Software
24.05.2018
Trend zur Servitization
1. Teil: „Aus Produkten werden Dienstleistungen“

Aus Produkten werden Dienstleistungen

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Vernetzung und Digitalisierung führen zu einer anderen Art des Wirtschaftens. Produkte werden nicht mehr nur einfach verkauft, sondern als Dienst angeboten.
  • Quelle: Statista
Aus Automobilen wird Carsharing. Aus Computerprogrammen wird Software as a Service. Aus Kompressoren wird Druckluft als Dienstleistung. Die um sich greifende Vernetzung und Digitalisierung transformiert herkömmliche Produkte immer öfter in Dienstleistungen. Materielle und immaterielle Güter werden nicht mehr gekauft, sondern gemietet, in Services umgewandelt oder um solche ergänzt. Auf den Punkt gebracht: Der Kunde besitzt ein Produkt nicht mehr, sondern er bezieht die Leistung des Produkts als Service.
Diese Servitization oder Servitisierung genannte Entwicklung weg vom Besitzen hin zum Service führt zu einem ökonomischen Paradigmenwechsel: „Die digitale Transformation befördert uns in eine service­orientierte Welt“, konstatiert Heiko Henkes, Director Advisor beim Consulting-Unternemen ISG. „Klassische Geschäftsmodelle und Philosophien über Werte und vor allem Besitztümer wandeln sich radikal. Konkret bedeutet das, dass Produkte immer seltener verkauft werden. Sie werden gemietet und nach Nutzung im Sekundentakt bezahlt. Besitz rückt generell in den Hintergrund.“
Dem kann Nils Herzberg, Global GTM Lead and SVP im Bereich IoT bei SAP, nur beipflichten: „Servitization ist ein Megatrend. Vergangene Generationen wollten besitzen, künftige Generationen werden nur noch nutzen wollen.“

Win-win-Situation

Von dieser Entwicklung profitieren sowohl die Service-Anbieter als auch ihre Kunden. Wenn ein Unternehmen Dienstleistungen bucht statt Produkte zu kaufen, kann es sich besser auf sein Kerngeschäft konzentrieren und die mit dem Produkt verbundenen Aufwände und Risiken zu einem großen Teil auf den Service-Anbieter abwälzen. Der Service-Anbieter wiederum kann sich mit einem Dienstleistungs-Portfolio wirksam gegen Marktschwankungen absichern, hohe Eintrittsbarrieren für den Wettbewerb schaffen und sich gegen die Konkurrenz aus Niedriglohnländern schützen.
Zudem sind im Bereich Service – anders als im oftmals margenschwachen und nur gering wachsenden Produktgeschäft – die Umsatz- und Ergebnispotenziale noch kaum ausgeschöpft. „Deshalb wird es immer attraktiver, Services um die Produkte herum zu entwickeln. Diese versprechen dann auch neue Umsatzquellen“, sagt Mark Alexander Schulte, Senior Consultant bei IDC Deutschland.
Tabelle:

2. Teil: „Musterbeispiel IT-Branche“

Musterbeispiel IT-Branche

Der Trend zur Servitization durchzieht so gut wie alle Branchen. Die Entwicklung betrifft sämtliche Hersteller von Produkten und Gütern, die einen gewissen Wert haben, weiß IDC-Experte Schulte. Eine der beeindruckendsten Service-Transformationen hat sich in den vergangenen Jahren in der IT vollzogen. Mit Cloud-Services stellen Anbieter standardisierte IT-Leistungen schneller und kostengünstiger bereit, als Unternehmen das mit ihrer internen IT selbst leisten könnten. Sie erreichen das über die hochgradige Automatisierung ihrer Rechenzentren, Standardisierung und eine optimale Auslastung ihrer Ressourcen.
  • Produkt-Service-System: Sensoren und Netzwerkkomponenten im Griff dieses Tennisschlägers von Babolat helfen dem Nutzer, sein Spiel zu verbessern.
    Quelle:
    Babolat
Dass Kunden kaum mehr bereit sind, hohe Zahlungen für Hardware-Ausstattung oder Software-Lizenzen zu leisten, hat die gesamte Hard- und Software-Branche binnen weniger Jahre grundlegend verändert. Infrastructure as a Service ersetzt unternehmensei­gene Hard­ware wie Server oder  Speichersysteme, aus früher gekauften Software-Lizenzen wird Software as a Service und Entwicklungsplattformen werden in Platform as a Service trans­formiert.
Der Nutzen für die Unternehmen ist immens: Sie sparen sich den teuren Kauf von Hardware und Software, die aufwendige Wartung, den Betrieb und die turnusmäßige Erneuerung. Betriebswirtschaftlich gesehen entfallen die üblichen Anfangs­investitionen (CAPEX), durch den Bezug der Cloud-Dienste entstehen lediglich laufende Kosten (OPEX).

Service ohne Grenzen

Die Verbreitung von Carsharing-Diensten wie ZIP Car, Car2Go und alternativen Taxi­diensten wie Uber und Lyft zeigt, dass die Transformation von Produkten in Services sich nicht auf die IT-Branche beschränkt. Wir erleben damit den Beginn des Übergangs vom Autobesitz zur Mobilität als Dienstleistung. Die zunehmende Nutzung von Carsharing-Angeboten geht mit einem rückläufigen Bedarf am eigenen Auto einher. Die Fahrzeughersteller bereiten sich daher da­rauf vor, ihre Geschäftsmodelle von der Automobilproduktion auf die Erbringung von Mobildienstleistungen umzustellen.
Selbst konventionelle und eher dienstleistungsferne Branchen werden von der Servitization überrollt. Hilti verkauft in einem neuen Geschäftsmodell keine Bohrmaschinen mehr, sondern „Löcher as a Service“. Kompressor-Hersteller Kaeser bietet mit dem Einbau von Sensoren in seine Industrie-Druckluftkompressoren „Druckluft as a Service“ an. Und das bri­tische Unternehmen ICI-Nobel hat sogar Sprengungen in eine Dienstleistung umgewandelt.
Dass Servitization kein neues Phänomen ist, darauf macht Tim Baines von der Aston Business School aufmerksam, der sich als Wissenschaftler mit dem Thema beschäftigt.  Bereits in den 1990er-Jahren hat IBM erkannt, dass Software und Dienstleistungen mehr Wert haben als Hardware. Die Verschiebung führte zumindest in den ersten Jahren zu konstanten Umsätzen, höheren Gewinnen und engeren Kundenbindungen.
Die Vorteile der Servitization
Vorteile für Anbieter:
  • Services schaffen zusätzliche Umsätze
  • Services sind eine Alternative zu den im Produktgeschäft schwindenden Margen
  • Services binden Kunden besser, weil Dienstleistungen weniger leicht austauschbar sind als Produkte
  • Services intensivieren die Beziehung zum Kunden, weil dabei dauerhafte Kontakte entstehen
  • Mit Services lassen sich leichter Alleinstellungsmerkmale schaffen als im Produktgeschäft
Vorteile für Kunden:
  • Services verwandeln Fixkosten in variable Kosten
  • Risiken und Wartungsaufgaben verlagern sich zum Service-Anbieter
  • Betriebskosten: Oft kann der Service-Anbieter einen effizienteren Betrieb erreichen als der Nutzer
  • Der Kunde kann sich aufs Kerngeschäft konzentrieren
  • Weil der Anbieter auf die Ein­nahmen aus dem Service-Business angewiesen ist, ist die Zuverlässigkeit höher
  • Der Anbieter muss wegen der Konkurrenz seine Dienste up to date halten
  • Anbieter und Kunde streben gemeinsam eine maximale Lebensdauer des Produkts, denn der Anbieter verdient nicht mehr wie sonst an Reparaturen
3. Teil: „Neuer Schub vom IoT“

Neuer Schub vom IoT

Inzwischen haben neben den genannten Unternehmen so gut wie alle bedeutenden Firmen mittels Servitization ihr bestehendes Geschäftsmodell erfolgreich an veränderte Rahmenbedingungen angepasst. Das US-Technologieunternehmen Xerox beispielsweise verdoppelte so innerhalb von zwei Jahren den Anteil des Service-Geschäfts am Gesamtumsatz auf fast 50 Prozent.
Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen – im Gegenteil. Der neueste Schub für die Servitization kommt mit dem Internet of Things (IoT) und seinen Smart Products und Smart Services.
Smart Services gehen dabei über die klassische As-a-Service-Ökonomie hinaus. Statt Produkte einfach eins zu eins in Dienstleistungen umzuwandeln, ermöglichen Smart Services perfekt auf den Nutzer zugeschnittene, intelligente Dienste auf der Basis smarter, also mit Sensoren ausgestatteter, internetfähiger Produkte wie vernetzte Autos, Häuser oder Drucker. Die Daten, die von diesen Smart Products erzeugt und gesammelt werden, bilden die Grundlage der intelligenten Dienste.
Smart Services lassen sich grob in zwei Formen bereitstellen. Erstens wird ein bestehendes Produkt um Services ergänzt. Bei diesen Produkt-Service-Systemen oder „Base Services“, wie Servitization-Experte Tim Baines sie nennt, wird ein physisches Produkt mit digitalen Services zu einem hy-briden Bündel verknüpft. Hierdurch wird es möglich, den bisherigen, lokal erlebbaren Nutzen eines „Dings“ um einen neuen, digitalen Nutzen zu erweitern.
Populäre Beispiele dafür sind der Kühlschrank, der automatisch Lebensmittel ordert, oder die Geschirrspülmaschine, die selbstständig neue Spültabs bestellt. Hier wird jeweils ein herkömmliches Produkt um Services ergänzt. Auch das Tracking von Paketen mit einer Smartphone-App, das Buchen eines in der Nähe abgestellten Autos oder die Anzeige der aktuell günstigsten Verbindung im öffentlichen Nahverkehr fallen in diese Kategorie.
Ein zweiter Hauptpfeiler von Smart Services sind rein servicezentrierte Dienste – Baines nennt sie „Advanced Ser­vices“. Hierbei wird ein Produkt in einen puren Service transformiert, das heißt, der Kunde erwirbt kein physisches Produkt mehr, sondern stattdessen nur noch eine gewünschte Leistung. Dies entspricht den eingangs vorgestellten Service-Modellen – nur werden diese Services im Rahmen von IoT erheblich smarter.
Ein Beispiel für dieses Modell im IoT-Umfeld ist Smart Parking. Unternehmen wie Bosch statten beispielsweise Parkplätze mit Sensoren aus, sodass Privatpersonen mit Hilfe einer App zu freien Parkplätzen gelotst werden und sich auf diese Weise die mühevolle und nervenaufreibende Suche sparen. Dies ist eine rein servicebasierte Leistung, bei der der Sensor nicht Eigentum des Kunden, sondern des Service-Anbieters ist.
4. Teil: „Servitization bei Rolls-Royce “

Servitization bei Rolls-Royce

  • Geschäftsmodelle: Serviceorientierte Business-Modelle haben mehr Kundenkontakte, was sich unmittelbar positiv auf den Umsatz auswirkt.
    Quelle:
    Opportunity – Fakten für Entscheider
Die Ursprünge der Servitization-Idee reichen bis in die 1960er-Jahre zurück. Rolls-Royce benutzte den 1962 geprägten Slogan „Power by the hour“ als Markenzeichen für die Idee, ein Turbojet-Triebwerk als Dienstleistung zu verkaufen. Die Fluglinien als Kunden bezahlen dabei für die Dienstleistung, die das Triebwerk erbringt, also nur für die Zeit, in der das Flugzeug fliegt. Rolls Royce macht bei diesem Geschäftsmodell den größten Teil der Gewinne – anstatt klassisch aus dem Produkt – mit Dienstleistungen.
Das servicezentrierte Angebot von Rolls-Royce umfasst die Bereitstellung des Triebwerks sowie die Überwachung, Wartung und Reparatur für dessen gesamte Lebensdauer. Für die Fluglinien hat das vor allem vier Vorteile:
  • reduzierte finanzielle Risiken
  • planbare Betriebskosten
  • erhöhte Verfügbarkeit der Triebwerke
  • regelmäßige Verbesserungsmaßnahmen
Aber auch für Rolls-Royce selbst weist dieser Business-Ansatz eine ganze Reihe von Pluspunkten auf:
  • gestiegener Umsatz
  • stetigerer Erlösestrom
  • von Konjunkturschwankungen unabhängigere Erlöse

Kulturwandel um den Kunden

Servitization bedeutet also nicht zwingend, dass Produkte verschwinden. Aber die Nutzung der Produkte ändert sich tief greifend: Zum einen differenzieren Dienstleistungen im Rahmen von Produkt-Service-Systemen die etablierten Produkte und machen sie dadurch für den Kunden interessanter. Zum anderen können Services eigenständig, das heißt auch außerhalb des etablierten Produktgeschäfts angeboten werden.
Der Wechsel von produkt- zu servicezentrierten Geschäftsmodellen bedeutet einen grundsätzlichen Kulturwandel. In Unternehmen mit produktorientierten Geschäftsmodellen werden Produkte in einem relativ abgeschotteten Umfeld entwickelt. Der Kunde kann den Produktionsprozess kaum beeinflussen. Die Kundenbeziehung endet nach dem Kauf meist bereits an der Ladentheke, Möglichkeiten der Rückmeldung gibt es nur wenige.
Bietet das Unternehmen jedoch statt seiner Produkte – oder zusätzlich zu den Produkten – kundenzentrierte Services an, muss es zwangsläufig zahlreiche, nachhaltige und stabile Kundenkontakte und Interaktionen geben. Anstatt einer Sell- and-Forget-Haltung ist das Service-Business durch eine längere, kontinuierlichere und intimere Beziehung zum Kunden gekennzeichnet. Diese Kundennähe ist für traditionelle Unternehmen eine neue Erfahrung und hat einschneidende Konsequenzen.
Bei der Einführung von Services muss grundsätzlich vom Kunden ausgegangen werden und dann rückwärts in Richtung Technologie geplant werden. Dazu braucht ein Service-Anbieter ein umfassendes Verständnis des Nutzers, seiner Verhaltensweisen und Ansprüche.
Jedes serviceorientierte Unternehmen muss sich daher detailliert mit den Bedürfnissen seiner Kunden auseinandersetzen – und den Übergang vom kurzfristigen Transaktionsgeschäft hin zu einem langfristigen Relationship-Business bewältigen. Das erfordert Mut zur Disruption: Es geht darum, Traditionen zu hinterfragen, ein „Andersdenken“ zu entwickeln und die Perspektive zu wechseln. Bewährtes muss infrage gestellt und Schritt für Schritt neue Strukturen eingeführt werden.
5. Teil: „„Start small“ …“

„Start small“ …

… „Scale fast“ – klein starten, schnell wachsen lautet in der Servitization-Ära die Devise. Für Unternehmen, die in dieser Zeit erfolgreich sein wollen, bedeutet das: Sie sollten ihr bestehendes Geschäftsmodell grundsätzlich neu ausrichten: Ein sich in Richtung Services orientierendes Unternehmen sollte alles daran setzen, den Fokus von der Herstellung und dem Verkauf von Produkten wegzunehmen, und versuchen, darauf basierende Services zu konzipieren. Ziel dieser strategischen Bemühungen sollte ein neues, digitales Geschäftsmodell sein, das mittelfristig das bestehende Business-Modell ergänzt und langfristig veredelt oder sogar ablöst.
Um Einstiegsbarrieren zu vermeiden können datenbasierte Geschäftsmodelle zunächst im kleinen Maßstab getestet werden („Start small“) . Danach gilt es, das Geschäftsmodell schnell weiterzuentwickeln und auszubauen, um die für Services dringend erforderliche Skalierbarkeit zu ermöglichen („Scale fast“).
Die Unternehmen sollten auch bereit sein, sich mit der Definition und Verwaltung komplexer Kombinationen von Produkten und Dienstleistungen, sowohl digitaler als auch physischer Art, zu befassen. Dazu sollten sie ein klares Verständnis ihrer Dienstleistungen haben und wissen, wie sie diese zu Produkten bündeln können.
Ein Unternehmen kann Produkte und Services auf verschiedene Weise miteinander kombinieren:
  • als komplexe Mischung aus mehreren Waren und Services
  • als Produkt mit vielen eingebetteten Services
  • als einzigartigen Service, der als Produkt angeboten wird
  • als Service, der in verschiedenen Produkten angeboten wird
Allen Unternehmen, die die Chancen der Digitalisierung nutzen wollen, schreibt Richard Soley, Co-Vorsitzender der Hersteller-Vereinigung Industrial Internet Consortiums (ICC), ins Stammbuch: „Wenn Sie nicht nach neuen potenziellen Geschäftsmodellen suchen, bei denen es um Leasing statt um Verkauf geht, dann verpassen Sie den entscheidenden Punkt.“
So transformieren Sie Produkte in Services
Um Produkte in Dienstleistungen umzuwandeln, schlagen Klaus Holzhauser und Philipp Schala in ihrem Beitrag „Digital Transformation in Manufacturing“ im „Palgrave Handbook of Managing Continuous Business Transformation“ diese To-dos vor:
  • Behalten Sie den grundlegenden Zweck Ihres Produkts bei: Die Verfügbarkeit der Produktleistung eines Unternehmens (Hilti = Bohrer; Rolls-Royce = Motoren) ist das Schlüsselelement, was Kunden vom Hersteller erwarten. Dieser Zweck sollte nicht oder nur geringfügig verändert werden.
  • Überdenken Sie Ihr Business-Modell: In vielen Fällen wird die digitale Transformation nicht das physische Produkt verschwinden lassen. Stattdessen werden bestehende Funktionalitäten durch neue digitale Dienste erweitert.
  • Beziehen Sie Informationstechnologie ein: Bei der Umwandlung von Produkten zu Services spielt die Informations- und Kommunikationstechnologie eine Schlüsselrolle. Neue Geschäftsmodelle auf Service-Basis sind ohne digitale Kommunikation, anspruchsvolle Analytics und prädiktive Analytics-Funktionalitäten nicht möglich.
  • Binden Sie die gesamte Organisation ein: Um die Transformation erfolgreich zu gestalten, sollten Unternehmen alle relevanten Personen und Rollen in den internen Veränderungsprozess einbeziehen.
  • Verändern Sie Ihre Go-to-Market-Strategie: Traditionelle Unternehmensstrukturen sind für das neue Geschäftsmodell unter Umständen nicht geeignet.
    Die Transformation erfordert in vielen Fällen zumindest eine kurzfristige Einnahme-Kannibalisierung mit einer spürbaren Auswirkung auf den Cashflow. Daher müssen Unternehmen eine rasche und effiziente Markteinführung ihrer neuen Dienstleistungen sicherstellen. Um neue Kundenkanäle zu identifizieren, sollte eventuell auch das Partner-Ökosystem modifiziert werden.
  • Aktivieren Sie ein Mind-Shift: Digitale Transformation erfordert auch eine neue Art des Denkens innerhalb des Unternehmens. Eine Organisation sollte sich von einer „Ja, aber“-Mentalität zu einer „Warum nicht?“-Denkweise wandeln. Dieses Ziel dürfte zwar nur schwer zu erreichen sein, schreiben die Autoren. Aber es sei möglich.
6. Teil: „Im Gespräch mit Mark Alexander Schulte, Senior Consultant IDC Deutschland“

Im Gespräch mit Mark Alexander Schulte, Senior Consultant IDC Deutschland

Der Wechsel vom Produkt zum Service scheint unaufhaltsam. Mark Alexander Schulte, Senior Consultant bei IDC Deutschland, skizziert im Interview mit com! professional die Chancen und Herausforderungen dieser Entwicklung.
com! professional: Herr Schulte, herkömmliche Produkte werden heute zunehmend in Dienstleistungen umgewandelt oder um solche ergänzt. Schätzen Sie dies als kurzfristigen Trend ein oder als nachhaltige Entwicklung?
Mark Alexander Schulte: Ich bin überzeugt, dass sowohl Shared Economy als auch Servi­tization nachhaltige Entwicklungen sind und wir hier erst am Anfang stehen. Laut unserer aktuellen Studie zum Thema Internet of Things in Deutschland wollen Unternehmen den Anteil vernetzter Produkte von heute
21 auf 34 Prozent im Jahr 2021 erhöhen. Wir sehen hier für Unternehmen große Chancen, ihr Geschäft auszuweiten.
com! professional: Was sind die Treiber dieser Entwicklung?
Schulte: Wesentlich ist, dass die Margen im klassischen Produktgeschäft – aus dem viele Unternehmen ja kommen – immer kleiner werden und es also zunehmend schwieriger wird, damit Geld zu verdienen. Deshalb wird es immer attraktiver, Services um die Produkte herum zu entwickeln, denn die versprechen dann auch neue Umsatzquellen.
com! professional: Welche Folgen hat Servitization für die IT?
Schulte: Die Rolle der IT im Unternehmen verändert sich grundlegend. Wurde die IT bei einem Autohersteller vor 15 Jahren ausschließlich für interne Zwecke zur Verbesserung der Geschäftsprozesse genutzt, können Kunden schon seit einigen Jahren ihre Autos über das Internet individuell konfigurieren – hier ist man das erste Mal Richtung Kunde gegangen. Aktuell wird die IT Teil des Endprodukts. Aus dem ehemals dummen Auto wird ein vernetztes, intelligentes Auto. Und im nächsten Schritt bildet sich um das vernetzte Auto herum ein ganzes Ökosystem von Partnern und Unternehmen, die an den entstehenden Daten partizipieren wollen.
com! professional: Wie hoch ist das Disruptionspotenzial dieser Servitization? Zerstört es traditionelle Wertschöpfungsketten?
Schulte: Zerstörungspotenzial finde ich zu überspitzt, aber es ist ein fundamental neues Konzept. Die Entwicklung hin zu Servitization verschiebt Verantwortlichkeiten in der Wertschöpfungskette. Ein Maschinenbauer, der seine Geräte vernetzt und das Ergebnis als Service anbietet, trägt beispielsweise zusätz­liche Risiken. Der Kunde muss nun nicht mehr die Services und Instandhaltungsarbeiten übernehmen, sondern dies liegt in der Verantwortlichkeit des Herstellers. Um diesen Service anbieten zu können, muss dieser auch Kompetenzen und Personal aufbauen.
com! professional: Gibt es Branchen, die besonders von der Servitization betroffen sind?
Schulte: Maschinen und Anlagenbau zählen zu den Vorreitern. Aber diese Entwicklung betrifft alle Hersteller von Produkten und Gütern, die einen gewissen Wert haben.
com! professional: Welche Rolle spielen IoT und Smart Services für die Servitization?
Schulte: Aus unserer Sicht steckt in der Einbindung des Internet auf Things in die Produkte sehr viel Musik drin. Das IoT ist ein Kernelement, das die Servitization heute erst konsequent ermöglicht. Dass die Produkte vernetzt sind, dass sie eine gewisse Intelligenz mitbringen, ist letztlich eine Voraussetzung, um innovative Servicekonzepte zu verwirklichen. Unsere IoT-Studie hat allerdings ergeben, dass viele Unternehmen das Potenzial noch nicht vollständig erkannt haben. Sie setzen IoT zwar ein, aber vor allem zur internen Optimierung von Prozessen und Abläufen. Für die Weiterentwicklung ihrer Produkte und die Etablierung von Services, die dem Kunden Mehrwerte bieten und neue Umsatzquellen erschließen, wird IoT noch kaum genutzt. Ich würde mir wünschen, dass Unternehmen auch diesen nächsten Schritt machen.
com! professional: Auf was sollten Unternehmen besonders achten, wenn sie Produkte in Services transformieren?
Schulte: Der Transformationsprozess umfasst zahlreiche wich­tige Punkte. Zum einen muss im Fall der Service-Ergänzung die Produkt-Hardware weiterentwickelt, mit Sensoren ausgestattet und vernetzt und intelligent werden. Dann sollte man sich überlegen, welchen Mehrwert die Daten entwickeln, die das Produkt erzeugt, und welche Services man darauf aufsetzen will. Wenn dann das Service-Konzept steht, ist natürlich auch Personal notwendig, um es umzusetzen.
Auch für den Vertrieb ist die Servitization eine Umstellung, denn es macht einen Unterschied, ob ich ein Produkt vertreibe oder eine Dienstleistung. Aber ich bin überzeugt, dass sich Unternehmen, die die Transformation frühzeitig angehen, vom Wettbewerb deutlich differenzieren können.

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