Cloud
30.11.2018
E-Commerce-Infrastruktur
1. Teil: „Shops aus der Cloud haben viele Vorteile“

Shops aus der Cloud haben viele Vorteile

Online Shops in der CloudOnline Shops in der CloudOnline Shops in der Cloud
alexmilos / shutterstock.com
Shops in die Cloud umzuziehen, ist attraktiv, hat aber auch seine Tücken. So ist der Shop-Anbieter auf die Innovationskraft des Shop-Partners angewiesen.
Unternehmen, die einen Online-Shop unterhalten wollen, haben in der Regel die Auswahl zwischen drei Betriebsmodellen: der Nutzung eigener IT-Ressourcen im selbst betriebenen Rechenzentrum, dem klassischen Shop-Hosting bei einem Provider oder dem Mieten einer Cloud-Plattform.
Während sich der Aufbau und der Betrieb einer eigenen Shop-Infrastruktur nur für sehr große Web­shops rechnen, sind die anderen beiden Modelle für E-Commerce-Anbieter jeder Größe geeignet. Denn bei beiden Varianten lassen sich verschiedenste Shop-­Lösungen einsetzen.
Das Spektrum reicht von einer selbst entworfenen Shop-Oberfläche auf Basis von E-Commerce-Lösungen wie Magento oder Shopware über Baukastensysteme wie Commercetools bis zu hin zu nahezu einsatzfertigen Shops, die mit wenigen Klicks eingerichtet sind, wie sie zum Beispiel 1&1 oder Shopify anbieten.

Cloud vs. Hosting

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Betrieb eines Shops in der Cloud und dem klassischen Webhosting liegt in der Nutzung der Ressourcen. Bei einem Hosting-Provider läuft die Shop-Software fest auf einem oder mehreren meist virtuellen Servern. In der Cloud hingegen werden die für den Betrieb nötigen Rechenressourcen dynamisch zugeteilt.
„Die Kernidee einer Cloud-Anwendung ist, dass Server-Kapazitäten bedarfsorientiert genutzt werden, mit dem Ziel, jederzeit eine positive Nutzererfahrung bei gleichzeitig positiver Kosteneffizienz zu erreichen“, erklärt Jan Griesel, Geschäftsführer beim E-Commerce-­Anbieter Plentymarkets. Einstmals als Webshop für Ebay-Powerseller gestartet, bietet das Unternehmen heutzutage ein Komplettsystem für den Multichannel-Vertrieb an.
Plentymarkets setzt bereits seit mehreren Jahren auf die Cloud-Infrastruktur von Amazon Web Services (AWS) und hat mit seiner Lösung Ceres eine eigens für die Cloud entwickelte E-Com­merce-Plattform im Angebot. Das biete dem Shop-Betreiber ein Höchstmaß an Flexibilität, etwa um Spitzenlasten auszugleichen, sagt Griesel: „Händler können beispielsweise Werbekampagnen fahren, ohne dass dazu mehr Server-Kapazitäten manuell zur Verfügung gestellt werden müssen.“

Mehr Schutz und Komfort

Neben der flexiblen Skalierung von ­Rechenkapazität bietet die Cloud auch Vorteile bei der Ausfallsicherheit des Shops. Um eine hohe Verfügbarkeit sicherzustellen, müssen Shop-Systeme parallel in mindestens zwei voneinander unabhängigen Rechenzentren vorgehalten werden.
Betrieb und Wartung einer solchen redundanten IT-Infrastruktur in Eigenregie oder über einen Hoster sind wesentlich teurer und aufwendiger als die Nutzung verteilter Cloud-Ressourcen, die eine redundante Datenhaltung als Service bereits mitbringt.
Als weiteren Vorteil cloudbasierter Shop-Lösungen nennt Griesel die Datensicherheit und den Schutz vor Cyberattacken: „Da Webshops immer wieder Ziel von DDoS-Angriffen sind, bedarf es einer guten Abwehrstrategie.“ Bei DDoS-Angriffen legen Kriminelle einen Shop mit einer Vielzahl von gleichzeitigen Aufrufen lahm. Die Abwehr solcher Attacken ist Griesel zufolge in einer verteilten Cloud-Umgebung leichter zu bewerkstelligen als im eigenen Rechenzentrum oder beim klassischen Hosting.
2. Teil: „Nachteile der Cloud“

Nachteile der Cloud

  • Im Namen der Fruchtbarkeitsgöttin: Das Webshop-Modul Ceres wurde von Plenty­markets ganz gezielt für die Nutzung auf Amazons Cloud-Plattform AWS entwickelt.
    Quelle:
    Plentymarkets
Die Nutzung eines E-Shops aus der Cloud hat allerdings auch Nachteile. „Dadurch, dass man weniger eigene IT aufgebaut hat, kann man auch seltener individuelle Wünsche realisieren“, sagt Achim Himmelreich, Vizepräsident im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), „Man ist ein Stück weit abhängig von der Innovationskraft des Shop-Partners.“
Die Abhängigkeit kann auch an anderer Stelle zum Pro­blem werden: In der Cloud übernimmt der Anbieter meist das automatische Aufspielen von Upgrades der Shop-Software und von Sicherheits-Patches - in der Regel ein willkommener Service. Wenn allerdings das Shop-Backend nicht kompatibel ist mit der neuesten Version, kann dies zu Systemausfällen führen. „Bei standardisierten Systemen sind die Umsetzungsmöglichkeiten begrenzt und der Anbieter behält letztlich die Hoheit über Updates, Anpassungen und die Zuver­lässigkeit des Systems“, fasst Michael Opre, Director IT beim Händlerbund, zusammen.

Bedenken wegen DSGVO

Michael Opre hat darüber hinaus auch noch Bedenken im Zusammenhang mit den Vorschriften der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO): „Verarbeitungsprozesse personenbezogener Daten müssen DSGVO-konform ablaufen. Anbieter aus Drittländern müssen zumindest Kapitel 5 der DSGVO erfüllen, wobei auch hier die praktische Umsetzung von Garantien und deren Prüfbarkeit ­unklar sind“, warnt Opre.
In Kapitel 5 der Datenschutz-Grundverordnung wird die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen geregelt. Es untersagt unter anderem den Zugriff auf Daten von EU-Bürgern durch ausländische Behörden ohne internationale Übereinkunft oder Rechtshilfeabkommen. Für US-amerikanische Anbieter ist das ein Problem, denn sie sind verpflichtet, US-Behörden auch auf Daten Zugriff zu gewähren, die außerhalb der USA gespeichert werden.
Ohne Zustimmung der regional zuständigen Behörden ist dies aber DSGVO-widrig. „Für datenschutzrechtliche Verstöße haftet übrigens auch der Händler und nicht allein der Anbieter des Systems“, sagt Opre.
Die Juristen vom Händlerbund empfehlen aus diesem Grund auch, nur ­Cloud-Anbieter zu wählen, die ihre Datenverarbeitung in der EU oder im europäischen Wirtschaftsraum ausführen.
3. Teil: „Kostenrisiko Cloud-Lizenzen“

Kostenrisiko Cloud-Lizenzen

Auch die Kosten können bei einem cloudbasierten Online-Shop zu einer Falle werden. Bei einer nutzungsabhängigen Abrechnung, wie sie im Cloud-Umfeld üblich ist, können nämlich die Kosten durchaus einmal aus dem Ruder laufen, ­etwa wenn Traffic oder Umsatz sehr viel schneller wachsen als vorhergesehen. „Die Kombination aus Lizenzen, Customizing und Consulting sollte genau durchgerechnet werden, vor allem vor dem Hintergrund der Abhängigkeit von Umsatz, Transaktionsanzahl und anderen Faktoren“, rät BVDW-Vizepräsident Himmelreich.
Markus Neumann, Geschäftsführer bei der E-Commerce-Agentur Mediawave, empfiehlt, auch die Punkte Setup und Wartung nicht zu unterschätzen: „Die Einrichtung einer Cloud muss genau definiert sein und einen detaillierten Anforderungskatalog beinhalten, sonst können sich die Kosten schnell ungewollt summieren.“
Die Migration in die Cloud, aber auch von einem Anbieter zu einem anderen ist nicht trivial und will wohl überlegt sein. „Man sollte bei einer Migration nichts dem Zufall überlassen und generell so ­lange prüfen und testen, bis alle Szenarien durchgespielt sind“, rät Mediawave-Geschäftsführer Neumann.
Am wichtigsten sind in seinen Augen Skalierbarkeits- und Belastungstests, um die Grenzen der neuen Umgebung auszuloten. „Außerdem ist es essenziell, dass Datenbanken und andere Systeme kompatibel sind und über eine sichere Verbindung angeschlossen wurden.“
Die wichtigste Vorbereitung auf den Umzug eines Shops in die Cloud besteht laut Händlerbund-Director Opre darin, bestehende und zukünftige Workflows vorab zu simulieren und im neuen System auch auszuprobieren. „Häufig entscheidet sich ein Shop-Betreiber für ein System, zahlt für die Datenmigration und stellt dann fest, dass die geforderten Workflows nicht umsetzbar sind“, weiß Opre.
Er rät deshalb mit Nachdruck zu großer Sorgfalt: „Viele Parameter spielen für die Entscheidung eine Rolle, die vorab ­penibel betrachtet und mit Planspielen ­getestet werden sollten.“
Betreibermodelle
Bei cloudbasierten Online-Shops unterscheidet man im Wesentlichen drei Betreibermodelle:
Eigene Installation: Wie in einem eigenen Rechenzentrum können viele Shop-Systeme auch auf Cloud-Instanzen mit Server, Speicher und Netzwerkkapazität ­installiert werden. Vorgefertigte ­Module für die gängigsten E-Commerce-Lösungen finden sich auf den Marktplätzen der Cloud-Anbieter. Sie erleichtern die In­stallation deutlich, setzen aber gute IT-Kenntnisse voraus. Anwender sollten sich nicht nur mit der Shop-Software, sondern auch mit den Eigenheiten der Cloud auskennen.
Software as a Service (SaaS): Diese Shops lassen sich im Abo ­beziehen und mit wenigen Klicks einrichten. Sie sind die komfortabelste Variante, erlauben aber keine oder nur eine sehr geringe Individualisierung. Beispiele für SaaS-Shop-­Systeme sind Mietshop.de, Shopify und Versa Commerce.
Cloudspezifische Plattformen: Einige Anbieter von E-Com­merce-Lösungen haben Shop-Systeme entwickelt, die speziell auf die Cloud-Architektur eines bestimmten Providers zugeschnitten sind und daher besonders gut mit dessen Infrastruktur zusammenarbeiten. Beispiele dafür sind das Webshop-Plug-in Ceres, das von Plentymarkets für die Nutzung in der Amazon-Cloud AWS ent­wickelt wurde, oder die E-Commerce-Lösung Cloud Commerce von Intershop, die auf ­Microsoft Azure betrieben wird.
4. Teil: „Im Gespräch mit Harm Behrens, CTO beim Shop-Software-Anbieter ePages“

Im Gespräch mit Harm Behrens, CTO beim Shop-Software-Anbieter ePages

Das Hamburger Unternehmen ePages bietet ein cloudbasiertes Shop-System für kleine und mittelgroße Händler an. Sein Chief Technology Officer Harm Behrens spricht mit com! professional über Vor- und Nachteile von Shops in der Cloud.
com! professional: Worin sehen Sie den größten Vorteil ­eines cloudbasierten Webshops?
Harm Behrens: Händler können sehr schnell und ohne Investitionen in Software und Hardware starten. Alle gängigen Module, zum Beispiel für Zahlungssysteme, Logistik oder Marktplatzintegration, sind vor­i
  • Harm Behrens: CTO beim Shop-Software-Anbieter ePages
    Quelle:
    ePages
nstalliert, weitere können ohne Aufwand im App-Store hinzugeschaltet werden. Als Cloud-Anbieter übernehmen wir die gesamte IT-Verantwortung. Nutzer müssen sich keine Gedanken über die Performance ihres Shops machen, weil die Leistung von einer sehr viel größeren Infrastruktur bereitgestellt wird, als wenn sie ihren E-Commerce-Auftritt individuell betreiben würden.
com! professional: Gibt es auch Nachteile?
Behrens: Individuelle Anpassungen sind eher begrenzt möglich. In Open-Source-Plattformen kann quasi alles verändert werden, während man in der Cloud nur die Tools nutzen kann, die der Betreiber oder das Software-System zur Verfügung stellt. Das ändert sich aktuell ­allerdings auch recht schnell. Wir setzen bei der Entwicklung unserer Shop-Software beispielsweise jetzt schon auf Microservices und bieten moderne API-Schnittstellen, auf deren Grundlage sich ergänzende Anwendungen für spezielle Use-Cases bereitstellen lassen.
com! professional: Wie lässt sich eine zu große Abhängigkeit vom Cloud-Anbieter vermeiden?
Behrens: Shop-Betreiber sollten individuelle Anpassungen und den Einsatz von proprietären Systemen meiden - und unter diesem Aspekt auch die Shop-Systeme und Software-Plattformen bewerten, die bei den Cloud-Anbietern zum Einsatz kommen.
com! professional: Gibt es Fallen bei den Cloud-Kosten, auf die Shop-Betreiber achten müssen?
Behrens: Einige Cloud-Anbieter berechnen umsatzabhängige Provisionen, die sich im Zweifelsfall schnell zu größeren Summen addieren können. Das ­sollte man immer im Blick haben und gegebenenfalls zu All-inclusive-Tarifen wechseln.
com! professional: Wie sollten die Service Level Agreements (SLAs) gestaltet sein?
Behrens: Der Standard bei uns ist eine 99,9-prozentige Uptime auf Monatsbasis, das entspricht maximal 45 Minuten Ausfallzeit. In der Realität werden aber meistens mehr als 99,99 Prozent erreicht, ­also weniger als fünf Minuten Ausfallzeit. In den SLAs sollte zudem festgehalten werden, wie der Support geregelt ist: ob es im Bedarfsfall telefonischen Support gibt - idealerweise 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche - und welche Reak­tionszeiten garantiert sind.
com! professional: Was ist bei der Migration in die Cloud zu beachten?
Behrens: Shop-Betreiber sollten sich vorab ansehen, wie Datenformate ­exportiert oder konvertiert werden müssen, um verlustfrei auf das neue System zu wechseln. Wie werden beispielsweise Produktvariationen oder verschiedene Sprachen und Währungen von Alt- und Neusystem behandelt?
Am einfachsten gelingt die Migration, wenn die Shop-Plattform bei beiden Anbietern identisch ist. Aber auch dann muss sichergestellt sein, dass es sich um den gleichen ­Release-Stand handelt.

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