Business-IT
07.11.2017
Saturn geht neue Wege
1. Teil: „Der Point of Sale von morgen ist digital“

Der Point of Sale von morgen ist digital

Digital Point of SaleDigital Point of SaleDigital Point of Sale
Neirfy / shutterstock.com
Im Saturn in Ingolstadt helfen Roboter, fliegen Drohnen und fahren digitale Achterbahnen. Trotz der digitalen Helfer sind kompetente Fachbetreuer unabdingbar.
  • Der Marktleiter von Saturn in Ingolstadt Dirk Huffert zeigt den Verkaufsroboter Paul
Hallo! Ich bin Paul. Darf ich Ihnen weiterhelfen?“ Im Eingangsbereich des Saturn-Markts im Ingolstädter Gewerbegebiet Am Westpark rollt ein schlanker, weißer Roboter mit freundlichen Digitalaugen im runden Display auf eine Kundin zu. „Suchen Sie ein bestimmtes Produkt?“ Die angesprochene Kundin kichert und teilt Paul mit, dass sie eine Surround-Anlage sucht. „Okay, Sie suchen also eine Solaranlage“, antwortet Paul. „Habe ich das richtig verstanden?“ Die Kundin nimmt den Lapsus mit Humor und lässt sich nach einigem Hin und Her von Paul in die TV-Abteilung führen, obwohl sie eigentlich gar keinen Fernseher sucht – als würde sie es nicht übers Herz bringen, den dienstbeflissenen Roboter einfach stehen zu lassen.
Szenen wie diese beobachtet Dirk Huffert, Geschäftsführer des Saturn in Ingolstadt, fast täglich, seit Paul zu seinen Mitarbeitern zählt. „Unsere Kunden, vom Kind bis zum Rentner, bleiben bei ihm stehen und interagieren mit ihm, manche bis zu einer halben Stunde lang“, erzählt er. „Manche Menschen kommen sogar gezielt in den Laden, um Paul ihren Freunden vorzustellen.“

Digitale PoS-Technologien

Der elegante Roboter, ein umgebauter Pflegeroboter, der vom Fraunhofer-Institut für den Betrieb am Point of Sale (PoS) ständig weiterentwickelt wird, ist in erster Linie ein Hingucker, der bei den Kunden positive Emotionen auslöst. Davon, eine wirkliche Hilfe im Verkauf zu sein, ist er noch weit entfernt – und das nicht nur wegen der eher mangelhaften Sprach­erkennung. Bisher kann er Kunden in die verschiedenen Abteilungen führen, ohne dabei mit Regalen oder Menschen zusammenzustoßen, und auf dem Weg dorthin Hinweise zu verschiedenen Produkten geben. Vor Ort ruft er auf Wunsch via VoIP einen Berater zu sich, der den Kunden dann übernimmt.
  • Im Smart-Home-Studio wird gezeigt, was Lösungen für das vernetzte Zuhause heute schon können.
„Langfristig ist auch eine Bedarfsanalyse vorstellbar“, orakelt Huffert. „Dann könnte Paul in einem Gespräch mit dem Kunden klassische Einstiegsfragen abklopfen und dadurch bereits eine Vorauswahl an passenden Produkten treffen – und diese Informationen dann an einen menschlichen Berater weitergeben.“ Ersetzen soll er die menschlichen Verkaufsberater allerdings nicht, betont der Marktleiter. „Beratung ist Menschensache.“
Paul ist nur einer von vielen innovativen PoS-Ansätzen, die Saturn im Ingolstädter Markt testet. Manche sind eher unspektakulär, bringen aber viel in Sachen Effizienzsteigerung, etwa die elektronischen Preisschilder. Dadurch müssen die Mitarbeiter nicht mehr mit Schere und Papier durch den Markt laufen und haben mehr Zeit für die Beratung.
Andere Initiativen werfen das klassische Verkaufskonzept von Saturn über den Haufen. Beispielsweise das Smart-Home-Studio: In einer Ecke des Markts ist hier ein gemütliches Wohnzimmer eingerichtet, das von der Musikanlage bis zum Rollladen voll vernetzt ist. Per Knopfdruck kann der Kunde ausprobieren, was ein smartes Haus aus dem Auftrag „Partystimmung“ oder „Längere Abwesenheit“ macht. Welche Produkte hier verbaut sind, erfährt der Kunde erst im zweiten Schritt.
„Durch die komplexen neuen Themen ändert sich die Art, wie wir verkaufen“, erklärt Huffert. „Weg vom Produkt, hin zur Lösung. Hier gibt es noch keine Standardverkaufslösung. Deshalb entwickeln wir sie selbst.“
2. Teil: „Erlebniseinkauf“

Erlebniseinkauf

  • Virtuelle Realität: Vier verschiedene VR-Brillen können die Kunden im Ingolstädter Saturn selbst ausprobieren.
Ein anderer Schwerpunkt für den Einsatz neuer PoS-Technologien ist das Thema Erlebniseinkauf. Neue Gadgets und Technologien sollen für den Kunden erlebbar werden. Im Drohnenflug-Käfig dürfen die Besucher beispielsweise selbst zur Steuerung greifen und unter Anleitung eines Mitarbeiters die Wendigkeit der kleinen Quadcopter testen. In der Samsung-Area sind alle aktuellen Smartphones des Herstellers vollständig eingerichtet und vernetzt aus­gestellt.
Und vier verschiedene VR-Brillen-Modelle können live ausprobiert werden: Mit der Samsung Gear und einem passenden Erlebnisstuhl wartet eine virtuelle Achterbahn auf die Kunden, mit der Oculus Rift oder der ­Sony PS4 erleben sie die Begegnung mit ­einem Tyrannosaurus Rex und mit der HTC Vive und einem passenden Controller können sie ihr Geschick mit dem virtuellen Schwert als „Fruit Ninja“ unter Beweis stellen.
Auch in der Abteilung für Weißware ist Erlebnis angesagt, zum Beispiel in der Showküche oder an der Nespresso-Bar. „Das Erlebnis mit dem Produkt steht im Vordergrund“, so Huffert, „nicht unbedingt das Produkt selbst.“
  • Vielseitig: Der Roboter namens Nao gibt Produkt-Infos, schätzt das Alter der Kunden - und kann tanzen.
Klar, dass in diesen Erlebniszentren vor allem am Wochenende viel los ist. Vor den VR-Stationen stehen schon mal die Jugendlichen Schlange, erzählt ein Mitarbeiter. Kompetente Fachbetreuung ist da unabdingbar; schließlich kann man Kunden mit einer VR-Brille auf der Nase nicht einfach unbeaufsichtigt durch den Markt stolpern lassen.

Externe Partner

Trotzdem hält sich der zusätzliche Aufwand für die digitalen Services und Spielereien in Grenzen, meint der Marktleiter. „Wir arbeiten mit vielen externen Partnern zusammen, die die Wartung der Geräte übernehmen – teils per Fernwartung“, erklärt Huffert. „Da kommt es sehr auf eine gute und straffe Organisation an.“ Und er beantwortet auch gleich noch die Frage, die all seine Kollegen stellen, die nach Ingolstadt kommen, um sich den Saturn-eigenen Showroom für PoS-Technologien selbst anzuschauen: „In Relation zum Umsatz haben wir nicht deutlich mehr Mitarbeiter als andere Märkte. Und angesichts der Emo­tionen, die unsere Digitalisierungsthemen beim Kunden auslösen, stimmt der Kosten-Nutzen-Aufwand auf jeden Fall.“

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