Künstliche Intelligenz
16.10.2017
KI im Handel
1. Teil: „Näher am Kunden mit Künstlicher Intelligenz“

Näher am Kunden mit Künstlicher Intelligenz

Roboter beim EinkaufRoboter beim EinkaufRoboter beim Einkauf
Snopek Nadia / Oleg Zhevelev
Lösungen mit Künstlicher Intelligenz versprechen die Handelsbranche zu revolutionieren. Aber welche Geschäftsbereiche profitieren am meisten von KI?
Dieser Beitrag wurde von Florian Heidecke verfasst, Chief Client Officer und Partner bei Namics, einer Full-Service-Digitalagentur für E-Business.
Künstliche Intelligenz (KI) umfasst viele Teilbereiche, darunter maschinelles Lernen, Predictive Analytics, maschinelle Verarbeitung natürlicher Sprache, Bilderkennung und Robotics-Systeme. Um ihr Potenzial zu entfalten, müssen KI-Anwendungen über eine fundierte Daten­basis verfügen, selbstständig Schlüsse ziehen, fortlaufend dazulernen sowie mit Menschen und anderen Systemen interagieren.
Generell eignen sich alle Anwendungsfelder, in denen ein gewisser Kontext benötigt wird, der jedoch gut in strukturierten Datenmodellen abbildbar ist (etwa Wetter­daten). KI kann zudem Beratungsaufgaben übernehmen, die konkret, aber extrem komplex sind. Ein Beispiel ist die Suche nach einer passenden Schraube für einen ganz bestimmten Anwendungsfall. Und sie kann eine Vielzahl an Beratungsfeldern bündeln: zum Beispiel Auskunft über Schrauben, Nägel oder Bohrmaschinen geben, für die es ansonsten mehrere Spezialisten bräuchte, die der Baumarkt nicht vorhalten kann.
  • Macy’s On Call: Das US-amerikanische Kaufhaus setzt einen Mobile-Shopping-Companion auf Basis von IBM Watson ein.
    Quelle:
    IBM
Um geeignete Einsatzfelder im Unternehmen zu identifizieren, muss auch geklärt werden, wem die Daten, mit denen ich arbeite, eigentlich gehören? In der selbst betriebenen Logistik ist das einfach zu beantworten, weil die Daten in der Regel dem Unternehmen gehören. Vertrieb und Marketing dagegen sind darauf angewiesen, dass Kunden bereit sind, ihre Daten mit dem Unternehmen zu teilen. Zudem kommt es darauf an, ob es sich um strukturierte Daten, beispielsweise einen Warenkorb oder ein Kunden­profil, oder schwieriger zu verarbeitende Daten, etwa aus der Bilderkennung, handelt. Auch die Menge der Daten spielt eine Rolle. Es ist wichtig, vor dem Start eines KI-Projekts abzuwägen, in welchem Bereich es den größten Impact haben kann und wo es den aktuellen Geschäftserfolg vielleicht sogar torpedieren könnte.
2. Teil: „Geeignete Einsatzbereiche für KI“

Geeignete Einsatzbereiche für KI

KI versetzt die Unternehmen in die Lage, in komplexen Zusammenhängen datenbasiert besser und fundierter zu entscheiden und in Echtzeit auf Veränderungen zu reagieren. Im Handel werden diese Einsatzbereiche am meisten profitieren:
Einkauf, Beschaffung, Procurement: Hier kommen Szenario-Analyse und Predictive Analytics zum Zug, etwa wenn es darum geht, die Lager- oder Regalauffüllung zu optimieren. Im Lebensmittelhandel wird künftig verstärkt Kontext, beispielsweise Wetterdaten, in die Bestellprozesse einfließen. Automatische, aus der Kombination von Beständen und den Kontextdaten ausgelöste Bestellungen verringern bereits in naher Zukunft die Menge weggeworfener Produkte.
Logistik: Hier dreht sich die Diskussion um Themen wie datengetriebene, autonome Supply-Chain, Drohnen und Internet der Dinge. Dem Einsatz sich selbst koordinierender Drohnen oder selbstfahrender Lastwagen stehen derzeit noch zahlreiche recht­liche und sicherheitstechnische Hürden im Weg. Dagegen wird die Automatisierung von Warenhäusern schon bald deutlich zunehmen, den Personalaufwand senken und zugleich die Geschwindigkeit erhöhen. Menschen werden repetitive Aufgaben an die Maschinen abgeben, aber für Entscheidungen und im Störungsfall weiter benötigt werden.
Marketing, Vertrieb: Wie in der Logistik hat die KI auch in Vertrieb und Marketing bereits Einzug gehalten – zumindest in Ansätzen. Amazon Echo, personalisierte Coupons oder Macy’s „Ask Macy“, basierend auf IBM Watson, sind nur einige Beispiele. Die Vorteile: Eine stärker auf die Interessen der Kunden zugeschnittene Kommunikation erhöht die Markenbindung und eröffnet Up­selling-Chancen. Die Möglichkeiten zur Auswertung und Kombination großer Datenmengen erhöhen die Effizienz von Kampagnen. Die automatische Erstellung von Produktbeschreibungen aus strukturierten Produktdaten und Customer Reviews erhöht die Geschwindigkeit. Die visuelle Suche nach Produkten kommt den Kunden entgegen. Und nicht zuletzt können mit natürlich-sprach­lichen Interfaces fremdsprachige Kunden ohne zusätzliches Personal nahtlos im Geschäft bedient werden. Allerdings fehlt es derzeit noch an der funktionierenden Vernetzung der Tools oder Kanäle, sodass die ersten konsequenten Anwender wohl eher E-Commerce-Pure-Player sein werden.
Customer Support: Im Customer Support sind vor allem Chatbots im Einsatz – für Beratung, Hilfeleistung und Verkaufsförderung. Das wird die Zahl der Callcenter-Agenten weiter reduzieren. Vorstellbar sind derlei Systeme aber auch direkt am PoS. Beispiel: virtueller Baumarktberater.

Wo beginnen?

KI bietet dem Handel große Chancen, aber längst nicht alle Anwendungen sind so ausgereift, dass sie risikolos ein­gesetzt werden könnten. Wo also anfangen? Naheliegend ist, dort anzusetzen, wo Menschen fehleranfälliger sind als Maschinen, etwa bei Inventur und Warehouse-Prozessen. Hier ist Künstliche Intelligenz bereits im Einsatz. In Verkauf und Beratung  werden leistungsfähige Systeme noch einige Zeit auf sich warten lassen, denn der KI fehlt häufig der Kontext: Was hat die Person gerade vorher gemacht? Ist sie traurig oder zum Scherzen aufgelegt? Erste vielversprechende Ansätze gibt es aber auch hier schon. Die Branche ist daher gut beraten, sich bereits jetzt mit den Möglichkeiten der KI ausei­nander­zusetzen und rechtzeitig zu handeln.

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