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07.05.2020
Erfolgsmessung
1. Teil: „So funktioniert Performance-Marketing“

So funktioniert Performance-Marketing

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NicoElNino / shutterstock.com
MarTech-Lösungen machen die Wirksamkeit von Kampagnen messbar.
Digitale Marketingkanäle zwingen Vermarkter und ihre Media-Agenturen immer stärker in einen schnelllebigen Wettlauf um die flüchtige Aufmerksamkeit einer unbeständigen Zielgruppe. Ein Klick mehr oder weniger schlägt sich sofort in barer Münze nieder, in der Werbung wie im Vertrieb. Das digitale Marketing zeigte sich deshalb immer schon besonders offen für neue Techniken, auch und gerade, wenn es um die Erfolgsmessung von Kampagnen und Maßnahmen geht.
„Unseren digitalen Kundenbestand von rund zwei Millionen Kunden könnten wir ohne Automatisierung und Künstliche Intelligenz gar nicht effektiv und professionell bewirtschaften“, verrät beispielsweise Stefan Hoffmann, Managing Director der Outletcity Metzingen GmbH, eines Designer-Outlets für Premium-Fashion im Raum Stuttgart. „So viele Mitarbeiter könnten wir uns weder leisten noch würden wir sie am Arbeitsmarkt finden“, erklärt er.
Das Werkzeug der Wahl für Performance-Maximierung ist MarTech, kurz für Marketing-Technologie. Um welche Dimensionen es geht, zeigt eine Schätzung des Medienforschungsinstituts WARC und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO: Unternehmen geben demnach pro Jahr mittlerweile 121,5 Milliarden Dollar für MarTech-Lösungen aus.
Allein für Deutschland hat die Agentur Avaus Marketing Innovations im vergangenen Jahr 296 Anbieter von MarTech-Lösungen ausgemacht. Acht von zehn dieser Firmen sind dabei weniger als zehn Jahre alt. Global buhlen über 7000 MarTech-Anbieter um die Gunst der digitalen Marketer. Vor rund acht Jahren waren es erst 180.
Die Überfülle des Angebots hat aber auch eine Kehrseite: „Die meisten Firmen sind von den vielen Optionen und Trends eher überfordert“, kommentiert Kanika Kundra, Expertin für Marktforschung bei der Digitalagentur Namics, anlässlich der Veröffentlichung der Studie „Digital-Marketing-Monitor 2020“. Der Monitor untersucht den Reifegrad des digitalen Marketings im DACH-Raum.

KI als Hoffnungsträger

Zu den klaren Trends im digitalen Marketing zählt die kontinuierlich wachsende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. So lautet die zentrale Aussage des Kooperationsprojekts „Digital Dialog Insights 2019 - Intelligentes Marketing“ von Harald Eichsteller und Jürgen Seitz von der Hochschule der Medien in Stuttgart und United Internet Media.
In der achten Auflage der Entscheider- und Nutzerbefragung vom Oktober 2019 standen die Themen Künstliche Intelligenz und die Datenqualität im Vordergrund. Drei Viertel der befragten Experten prognostizieren eine künftig hohe Relevanz von KI für werbetreibende Unternehmen und Agenturen. Potenzial erkennen die Teilnehmer vor allem bei der Personalisierung von Werbebotschaften und intelligentem Content; als zentrales Versprechen von KI-Initiativen sehen sie ein besseres Kundenerlebnis. Über 50 Prozent der Teilnehmer der Umfrage nutzen bereits Retargeting, sprechen Zielgruppen differenziert an und optimieren mit Algorithmen.
Für die Hälfte der Befragten macht KI in Zukunft sogar einen wesentlichen Bestandteil der MarTech-Strategie von Unternehmen aus. Gegenwärtig sind die Marketer mit der produktiven Anwendung von Marketing-KI allerdings noch unzufrieden. Zu viel sei nur angekündigt oder erweise sich in der Praxis als noch nicht ausgereift. Die Investitionsbereitschaft wird davon erstaunlicherweise kaum negativ beeinflusst. Die Entscheider wollen „kräftig investieren“ - vor allem in Datenqualität sowie in die Individualisierung und Verbesserung der Customer Experience.
Als limitierenden Faktor für den KI-Einsatz machen die Autoren der Studie denn auch vor allem die Verfügbarkeit geeigneter Daten aus. 84 Prozent der Befragten sehen in der Beschaffung geeigneter Daten eine „große oder sehr große“ Herausforderung. Vor allem zwei Anforderungen spielen dabei in den Augen der Befragten eine Rolle: Aktualität (96 Prozent) und Datenkonsistenz (80 Prozent).
Aktuell gibt es „große Unterschiede zwischen dem wahrgenommenen Nutzen von KI im Marketing und dem tatsächlichen Einsatz“. Diese Erkenntnis hat die zweite Welle der Studie „Künstliche Intelligenz im Marketing“ von Claudia Bünte an der SRH Hochschule Berlin gebracht.
„Um blinden Aktionismus und Fehlinvestitionen zu vermeiden, sollten Marketingverantwortliche ihre Unternehmensziele und Kunden in den Mittelpunkt stellen“, empfiehlt Digital-Marketing-Expertin Kanika Kundra.
2. Teil: „Mit MarTech schneller ins Ziel“

Mit MarTech schneller ins Ziel

  • Outletcity Metzingen: Das Designer-Outlet für Premium-Fashion im Raum Stuttgart setzt auf Marketing-Automatisierung mit Künstlicher Intelligenz.
    Quelle:
    Outletcity Metzingen
Mit ausgefuchsten MarTech-Lösungen versuchen Firmen, dem Verlust an Kontrolle mit mehr Datenintelligenz zu begegnen. Die Evangelisten des Performance-Marketings schreiben sich eine gnadenlos datengetriebene Leistungsorientierung auf die Fahnen. Die aber steht und fällt mit nachprüfbaren Metriken, deren Resultate sich in Heller und Pfennig ausdrücken. Wer etwa die Abbruchrate senken konnte und das beweisen kann, spricht bereits von Performance-Marketing.
Den Erfolg digitaler Marketing-Kampagnen messbar zu machen, hört sich gut an, doch hapert es in vielen Unternehmen an der praktischen Umsetzung. Herausforderungen wie Cross-Device-Tracking, Attribution, Vergütung entlang der Customer Journey oder Einbeziehung von Offline- und PoS-Daten nehmen mit der steigenden Anzahl an Kanälen und Medien an Komplexität zu. Deshalb sollen Technologien wie Advanced Analytics, KI und Deep Learning das digitale Marketing umkrempeln. Doch damit diese ihre Wirkung entfalten können, braucht es Daten, Daten, Daten.
Vor allem KMUs stoßen da vermehrt auf Hindernisse, technischer wie regulatorischer Natur. Zum einen führen unterschiedliche Messmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen, warnt der Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW. Wer nicht über eigene Datenkompetenz verfügen kann und/oder große Mengen an Big Data über seine Kunden zeitnah im Zugriff hat, zieht da schnell den Kürzeren.
Hinzu kommt, dass 65 Prozent der Unternehmen über keine ganzheitliche Digitalstrategie verfügen, wie die eingangs zitierte Studie von Namics herausgefunden hat. Wer sich aber verzettelt, der lässt das Marketing-Budget verpuffen und bleibt am Ende des Tages auf der Strecke.
Grundprinzipien des Performance-Marketings
Vergütung erfolgt strikt leistungsbezogen: Nur exakt messbare Resultate erzielen eine Vergütung, niemals die Aufwendungen.
Qualität geht vor Quantität: Der Wert einer Kundenbeziehung ist wichtiger als die Zahl der Leads; Imagebewusstsein gehört ins Pflichtenheft des Marken-Managements.
Vergütung gegen Leistungsnachweis: Werbepublisher sind zur Übergabe relevanter Metriken an die Werbetreibenden verpflichtet, sie müssen nachweisen, dass sie ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt haben. Im Affiliate-Marketing ist es andersherum, dort sind Werbetreibende gegenüber den Affiliates verpflichtet.
Realismus schlägt Idealismus: Blitz-Erfolge verpuffen, eine Langzeitstrategie braucht messbare Meilensteine.
Auf Alt folgt Neu: Der Wandel in der Gesellschaft, der sich etwa im Aufkommen von Influencern zeigt, verändert das Performance-Marketing und erfordert neuartige Ansätze; und dies umso stärker, je mehr bewährte Konzepte und Marketing-Instrumente versagen.
Anreize fördern Engagement: Marketer brauchen neue Metriken jenseits von Cost per Click (CPC) und Cost per Action (CPA), um die Wirkung ihrer Kampagnen zu evaluieren und die Leistungsanreize für ihre Werbepartner gerechter zu gestalten.
Synergien durch mehrere Kanäle: Wer Marketing-Ziele in einem Ökosystem kanalübergreifend setzt und an geeigneten Stellschrauben dreht, kann die Gesamtwirkung maximieren. Weniger ist manchmal mehr.
3. Teil: „Das Aus für Cookies droht“

Das Aus für Cookies droht

  • Quelle:
    Digital Dialog Insights 2019
Zu den größten Herausforderungen beim Performance-Marketing entwickelt sich das Datenschutzrecht. 2020 will die EU mit der ePrivacy-Verordnung (ePVO) die DSGVO erweitern und vorhandene Regelungslücken in der Datenwirtschaft schließen. Die Verordnung soll die E-Privacy-Richtlinie ablösen, deren Bestimmungen der deutsche Gesetzgeber in Telemediengesetz (TMG) und Telekommunikationsgesetz (TKG) hatte einfließen lassen. Die ePVO bedarf keiner solchen Umsetzung in nationales Recht; sie ist sofort nach Inkrafttreten in allen Mitgliedsstaaten wirksam. Noch steht der finale Wortlaut der Verordnung nicht fest. Der EU-Kommissar Thierry Breton musste einräumen, dass die Gespräche zwischen den Mitgliedsstaaten bislang keinen Konsens gebracht haben. Doch hat die Kommission angekündigt, im Lauf des Jahres einen neuen Anlauf zu nehmen.
„Bei der DSGVO ist das Aufwand-Nutzen-Verhältnis vollkommen unausgewogen“, moniert Marco Zingler, Vizepräsident beim BVDW. Während einerseits der Verbraucherdatenschutz nicht nennenswert gestärkt worden sei, werde andererseits eine rechtskonforme Datenverarbeitung aus Sicht der Wirtschaft immer komplexer. Immerhin setze sich offenbar die Erkenntnis durch, dass das Prinzip „Einwilligung aus beiden Perspektiven“ an den Anforderungen der Realität vorbeigehe und dem Datenschutz an sich nicht im Ansatz zuträglich sei, argumentiert er weiter. Bei der Ausgestaltung der ePrivacy-Verordnung müsse dies dringend hinterfragt werden. Denn die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Daten würden „zunehmend essenziell für den wirtschaftlichen Erfolg Europas“. Das schwerwiegendste Problem mit der DSGVO seien aber nicht zu strenge Datenschutzregelungen, sondern es sei vielmehr die Rechtsunsicherheit durch widersprüchliche und unklare Formulierungen der Verordnung, so Zingler. 
Dasselbe könnte der Wirtschaft mit der ePrivacy-Verordnung blühen. Laut Beobachtern ist ein konkreter Entwurf der ePrivacy-Verordnung frühestens zu Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft im Juni 2020 zu erwarten. In der Zwischenzeit sitzen MarTech-Anbieter und digitale Marketer wie auf heißen Kohlen. Angesichts der Möglichkeit noch strengerer Datenschutzregelungen in einer unbekannten Ausprägung macht sich Verunsicherung breit. Durch eine zu restriktive Rechtslage könnten ganze Wirtschaftszweige „zugrunde gehen“, kritisiert die auf Datenschutz und IT-Sachverständigenwesen spezialisierte bITs GmbH aus Paderborn.
Wie der europäische Gesetzgeber den regulatorischen Rahmen letztendlich auslegen möchte, weiß er offenbar selbst noch nicht. Eines aber steht fest: Cookies, der wichtigste Grundpfeiler von
Performance-Marketing in digitalen Medien, stehen vor dem Aus. Diese Meinung vertreten Lobbyisten wie Sven Bornemann, Vorstandsvorsitzender der European netID Foundation. Die Organisation entstand vor knapp zwei Jahren aus einer Initiative der Mediengruppe RTL, ProSiebenSat.1 und United Internet. Sie will mit einer Internet-Identitätsplattform ein europäisches Gegengewicht zu GAFA (Google, Amazon, Facebook, Apple) bilden. Ihre netID soll den Marketern das Tracking und die kanalübergreifende Attribution erleichtern. Das digitale Marketing, das in den vergangenen Jahren „zum erfolgreichen Werbeumsatztreiber“ geworden sei, werde demnächst mit dem Wegfall von Cookies „seine bisher stärkste Waffe“ verlieren, warnt Bornemann.
Die Rechtslage ist klar. Im EuGH-Urteil vom 29. Juli 2019 (AZ C-40/17 „Fashion ID GmbH & Co. KG gegen Verbraucherzentrale NRW e. V.“) entschied das Gericht, dass ohne informierte Einwilligung des Nutzers keine Tracking-Cookies zulässig sind. Auch dass Social Plug-ins einer informierten Einwilligung bedürfen, hat das Urteil bestätigt. Codes zum Tracking oder zur Integration von Social Plug-ins dürfen demnach erst dann geladen werden, wenn der Nutzer seine Zustimmung via Cookie-Consent-Banner wirksam erteilt hat. Ein bloßer Hinweis auf Cookies genügt nicht. Sollte der Nutzer seine informierte Einwilligung verweigern, dürfe ihm der Anbieter den Zugang zu seinen Diensten dennoch nicht versperren. Cookies verlieren also ihre Existenzberechtigung.
Mit dem Wegfall von Cookies müssten die Nutzer ihre Einwilligungen und Präferenzen jedem Anbieter gegenüber stets aufs Neue mitteilen, folgert Bornemann. Die passgenaue Werbeaussteuerung via Cookie stehe damit vor dem Aus. Letzteres hätte aus seiner Sicht nur bedingt direkte Auswirkungen auf die Nutzer, dafür aber weitreichende Folgen für Werbetreibende. Cookie-Verbote bedrohen den Werbemarkt, glaubt er. Abhilfe könnten neue Login-Lösungen für DSGVO-konforme föderierte Identitäten mit Single Sign-on wie netID schaffen. Für solche datenschutzkonformen Identitäten setzt sich die European netID Foundation ein. 
Die Partner von Login-Allianzen zur Nutzung föderierter Identitäten könnten dann die Daten plattformübergreifend als Schlüssel für die gezielte Aussteuerung von Inhalten, Produkten oder Werbung nutzen, hofft Bornemann. Eine „starke europäische Login-Allianz“ sei damit nicht nur ein Gegengewicht zu GAFA, sondern auch „eine Antwort auf die Regularien der Internetnutzung“.
Für den Mittelstand dürfte das Ende der Cookie-Ära auf eine umfassende Neuorientierung hinauslaufen. Denn mit der Androhung scharfer Sanktionen für Datenschutzverletzungen entstehen kurzfristig wirtschaftliche Anreize, zur Benutzerauthentifizierung auf eine externe DSGVO-konforme Datenverwaltungsplattform zu setzen. Langfristig mündet die Umstellung von Cookies auf digitale Identitäten in einer unausweichlichen Abhängigkeit von spezialisierten Authentifizierungsdienstleistern. Dieser schleichende Verlust an Datensouveränität dürfte sich auf die Wettbewerbsfähigkeit negativ auswirken. Und ob die Konzentration der Authentifizierungs- und Nutzungsdaten in den Händen spezialisierter Anbieter dem Datenschutz dient, ist fraglich.
4. Teil: „Werbebetrug grassiert“

Werbebetrug grassiert

  • Quelle:
    Juniper Research
Außer mit der drohenden Regulierungsverschärfung kämpft das digitale Marketing mit einem weiteren großen Problem: Werbebetrug. Betrüger plündern über Werbenetze und Online-Werbeflächen unbemerkt die Marketing-Budgets ahnungsloser Unternehmen. Laut Juniper Research explodierte der Schaden von 3,9 Milliarden Dollar im Jahr 2017 auf 42 Milliarden 2019 - und damit um sage und schreibe 1077 Prozent. Die Betrüger ziehen alle Register und machen laut Juniper auch vor Mobile- und In-App-Werbung schon lange nicht mehr halt.
Ähnliche Zahlen kommen von der Performance-Marketing-Plattform Affise. Demnach handelte es sich in der ersten Jahreshälfte 2019 bei rund 35 Prozent des Datenverkehrs in Werbenetzen um betrügerische Aktivitäten - ein Anstieg von fast 60 Prozent gegenüber 2018, als der Betrugsanteil bei rund 22 Prozent gelegen habe. Immerhin: Dank der Bemühungen von Organisationen wie der Trustworthy Accountability Group (TAG) mussten die Anbieter von Klick-Betrug in letzter Zeit etwas zurückhaltender auftreten. Sie bieten ihre „Dienstleistungen“ nicht mehr ganz so öffentlich an wie früher. 

Fazit & Ausblick

55 Prozent der Marketer finden es schwierig, am Puls der Zeit zu bleiben, berichtete Christian Ohm, Geschäftsführer DACH der Agentur Avaus während einer Veranstaltung mit Schwerpunkt „Marketing im Zeitalter der Algorithmen“ im vergangenen Jahr. Von MarTech-Lösungen erhoffen sich viele Unternehmen mehr Transparenz und Datenintelligenz.
Der rasante technische Fortschritt sprintet der Gesetzeslage stets etwas voraus. Der regulatorische Boden bleibt damit auf absehbare Zeit in Bewegung. In der eingangs genannten Studie „Digital Dialog Insights 2019 - Intelligentes Marketing“ stufen zwar zwei Drittel der Befragten die Identifikation von Konsumenten nach dem drohenden Wegfall von 3rd-Party-Cookies als eine der größten Herausforderungen ein. Doch lediglich 47 Prozent sehen Investitionen in alternative Ident-Verfahren als wichtig an. In den Augen der Studien-Autoren ist das eine erstaunlich geringe Quote. Sie sind sich sicher: Die Relevanz des Problems wird unterschätzt.

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