Internet der Dinge
08.08.2019
Schub dank 5G
1. Teil: „Mobile Netze für das Industrial IoT“

Mobile Netze für das Industrial IoT

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LoRA, 4G und bald 5G vernetzen immer mehr Maschinen und machen das IoT allgegenwärtig. Öffentliche Netze sind aufgrund Sicherheitsrisiken für die Industrie allerdings weniger geeignet.
  • Parkhaus: Beispiel einer smarten Parkplatzbewirtschaftung mit einem Low Power Network.
    Quelle:
    Rüdiger Sellin
Das Internet der Dinge bildet die Kommunikationsbasis für die Verbindung zwischen Geräten und Maschinen, genannt Machine-to-Machine (M2M) Communication. Sowohl die Entwicklung des Internet of Things (IoT) als auch der M2M-Technologie laufen seit vielen Jahren eher im Hintergrund ab und standen bisher kaum im Fokus der Öffentlichkeit.
Auch die Idee zur Verbindung von Maschinen, um Daten und Informationen auszutauschen, ist längst in der Praxis umgesetzt. In Zügen, Lastkraftwagen oder Automobilen kommunizieren bereits seit längerer Zeit verschiedene Sensoren über lokale Datenleitungen beziehungsweise Datenbusse untereinander und/oder mittels einer zentralen Steuerung.
Weil festverlegte Datenleitungen besonders in Produktions­anlagen unflexibel und teuer sind, rücken nun für das Industrial Internet of Things (IIoT) immer stärker mobile Netzwerktechnologien in den Fokus.
WLAN-Installationen kommen für industrielle Anwendungen kaum infrage, da sie in lizenzfreien und daher öffentlich zugänglichen Frequenzbereichen (2,4 und 5 GHz) funken. Hier sind deshalb weder Bandbreiten und Sicherheit noch Qualität garantiert - im Gegensatz zu 4G- oder 5G-Netzen: Mit ihnen lassen sich entsprechende Sender gebäu­deintern schnell auf- und abbauen oder um zusätzliche Kapazitäten erweitern. Sie funktionieren damit ganz ähnlich wie ihre Pendants auf öffentlichem Grund.

Kurzabfragen via GSM

Bereits in den 1990er-Jahren entstand die Idee, via Sensoren erfasste Messdaten über öffentliche Mobilfunknetze zu übertragen. Diese Szenarien waren insbesondere an Orten zunehmend von Interesse, an denen keine Festnetzleitungen vorhanden waren.
Heute sind - vorwiegend auf den alten GSM/2G-Netzen - immer noch Millionen von SIM-Karten für kurzstreckige Datenübermittlungen im Einsatz. Diese Karten dienen zum Beispiel für Kurzabfragen von Wetterdaten, Felsbewegungen, Temperaturen, Füllständen in Anlagen und Automaten oder von Wasserständen.
Die Abkürzung GSM steht dabei für Global System for Mobile Communications und bezeichnet den ersten digitalen Mobilfunkstandard, der die alten mobilen Analognetze ablöste und ab 1990 das digitale Mobilfunkzeitalter einläutete. GSM war primär für das mobile Telefonieren gedacht und erlaubte anfangs mit höchstens 14,4 KBit/s (brutto) lediglich eine sehr langsame Datenübertragung. Allerdings reichten diese Verbindungen für IoT-Anwendungen (auch wenn die damals noch nicht so genannt wurden) jahrelang aus - in vielen Fällen tun sie das sogar bis heute.

Verkehrswachstum

Doch die Anforderungen hinsichtlich Schnelligkeit, Sicherheit und Datenmenge sind heutzutage weitaus höher als in den 1990er-Jahren oder zu Beginn des Jahrtausends. Man kann hier von einer weltweiten Bewegung sprechen, denn längst verbindet das IoT eine riesige Anzahl von Geräten und Dingen miteinander.
Waren es 2013 noch lediglich annähernd 3,6 Milliarden Geräte, die vernetzt waren, wurde bereits vergangenes Jahr die Marke von 20 Milliarden verknüpfter Devices überschritten. Und für das Jahr 2023 werden (je nach Studie) sogar schon zwischen 30 und 50 Milliarden prognostiziert.
Getrieben wird dieses Wachstum nicht zuletzt durch immer neue Anwendungen und die wachsenden Möglichkeiten zur Vernetzung von Gegenständen. Der Druck auf die Kommunikationsnetze und deren Betreiber wächst also weiter, einerseits wegen der Zunahme des Verkehrs, andererseits wegen der begrenzten Möglichkeiten, neue Netze zu bauen.
In der Schweiz zum Beispiel setzt die Verordnung über nicht-ionisierende Strahlung (NISV) dem Ausbau zusätzlich enge Grenzen. Die darin definierten An­lagengrenzwerte werden staatlich kon­trolliert und sind rund um die Uhr einzuhalten. Besonders Spitzen im Pendel­verkehr, beispielsweise in Städten oder entlang von Hauptverkehrsachsen, bereiten den Netzbetreibern Schwierigkeiten, da eine kurzfristige Kapazitätserweiterung nicht möglich ist.
2. Teil: „Strahlungsarmes LoRa “

Strahlungsarmes LoRa

  • LoRa-Netze: Weltweit gibt es über 100 Betreiber solcher Netze in mehr als 50 Ländern (dunkelgelb), wobei in weiteren 100 Ländern Rollouts laufen (hellgelb).
    Quelle:
    LoRa-Allianz
Als Ausweg bietet sich ein getrenntes, für das Internet of Things optimiertes Kommunikationsnetz an. Hier bestehen internationale Initiativen, beispielsweise die LoRa-Allianz. Sie ist das am schnellsten wachsende Technologie-Bündnis weltweit. In dem gemeinnützigen Verband sind mehr als 500 Unternehmen Mitglied. Hauptzweck der Vereinigung ist es,  sich für die Entwicklung und Förderung des offenen Standards LoRaWAN einzusetzen.
LoRaWAN steht für ein weltumspannendes, strahlungsarmes, energieeffizientes und für das IoT optimiertes Weitverkehrsnetz (Wide Area Network, WAN). Durch die Standardisierung und das akkreditierte Zertifizierungssystem bietet die LoRa-Allianz eine volle Interoperabilität, wie sie für eine günstige Massenproduktion kompatibler Endgeräte, Sensoren, Sende­anlagen und Ähnliches unabdingbar ist.
Die LoRaWAN-Spezifikation definiert ein Protokoll für ein Low Power Wide Area Network (LPWAN), das batteriebetriebene Gegenstände und Dinge in regionalen, nationalen oder globalen Netzwerken drahtlos mit dem Internet verbindet. Wichtige Anforderungen des IoT wie bidirektionale Kommunikation, End-to-End-Sicherheit, niedriger Energieverbrauch, Mobilität und Lokalisierungsdienste werden dabei berücksichtigt und vollumfänglich abgedeckt.
Die LoRaWAN-Netzwerkarchitektur wird in einer Sterntopologie eingesetzt, in der Gateways Nachrichten zwischen Endgeräten und einem zentralen Netzwerk-Server weiterleiten. Die Gateways sind über Standard-IP-Verbindungen mit dem Netzwerk-Server verbunden und agieren quasi als Brücken, indem sie den eingehenden Datenstrom in IP-Pakete umwandeln (und umgekehrt).

Internationale Verbreitung

Allgemein noch unbekannt ist die inzwischen weite Verbreitung von LoRaWANs, nicht zuletzt in Nord- und Südamerika, Australien, West- und Osteuropa sowie in größeren Teilen Asiens. In Europa ist das „The Things Network“ (TTN) sehr populär, eine Community-basierte Initiative zur Errichtung eines globalen IoTs. Die Initiative wurde 2015 durch die Niederländer Wienke Giezeman und Johan Stokking gestartet und betreibt weltweit rund 8000 installierte LoRaWAN-Gateways (Stand Ende 2018).
Funksignale von Sensoren mit hoher Reichweite werden dabei mit Gateways und dem öffentlichen Internet an eine Zentrale weitergeleitet. Dort werden die Signale, zum Beispiel Messdaten von Strom- oder Wasserzählern, verarbeitet und an definierte Empfänger weitergeleitet. Zur Erhöhung der Datensicherheit besteht eine AES-128-Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Die Bereitstellung, Errichtung und Betreuung der Gateways liegt oft in den Händen ehrenamtlicher Helfer. In Amsterdam ist es auf diese Weise gelungen, große Teile des Stadtgebiets in weniger als sechs Wochen mit einem LoRaWAN zu versorgen. Mittlerweile deckt es weite Teile der Niederlande ab.
Ähnliches gilt für die Metropole Berlin: In der deutschen Hauptstadt dauerte es allerdings rund eineinhalb Jahre, um den rund 3,5 Millionen Einwohnern mit über 75 registrierten Gateways einen LoRaWAN-Zugang zu bieten.
Künftig plant die LoRa-Allianz, weitere Netzzugänge über die Low-Earth-Orbit-Satellitentech­nologie bereitzustellen, um auch Entwicklungsländern in Afrika einen preisgünstigen Internetzugang zu bieten.
Anwendungen für das IoT
Das Internet der Dinge (IoT) entwickelt sich zum Massenmarkt und bestimmt zunehmend unseren Alltag. IoT bringt viele Erleichterungen und steigert die Effizienz.
Abhängig von der Netzbasis, gibt es die folgenden Anwen­dungs­­bereiche:
Massive IoT über LoRa
  • Smart Cities: Abfall- und Containermanagement, öffentliche Beleuchtung und Parkhäuser, Messung von Schadstoffkonzentrationen
  • Smart Utilities: Fernablesung von Gas-, Wasser- und Stromzählern; Zu­stands­abfragen von Briefkästen und öffentlichen Automaten
  • Smart Buildings: Management von Gebäuden und deren Ressourcen (Räume, Geräte wie Getränke- und Verpflegungsautomaten oder auch Beamer), Sicherheit (Zutritte, Videokameras, Feuerlöscher) und technische Einrichtungen (Beleuchtung, Temperatur- und Lüftungsregelung, Messung der Luftqualität), Optimierung des Energiebedarfs
  • Intelligente Landwirtschaft: Messung von Luft- und Bodenfeuchtigkeit, Erfassung von Pflanzenwachstum und Reife­-grad, Einlagerung von Obst und Gemüse, Verfolgung von Weidevieh
Massive IoT über LoRa oder NB-IoT/LTE-M
  • Smart Utilities: Fernablesung von Gas-, Wasser- und Stromzählern; Fernsteuerung und Überwachung von Haushaltsgeräten und Aufzügen
  • Smart Grids: Energiemanagement (intelligente Stromerzeugung, -verteilung und -speicherung)
  • Tracking: Überwachung von Kindern, Senioren, Tieren, wertvollen E-Bikes oder medizinischen Geräten und Hilfsmitteln in Krankenhäusern
Critical IoT über LTE-M oder 5G
  • Sicherheit und Monitoring: Objekt- und Verkehrsüberwachung, Fernsteuerung variabler Verkehrs- oder Anzeigeschilder, Empfangen von Notrufen und Auslösen von Rettungsmaßnahmen
  • Transport und Logistik: Nachverfolgung von Warensendungen, Flotten­management (zum Beispiel Einsatzplanung von Fahrzeugen und Fahrern)
  • Gesundheit und Telemedizin: Fernüberwachung und -diagnose (medizinische Parameter), Erkennung kritischer Situationen bei chronisch kranken Patienten, Auslösen automatischer Notrufe, Fernübermittlung von Guidelines bei Notoperationen und Telechirurgie
  • Industrie 4.0: Überwachung und Steuerung von Maschinen sowie Herstellungs- und Produktionsabläufen, verbesserte Warenlogistik, frühzeitige Erkennung von Wartungs- oder Materialbedarf
3. Teil: „Technik für den Massenmarkt“

Technik für den Massenmarkt

Das LoRaWAN wurde für eher unkritische IoT-Anwendungen im Massenmarkt entwickelt, sogenannte „Massive IoT“-Lösungen. Aufgrund der entsprechend einfachen Auslegung eignet es sich weder zur Sprachübertragung noch zum Transport großer Datenpakete oder für Echtzeit­anwendungen. Zeitpunkt und Zuverlässigkeit werden in der Regel nicht garantiert. Primäres Ziel ist ein möglichst niedriger Energieverbrauch (für lange Akkulaufzeiten) bei kleinen Datenpaketen. Weil öffentliche Mobilfunknetze für möglichst hohe Bitraten ausgelegt sind, sind hohe Sendeleistungen und Endgeräte mit starken Akkus erforderlich. Daher taugen ältere Mobilfunkgenerationen wie GSM/2G und UMTS/3G im Grunde nur bedingt für IoT-Systeme. Sie nutzen die verhältnismäßig teuren Frequenzen zudem ineffizient und werden deshalb in absehbarer Zeit abgeschaltet.
Seit 2012 werden LTE/4G-Netze gebaut, betrieben und laufend erweitert - mit sehr  unterschiedlichen Ergebnissen im Ländervergleich. So stieg die Netzabdeckung in der Schweiz auf über 99 Prozent und die Geschwindigkeit an ausgewählten Orten auf bis zu 1 GBit/s, während Deutschland noch weit hinterherhinkt (die Deutsche Telekom etwa schafft als bester Provider gerade einmal 75 Prozent Abdeckung).
LTE hat also durchaus Vorteile, die man auch für IoT nutzen kann. Allerdings sind LTE-Endgeräte meist komplex, entsprechend teuer und benötigen noch dazu viel Energie. Um auch weniger übertragungskritische IoT-Anwendungen abdecken zu können, wurde die vierte Mobilfunkgeneration LTE/4G in den letzten Jahren um neue Funktionen erweitert. Dazu wurden zwei Servicekategorien definiert: Narrowband IoT (NB-IoT) und Cat-M1, auch LTE-M genannt.
Beides sind abgespeckte LTE-Varianten, die Daten mit nur 20 bis 30 KBit/s (NB-IoT) oder mit bis zu 100 KBit/s (LTE-M) übertragen. Auch die mögliche Reichweite wurde begrenzt, denn neben der Datenrate ist auch die zu überbrückende Funkdistanz entscheidend für die Batterielebensdauer. Sie beträgt höchstens zehn Jahre bei NB-IoT sowie fünf Jahre bei LTE-M und sinkt mit steigender Datenrate und erhöhter Reichweite, da beides mehr Sendeleistung bedingt. Also wurde der Übertragungsmodus geändert: Statt Vollduplex-Übertragung wie bei normalen LTE-Endgeräten können NB-IoT-Geräte nur entweder senden oder empfangen (Halb­duplex-Übertragung), was für unkritische Massive-IoT-Anwendungen ausreicht. Auf LTE-M läuft der Vollduplex-Modus nur optional, etwa für Notrufsysteme.
NB-IoT und LTE-M benötigen SIM-Karten zur Identifika­tion im LTE-Netz, die auch als energiesparende eSIM ausgeführt sein können. Schließlich können beide dank extended Discontinuous Reception (eDRX) den Signalisierungsverkehr reduzieren, der in der Regel nur aus einem kurzen Paging besteht, etwa als OK-Meldung oder zur Positionsbestimmung. Durch dieses Maßnahmenpaket kann man einfachere und entsprechend günstigere Endgeräte mit geringerem Energieverbrauch anbieten.

Critical IoT (CIoT)

Dank leicht höherer Datenrate und optionaler Vollduplex-Übertragung eignet sich LTE-M für kritische IoT-Anwendungen (CIoT). Zu den Critical-IoT-Anwendungen gehören beispielsweise mobile Telemetriesysteme, die eine hohe Zuverlässigkeit seitens des Netzes voraussetzen, etwa Notruf-Armbanduhren mit Voice-Funktion zur Personenüberwachung via Voice over IP (VoIP). LTE-M kann dabei die Übermittlung kleinerer Datenmengen im kritischen Zeitrahmen und mit akzeptabler Latenz von maximal 200 Millisekunden garantieren.
Doch die Anforderungen an das IoT steigen weiter, insbesondere in Sachen Bandbreite, Zuverlässigkeit, Latenz und Echtzeitübertragung. Denn insbesondere sich bewegende Objekte wie Autos oder Busse sowie künftig Züge und Fernlastwagen bedürfen einer präzisen Steuerung in Echtzeit. Hier kommt die jüngste Mobilfunkgeneration 5G ins Spiel, die praktisch allen möglichen Anwendungen gerecht wird. Da diese im Bereich Massive IoT bereits durch andere Netze abgedeckt sind, wird sich 5G primär auf CIoT konzentrieren und kann seine Stärken hier voll ausspielen. Bis 5G aber flächendeckend vorhanden sein wird, werden noch einige Jahre vergehen.
Eines steht jedoch heute schon fest: Das IoT wird zunehmend zu einer Alltagserscheinung.
Tabelle:


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