Business-IT
07.06.2019
IT-Dienstleister im Wandel
1. Teil: „Das Systemhaus als Berater für die Digitalisierung“

Das Systemhaus als Berater für die Digitalisierung

DigitalisierungDigitalisierungDigitalisierung
PureSolution / shutterstock.com
IT-Dienstleister entwickeln sich vom IT-Handwerker hin zum Consulting-Unternehmen. Systemhäuser können Unternehmen dabei unterstützen, die Digitalisierung zu meistern.
  • Quelle:
    Capgemini
Und dann kam die Cloud - so oder ähnlich lässt sich zusammenfassen, was das angestammte Geschäft der IT-Dienstleister in den letzten Jahren komplett auf den Kopf gestellt hat. Das klassische Geschäftsmodell verliert dabei zunehmend an Bedeutung. Stattdessen rücken Consulting und das Anbieten eigener Dienstleistungen immer stärker in den Fokus. Es geht darum, die Geschäftsprozesse der Unternehmenskunden digital abzubilden und sie durch ihre Digitalisierungsprozesse zu führen und zu unterstützen.
Aber der Reihe nach: In den vergangenen 30 Jahren ist eine Vielzahl an IT-Dienstleistungsunternehmen entstanden. Vor allem ab den frühen 90er-Jahren entwickelte sich in der gesamten IT-Branche ein wahrer Goldrausch, der natürlich auch diesen Dienstleistern deutlich Auftrieb gab. So sorgten zum Beispiel immer neue Software-Versionen und Hardware-Lösungen für einen ordentlichen Umsatz. Gleichzeitig wurde die IT-Landschaft vielfältiger und komplizierter. Die IT-Dienstleister bildeten hier in den letzten Jahrzehnten eine wichtige Brücke zwischen den Anwenderunternehmen auf der einen Seite und den Software- und Hardware-Herstellern auf der anderen.
Doch keine Branche ist so vom technologischen Wandel getrieben wie der IT-Sektor. Vor allem das Thema Digitalisierung überrollt so manches Unternehmen wie ein Tsunami. Das bringt vielerorts gewaltige Veränderungen mit sich. Nicht wenige Unternehmen sehen sich gezwungen, sich im Zuge der Digitalisierung komplett neu zu erfinden und in ihren Betrieben keinen Stein auf dem anderen zu lassen.
Diese Veränderungen treffen auch die IT-Dienstleister. Wie verändern sich deren Rollen in Zeiten der digitalen Transformation und welche wesentlichen Folgen gehen damit für die Kunden der Dienstleister einher?

Cloud statt Kisten schieben

Den Analysten von Capgemini zufolge ist für über 70 Prozent der Unternehmenslenker in Deutschland, Österreich und der Schweiz in diesem Jahr der Ausbau der Digitalisierung eine der wichtigsten Anforderungen an ihre IT. Und dafür nehmen die Unternehmen auch bereitwillig Geld in die Hand - die Ausgaben für Technologie bewegen sich kontinuierlich nach oben. So erhöht 2019 fast jedes zweite Unternehmen die IT-Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr. Da wundert es sich nicht, dass sich IT-Dienstleister in Stellung bringen, um von diesen Investitionen zu profitieren. Doch dafür müssen sich auch die Dienstleister selbst wandeln und digitaler werden.
Bislang ließen sich IT-Dienstleister grob in Systemhäuser und Beratungs-, also Consulting-Unternehmen unterteilen. Bei den Systemhäusern überwiegt bislang das sogenannte Handelsgeschäft - sie liefern ihren Unternehmenskunden alles von der Software über die Hardware bis hin zur betriebsfertigen IT-Komplettlösung. Die Beratungsunternehmen verkaufen hingegen eher die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter, etwa für die Anwendungsentwicklung.
Doch diese Unterscheidung verschwimmt zusehends. Vor allem auf die klassischen Systemhäuser kommen größere Veränderungen zu. Sie sind angesichts von Digitalisierung, Cloud & Co. nicht mehr nur Lieferant von Hardware, Software und Installationsdienstleistungen, sondern entwickeln sich mehr und mehr zu IT-Service-Partnern ihrer Kunden und werden so auch immer mehr zu Beratungsunternehmen. „Mit dem Aufkommen von Software-as-a-Service- und Cloud-Lösungen verliert das bisherige Kerngeschäft der Systemhäuser zunehmend an Bedeutung“, so Andreas Prenneis, Vorstandsmitglied beim IT-Dienstleister adesso. „Systemhäuser stehen unter Druck. Sie müssen künftig ihr Portfolio durch Cloud-Lösungen und Geschäftsmodelle, die entsprechende Anwendungen sinnvoll integrieren, erweitern.“
Speziell aus den Fachabteilungen der Kunden kommen neue Anforderungen, denen es gerecht zu werden gilt. Hier­für müssten nach Ansicht von Werner Schwarz, Vice President Corporate Strategy & Innovation beim IT-Dienstleister Cancom, die Systemhäuser diese neuen Anforderungen verstehen und in Form von passenden IT-Lösungen und -Services umsetzen. Hinzu kommt: Mit der wachsenden Nutzung von Public-Cloud-Computing seien die Systemhäuser zudem gefordert, einen eigenen Mehrwert für den Kunden zu generieren - sei es mit neuen Beratungskonzepten, hybriden IT-Lösungen, eigenen Managed-Service-Angeboten oder auch als Integrator und Service-Pro­vider digitaler Lösungskonzepte.
„Silo-Lösungen waren gestern, heute betrachtet man Prozesse von Anfang bis Ende“, resümiert Marcus Reutter, Leiter Geschäftsentwicklung Dienstleistung beim Systemhaus Bechtle. Er sieht die größte Herausforderung darin, dass sich Dienstleister viel intensiver mit dem Geschäft und den Prozessen ihrer Kunden beschäftigen müssen. Nur so würden sie das nötige Verständnis entwickeln, um die jeweils richtigen modernen Technologien und Architekturen für die Kunden zu finden.
Trotzdem: „Infrastruktur ist noch immer das Kern­geschäft der Systemhäuser“, lautet die Ansicht von Jacques Diaz, Chief Executive Officer beim IT-Dienstleister Axians, „doch dieses erweitern sie um smarte Service-Konzepte.“ Auch er sieht vor allem die Fachabteilungen der Kunden als wichtige Treiber für Veränderungen. So muss Diaz zufolge zum Beispiel durch das Zusammenwachsen der sogenannten Operation Technology (OT) und der IT zum Internet of Things (IoT) auf ganz neue Herausforderungen reagiert werden. Für Dienstleister werde hier etwa die Entwicklung eigener Software-Lösungen immer relevanter.
2. Teil: „Daten & Prozesse“

Daten & Prozesse

  • Zögerlich: Unternehmen gehen davon aus, dass künftig vor allem Standardanwendungen extrem betrieben werden.
    Quelle:
    Capgemini - Studie "IT-Trends 2018", DACH-Region, n = 99
Was sich sowohl in Unternehmen als auch bei den Dienstleistern ändert, ist vor allem die Blickrichtung auf die IT. Beim Betrieb einer Unternehmens-IT geht es schon lange nicht mehr nur um Rechenleistung, Speicher und Netzwerke - vielmehr sind die zahlreichen Daten die alles bestimmende Komponente. „Welche Daten sind wie kritisch, welche Verfügbarkeit müssen diese Daten haben, welchen Sicherheitsanforderungen unterliegen sie und wo dürfen welche Daten gespeichert und verarbeitet werden?“ Danach richtet sich nach Einschätzung von Marcus Reutter von Bechtle die moderne IT von heute. Das seien die entscheidenden Fragen, auf die Dienstleister ihren Kunden schlüssige Antworten geben und Lösungen aufzeigen müssten.
Die Unternehmen gehen heutzutage also komplett anders an das Thema IT heran: Zur digitalen Transformation gehört es, sich über die Prozesse als solche Gedanken zu machen und zu überlegen, wo und in welcher Weise man die neuen Technologien hierfür nutzt. Es gilt, sein Handeln, sein Unternehmen, seine Strukturen, seine Prozesse und sein Business-Modell noch einmal zu überdenken. „Durch die Digitalisierung rückt die IT noch stärker in den strategischen Fokus von fast allen Unternehmen“, betont Reiner Louis, Sprecher der Geschäftsführung beim IT-Dienstleister Computacenter. Bei den Kernbausteinen der Digitalisierung wie Cloud und Sicherheit hätten die Unternehmen einen hohen Bedarf an Beratung und Services.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist laut Uwe Bergmann, Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Cosmo Consult, die Unternehmenskultur: Wie schaffen Unternehmen ein digitales Mindset und wie gehen sie mit den neuen Technologien um? Wie fördern Unternehmen die Zusammenarbeit oder den Wissens­austausch mit den Technologien, die heute verfügbar sind? Auch das Thema Agilität brauche ein solches digitales Mindset: Wie schaffen es Firmen, schneller auf neue Trends zu reagieren? Nach Ansicht von Uwe Bergmann ist es heute die Aufgabe eines Systemhauses, die Kunden auch in diesen Bereichen zu unterstützen, damit sie zu Gewinnern der Digitalisierung werden. „Dazu müssen wir unter anderem eine Übersetzungsleistung bringen von den sehr technologischen, teilweise abstrakten Gedanken zum echten Nutzen.“
Hat der Begriff Systemhaus beziehungsweise IT-Dienstleister also ausgedient und handelt es sich bei diesen mittlerweile nicht eher um Digitalisierungsberater? Werner Schwarz von Cancom präzisiert: „Der Begriff Digitalisierungsberater ist etwas zu kurz gegriffen, denn Kunden wollen in puncto Digitalisierung nicht nur beraten werden.“ Die Kunden benötigten weiterhin auch Leistungen rund um die Infrastruktur und die Implementierung der Lösungen sowie zusätzliche Services.
Doch zumindest die etwas überholt anmutende Bezeichnung Systemhaus wird man vielleicht in einigen Jahren nicht mehr verwenden: „Der Begriff hat insofern ausgedient, als er nur einen Teil der Arbeit widerspiegelt“, erklärt Axians-CEO Jacques Diaz. Aber auch er ist der Meinung, dass die Systemhäuser keine reinen Digitalisierungsberater werden.
3. Teil: „Dienstleister als Provider“

Dienstleister als Provider

  • Nur teilweise Auslagerung: Die wenigsten Unternehmen planen in den kommenden Jahren ein komplettes Outsourcing ihrer IT.
    Quelle:
    PricewaterhouseCoopers, 2018, DACH-Region, n= 350 (rundungsbedingt teils nicht 100 Prozent)
Das alles klingt nach einer gewaltigen Chance für Systemhäuser und Dienstleister, indem sie etwa Managed Services für die Cloud anbieten - doch wie kann man sich als Systemhaus überhaupt noch von den Mitbewerbern abheben? Und wie kann man vor allem als Unternehmen, das auf der Suche nach einem Dienstleister ist, hier noch den Überblick be­halten?
Die reine Lieferung von Services über die Cloud lässt erst einmal nur wenig Raum für eine nachhaltige Differenzierung vom Wettbewerb. „Die Cloud ist nur eine Form der Bereit­stellung von Services. Wichtig in diesem Kontext ist vielmehr, was über die Cloud geliefert wird und wie man die Cloud in digitale Produkte und Lösungen einbindet“, erklärt Werner Schwarz von Cancom.
Daher brauche der Kunde gleichzeitig eine Beratung und eine Integration der Cloud in seine hybriden Umgebungen, denn dort müsse die Cloud mit unterschiedlichsten Schnittstellen funktionieren. Am Ende des Tages wolle der Kunde selbstverständlich einen Mehrwert für sein Business haben. Dieser Mehrwert werde durch die gesamte IT geschaffen - die Cloud sei hier nur ein Baustein in einer Gesamtlösung für den Kunden.
Reiner Louis von Computacenter zufolge gibt es zwei Szenarien, wie sich Dienstleister voneinander differenzieren können: Das eine ist die Beratung und der Aufbau von Private- und Hybrid-Cloud-Szenarien. Dafür benötige der Dienstleister gute Herstellerbeziehungen und Beratungs-Skills. Beides sei für eine Differenzierung wichtig. Das andere Szenario ist, dass Kunden vermehrt externe Dienstleister in den Betrieb ihrer eigenen Cloud-Szenarien einbeziehen. Hier könne der Dienstleister als Managed-Cloud-Provider die Verantwortung für den reibungslosen Betrieb komplett übernehmen oder sie sich nach individuellen Modellen mit seinem Kunden teilen. Ein IT-Dienstleister ist laut Reiner Louis also Strategiepartner, Berater, Implementierer und Umsetzer in einem.
Vor allem die zahlreichen Angebote der großen Cloud-Hyperscaler wie Amazon, Google und Microsoft bieten den Dienstleistern viele Möglichkeiten, bei ihren Kunden zu punkten. Wegen der hohen Standardisierung sind die Angebote der Großen meist kostengünstig und der Funktionsumfang ist enorm. Viele Unternehmen möchten - sofern sie es in der einen oder anderen Weise nicht ohnehin schon tun - gern diese zahlreichen Cloud-Dienste nutzen. Allerdings: Den Hyperscalern fehlt schlicht das Interesse an den komplex gewachsenen IT-Infrastrukturen ihrer Kunden und wie diese sich mit neuen Cloud-Angeboten vereinbaren lassen. Hinzu kommt: Der klassische Mittelständler zählt bei diesen großen Anbietern als kleiner Fisch, dem im besten Fall ein mehr oder weniger umfangreicher Support per Telefon zur Verfügung steht. Von individuellen Angeboten und Diensten ganz zu schweigen.
Unternehmenskunden können sich auf den Webseiten der Hyperscaler die gewünschten Services aussuchen und kon­figurieren - anschließend erhalten sie einen sogenannten Boiler­plate-Vertrag. Diesen kann man unterschreiben oder nicht. Vertragsanpassungen sind nicht möglich. Und hier kommen die Dienstleister ins Spiel: Als sogenannte Managed Service Provider (MSP) bieten sie entweder eigene Cloud-Services auf Basis der großen Hyperscaler an oder sogar eigene Dienste mit ähnlichem Funktionsumfang auf Basis ihrer eigenen Technologien. Die Managed Service Provider schnüren für jeden Kunden individuelle Cloud-Pakete und unterstützen Unternehmen bei der Integration der neuen Dienste in bestehende Systeme und bei der täglichen Nutzung. Verträge lassen sich individuell festlegen, etwa je nachdem, welche Service Level Agreements (SLAs) benötigt werden.
4. Teil: „Partner des Mittelstands“

Partner des Mittelstands

  • Trend Outsourcing: Immer mehr Unternehmen setzen bei ihrer Informationstechnik auf die Services von Systemhäusern beziehungsweise IT-Dienstleistern.
    Quelle:
    Maximumm / shutterstock.com
Doch wie sieht das alles eigentlich in der Praxis aus - in welcher Phase wendet sich der klassische Mittelständler an einen IT-Dienstleister?
In vielen Unternehmen sind noch immer diverse über die Jahre gewachsene Insellösungen im Einsatz, Medien- und Datenbrüche sind an der Tagesordnung. Zudem ist die Datenqualität häufig unzureichend. Fehlende Fachkräfte, veraltete Systeme und meist ohnehin eine fehlende Digitalisierungsstrategie verschärfen die Situation.
Die Vorstellungen der Unternehmen, die sich an einen Dienstleister wenden, sind nach der Erfahrung von Uwe Bergmann von Cosmo Consult deshalb ganz unterschiedlich: So möchten die einen zum Beispiel lediglich mehr Transparenz, etwa in ihren Lagerbeständen. Dafür werde eine technologische Lösung gesucht. Ein anderes Unternehmen suche nach digitalen Geschäftsoptimierungen, zum Beispiel durch Predictive Maintenance. Und dann gebe es auch die Unternehmen, die sich fragen, wie sie ihr Geschäftsmodell anpassen müssen, um auch künftig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Dass die Bedeutung von Systemhäusern beziehungsweise Dienstleistern für den klassischen Mittelstand wächst, bestätigt Cancoms Vice President Werner Schwarz. Das hat seiner Ansicht nach gleich mehrere Gründe: „Kunden wünschen sich verstärkt einen IT-Partner, der ihnen ganzheitlich über alle Ebenen hinweg Lösungen anbietet, auch zur IT-Transformation. Sie wollen nicht nur Produkte und/oder Dienstleistungen beziehen, sondern zudem umfassend beraten werden.“ Als einen weiteren Grund für das Hinzuziehen eines Dienstleisters sieht er den IT-Fachkräftemangel, der sich insbesondere bei den Mittelständlern bemerkbar mache. Systemhäuser könnten hier unterstützen. Die Fachkräfte würden vom Dienstleister zur Verfügung gestellt, um die Digitalisierung voranzutreiben und durchzuführen.

Fazit

Eines ist klar: Systemhäuser beziehungsweise Dienstleister spielen auch und gerade in Zeiten der Cloud eine große Rolle. Denn um die vielen neuen Dienste gewinnbringend nutzen zu können, müssen sie in teils historisch gewachsene IT-Strukturen integriert werden.
Doch bei vielen Mittelständlern ist - trotz fehlender Fachkräfte und oft eingeschränktem Inhouse-Know-how - noch immer eine gewisse Skepsis bezüglich externen Dienstleistern vorhanden. Häufig besteht wohl die Befürchtung, dass einem das Zepter in Sachen IT aus der Hand genommen wird.
Umso wichtiger ist es, dass man einen Dienstleister wählt, der einem bereits beim ersten Gespräch genau zuhört, um zu verstehen, in welchen Bereichen man Unterstützung benötigt. Auf Basis eines objektiven Blicks von außen sollten sowohl die IT- als auch die Geschäftsprozesse betrachtet und ein Grundriss der IT-Architektur für die digitale Zukunft des Unternehmens gestaltet werden. Unternehmen sollten in jedem Fall erst einmal selbst überlegen, wo sie eigentlich stehen, und entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. „Changing thinking before changing things“, wie Uwe Bergmann betont.
IT-Dienstleister (Auswahl)
5. Teil: „Im Gespräch mit Bernd Appel, CEO von Lufthansa Industry Solutions“

Im Gespräch mit Bernd Appel, CEO von Lufthansa Industry Solutions

  • Bernd Appel: CEO von Lufthansa Industry Solutions
    Quelle:
    Lufthansa Industry Solutions
Die IT-Branche hat in den vergangenen Jahren tief greifende Umbrüche durchlebt. Bernd Appel, CEO des IT-Dienstleisters Lufthansa Industry Solutions, erklärt, wie sich dadurch die Rolle von Dienstleistern verändert hat.
com! professional: Herr Appel, die IT-Branche verändert sich rasant. Welche Folgen hat das für IT-Dienstleister?
Bernd Appel: Für uns hat sich primär die Geschwindigkeit verändert, mit der sich die Transformation vollzieht. Denn es handelt sich ja nicht um einen abrupten Wandel, sondern um eine stetige und vor allem zunehmende Entwicklung. Bedingt durch den Fachkräftemangel ist zudem weniger Expertise vorhanden, die den schnellen Wandel und dessen Potenzial beherrschen, beurteilen und zur Anwendung bringen kann. Dennoch sehe ich der digitalen Transformation optimistisch entgegen. Denn solange sich diese weitreichenden Möglichkeiten ergeben, existieren auch sehr viel Antrieb, Innovationen und Veränderungsmöglichkeiten - und das bietet jedem Unternehmen in erster Linie viele Chancen.
com! professional: Und welche konkreten Chancen eröffnen sich für IT-Dienstleister durch diese Veränderungen?
Appel: Insgesamt ergeben sich viele neue Möglichkeiten, die nicht nur IT-Dienstleistern, sondern auch anderen Bereichen zugutekommen. Seien es konkrete Produkte oder aber neue Geschäftsmodelle, die Unternehmen für sich nutzen können. Die Möglichkeiten sind vielfältig. IT-Experten kommt eine zentrale Rolle zu, wenn es darum geht, diese Potenziale zu erkennen und zu heben. Zudem gibt es neue Chancen auf beruflicher Ebene, etwa die Renaissance des Entwicklers in Deutschland - er galt in der Vergangenheit fast schon als ausgestorben, jetzt ist er wieder gefragt.
com! professional: Welche Bedeutung haben Dienstleister heutzutage für den klassischen Mittelstand?
Appel: Gerade im Mittelstand sehen wir aktuell einen großen Bedarf an Beratungsleistungen. Viele Mittelständler stehen unter hohem Druck zwischen Kosteneffizienz und Innovationszwang. Die Anforderung an die Unternehmen lautet, das Kerngeschäft effizient und erfolgreich zu managen und nebenbei die eigenen Prozesse zu digitalisieren und zu optimieren. Eine He­rausforderung, die oft kaum zu bewältigen ist, da schlichtweg die Kapazitäten fehlen.
An dieser Stelle kommen IT-Dienstleister ins Spiel. Sie agieren dann sozusagen zunächst als Lotse und bieten Orientierung in der digitalen Welt.
com! professional: Wie sieht das in der Praxis aus? In welcher Phase kommen Mittelständler zu Ihnen? Wissen sie bereits, was sie wollen? Oder haben sie bloß gehört, dass sie irgendwie digital werden müssen?
Appel: Das lässt sich nur schwer pauschalisieren. Einige Unternehmen gehen offen an die Herausforderungen heran und kommen in einer frühen Phase zu uns. Manche haben zu diesem Zeitpunkt noch einige eher unkonkrete Vorstellungen, andere wissen bereits genau, was sie machen wollen, sind aber noch un­sicher, welche Möglichkeiten sie haben. Leider kommt es dabei noch zu selten vor, dass Defizite im Transformationsprozess offen angesprochen werden.
Einige Unternehmen sind von ihrem Asset im jeweiligen Business überzeugt und erkennen das Potenzial, das sich ihnen bietet, erst nach und nach. Wieder andere sind zu bescheiden - gerade im Mittelstand. Sie verstehen die digitale Transformation als Wandel, der vor allem die Großkonzerne betrifft, und wähnen sich als zu klein zum Mitmischen. Dabei übersehen sie das disruptive Potenzial und die damit einhergehenden Chancen und Risiken, die die Digitalisierung bietet.
com! professional: … und was sagen Sie dann zu diesen Mittelständlern?
Appel: Für sie ist es ratsam, sich außerhalb wie innerhalb des Unternehmens umzuschauen. Denn während die allgegenwärtige Diskussion um Digitalisierung und Best Practices großen äußeren Einfluss auf die Unternehmen hat, bauen auch die eigenen Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens immer mehr Druck auf. Schließlich geht der Wandel an ihnen nicht vorbei.
Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn der Kollege von der Konkurrenz plötzlich nicht mehr mit einem Notizblock arbeitet, sondern mit einem Tablet, wird man selbst hellhörig und beginnt, Fragen zu stellen.

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