Internet
18.07.2019
Payment-Modelle
1. Teil: „Die Paywall verdrängt die Gratiskultur“

Die Paywall verdrängt die Gratiskultur

Tablet, Smartphone und Zeitung mit NewsTablet, Smartphone und Zeitung mit NewsTablet, Smartphone und Zeitung mit News
Oleksiy Mark / shutterstock.com
Anbietern stehen im Internet eine Reihe unterschiedlicher Bezahlmodelle zur Verfügung. Die Bandbreite reicht von komplett kostenpflichtigen Angeboten bis hin zu spendenbasierten Modellen.
  • Zeitungsportale Deutschland 2019: Die überwiegende Zahl bevorzugen das Freemium-Modell für Paid Content, bei dem die Redaktionen entscheiden, welche Artikel kostenlos oder kostenpflichtig gelesen werden können.
    Quelle:
    Statista (Februar 2019) *zum Beispiel Spenden-Modelle
Für Internet-Content zu bezahlen wird alltäglich. War es bis vor wenigen Jahren kaum üblich, für Netz-Services Geld auszugeben, hat sich der Wind inzwischen gedreht. Streaming-Dienste wie Netflix und Spotify und App-Stores wie die von Apple und Google haben Internetnutzer an das Bezahlen von Digitalinhalten herangeführt. Die kleinen Beträge für Musik, Filme oder Software aus dem Netz fallen nicht groß ins Gewicht und schmälern den Geldbeutel kaum. Entsprechend bereitwillig fällt die Entscheidung für einen kostenpflichtigen Download oder ein Abonnement - und entsprechend selbstverständlich wird das Bezahlen für Content.
Solche Subscription-Modelle stehen laut der Studie „Paid Content in Deutschland“ der Hochschule Fresenius und des Hamburger DCI Institute „hoch im Kurs“: Die Dominanz dieser Plattformen - die insgesamt zu den beliebtesten Paid-Content-Anbietern auf dem deutschen Markt zählen - sorgt allgemein für eine höhere Akzeptanz der Subscription-Modelle und hat einen regelrechten Netflix- und Spotify-Effekt ausgelöst, heißt es in der Studie.
Spotify als Pionier beim Abonnement von Musik-Streaming hat bereits 85 Millionen Abonnenten. Die Netflix-Zahlen boomen ebenfalls. Aber nicht nur Netflix und Spotify agieren mit Subscription-Services sehr erfolgreich. Ähnliches gilt für Amazon und Adobe. Amazon führte vor einigen Jahren den Prime Delivery Service ein, bei dem Kunden zu einem festen Betrag das ganze Jahr über kostenfreie und bevorzugte Lieferungen in Anspruch nehmen können.
Adobe konnte 2012 mit der Umstellung vom CD-Verkauf auf Abo-Services seinen Umsatzrückgang abfangen. Mit der Transformation in ein Abo-Modell beziehen Nutzer Adobe-Programme wie Photoshop nun per Jahresabo über die Cloud. Dieser Wechsel zu einem Subscription-Modell war für Adobe ein Durchbruch. Der Nettogewinn des Unternehmens stieg in den letzten fünf Jahren deutlich.

Hoffnungsträger

Von diesen Payment-Vorreitern profitieren allmählich auch die traditionellen Medienhäuser und Verlage - bis dato eher Verlierer als Gewinner der digitalen Umwälzung. Sie kämpfen schon seit zwei Jahrzehnten mit der verbreiteten Gratis-Kultur und dem Problem der Finanzierung von Online-Inhalten: „Der Aufstieg der Online-Medien in den frühen Nullerjahren hat eine Unkultur des kostenfreien Medienkonsums mit sich gebracht. Darunter leiden die klassischen Zeitungs- und Magazinverlage bis heute“, sagt Werner Ballhaus, Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei PwC Deutschland. PwC hat jüngst  eine Umfrage zu dem Thema veröffentlicht.
Ursprünglich verkauften die Redaktionen Anzeigenflächen, um ihre aufwendige Arbeit zu finanzieren. Das funktionierte anfangs, wurde mit der Zeit aber immer schwieriger. Das Überangebot an Werbeträgern im Internet führte dazu, dass Anzeigen in Online-Medien zunehmend günstiger wurden - die Einnahmen bröckelten. Programme und Plug-ins wie Adblocker taten ihr Übriges: Damit konnten immer mehr Nutzer unerwünschte Werbung blockieren - ein Desaster für werbefinanzierte Inhalte.
Seit einiger Zeit nun experimentieren die Verlage mit Bezahlmodellen. Mit guten Aussichten. Fast 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen haben für Online-Inhalte von Zeitungen oder Magazinen schon einmal Geld ausgegeben, heißt es in der erwähnten PwC-Umfrage. Weitere 20 Prozent sind zumindest grundsätzlich bereit dazu. Besonders hoch ist die Zahlungsbereitschaft unter den 30- bis 39-Jährigen.
Den Grund für diese Entwicklung sieht PwC-Experte Ballhaus darin, dass jüngere Leser mit der Erkenntnis aufwachsen, guter Journalismus sei eben nicht kostenlos zu haben. Ein weiterer Faktor: Die Generation Smartphone ist anders als die Generation Internet daran gewöhnt, für nicht physische Produkte zu bezahlen. „Wer ein Streaming-Abo hat, findet es womöglich ganz normal, sich auch ein digitales Magazin-Abo zu leisten oder per App einzelne Artikel kostenpflichtig herunterzuladen“, so Werner Ballhaus.
Ähnliche Trends hat auch die Studie „Paid Content in Deutschland“ festgestellt. Ihr zufolge haben bereits 17,6 Prozent der Deutschen für digitale Inhalte und Services bezahlt. Anders als die PwC-Umfrage attestiert das DCI Institute auch älteren Nutzergruppen eine hohe Zahlungsbereitschaft - allerdings nur für Fachinformationen. Jüngere sind hingegen eher bereit, für Musik, Filme und Games Geld auszugeben.
Doch ganz gleich, welche Nutzergruppe für welche Dienste bezahlen will: „Die Zahlungsbereitschaft und die tatsächliche Nutzung von Paid Services wird weiter steigen“, erklärt Christian Hoffmeister, Geschäftsführer des DCI Institute. „Die Barrieren, Inhalte zu kaufen, sinken - sowohl die psychologischen als auch die technischen. Es gibt nicht mehr wirklich Vor­behalte gegen Bezahlmodelle.“ Der Glaubenssatz, im Internet sei alles kostenlos, ist längst passé, meint Hoffmeister.
2. Teil: „Paywalls im Aufwind“

Paywalls im Aufwind

Die faktische Verbreitung von Internet-Paywalls untermauert diese Einschätzungen. Basierend auf einer Stichprobe von etwa 200 Nachrichten-Webseiten stellte das Reuters In­stitute for the Study of Journalism der Universität Oxford fest, dass in sechs europäischen Ländern rund 69 Prozent aller Zeitungen mittlerweile eine Paywall auf ihren Webseiten eingeführt haben.
In Deutschland ist die Verbreitung noch nicht so groß, doch auch hier zeigt die Tendenz klar in Richtung Paid Content. 80 Prozent der Verlage sehen laut einer Studie des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) „eine hohe bis existenzielle Relevanz“ im Aufbau neuer Paid-Content-Angebote. Aktuell listet der BDZV 698 deutsche Zeitungs-Websites, von denen mehr als ein Drittel Bezahlmodelle nutzen.
Besonders renommierte Zeitungen mit hochwertigen Inhalten sind bereits erfolgreich. Um nur ein Beispiel zu nennen: Das digitale Bezahlangebot der Tageszeitung „Die Welt“ erreichte im April 2019 nach IVW Paid Content 100.702 Kunden. Das entspricht einem Zuwachs von rund 26 Prozent und über 20.000 Abonnenten im Vergleich zum April 2018. „Der zahlende Leser steht bei uns im Mittelpunkt - und diese Strategie geht auf“, sagt Tobias Henning, General Manager Premium Bildplus und Weltplus.
Im Zuge des Erfolgs der Streaming-Portale und der allgemeinen Digitalisierung werden sogenannte Soft Subscrition Services immer bedeutsamer. Sie entsprechen im Prinzip dem klassischen Abo, die digitale Variante lässt dem Kunden aber mehr Freiheiten bei den Lieferintervallen, den Kündigungsfristen und den Laufzeiten als das klassische Abonnement.
Die wichtigsten Payment-Konzepte
Harte Paywall: Hier stehen dem Nutzer Inhalte nur nach Entrichtung einer Gebühr oder dem Abschluss eines Abonnements zur Verfügung. Laut dem Statistik-Portal Statista setzen lediglich 18 deutsche Portale auf eine harte Schranke - zum Beispiel das „Handelsblatt“ (Stand Februar 2019). Das Modell kommt selten zum Einsatz, weil die Gefahr besteht, Kunden und Traffic zu verlieren. In Nischenbereichen und ausgewählten Fachmedien scheint eine Hard Paywall aber Erfolgschancen zu haben, weil die Informationen nicht einfach und kostenlos an einem anderen Ort bereitstehen.
Freemium: Deutlich beliebter bei Content-Anbietern als die Totalsperre ist das Freemium-Konzept - die Bezeichnung ist ein Kunstwort aus Free und Premium. Freemium teilt Inhalte in ein kostenfreies Basisangebot und einen kostenpflichtigen Premium-Bereich. Der kostenlose Teil soll möglichst viele Kunden überzeugen, für Erweiterungen zu bezahlen.
Beim Erfinder des Konzepts, dem Risikoinvestor Fred Wilson, klingt dies so: „Du sollst deinen Dienst gratis anbieten, möglicherweise mit Werbeeinblendungen. Auf effiziente Weise sollst du zahlreiche Kunden gewinnen. Anschließend ist es ratsam, deinem Kundenstamm gegen ein Entgelt Zusatzleistungen oder eine erweiterte Version des Dienstes anzubieten.“
Freemium wird im Medienbereich sehr häufig genutzt, weil das Risiko des Verlusts von Lesern oder Traffic im Vergleich zur harten Bezahlschranke deutlich geringer ist. Das Modell ist auch außerhalb der Verlage sehr beliebt. Viele Internetfirmen wie Skype, Flickr, der TV-Dienstleister Waipu oder Xing, aber auch Software-Hersteller wie Adobe und Microsoft setzen auf Freemium. Im Gaming-Segment sollen 95 Prozent der App-Store-Umsätze durch Freemium-Angebote erzielt werden.
Kostenpflichtige Add-ons sind dabei beispielsweise verkürzte Wartezeiten, Goodies oder zusätzliche Levels und Leben innerhalb des Spiels.
Metered Paywall: Diese Bezahlvariante wird im Medienbereich nach dem Freemium-Modell am häufigsten genutzt. Dabei kann ein Nutzer einen bestimmten Umfang von Internetangeboten wie Zeitschriften-Artikeln kostenlos konsumieren. Wird diese Grenze überschritten, wird der Nutzer zu einer Zahlung aufgefordert. Die Metered Paywall gibt es in mehreren Varianten. Manche Anbieter begrenzen etwa die Nutzung zeitlich. Danach wird der User aufgefordert, sich kostenlos zu registrieren, um weitere Inhalte nutzen zu können. Oft gibt es noch ein weiteres Budget für den kostenlosen Konsum, ehe der Nutzer einen Premium-Zugang kaufen muss.
Das Metered-Modell wird laut BDZV derzeit von 22 Prozent der Zeitungen als Bezahlmodell eingesetzt - darunter „Rheinische Post“, „Welt“ und viele kleinere Zeitungen. Das Portal Netzstrategen.com hat anhand einer Stichprobe gezeigt, dass bei einer Metered Paywall im Zeitungsbereich durchschnittlich 13,3 Artikel pro Monat kostenlos sind.
Social Payment: Dieses Spendenmodell setzt auf die freiwillige Unterstützung der Nutzer. Bei diesem Konzept können die Konsumenten selbst entscheiden, ob und wie viel sie für den Service beziehungsweise den Inhalt bezahlen möchten. Social Payment ist also streng genommen keine Bezahlschranke. Es ist eher ein Versuch, den Content so zu finanzieren, dass er mit den Ideen eines freien Internets und dem Anspruch auf freie Informationen in Einklang steht.
Im kommerziellen Bereich ist das Spendenmodell nur selten zu finden. Von den großen Medien setzt im deutschen Sprachraum allein die „taz“ auf Social Payment. Im Jahr 2011 wurde unter der Bezeichnung „taz-zahl-ich“ ein Modell eingeführt, bei dem der Leser aufgefordert wird, freiwillig einen Betrag zu überweisen - je Artikel, einmalig oder auch regelmäßig. Laut einer im Internet einsehbaren Statistik gingen auf das taz-zahl-ich-Konto 2018 regelmäßig um die 70.000 Euro pro Monat ein. Die taz gilt wegen ihrer engagierten, gebildeten Leserschaft allerdings als Ausnahme.
Hybrid: Das Hybrid-Modell nutzt eine Kombination aus zwei oder mehr Paywall-Verfahren, um deren jeweiligen Nachteile möglichst zu minimieren und die Vorteile beizubehalten. In der Praxis findet sich meist die Verbindung von Freemium und Metered, das heißt, neben dem stets kostenfreien Basis-Bereich gibt es einen kostenpflichtigen Bereich, auf den teils ein kostenfreier Zugriff möglich ist, der über Bedingungen wie Anzahl von Beiträgen oder Dauer der Nutzung gesteuert wird. 
3. Teil: „Fünf Modelle“

Fünf Modelle

  • Quelle:
    IVW Paid Content
Die Frage, ob sich die Bezahlschranken senken werden, kann also eindeutig mit Ja beantwortet werden.
Weniger eindeutig ist, welches Modell für welchen Content oder Anbieter am besten geeignet ist. Aktuell sind fünf Bezahlmodelle unterschiedlicher Härte Standard:
  • Harte Paywall: Sämtliche Inhalte sind kosten­pflichtig
  • Freemium: Inhalte sind teils gratis, teils kostenpflichtig
  • Metered Paywall: Bis zu einer Grenze sind Inhalte gratis
  • Social Payment: Nutzer spenden beliebigen Betrag
  • Hybrid: Kombination aus verschiedenen Paywall-Modellen, meist Freemium und Metered
Die rigideste Form ist die harte Bezahlschranke, bei der alle Inhalte kostenpflichtig sind und erst nach Entrichtung einer Gebühr oder Abschluss eines Abos zur Verfügung stehen. Laut dem Statistik-Portal Statista setzten im Februar dieses Jahres nur 18 deutsche Portale auf eine harte Schranke - darunter das „Handelsblatt“. Dieses Modell kommt selten zum Einsatz, weil die Gefahr besteht, Kunden und Traffic einzu­büßen. Die Website der Londoner Tageszeitung „The Times“ etwa verlor 2010 nach Einführung der harten Paywall gut zwei Drittel ihrer Leser. Die Internetzeitung „The Daily“ musste aufgrund mangelnder Akzeptanz sogar eingestellt werden. Eine Studie von UKOM/Nielsen-Marktforschern im Auftrag der Zeitschrift „Marketing“ ergab damals, dass sich auch die Leser, die sich ein Online-Abo hätten leisten können, allein durch den nötigen Registrierungsprozess von der Nutzung der Website abhalten ließen. Das sei, so die Zeitschrift, für die Werbekunden nachteilig, weil diese gerade hinter einer Paywall eine Mindestzahl wohlhabender Kunden ansprechen möchten. Dennoch: In Nischenbereichen und ausgewählten Fachmedien scheint eine Hard Paywall bessere Erfolgschancen zu haben, weil die Informationen nicht so einfach und gratis woanders konsumiert werden können.

Von jedem etwas

  • Z+: „Die Zeit“ setzt auf eine Kombination aus Freemium-, Metered. und Log-in-Modellen..
    Quelle:
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Beim hybriden Modell werden verschiedene Bezahlmodelle miteinander kombiniert - meistens das Freemium- mit dem Metered-Modell. Einige Medienanbieter experimentieren gerade mit dieser Bezahlvariante. Die „New York Times“ etwa bietet ihren Usern ein gestaffeltes Digital-Abo an: eine Basisvariante, einen erweiterten Zugriff sowie eine Luxusvariante mit der Möglichkeit, auf den kompletten Content unter Nytimes.com zuzugreifen - samt Archiv der alten Print-Ausgaben. Ähnliche Varianten bieten „The Economist“ und „Le Monde“.
In Deutschland setzt „Zeit Online“ auf ein hybrides Modell, das sich „Z+“ nennt - eine Kombination aus Freemium-, Metered- und Log-in-Modellen. Dabei werden alle Artikel aus der „Zeit“-Printausgabe auf „Zeit Online“ gehievt. 90 Prozent dieser Beiträge sind mit einem grauen „Z+“ gekennzeichnet. Wer sie lesen will, muss nichts bezahlen, nur seine Daten hinterlegen. Die Top-Angebote markiert ein rotes „Z+“. Sie kann nur lesen, wer Abonnent ist oder ein Probe-Abo abschließt. Seit dem Start von Z+ im Frühjahr 2017 verzeichnet „Zeit Online“ 600.000 bestätigte Registrierungen und 75.000 Probe-Abos, die sowohl über exklusive Inhalte für Abonnenten als auch über registrierungspflichtige Inhalte generiert wurden. Insgesamt liegt die bezahlte Digitalauflage laut Verlag jetzt bei über 100.000 Exemplaren.
4. Teil: „JavaScript und Dienstleister“

JavaScript und Dienstleister

  • Überblick: Der BDZV listet alle deutschen Tageszeitungen mit Bezahlschranke, Bezahlmodell und Abrechnungsmodus auf.
    Quelle:
    com! professional / Screenshot
Die technische Realisierung von Paywalls erfolgt in der Regel mit JavaScript und Modulen der eingesetzten Content-Management-Systeme. Wie viele Artikel jemand bereits gelesen hat - relevant beim Metered Payment -  wird meist mit Hilfe von JavaScript und Cookies getrackt. Nach einer Registrierung greift das jeweilige Bezahlsystem des Anbieters, das idealerweise mit der Paywall und den angeschlossenen Prozessen kompatibel ist. Möglich sind unter anderem Micropayments, Mobile Payments oder Bezahldienste wie PayPal.
In Deutschland nutzen Medienanbieter meist die Dienste etablierter Paywall-Services, die wenigsten entwickeln selbst eine Bezahlfunktion. „Die meisten Verlage arbeiten mit spezialisierten Dienstleistern zusammen, die entsprechende Lösungen zur Verfügung stellen“, sagt Holger Kansky, Leiter Digitales beim BVDZ. „Das sind beispielsweise Piano, CeleraOne, LaterPay, Vi&Va oder InterRed“.
Fullservice-Provider bieten mehr als die Verwaltung und Abrechnung von Verträgen. Sie übernehmen oft auch Aufgaben wie die Berechnung anfallender Steuern, was im Bereich Digital-Content bis zur automatischen Abführung der Steuer ans Finanzamt reichen kann. Zudem gibt es Anbieter, die eigene Payment-Gateways betreiben, also die Funktion des Payment-Service-Providers übernehmen, sowie eine auf Abo-Commerce ausgerichtete E-Commerce-Plattform bereitstellen. Dazu gehören etwa Dienstleister wie Billwerk aus Deutschland, Cleverbridge, Digital River, Recurly oder Paymentwall. Die Anbindung an die Systeme des Content-Anbieters erfolgt über eine Software-Schnittstelle, die API, oder über Bibliotheken, die eine Integration von Funktionalitäten direkt in der eigenen E-Commerce-Site ermöglichen.

Fazit & Ausblick

Die zentrale Frage ist: Wie lässt sich der Umstieg auf Paid Content meistern? Den klassischen Content einfach bezahlpflichtig zu machen, dürfte wenig erfolgreich sein - zumindest wenn der Anbieter kein Alleinstellungsmerkmal oder Premium-Produkt hat. „Vertriebserlöse nach dem alten Prinzip zu organisieren, ist zum Scheitern verurteilt“, meint Christian Hoffmeister vom DCI Institute. Wer erfolgreich auf Paid Content umsteigen wolle, solle das konsequent tun. Seine Empfehlung: nicht in Paywalls denken, sondern in Dienstleistungen, die für die Nutzer einen Mehrwert bringen und die dauerhaft verwendet werden können. „Sieht man sich die erfolgreichen Player am Markt bezahlter Medieninhalte an wie Spotify oder Netflix, dann verzichten diese bewusst auf die Differenzierung von kostenlosen und kostenpflichtigen Inhalten. Sie setzen ganz auf bezahlte Funktionen.“
Nutzer sollten schrittweise an Bezahlinhalte herangeführt werden. „Zuerst sollten zentrale Log-in-Modelle etabliert werden, dann Services entwickelt und getestet werden - ohne vorher schon zu glauben, man wüsste, welche Inhalte und Services funktionieren werden.“ Dazu muss man viel ausprobieren. Hoffmeisters Favorit ist das Freemium-Modell, jedoch nicht ohne Anmeldung. Erst durch eine Anmeldung könne eine zielgerichtete Konvertierung der Nutzer in Premiummodelle erfolgen.
Tabelle:

5. Teil: „Im Gespräch mit Holger Kansky vom BDZV“

Im Gespräch mit Holger Kansky vom BDZV

Zum Etablieren einer werbefinanzierten Gratiskultur im Internet haben nicht zuletzt Verlage wesentlich beigetragen. Seit einigen Jahren versuchen sie, diesen Fehler wieder zu korrigieren, wie Holger Kansky, Leiter Digitales beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, berichtet.
  • Holger Kansky: Leiter Digitales beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger
    Quelle:
    BVDW
com! professional: Laut Umfragen werden digitale Bezahlmodelle zunehmend akzeptiert. Welche Bedeutung hat Paid Content im Medienbereich aktuell schon gewonnen?
Holger Kansky: Paid Content ist ein großes Thema. Bezahlmodelle wurden bei den Zeitungsverlagen seit 2012 auf breiter Basis eingeführt. Vorher gab es immer mal Wellen: In Zeiten, in denen sich der Werbemarkt negativ entwickelte, führten einige Verlage Bezahl­modelle ein. Zogen die Märkte wieder an, wurden die Inhalte wieder freigegeben, um Reichweite und Werbeeinnahmen zu erzielen. Derzeit zählen wir 229 Bezahlangebote von deutschen Zeitungs-Websites, mehr als ein Drittel aller Zeitungsportale.
com! professional: Welche Modelle haben das meiste Potenzial?
Kansky: Das lässt sich nicht generalisieren. Wir haben eine vielfältige, mittelstandsgeprägte Zeitungslandschaft mit überregionalen und regionalen Angeboten. Die Bedingungen in den einzelnen Regionen sind so unterschiedlich, dass man keinem Modell generell den Vorzug geben kann. Wir sehen aber, dass das Freemium-Modell bei den Regionalverlagen aktuell mit 54 Prozent das populärste ist. Danach folgt das Metered-Modell mit 21 Prozent. Am schnellsten wächst derzeit das Hybrid-Modell, das die Mechaniken des Freemium-Modells mit dem Metered-Modell kombiniert. Der Anteil liegt bei 13 Prozent. Auf den nächsten Plätzen folgen die harte Paywall, bei der alle Inhalte verschlossen sind, und das Spendenmodell (bei wenigen, eher linken Zeitungen wie „taz“ oder „Neues Deutschland“).
com! professional: Was sollten Medienhäuser bei der Einführung von Payment-Modellen grundsätzlich beachten?
Kansky: Auch hier gibt es nicht den einen richtigen Weg für alle.  Die Verantwortlichen sollten den Markt analysieren, Experimente machen und viel testen, was am besten funktioniert. Bei großer Konkurrenz müssen sie aufpassen, dass sie mit der Einführung von Bezahlinhalten Wettbewerbern keinen Vorteil verschaffen. Grundsätzlich ist die Umstellung auf Bezahlinhalte ein größeres Projekt, bei dem möglichst viele Abteilungen eingebunden werden sollten, weil die Einführung sich auf alle Abteilungen auswirkt.
com! professional: Beeinflusst Paid Content die redaktionelle Arbeit und inhaltliche Ausrichtung?
Kansky: Unbedingt. Viele Verlage haben mittlerweile einen Artikel-Score etabliert. Dabei wird nicht mehr allein auf Basis der Klickzahlen oder dem „Bauchgefühl“ des Chefredakteurs entschieden, welche Inhalte wie ausgespielt werden. Vielmehr wird auf Basis von Daten entschieden, indem gemessen wird, wie viele Klicks der Content erzielt, wie viel Zeit der Nutzer zum Lesen des Artikels verwendet, wie weit er herun­ter­scrollt, ob er den Artikel teilt und ob ein Abo abgeschlossen wird. Solche Fragen werden in einem Artikel-Score zusammengefasst und gewichtet. Diese Erfolgskennzahlen beeinflussen immer stärker die inhaltliche Arbeit in den Redaktionen, in denen Bezahlangebote im Einsatz sind.
com! professional: Führt das auch zu einer zunehmenden Personalisierung?
Kansky: Ja, ein Angebot für alle - das ist immer weniger zielführend. Die digitalen Angebote der Verlage werden immer stärker personalisiert. Einem Nutzer, der Sport bevorzugt, werden auf der Webseite schon an oberster Stelle Sportinhalte präsentiert. Dabei wird aber kein Inhalt unterschlagen, sondern die häufig genutzten Inhalte werden einfacher und direkter zugänglich gemacht. Verlage mit Paid-Content-Angeboten stellen auch immer häufiger Datenspezialisten ein und orientieren sich an skandinavischen Medienhäusern, die in Sachen Paid Content vorbild­liche Pionierarbeit geleistet haben.
com! professional: Regeln die Medienhäuser die technische Umsetzung selbst oder greifen sie auf Dienstleister zurück?
Kansky: Die meisten Verlage arbeiten mit spezialisierten Dienstleistern zusammen, die entsprechende Lösungen zur Verfügung stellen. Das sind beispielsweise Piano, CeleraOne, LaterPay, Vi&Va oder InterRed. Bei der Bezahlung bieten die Verlage ihren Kunden in der Regel verschiedene Möglichkeiten an.

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