03.11.2017
Das Ende des Ablasshandels
1. Teil: „Neue Konzepte für eine nachhaltige Logistik“
Neue Konzepte für eine nachhaltige Logistik
Autor: Bärbel Edel
Deutsche Post DHL
Der Lieferverkehr und die dadurch erzeugten Abgase machen deutschen Innenstädten zu schaffen. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge drohen. Paketdienste setzen deshalb auf neue Konzepte.
Zustelldienste wie DHL, Hermes, DPD, UPS oder GLS stecken in einem Dilemma: Durch den boomenden Online-Handel wächst die Menge der Pakete, die täglich ausgeliefert werden muss. Im Jahr 2000 stellten Paketdienste nach einer Erhebung des Bundesverbands für Paket- und Expresslogistik in Deutschland 1,7 Milliarden Sendungen zu. Im Jahr 2016 waren es bereits 3.2 Milliarden Sendungen. Zusätzlich machen Angebote wie Same-Day-Delivery, Zustellung zum Wunschtermin oder gar One-Hour-Delivery die Touren komplizierter - vor allem in den Städten, die sowieso vor dem Verkehrskollaps stehen. Und gerade dort drohen jetzt auch noch Diesel-Fahrverbote.
Ausgleich ist moderner Ablasshandel
Bis dato erfolgte Klimaschutz bei den Paketdiensten in erster Linie über den Ausgleich von CO2-Emissionen. Wirbt ein Unternehmen mit "klimaneutralem Versand" muss das nicht zwangsläufig heißen, dass beim Transport kein Kohlenstoffdioxid anfällt. Es kann auch bedeuten, dass der CO2-Ausstoß vor Ort durch Klimaschutzprojekte - meist anderswo auf der Welt - kompensiert wird. Bei dem Programm "GoGreen" von DHL etwa können Kunden für einen Aufpreis von netto zwei Cent pro Paket die transportbedingten CO2-Emissionen über Klimaschutzprojekte ausgleichen. DHL fördert zum Beispiel Wiederaufforstungsprojekte in Panama und Uganda oder Haushalt-Biogasanlagen in China. Mehr Bäume in Panama sorgen aber nicht für weniger Schadstoffe in München, Berlin oder Stuttgart - dort verpesten Stickoxide aus Diesel-Auspuffrohren die Luft. Kritiker bezeichnen das Konzept der CO2-Kompensation deshalb gern als modernen Ablasshandel.
Kritiker bemängeln schlechte Ökobilanz
Angesichts der drohenden Diesel-Fahrverbote ist es mit einem Emissionsausgleich nicht mehr getan. Paketdienste müssen den Stickoxidausstoß ihrer Zustellfahrzeuge nachhaltig reduzieren, sonst dürfen sie irgendwann nicht mehr in die Innenstädte. Auch wenn Kritiker eine schlechte Ökobilanz bei der Herstellung der Akkus bemängeln, setzen Zustelldienste auf Elektrofahrzeuge, denn diese erzeugen vor Ort überhaupt keine Emissionen.
Die Deutsche Post DHL Group hat sich in Sachen Klimaschutz ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis zum Jahr 2050 will der Konzern alle logistikbezogenen Emissionen auf null reduzieren. Bereits heute betreibt das Unternehmen nach eigenen Angaben die größte Flotte an Elektrofahrzeugen in Deutschland. Dazu gehören rund 10.500 E-Bikes und E-Trikes sowie zurzeit circa 3.000 Street Scooter. Die von dem Logistikkonzern in Eigenregie entwickelten Elektrolieferwagen namens Street Scooter werden im Rahmen des Projekts "CO2-freie Zustellung" von Bundesumweltministerium finanziell gefördert. Zudem verkauft der Logistikkonzern sie mittlerweile auch an Drittunternehmen.
2. Teil: „DHL verkauft seine E-Vans auch an Drittfirmen“
DHL verkauft seine E-Vans auch an Drittfirmen
"Die große Nachfrage nach dem Street Scooter und unsere eigenen ehrgeizigen Klimaschutzziele haben uns darin bestärkt, unser Engagement im Bereich der Elektromobilität weiter auszubauen und unser Know-how auch anderen zur Verfügung zu stellen", so Jürgen Gerdes, Konzernvorstand Post, E-Commerce, Parcel von Deutsche Post DHL Group.
Wettbewerber Hermes hat ähnlich anspruchsvolle Ziele wie DHL. Dort heißt das Nachhaltigkeitsprogramm "We Do". Bis zum Jahr 2020 soll der CO2-Ausstoß in der Distribution um mindestens 30 Prozent, an den Standorten sogar um 50 Prozent reduziert werden. Im Frühjahr dieses Jahres hat Hermes eine strategische Partnerschaft mit Mercedes-Benz Vans geschlossen. Ab 2018 will Hermes sukzessive 1.500 Mercedes-Benz-Elektrotransporter für die Paketzustellung einsetzen. "Gemeinsam streben wir an, bis 2025 sämtliche Innenstadtbereiche der deutschen Großstädte zu 100 Prozent emissionsfrei zu beliefern - ein Meilenstein für die Zukunft der Paketlieferung in Deutschland", so Hanjo Schneider, Mitglied des Vorstands der Otto Group im Segment Services und Aufsichtsratsvorsitzender von Hermes Europe.
Diverse Projekte in den Kommunen
Auch in den betroffenen Kommunen selbst will man das Thema Nachhaltigkeit in der City-Logistik voranbringen. Im Juli 2017 startete in München das Projekt "City2Share". In drei Stadtvierteln hat UPS Mikrodepots aufgestellt. Von dort aus machen sich die Zusteller entweder zu Fuß oder per Lastenfahrrad auf den Weg zum Empfänger.
In der Nürnberger Südstadt sind die Paketboten von DPD ebenfalls mit dem Lastenfahrrad unterwegs. Drei E-Bikes hat der Paketdienst dort im Einsatz, jedes von ihnen kann bis zu 80 Pakete fassen. Auch hier werden die Sendungen in einem Mikro-Hub zwischengelagert.
Hannover will sogar "Modellregion für den Lieferverkehr der Zukunft" werden, wie Oberbürgermeister Stefan Schostok erklärt. Niedersachsens Landeshauptstadt hat das Modellprojekt "Urbane Logistik" ins Leben gerufen und will in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Logistikern effizientere und ressourcenschonendere Lösungen erschaffen. Bei der Entwicklung nachhaltiger Lieferkonzepte geht es nicht nur darum, Diesel-Transporter durch Transporter mit Elektroantrieb zu ersetzen. Neben E-Lastenrädern werden vielerorts neue Gefährte für die Paketbeförderung ausprobiert. In Göttingen beispielsweise testet Hermes ein Elektrodreirad des dänischen Herstellers Tripl für die Zustellung in der Innenstadt. Das Fahrzeug hat bis zu 100 Kilometer Reichweite und kann 40 bis 60 kleinere Sendungen transportieren.
3. Teil: „Optimierung der Touren zur Schadstoffreduzierung“
Optimierung der Touren zur Schadstoffreduzierung
Die Umstellung der Fahrzeugflotte auf Elektromobilität ist nicht der einzige Weg, den Logistiker gehen, um Schadstoffemissionen zu reduzieren. Intelligente Lösungen zur Optimierung der Touren und zur Reduzierung der Zustellversuche sollen generell für kürzere Wege sorgen und damit zur Entlastung der Innenstädte beitragen.
Berufstätige Privatkunden sind normalerweise nicht zu Hause, wenn der Paketbote klingelt. Um solche vergeblichen Zustellversuche zu vermeiden, setzt DPD auf Big Data und Predictive Analytics. Durch intelligente Analyse der Daten konnte der Paketdienst den Zeitpunkt der Zustellung auf eine Stunde genau eingrenzen. Mithilfe einer App können die Empfänger sehen, wann ihr Paket ankommt. Auch eine Umleitung der Sendung an einen Wunsch-Paket-Shop oder an einen Paketkasten ist via App möglich. Damit schlägt der Paketdienst zwei Fliegen mit einer Klappe: Er kommt seinen berufstätigen Kunden entgegen und vermeidet vergebliche Zustellversuche.
Würden Verbraucher mehr bezahlen?
In dieser Frage sind die Kunden gespalten: Nach einer Erhebung der Otto Group würden 41 Prozent der Verbraucher höhere Versandkosten für eine emissionsfreie Lieferung bezahlen. 43 Prozent sind jedoch nicht bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. Im Schnitt wäre den Befürwortern die nachhaltige Form der Zustellung 2,20 Euro extra wert.
Alexander Bartelt, Head of Corporate Responsibility bei Hermes Germany, ist dennoch skeptisch: "Die Erfahrung zeigt leider - oft klafft eine große Lücke zwischen der Absichtserklärung und der tatsächlichen Bereitschaft, für Nachhaltigkeit mehr Geld zu zahlen."
Weitere Maßnahmen zur CO2-Reduzierung
Elektromobilität ist nicht der einzige Weg, den Logistiker gehen, um CO2 zu reduzieren. Zwei Beispiele:
- Tourenoptimierung: Die Fahrer von UPS sollen auf ihrer Tour möglichst nur rechts abbiegen. Die unternehmenseigene Routenplanungssoftware vermeidet das Linksabbiegen wann immer möglich und gestaltet die Touren in Kreisbewegungen. Nach eigenen Berechnungen spart der Paketdienst durch diese Strategie im Jahr rund 38 Millionen Liter Kraftstoff und 20.000 Tonnen Kohlendioxid ein. Außerdem können rund 350.000 Pakete im Jahr mehr ausgefahren werden.
- Nachhaltige Logistikzentren: Hermes setzt bei der Planung neuer Gebäude auf innovative Heiz-, Licht- und Dämmtechniken. Durch Wärmeerzeugung mittels Biomasse konnte das Unternehmen den CO2-Ausstoß um 100 Prozent reduzieren und die Betriebskosten um ein Drittel senken. Sukzessive sollen alle Lager auf die neue Heizmethode umgerüstet werden. Auch Solarstromanlagen werden genutzt.
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