Digitalisierung
24.09.2018
E-Commerce-Plattform Schuhe24
1. Teil: „So gelingt die Digitalisierung des stationären Handels“

So gelingt die Digitalisierung des stationären Handels

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Pexels / Pixabay.com
Schuhe24 hat sich in den vergangenen Jahren im Windschatten der großen Player etabliert. Wie die Plattform den stationären Schuhhandel digitalisiert, erläutert Geschäftsführer Dominik Benner im Interview.
Auf Schuhe24 finden Kunden über 100.000 Paar Schuhe. Schöne Produktdetailseiten und ausführliche Filter weisen den Shop als einen jener guten Schuh-Shops aus, die sich im Windschatten von Zalando am Markt behaupten. Aber unter der Haube verbirgt sich mehr. Denn: Schuhe24 ist kein Online-Shop, sondern eine profitabel wachsende Plattform zur Digitalisierung des stationären Schuhhandels.
Darüber spricht com! professional mit Dominik Benner, Gründer und Geschäftsführer von Schuhe24.
com! professional: Herr Benner, allein im letzten Jahr ist die Zahl der teilnehmenden Händler auf Schuhe24 um 180 Fachgeschäfte angewachsen. Wie wählen Sie die Händler aus, die bei Ihnen mitmachen dürfen?
Dominik Benner: Die Händler bewerben sich bei uns. Aktuell besteht auch eine Warteliste mit Händlern, die mitmachen wollen. Wichtig ist hier vor allem die eingesetzte Warenwirtschaft und das Sortiment.
com! professional: Warum kommen die Händler überhaupt zu Ihnen? Stationäre Schuhhändler könnten sich ja auch an Plattformen wie die von Zalando anbinden oder selbst über
Amazon und Ebay verkaufen.
Benner: Bei uns haben sie es aber viel bequemer und wir erzielen eine Reichweite, die kein Händler je selbst erreichen kann. Damit entsteht auch der hohe Umsatz, den man nicht allein schafft als Händler.
com! professional: Bequemer als bei Zalando und Amazon?
Benner: Schauen Sie: Bei Zalando und Gabor beispielsweise gibt es überhaupt keine Anbindung an die Warenwirtschaft. Die Händler müssen ihre Bestände händisch korrigieren und sich ständig darum kümmern, ob sie über die Plattform verkaufen wollen oder nicht. Bei Amazon und Ebay müssen sie sich mit tieferen Preisen oder Kundenärger beschäftigen, um erfolgreich zu sein.
  • Dr. Dominik Benner, Gründer und Geschäftsführer von Schuhe24
    Quelle:
    Schuhe24
Unsere Händler wollen sich aber nicht übermäßig mit den Feinheiten des Online-Handels beschäftigen – ihr Hauptgeschäft ist ja der stationäre Laden. Die wollen einmal die Einrichtung hinter sich bringen und dann soll die Sache möglichst reibungslos laufen. Die Kernkompetenz eines stationären Händlers liegt nicht in der Schnittstellenentwicklung. Deshalb machen wir das und die Händler können sich auf den Verkauf, den  Kundenkontakt, auf Warenerlebnis und Einkauf konzentrieren.
com! professional: Klingt so, als würden Sie das machen, was die Verbundgruppen schon vor Jahren hätten tun sollen …
Benner: Ja, wir haben da viel Rückmeldung bekommen, zum Beispiel von der größten Schuhhandels-Verbundgruppe GMS. Mit denen haben wir eine Kooperation, sodass die 1700 GMS-Händler über uns verkaufen können. Derzeit starten wir dies auch für ausländische Händler im Schuh- und Modebereich.
com! professional: Was muss ein Händler mitbringen, wenn er bei Schuhe24 verkaufen will?
Benner: Er muss eine elektronische Warenwirtschaft haben und seine Warenbestände sauber pflegen. Außerdem sollte sein Sortiment zu uns passen.
Wir suchen nicht unbedingt den hundertsten Händler von Schuhen der Marke Tamaris, sondern eher Händler, die interessante Warensortimente haben, die unser Sortiment auf der Plattform erweitern.
Schuhe24 im Überblick
  • Sitz: Wiesbaden
  • Mitarbeiter: 20
  • Geschäftskonzept: Online-Plattform für Schuhe
  • Zielgruppe: Frauen und Männer zwischen 35 und 65 Jahren
  • Verkaufskanäle: eigene Plattform sowie 20 weitere Kanäle, darunter Amazon, Mirapodo, Klingel, Otto und Wish
  •  Handelsvolumen 2018: voraussichtlich 50 Mio. Euro
  • Teilnehmende Händler: rund 800
2. Teil: „Unabhängigkeit von Amazon als erklärtes Ziel“

Unabhängigkeit von Amazon als erklärtes Ziel

com! professional: Über welche Verkaufskanäle machen Sie den meisten Umsatz?
Benner: Nicht über Amazon, wenn Sie das meinen. Wir versuchen bewusst, die Verkaufsaktivitäten breit zu streuen. Große Anteile laufen über unseren Online-Shop sowie Plattformen wie Klingel, Mirapodo, Limango oder Otto. Langfristig versuchen wir, komplett von Amazon unabhängig zu sein und die eigene Plattform zu stärken.
com! professional: Warum?
Benner: Einerseits besteht auf Amazon eine sehr starke Konkurrenzsituation und damit natürlich ein harter Preiskampf. Es lohnt sich nicht mehr, auf Amazon aktiv zu werden, das Thema ist für Schuhhändler durch. Außerdem wollen wir möglichst die Kundenhoheit haben, also die Informationen über Kunden selbst sammeln können. Deshalb ist die eigene Plattform für uns spannend. Günstiger ist der Verkauf über die eigene Plattform gegenüber dem Marktplatzvertrieb aber nicht, das muss man klar sagen. Man muss viel Geld für Google und AdWords und Retargeting sowie personalisierte Werbung ausgeben, um die Kunden auf die Plattform zu bringen. Das wiegt die Marktplatzkosten bei Weitem wieder auf.
com! professional: Wie sieht Ihr Marketing-Mix denn aus?
  • Schuhe24.de: Nirgends im Shop ist erkennbar, dass es sich um eine Plattform handelt, auf der stationäre Händler verkaufen.
Benner:
Kunden, die schon mal auf unserer Plattform waren, sprechen wir mit gezieltem Retargeting an. Neukunden, die uns noch nicht kennen, sprechen wir eher mit sehr gezielter AdWords- und Banner-Werbung auf bestimmte Schuhmarken an. Diese Banner-Werbung wird nicht nur bei Google ausgespielt, sondern auch bei derzeit 800 Partnerseiten. Auch Bestellung per Telefon bietet fast kein Onliner an, bei uns ist dies immer möglich, gerade auch für ältere Kunden.
com! professional: Konkurrenten wie Zalando setzen auf TV- oder Out-of-Home-Werbung. Kommt das für Sie infrage?
Benner: Solche Werbeformen finden wir durchaus spannend, aber das Thema Streuverluste muss man kritisch sehen. Wenn man mit einer teuren TV-Kampagne nur 1 Prozent der Kunden dazu bekommt, auf die Seite zu klicken, hat niemand etwas davon. So etwas können Sie machen, wenn es Ihre Strategie ist, um jeden Preis schnell bekannt zu werden. Wir aber setzen auf profitables Wachstum, da müssen wir schon genauer hinschauen, welche Ausgaben sich unterm Strich lohnen und welche nicht. Wir werden aber in naher Zukunft auf ein prominentes Testimonial setzen.
com! professional: Apropos Werbung – im Gegensatz zur Plattform Schuhe.de, die auch die Sortimente stationärer Händler digitalisiert, präsentieren Sie Ihre Händler auf Ihrer Plattform nicht. Wer nicht weiß, dass hinter Schuhe24.de stationäre Händler stecken, sieht im Shop dazu kaum einen Hinweis. Warum?
Benner: Das ist eine Philosophiefrage. Ich finde es legitim und sogar gut, die Händler zu präsentieren, so wie das die Kollegen von Schuhe.de machen. Wir haben uns aus zwei Gründen dagegen entschieden. Erstens wollen wir nicht, dass der Online-Kunde dem stationären Händler Arbeit macht. Online-Kunden haben viele Fragen: zum Versand, zur Bezahlung oder zum Service. Wenn die Händler auf unserer Plattform in Erscheinung treten, werden sie sich bald mit diesen Fragen herumschlagen müssen – und dann fängt das Thema Online-Vertrieb an, unrentabel zu werden. Der zweite Punkt: Online gibt es oft andere Preise als stationär – und wenn der Kunde auf so eine Preisdiskrepanz stößt, macht ihn das wütend. Da man bei uns die Preise nicht zu einem bestimmten Händler zurückverfolgen kann, sind wir komplett frei in der Preisgestaltung, wir müssen auf den stationären Handel keine Rücksicht nehmen. Und das ist bei unserem Vertriebsmodell sehr wichtig – wir müssen einfach die Freiheit haben, das eine oder andere Modell auch mal unter Preisempfehlung anzubieten, um mit dem Marktniveau mitzuhalten.
com! professional: Wie sehen Ihre weiteren Pläne für dieses Jahr aus?
Benner: Wir wollen die Internationalisierung von Schuhe24 vorantreiben. Zusätzlich wollen wir in andere Branchen vordringen. Vor einem halben Jahr haben wir das Portal Sportmarken24 aufgebaut, das analog zu Schuhe24 für stationäre Sporthändler ausgerichtet ist. Die Plattform läuft sehr gut an, aktuell verkaufen schon rund 100 stationäre Filialen ihre Waren darüber. Zudem wollen wir noch ein ähnliches Portal für Mode aufbauen.

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