Digitalisierung
01.03.2019
Immer am Ball bleiben
1. Teil: „Schlau machen für den digitalen Wandel“

Schlau machen für den digitalen Wandel

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Bild: Shutterstock / Julia Tim
Weiterbildung wird immer wichtiger - und zu einer großen Herausforderung. Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen dazu, auch Bestandsmitarbeiter gezielter zu schulen.
  • Budget: Deutsche Firmen lassen sich die Weiterbildung pro Mitarbeiter und Jahr im Schnitt 709 Euro kosten.
    Quelle:
    Bitkom Research, n = 504
Die Digitalisierung treibt in allen Fachabteilungen Innovationen voran - von automatisiertem Marketing bis Online-Recruiting, Predic­tive Maintenance in der Produktion bis KI im Kundenservice. Dieser Wandel betrifft naturgemäß auch und gerade die Mitarbeiter. Ihr Wissen veraltet schnell, da die Innovationszy­klen immer kürzer werden. Die Digitalisierung verändert Berufsbilder und die Anforderungen an die Qualifikation, Berufe werden verschwinden. Experten und Unternehmensführer predigen allerorten: Gefordert ist die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen.
Eine Schlüsselrolle spielt die Weiterbildung der Mitarbeiter nicht zuletzt im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Das haben mittlerweile fast alle Unternehmen erkannt. So sehen laut der Studie „Weiterbildungstrends in Deutschland 2018“ von Kantar TNS 82 Prozent der Personalverantwortlichen in Deutschland einen wachsenden Bedarf an Weiterbildung. Vor einem Jahr waren es erst 74 Prozent. Und 87 Prozent der deutschen HR-Manager erachten ein attraktives Angebot zur Weiterbildung als wichtig bis äußerst wichtig für die Mitarbeiterbindung.
Diesen Trend belegt auch die Studie „Weiterbildung für die digitale Arbeitswelt“ des VdTÜV und des Digitalverbands Bitkom. Demnach bilden fast zwei Drittel aller Unternehmen (63 Prozent) ihre Mitarbeiter zu Digitalthemen weiter. Vor zwei Jahren boten nur 36 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern Schulungen an, damit sie digitale Skills aufbauen und vertiefen können. Welche Kompetenzen also benötigen Mitarbeiter für die Digitalisierung?

Digitale Kompetenzen

An erster Stelle stehen natürlich digitale Kompetenzen. „Dazu zählen der sichere Umgang mit digitalen Geräten wie Computern, Smartphones und Tablets, Software und Apps, ein Bewusstsein für Datenschutz und Informationssicherheit sowie Grundkenntnisse im Programmieren“, erklärt Juliane Petrich, Leiterin Bildung bei Bitkom. Der erwähnten Bitkom-Studie zufolge erachten 78 Prozent der Firmen digitale Kompetenz als genauso wichtig wie fachliche und soziale Kompetenz. Knapp ein Fünftel (18 Prozent) glaubt sogar, dass Digital-Kompetenz künftig am wichtigsten wird.
Bei den sozialen Skills geht es vor allem um die Mentalität der einzelnen Mitarbeiter. „Sie müssen bereit sein, sich auf Veränderungen einzustellen, Unsicherheit aushalten und mit Komplexität umgehen können. Auch Selbstmanagement und die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen sind gefragt“, weiß Juliane Petrich. Voraussetzung dafür sei eine Unternehmenskultur mit geringen hierarchischen Unterschieden, die Fehler erlaubt, den Mitarbeitern mehr Selbstverantwortung und Gestaltungsspielraum gibt sowie das Prinzip „Führung auf Augenhöhe“ verfolgt: „Hier müssen die Firmen ihre Führungskräfte entsprechend schulen. Sie brauchen ein neues Rollenverständnis, sollten die Mitarbeiter begleiten, ihre Stärken fördern und sie ihren Kompetenzen gemäß richtig einsetzen“, so Petrich weiter.
Fachlich stehen derzeit Themen wie agile Software-Entwicklung, Big Data und Künstliche Intelligenz im Vordergrund, an Methoden nennt die Bitkom-Referentin vor allem Projektmanagement und Design Thinking. Letzteres eigne sich in erster Linie für neue Wege, um bestehende Probleme zu lösen und Themen aus anderer Perspektive zu sehen und damit Veränderungen zu gestalten.
Anbieter für die Weiterbildung (Auswahl)
2. Teil: „Neue Weiterbildungsstrategie“

Neue Weiterbildungsstrategie

  • Quelle:
    Bitkom Research
Der Wandel bei Kompetenzen und Anforderungen wirkt sich auch auf die Weiterbildungsanbieter aus. Sie müssen ihr Bildungsangebot auf die Digitalisierung ausrichten und zugleich sich selbst digitalisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie meistert etwa die TÜV Nord Akademie diesen Spagat? „Bei den Weiterbildungsangeboten zu Themen im Kontext zur Digitalisierung stehen wir erst am Anfang und sind dennoch mit Inhouse-Angeboten ganz nah am Markt. Die Schwerpunkte liegen aktuell und zukünftig sowohl bei den organisatorisch-strategischen Themen als auch bei Themen rund um Führung und Motivation sowie den persönlichen und sozialen Kompetenzen“, erläutert Oliver Wolter, Produktmanager Unternehmensführung bei der TÜV Nord Akademie. „Für die interne Digitalisierung hat die TÜV Nord Group 2017 die Digital Academy ins Leben gerufen.“
Die Digital Academy vernetzt und unterstützt alle Geschäftsbereiche des Konzerns. Sie verfolgt vier Ziele: Sensibilisierung der Mitarbeiter für die Anforderungen der Digitalisierung, das Entwickeln von Zielbildern für definierte Pilotprojekte, die Ausbildung von Digital Experts sowie den Aufbau einer Schulungs- und Wissensplattform. „In der Digital Academy wird geprüft, wie die digitale Zukunft unseres Unternehmens aussehen könnte, und es werden Vorschläge erarbeitet, wie sich Leistung, Qualität und Sicherheit steigern lassen“, so Oliver Wolter.
Eine zentrale Rolle spielen dabei die Digital Experts, die in drei Monaten Vollzeit-Training zu Digitalisierungsfachleuten weitergebildet werden und dieses Wissen intern in ihren Geschäftsbereichen weitergeben. Neben technischem Wissen stehen Methoden zur digitalen Transformation von bestehenden und neuen Produkten und Services sowie Tools zur persönlichen Weiterentwicklung auf dem Lehrplan. „Die Teilnehmer bearbeiten oft auch ein konkretes Digital-Projekt aus ihrer Abteilung, etwa zur digitalen Abnahme von Prüfungen. Das Ausbildungsprogramm der Digital Academy lässt sich individuell anpassen, sodass es auch für andere Branchen interessant ist“, erklärt Oliver Wolter.

Seminare für alle Ebenen

Für externe Teilnehmer bietet die TÜV Nord Akademie modulare Trainings zu organisatorisch-strategischen Themen für CEOs und die oberste Führungsebene sowie Einzelseminare für die mittlere Führungsebene und „normale“ Mitarbeiter. Dazu Oliver Wolter: „Wir möchten Unternehmen bei ihrer Digitalisierung begleiten und dafür sensibilisieren, dass Digitalisierung alles durchdringend ist sowie als andauernder Prozess zu sehen ist. Dafür ist es notwendig, für alle diese Ebenen im Unternehmen angemessene Weiterbildungen anzubieten.“ Das modulare Lehrgangsprogramm soll eine ganzheitliche Sicht auf die Unternehmensführung bieten und startet mit dem Basismodul „Handlungsfelder und Nutzen verstehen“. Darauf aufbauend folgen Module wie „Innovation im digitalen Zeitalter: Produkte, Geschäftsmodelle und Pilot-Strategie“, „Digitalisierung erfolgreich umsetzen - Konsequenzen für Organisation und Führung“ oder „Agile Strukturen und Governance“. Auch „Künstliche Intelligenz“ wird eine wichtige Rolle spielen.
Die Einzelseminare für mittlere Führungskräfte gibt es zu Themen wie „Rechtsfragen der digitalen Arbeitswelt“, „Führen auf Distanz“, „Virtuelle Teams führen mit Freude und Erfolg“ oder „Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten“. Für Mitarbeiter hat die TÜV Nord Akademie Schulungen wie „Mobiles Arbeiten und Homeoffice-Organisation“ oder „Selbstmotivation und Zeitmanagement im wechselnden Arbeitsumfeld“ im Programm. „Zudem laden wir unsere Kunden und Interessenten regelmäßig zu kostenlosen Management-Impuls-Veranstaltungen ein, in denen es um moderne Führung auf Augenhöhe geht“, ergänzt Oliver Wolter. Bei der Methodik konzentriert sich die TÜV Nord Akademie derzeit noch auf Präsenzseminare, baut aber Lernformen mit E-Learning auf.
3. Teil: „DSGVO als wichtiges Thema“

DSGVO als wichtiges Thema

  • Blended Learning: Der Mix aus Präsenzveranstaltungen und digitalen Methoden ist die gefragteste Lernform.
Und welche Themen und Inhalte werden das betriebliche E-Learning in den nächsten Jahren bestimmen? Das wollte das mmb Institut in seiner aktuellen Studie „mmb Learning Delphi“ von E-Learning-Experten wissen. Das Institut befasst sich mit allen Themen rund um das Lernen mit digitalen Medien und arbeitet für Ministerien, private Stiftungen und Unternehmen.
„Ganz oben stehen ‚Pflichtthemen‘ wie Datenschutz, speziell die Datenschutz-Grundverordnung DSGVO, oder Compliance, also Themen, die Mitarbeitenden vermittelt werden müssen, weil den Unternehmen sonst schwerwiegende rechtliche Konsequenzen drohen“, erklärt Lutz Goertz, Leiter Bildungsforschung beim mmb Institut. Gefragt sind auch Anwender-, Kunden- und Produktschulungen sowie IT-Fachkompetenzen. „Die Bedeutung von IT-Skills hat aber als Thema beim digitalen Lernen abgenommen. Früher lag diese Fachkompetenz an erster Stelle, jetzt bringen sich die Leute die IT-Kenntnisse wegen der fließenden Veränderungen von Hard- und Software selbst bei. Themen wie Führungskompetenz und Soft Skills spielen beim E-Learning eine geringere Rolle, da sie sich nach Meinung der Experten mit digitalen Methoden nicht angemessen trainieren lassen. Dafür eignen sich Präsenzschulungen wegen des direkten Austauschs in der Gruppe viel besser.“

Herausforderung: Zeit und Geld

Den Firmen ist klar, dass sie ohne Weiterbildung die Herausforderungen durch den digitalen Wandel und den Fachkräftemangel nicht meistern werden. Zumindest theoretisch. Doch die betriebliche Realität sieht nicht so rosig aus. Das zeigen die Untersuchungen „Digitale Kompetenzen - Anspruch und Wirklichkeit“ der Fraunhofer Academy und die bereits zitierte Untersuchung „Weiterbildung für die digitale Arbeitswelt“ von VdTÜV und Bitkom.
Laut Fraunhofer Academy nehmen nämlich 29 Prozent der Mitarbeiter bislang nicht an Weiterbildungen teil. Hauptgründe sind fehlende Zeit (42 Prozent), fehlendes Angebot oder mangelnde Unterstützung im eigenen Unternehmen (28 Prozent) oder dass die Befragten andere kostenlose Möglichkeiten nutzen, um ihr Wissen zu erweitern (26 Prozent). Zu wenig Praxisbezug und mangelhafte Flexibilität bei Ort und Zeit der Fortbildung nennen je 16 Prozent als Hindernisse.
Ähnlich ernüchternd fällt die Bitkom-Studie aus. Ihr zufolge erachten zwar 90 Prozent der Unternehmen die Weiterbildung als wichtig, aber nur vier von zehn Firmen verfügen über eine Strategie für die Personalentwicklung und die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Vorreiter sind hier die großen Unternehmen. „Firmen brauchen eine zentrale Weiterbildungsstrategie für alle Themen rund um Digitalisierung. Diese sollte sich aus der allgemeinen Digitalstrategie ableiten. Dann werden mit der Weiterbildung auch übergeordnete Ziele unterstützt“, betont Juliane Petrich. Sehr problematisch: Jedes fünfte Unternehmen (21 Prozent) bildet seine Mitarbeiter gar nicht weiter.
Hürden sind laut Bitkom-Studie vor allem fehlende Zeit wegen der guten Auftragslage und hohen Auslastung, zu
teure Weiterbildungsangebote oder fehlendes Budget. Im Schnitt können Beschäftigte jährlich nur 2,3 Arbeitstage für Weiterbildungen aller Art nutzen. Dafür stehen jedem Mitarbeiter durchschnittlich 709 Euro zur Verfügung. Ein Seminartag bei einem externen Anbieter kostet im Schnitt etwa 450 bis 500 Euro.
4. Teil: „Fachkräftemangel“

Fachkräftemangel

  • 90 Prozent: Neun von zehn deutschen Unternehmen halten die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern für "sehr wichtig" oder "eher wichtig".
    Quelle:
    Bitkom Research, n = 504
Doch der Mangel an Zeit und Geld darf keine Ausrede sein. Weiterbildung  ist zentral für den künftigen Erfolg eines Unternehmens. Da Wissen angesichts kurzer Innovationszyklen schnell veraltet, brauchen Firmen Mitarbeiter, die über aktuelles Know-how und digitale Kompetenzen verfügen. Jüngere Bewerber fordern bereits beim Vorstellungsgespräch Unterstützung bei der Weiterbildung ein und merken schnell, wie modern ein Unternehmen aufgestellt ist. Attraktiv sind Firmen, die die neuesten Technologien nutzen und auf konstante Weiterbildung setzen.
Der Fachkräftemangel stellt bereits heute ein großes Problem dar. Laut Bitkom gibt es hierzulande derzeit 82.000 offene Stellen für IT-Experten. Diese Lücke dürfte sich weiter vergrößern, da es zu wenige Studierende in den MINT-Fächern gibt. Firmen müssen daher Strategien entwickeln, um diesen Mangel abzufedern, von Ausbildung über Umschulung bis Outsourcing und Automatisierung. Warum nicht IT-affine Mitarbeiter aus den Fachabteilungen zum Software-Entwickler weiterbilden oder Robotics Process Automation einsetzen, um Mitarbeiter von einfachen, monotonen Prozessen zu entlasten und ihnen mehr Zeit für kreative Aufgaben zu verschaffen?

Viele Formen und Wege

Firmen und Mitarbeitern steht eine Vielzahl an Lernformen und Lernmethoden zur Auswahl. „Klassische Präsenzseminare dominieren immer noch, E-Learning wird aber wichtiger. Mittlerweile nutzt rund ein Drittel der Firmen digitale Lern­angebote“, konstatiert Juliane Petrich. Dazu gehören Video-Tutorials, Webinare, Software auf dem PC, Lern-Apps auf dem Handy sowie AR-/VR-Learning etwa bei der Pilotenaus­bildung oder beim technischen Service. Bitkom-Frau Juliane Petrich geht zudem davon aus, dass Cloud-Angebote zur Weiterbildung immer wichtiger werden: „Sie sind zeitlich flexibel und mobil zu nutzen und sie sind schnell verfügbar. Damit kann man auch über eine Smartphone-App im Bus, im Wartezimmer oder am Flughafen kurze Lernkapitel abarbeiten.“
Das mmb Institut hat in seinem aktuellen „mmb Learning Delphi“ auch nach Trends bei den E-Learning-Lernformen gefragt. Besonders beliebt ist Blended Learning, also die Mischung aus Präsenzseminaren und Webinaren oder anderen digitalen Methoden mit Lernerfolgskontrolle am Ende. Dann schon folgen Schulungen per Video. „Videos sind wichtiger geworden. Sie werden mittlerweile extra für Weiterbildungszwecke produziert und stehen für sich allein. Vorher waren sie eher Anhängsel bei Web-Based Trainings“, erklärt Lutz Goertz vom mmb Institut.
Web-Based Trainings (WBT) selbst verlieren weiter an Relevanz. Bis vor wenigen Jahren waren sie noch in fast allen Firmen die zentrale Lernform. Nach 70 Prozent Zustimmung im Vorjahr erreichen sie aktuell „nur“ noch 55 Prozent. „Die Teilnehmer von Web-Based Trainings fühlen sich oft alleingelassen. Aber bei Themen wie DSGVO, Datensicherheit und Compliance dienen WBTs nach wie vor zur dezentralen Schulung von großen Teilen einer Firmenbelegschaft“, so Goertz weiter.
Noch deutlicher ist der Abstieg von Wikis. Nach dem Höhepunkt im Jahr 2010 (65 Prozent) sehen derzeit nur noch 14 Prozent der Befragten eine Zukunft für unternehmenseigene Wiki-Lexika - sie übernehmen die rote Laterne im Ranking der bevorzugten Lernformen. Dazu Lutz Goertz: „In der Startphase haben die Mitarbeiter viele Artikel in die neuen Wikis eingestellt. Doch mit der Zeit haben Firmen gemerkt, dass die Pflege und Aktualisierung der Artikel sehr aufwendig sind. Mittlerweile werden interne Wikis kaum mehr genutzt.“
Digitale Lernmethoden
Klassische Präsenzseminare dominieren den Markt für Weiterbildung zwar noch, E-Learning wird aber zunehmend wichtiger. Mittlerweile nutzt rund ein Drittel der Firmen digitale Lernangebote. Diese lassen sich einfacher in den Arbeitsalltag integrieren und steigern oft die Motivation und den Lernerfolg. Hier ein Überblick der wichtigsten E-Learning-Methoden:
  • Adaptive Learning: Web-Based Training mit Assistenz-Funktionen, das den Stoff und Schwierigkeitsgrad dem individuellen Wissensstand des Teilnehmers anpasst
  • Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und 3D-Videos mit Simulationen: Illusion der Unmittelbarkeit; der Teilnehmer übt zum Beispiel am digitalen Zwilling einer Maschine
  • Blended Learning: Mischung aus Präsenzseminaren und Webinaren oder anderen digitalen Methoden
  • Digitale Lernassistenten: Begleitung durch den Lernprozess in Dialogform
  • Gamification: Lerninhalte in Spielen verpackt
  • Mobile Apps: Lern-Software für Smartphones
  • Soziale Netzwerke/Communities
  • Video-Schulungen
  • Virtuelle Klassenräume/Webinare
  • Web-Based Trainings inklusive Video
5. Teil: „Lernassistenten und VR“

Lernassistenten und VR

  • Quelle:
    Bitkom Research
Eine größere Rolle beim E-Learning dürften künftig digitale Lernassistenten, Adaptive Learning und AR-/VR-Learning spielen. 60 Prozent der Befragten des „mmb Learning Delphi“ gehen davon aus, dass Lernassistenten à la Alexa oder Siri in den kommenden drei Jahren zu einer wichtigen Lernform werden. Gemeint sind damit Lösungen, die Lernende in Dialogform durch einen Lernprozess begleiten, indem sie (mündlich oder schriftlich) Fragen beantworten und die Lernenden an Termine und Lernpensum erinnern. Hier stellt sich die Frage: Reichen für diese Funktionen künftig Alexa, Siri & Co. aus oder wird es spezialisierte Lernassistenten geben?
In eine ähnliche Richtung geht Adaptive Learning. Beim digitalen Lernen mit Assistenz-Funktionen misst das Lernsystem das Lernverhalten des Nutzers und passt Stoff und Schwierigkeitsgrad dem individuellen Wissensstand an. Auch Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und 3D-Videos mit Simulationen bleiben in den nächsten drei Jahren fürs Lernen interessant. Mitarbeiter können damit etwa an Maschinen trainieren, die es noch nicht gibt, oder die Reparatur von Geräten üben.

Unübersichtlicher Markt

Trotz vieler E-Learning-Methoden bilden Präsenzseminare aktuell und in naher Zukunft das Rückgrat der Weiterbildung. Mitarbeiter verlassen für einige Tage ihren Arbeitsplatz, treffen Kollegen aus anderen Firmen, tauschen sich über ähnliche Probleme aus und kehren meist mit größerem Wissen und motiviert in ihr Unternehmen zurück. Die bekannten Akademien von TÜV Nord, TÜV Süd oder TÜV Rheinland setzen auf Seminare mit persönlicher Anwesenheit, bauen aber digitale Lernangebote sukzessive aus.
Doch wie findet man den passenden Dienstleister für die Weiterbildung? „Der Markt für Weiterbildung ist sehr groß und unübersichtlich. Wir erhalten häufig Anfragen von Firmen, die nicht wissen, welches Angebot für sie richtig ist“, berichtet Bitkom-Expertin Juliane Petrich. Das verwundert nicht. Dazu genügt ­ein Blick auf die Seite www.kursfinder.de, eine Suchmaschine für Schulungen zur beruflichen Weiterbildung. Dort stehen derzeit rund 25.000 Angebote zur Auswahl. Die seriösen Anbieter sind hier nur schwer herauszufiltern.
Grundsätzlich gilt: Vertrauenswürdig sind Anbieter, die offen über ihr Unterrichtskonzept Auskunft geben und detaillierte Informationen über Ziele, Inhalte, Methodik und Struktur der Weiterbildung bereitstellen. Kriterien sind auch Infoveranstaltungen, Schnupperkurse oder Tage der offenen Tür, um sich mit Lehrkräften und Kursteilnehmern zu unterhalten. Letztlich liegt es an den eigenen Vorlieben, für welche Lernmethoden von welchem Dienstleister man sich entscheidet. Man macht aber nicht viel falsch, wenn man sich an etablierte Anbieter wie TÜV Süd, Nord, Rheinland, die Bitkom-Akademie oder Plattformen von Firmen wie SAP Education, tts GmbH oder IMC AG hält. Auch die Hersteller von Software bieten selbst empfehlenswerte Weiterbildungen und Zertifizierungen für ihre Produkte an.
Die Fortbildungswege hängen auch mit der Unternehmensgröße zusammen. Das belegt die Studie „Digitale Kompetenzen“ der Fraunhofer Academy. Während in kleinen Unternehmen (unter 50 Beschäftigte) der Austausch mit Kollegen und im eigenen Netzwerk dominiert (41 Prozent), setzen mittlere und große Firmen stärker auf konkret auf ihr Unternehmen zugeschnittene Angebote (33 Prozent). Letztere bieten Praxisnähe und Fallbeispiele, die mit dem Arbeitsalltag tatsächlich in Verbindung stehen. Damit wird das Wissen nicht nur konkretisiert, sondern auch schneller anwendbar.
Projekt MILLA: Weiterbildungsplattform
Um eine zen­trale Anlaufstelle für Weiterbildung zu schaffen, hat der Arbeitskreis „Zukunft der Arbeit“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die MILLA-Initiative gestartet.
MILLA steht für Modulares Interaktives Lebensbegleitendes Lernen für Alle. Die Plattform soll eine Alternative zu digitalen (englischsprachigen) Weiterbildungsangeboten wie Udacity oder Coursera sein. Ziel ist eine nationale Internetplattform für Weiterbildung, die kostenlos alle bisherigen und neuen Online- und Offline-Angebote bündelt, von traditionellen Anbietern, Volkshochschulen und Hochschulen, Gewerkschaften, Unternehmen und Einzelpersonen.
MILLA soll als „Netflix der Weiterbildung“ individuell anpassbar sein und die persönlichen Interessen des jeweiligen Nutzers ebenso berücksichtigen wie das vorhandene Fähigkeitsprofil. Den Schwerpunkt soll ein flexibel einsetzbares E-Learning bilden, um die Nutzer zum dauerhaften Selbststudium zu motivieren.
Die Nutzer erhalten für die erfolgreiche Teilnahme an den Kursen Kompetenzpunkte und ab einer bestimmten erreichten Anzahl auch Sachleistungen als Prämie. Anbieter von Weiter­bildungsangeboten werden bewertet und abhängig von der Qualität ihrer Angebote, der Anzahl der Absolventen, des Lern­erfolgs und der Nutzerbewertungen bezahlt. Die Seriosität der Angebote wird unabhängig geprüft.
MILLA soll außerdem ein Arbeitsplatznetzwerk etablieren, das Unternehmen mit Arbeitnehmern verbindet. Erste Teile der neuen Plattform sollen 2020 oder 2021 starten. Die Kosten des Programms sollen sich auf eine Milliarde bis drei Milliarden Euro jährlich belaufen.
6. Teil: „Im Gespräch mit Lynn-Kristin Thorenz von IDC“

Im Gespräch mit Lynn-Kristin Thorenz von IDC

  • Lynn-Kristin Thorenz: Associate Vice President Research & Consulting bei IDC
    Quelle:
    IDC
Lynn-Kristin Thorenz ist Associate Vice President Research & Consulting beim Beratungsunternehmen IDC. Im Interview mit com! professional erklärt sie, wie sich die Digitalisierung auf die Rollen der IT-Mitarbeiter auswirkt und warum Firmen eine effektive Strategie zur Weiterbildung benötigen.
com! professional: Frau Thorenz, die Digitalisierung legt ein hohes Tempo vor. Sie verkürzt die Innovationszyklen und Wissen veraltet schnell.
Lynn-Kristin Thorenz: Ja. Aus IT-Sicht erhöht die Digitalisierung zudem den Automatisierungsgrad sehr stark. Das betrifft auch die IT-Abteilung selbst, und zwar sowohl in puncto Technik als auch in Bezug auf die Organisation. Da durch die Digitalisierung Schnittstellen zwischen Systemen entstehen, fallen Silos weg. Das wirkt sich auf die Rollen der Mitarbeiter aus. Der klassische Administrator wird weniger wichtig beziehungsweise seine Rolle fällt irgendwann weg, da die Verwaltung der Infrastruktur künftig weitgehend automatisiert abläuft. Die Frage lautet: Wie bringe ich die Leute zu den Rollen, die ich in Zukunft wirklich brauche? Wie schaffen wir den Übergang von den alten Rollen und Silos zur neuen automatisierten, integrierten Welt?
com! professional: Welche Kompetenzen benötigen die Mit­arbeiter in dieser neuen automatisierten, integrierten Welt?
Thorenz: Die Digitalisierung wird nicht alle Arbeitsplätze vernichten. Firmen werden auch künftig Mitarbeiter brauchen. Neue Jobs entstehen vor allem in der Software-Entwicklung, für Data Scientists und IT-Architekten. Viele Firmen setzen mittlerweile beispielsweise für Standardprozesse in Fachabteilungen und im Finance-Bereich auf Robotics Process Automation. Dafür sind Entwickler und Leute mit Prozess-Know-how aus den Fachabteilungen gefragt, die im Team zusammenarbeiten.
com! professional: Low-Code-Plattformen und RPA als Mittel gegen den Fachkräftemangel?
Thorenz: Wegen des Fachkräftemangels müssen sich die Firmen tatsächlich mit Robotern aller Art beschäftigen. Der Fachkräftemangel im IT-Umfeld ist bereits heute am deutschen Markt deutlich spürbar.
Bis 2022 werden die verfügbaren Talente und Mitarbeiter für moderne Technologien nicht einmal 30 Prozent der weltweiten Nachfrage decken können. Firmen benötigen eine effektive Strategie, Mitarbeiter mit entsprechenden Fähigkeiten auszubilden und an sich zu binden. Weiterbildung entscheidet über künftiges Wachstum.
com! professional: Wie kann diese effektive Strategie zur Weiterbildung aussehen?
Thorenz: Ich sehe die Lösung in einem Mix aus internem Aufbau von Kompetenzen und dem Know-how-Transfer mit Hilfe von externen Beratern, Dienstleistungspartnern und Anbietern.
Auch die Zusammenarbeit mit Start-ups ist denkbar, um aktuelles Wissen ins Unternehmen zu holen. Entscheidend ist der Aufbau eines Netzwerks. Eine Firma allein kann beim Know-how mit der rasanten Entwicklung nicht mithalten. In der Community wird ein Problem schneller gelöst.
com! professional: Welche Rolle spielen die Führungskräfte? Auch sie müssen fit für die Digitalisierung sein.
Thorenz: Unsere Gespräche mit CIOs und CEOs zeigen: Wie Unternehmen mit dem Wandel klarkommen, hängt von den höchsten Führungskräften ab. Sie brauchen eine Vision oder eine Idee, wohin sie sich digital mit ihrem Unternehmen entwickeln wollen. Einige Firmen gehen mit einer umfassenden Digitalstrategie voran, andere realisieren lediglich Einzelprojekte ohne Zusammenhang und dahinterstehende Idee. Manche müssen handeln, weil es ihrer Branche sehr schlecht geht, etwa in der Stahlindustrie.
Und dann sind da natürlich die Firmen mit vollen Auftrags­büchern, denen es wirtschaftlich so gut geht, dass sie keine Zeit haben und auch keine Notwendigkeit sehen, sich intensiv mit der Digitalisierung zu beschäftigen.
com! professional: Sind hier nicht auch die Mitarbeiter selbst gefordert?
Thorenz: Natürlich. Das A und O ist die Mentalität der Mitarbeiter. Sie müssen offen, neugierig und lernbereit sein; das kann anstrengend sein und überfordern. Es gibt Bremser und großes Beharrungsvermögen, Ängste und Unsicherheiten. Die Führungskräfte müssen hier eine Perspektive geben und zeigen, warum sich die Weiterbildung für die Digitalisierung lohnt. Sie brauchen auch spezielle Qualifizierungsmaßnahmen für IT-Rollen. Firmen dürfen daher die Weiterbildung nicht vernachlässigen. Sie ist gerade jetzt sehr wichtig. Es gilt aber, das richtige Maß zu finden.

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