in Foren oder sozialen Netzen besprochen wird. Dann kann er wählen, ob er sich an der Konversation beteiligt oder nicht. Andere Algorithmen erkennen Muster in unstrukturierten Daten und alarmieren Tony, damit er Probleme identifizieren kann, zum Beispiel Hackerangriffe.

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