Business-IT
17.01.2020
Robotic Process Automation (RPA)
1. Teil: „Mensch und Bot - ziemlich beste Freunde“

Mensch und Bot - ziemlich beste Freunde

RPARPARPA
Good Stock / shutterstock.com
Attended, Unattended und Hybrid RPA - was ist was bei Software-Bots? Allmählich werden Maschinen und Roboter im "Kollegenkreis" zur Normalität.
  • Roboter, übernehmen Sie: Bereits 2025 sollen mehr Aufgaben durch Maschinen als durch Menschen erledigt werden.
    Quelle:
    Weltwirtschaftsforum, "Die Zukunft der Arbeitsplätze 2018"
Beim Gedanken an Roboter haben viele zuerst Maschinen vor Augen, also etwa Roboter in den Werkshallen moderner Industrie- oder Handelsbetriebe, die Autos zusammenbauen oder schwere Paletten bestücken. Andere denken an kleinere Ausführungen, die zunehmend auch im privaten Umfeld Arbeiten übernehmen, indem sie zum Beispiel Staub saugen oder Rasen mähen.
Es gibt aber noch ein weiteres Feld, in dem Roboter eine zunehmend wichtige Rolle spielen und das von der Öffentlichkeit bislang kaum wahrgenommen wird: Robotic Process Automation, kurz RPA. Diese automatisierten Bots werden in immer mehr Branchen wie Finanzdienstleistungen, Energieversorgung, Telekommunikation und dem Einzelhandel zur Verarbeitung von Daten herangezogen und entlasten so die menschlichen Mitarbeiter. Dadurch wird zum Beispiel die Arbeit in einem Callcenter erleichtert. Während der Mitarbeiter mit einem Kunden telefoniert, stellt ein Bot automatisiert Daten bereit, die zur weiteren Bearbeitung des Kundenanliegens benötigt werden.
Die Einführung solcher Software-Bots hat gravierende Folgen für die Arbeitswelt. Nach Einschätzung des Weltwirtschaftsforums (WEF) werden bereits in fünf Jahren automatisierte Maschinen und Algorithmen mehr Arbeitsstunden leisten als Menschen. Wie die für seine jährlich im Schweizer Davos stattfindende Konferenz bekannte Organisation in der Studie „Die Zukunft der Arbeitsplätze 2018“ schreibt, lag der Anteil der Maschinen 2018 noch bei 29 Prozent. Bis 2025 soll er auf rund 52 Prozent steigen.
Auch Daniel Dines, CEO und Mitgründer des RPA-Anbieters UiPath, ist von den Wachstumschancen überzeugt. Die Akzeptanz von Robotic Process Automation nehme weiter zu. „Wir sehen eine enorme Nachfrage von Unternehmen auf der ganzen Welt“, so Dines. Laut der Studie „The Robots are waiting“ der Marktforschungsgesellschaft Deloitte geht es 38 Prozent der an RPA interessierten Unternehmen vor allem um eine Steigerung der Produktivität. Nur 18 Prozent wollen dagegen das Kundenerlebnis verbessern.

Kollege Roboter holt auf

Fast jedes zweite Unternehmen setzt in der Hoffnung auf Kosteneinsparungen und Effizienzgewinne bereits auf Robotic Process Automation, hat auch das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDC in seiner Untersuchung „European Future of Work“ herausgefunden.
Software-Bots können natürlich nicht alle Arten von Aufgaben übernehmen. Sie funktionieren überall dort besonders gut, wo es um standardisierte Prozesse und Routinefälle geht. Die RPA-Anbieter integrieren jedoch zunehmend Techniken aus den Bereichen Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz (KI) in ihre Produkte. Nach Angaben des Automatisierungsspezialisten Kofax kann die Produktivität der Mitarbeiter durch den Einsatz von Software-Bots um 35 bis 50 Prozent gesteigert werden. Gleichzeitig sollen sich die Kosten durch eine Einführung automatisierter Geschäftsprozesse um 25 bis 50 Prozent reduzieren lassen.
Brandon Nott, Senior Vice President of Products bei UiPath, erläutert die Vorteile der Automatisierung an einem Beispiel: Wenn ein bestimmter Vorgang in der Finanzabteilung eines Unternehmens etwa jedes Mal eine Stunde dauert und dieser Zeitraum durch eine Automatisierung auf nur noch 20 Minuten reduziert werden kann, dann sinken auch die Gehaltskosten dafür auf ein Drittel. Bei einem Stundenlohn des Buchhalters von 30 Dollar reduzieren sich die Kosten laut Nott so auf nur noch 10 Dollar pro Vorgang. Die restlichen 20 Dollar kann das Unternehmen einsparen.
„Wenn ein Mitarbeiter den Vorgang einmal am Tag erledigt, dann bedeutet das eine Einsparung von rund 5.000 Dollar pro Jahr“, führt Nott in einem Blog-Beitrag auf der Webseite von UiPath weiter aus. „Wenn zehn Mitarbeiter den Vorgang einmal am Tag erledigen, dann sind es schon 50.000 Dollar an Einsparungen pro Jahr.“
Für viele Unternehmen sei es jedoch noch schwierig, die Einsparpotenziale zu erkennen, weil so viele kleine und langweilige Aufgaben in ihre täglichen Prozesse eingebettet seien. Marc Ennemann, Partner und Head of Value Chain Transformation beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG, hat die Erfahrung gemacht, dass auf eine anfängliche Euphorie oft schnell Ernüchterung folgt. „Die Effizienzgewinne von RPA sind überschaubar“, so Ennemann.
Dessen ungeachtet prognostiziert das Analystenhaus Gartner, dass bereits im Jahr 2022 rund 85 Prozent der großen und sehr großen Unternehmen auf RPA setzen werden. Eine zunehmend wichtige Rolle spielt dabei die Unterscheidung zwischen Attended, Unattended und Hybrid Robotic Process
Automation.
2. Teil: „Attended RPA“

Attended RPA

  • Erfolgreiche Versuche: Im Jahr 2018 hat RPA bei 37 Prozent der Unternehmen seine Machbarkeit beziehungsweise Werthaltigkeit bewiesen.
    Quelle:
    Deloitte, "The Robots are waiting" (n = 478 weltweit)
Bei Attended RPA arbeiten die Software-Bots einem Menschen unmittelbar zu. So lasse sich die Arbeitsbelastung in Echtzeit teilen, erläutert UiPath-Manager Nott. „Menschen, die mit Robotern zusammenarbeiten, erledigen mehr in kürzerer Zeit und mit weniger Fehlern.“ Die Bots könnten dabei vor allem die lästigen und öden Aufgaben übernehmen, „während sich die Menschen auf die Tätigkeiten konzentrieren, die sie lieben“.
Gerade monotone und sich laufend wiederholende Aufgaben wie Einnahmen und Ausgaben manuell in Tabellen einzutragen, lassen sich nach Aussage von Nott gut automatisieren. Ein begleitender Bot kann auf Tastendruck oder einen Mausklick reagieren, aber auch automatisch in Aktion treten.
Attended Bots übernehmen dabei auch teilweise Tastatur und Maus an einem Computer und erledigen damit die ihnen gestellten Aufgaben, so Nott. In der frei werdenden Zeit könne sich der Mitarbeiter stattdessen mit wichtigeren Arbeiten beschäftigen.
Ein anderes Beispiel für einen Attended Bot, das Nott nennt, stammt aus einem Callcenter. Die dortigen Mitarbeiter müssen Anrufer immer wieder warten lassen, wenn sie etwa Daten zu einem Fall sammeln. Meist müssen die Mitarbeiter die benötigten Informationen aus verschiedenen Systemen zusammentragen und mühsam aggregieren. Auch hier sind laut Nott die Voraussetzungen für den Einsatz eines Software-Bots erfüllt: Die Mitarbeiter haben einerseits eine kommunikative Aufgabe zu erfüllen, indem sie mit dem Kunden sprechen und auf ihn eingehen. Andererseits müssen sie wiederholt dieselben Tätigkeiten durchführen, um die benötigten Daten zusammenzutragen. Ein Bot kann sie dabei sinnvoll unterstützen.
Während der Software-Roboter im Hintergrund seine Aufgabe erfüllt, kann sich der Mitarbeiter weiter ohne Ablenkung mit dem Kunden befassen. So wird nicht nur die Bearbeitung beschleunigt. Es steigt auch die Zufriedenheit des Anrufers, der sich nicht vernachlässigt fühlt und keine längeren Wartezeiten in Kauf nehmen muss.
Dazu sollte der Bot in der Lage sein, mit verschiedenen Datenbanken Kontakt aufzunehmen und Informationen aus ihnen zu extrahieren. Das bedeutet, er muss sich dort authentifizieren oder über eine API (Application Programming Interface) Daten abrufen können.
Attended RPA sorgt also dafür, dass ein einzelner Mitarbeiter weit mehr Aufgaben auf einmal erledigen kann als es bisher möglich war. Dadurch soll sich auch die Multitasking-Fähigkeit steigern lassen. Der Mitarbeiter konzentriert sich auf den (menschlichen) Kunden oder kümmert sich um komplexere Aufgaben, während der Software-Bot automatisch Daten abruft oder Änderungen in verschiedenen Anwendungen vornimmt. Solche Attended Bots lassen sich in der Regel relativ schnell entwickeln und implementieren, da die Arbeitsabläufe dadurch nur wenig oder gar nicht verändert werden. Stattdessen werden nur die Prozesse optimiert.
Bereits nach kurzer Zeit können damit erste Kosteneinsparungen erreicht werden. Attended Bots finden sich häufig direkt auf den Workstations der Mitarbeiter, wo sie teilweise automatisch durch festgelegte Ereignisse oder auch auf Anforderung des Nutzers gestartet werden. Bei ihrer Entwicklung und Implementierung sollte deswegen auch auf das Thema Benutzerfreundlichkeit geachtet werden.

Unattended RPA

  • Quelle:
    Deloitte
Bei Unattended RPA werden Prozesse automatisiert, die weitgehend ohne menschliche Eingriffe auskommen. Handlungen des Bots werden dabei oft von ihm selbst ausgelöst.
Ein unbeaufsichtigter Bot kann im Prinzip
24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr ohne Unterbrechung aktiv sein und seine Aufgaben erfüllen. Das unterscheidet ihn von den Attended Bots, die einen Menschen bei dessen Aufgaben begleiten.
Zur Steuerung von Unattended Bots dient meist eine zentrale Plattform, von der aus die Bots verwaltet und neue Software-Roboter gestartet werden können. Da in der Regel mehrere Mitarbeiter im Unternehmen auf diese Plattformen zugreifen können, ergeben sich daraus auch neue Möglichkeiten zur Zusammenarbeit.
Bots, die ohne menschlichen Partner ganz für sich allein arbeiten, werden häufig im Back-Office eingesetzt, wenn zum Beispiel größere Datenmengen analysiert, zusammengetragen und an die zuständigen Personen im Unternehmen verteilt werden sollen.
Unattended Bots haben das Potenzial, Mitarbeiter, die bislang für diese Aufgaben eingesetzt wurden, komplett zu ersetzen, bei Attended Bots, die einzelne Mitarbeiter unterstützen, ist das nicht ohne Weiteres der Fall. Aber auch in solchen Fällen muss man sich darüber im Klaren sein, dass durch die möglichen Einsparungen über kurz oder lang ebenfalls einige Mitarbeiter nicht mehr benötigt werden.
Umsetzung von RPA in Unternehmen
Gerrit de Veer, Senior Vice President MEE bei Signavio, hat sieben Voraussetzungen für eine erfolgreiche RPA-Einführung formuliert:
  1. Identifikation der Automatisierungspotenziale
  2. Simulation und Bewertung der Auswirkungen auf das Unternehmen
  3. Verbesserung des Prozesses vor seiner Automatisierung
  4. Etablierung der verbesserten Prozesse durch Verzahnung menschlicher und Roboter-Tätigkeiten
  5. Überwachung der End-to-End-Performance und frühzeitige Erkennung und Behebung von Problemen
  6. Kontinuierliche Verwaltung der Prozessarchitektur
  7. Vorantreiben einer permanenten Verbesserung
3. Teil: „Hybride Automatisierung“

Hybride Automatisierung

  • Quelle:
    Deloitte
Die beiden Automatisierungsformen Attended und Unattended müssen kein Gegensatz sein. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Firmen, die nur eine der beiden Varianten benötigen. Auf der anderen Seite lassen sie sich aber auch bestens kombinieren.
Man spricht dann von einer Hybrid Robotic Process Automation. Mit Hilfe einer ebenfalls wieder zentralen Plattform lassen sich damit sowohl die Prozesse im Back-Office als auch direkt auf den Workstations der einzelnen Mitarbeiter beschleunigen.
Der deutsche RPA-Anbieter Another Monday hat beispielsweise für die Stadtwerke Neuss die Bearbeitung von Zählerwechseln im Back-Office automatisiert. Die digitale Umschreibung der Stromzähler erfolgt nach Angaben des Spezialisten aus Köln nun vollautomatisch. Bislang musste ein Servicemitarbeiter einer externen Firma nach einem durch einen Techniker durchgeführten Austausch des Zählers das alte Modell im Back-Office manuell abmelden.
Dabei wurden die aktuellen Zählerstände in das System übernommen und durch den Mitarbeiter auf Plausibilität überprüft. Anschließend musste er einen Datensatz für den neuen Zähler anlegen, um die bisherigen Daten zu übertragen. Diese umständlichen Prozesse wurden durch den Einsatz von RPA vollständig automatisiert.
Darüber hinaus arbeiten Mitarbeiter der Stadtwerke Neuss und von Another Monday an einer Automatisierung weiterer Abläufe etwa bei der Änderung von Bankdaten oder bei der Erfassung der aktuellen Zählerstände der Kunden. Davon und weil die Prozesse nun wieder im eigenen Unternehmen durchgeführt werden, verspricht sich der nordrhein-westfälische Energieversorger merkliche Kosteneinsparungen.
Überhaupt ist Robotic Process Automation nach Ansicht von Another Monday ein geeignetes Mittel, um ausgelagerte IT-Prozesse wieder ins Unternehmen zurückzuholen. „Viele Unternehmen wollen sich den He­rausforderungen des digitalen Wandels stellen, indem sie Aufgaben reorganisieren oder an externe Experten auslagern“, erläutert Hans Martens, Gründer und CEO von Another Monday. Aber das sei nicht genug. „Regelbasierte Prozesse können durch Software-Roboter wesentlich strategischer und effektiver gestaltet werden.“ Ein langwieriges und teures Outsourcing erübrige sich auf diese Weise.

Fazit

Durch Erhöhung der Produktivität hat die Automatisierung das Potenzial, viele Arbeitsplätze einzusparen. Für Unternehmen, die ihre Kosten mittelfristig senken wollen, ist das sicher gut und wichtig - auch wenn die betroffenen Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze abgebaut werden, das vermutlich anders sehen.
Dennoch: Die meisten Beschäftigen scheint diese Aussicht nicht besonders abzuschrecken. Laut der im Auftrag des RPA-Anbieters Automation Anywhere durchgeführten Studie „Making Work Human: 5 Challenges“ möchte die Mehrheit der Arbeitnehmer die Automatisierung an ihrem Arbeitsplatz trotz dieser Gefahr weiter vorantreiben. 72 Prozent der Befragten gaben an, dass sie nicht davon ausgehen, dass Technologien sie beziehungsweise ihren Arbeitsplatz ersetzen werden, sondern dass sie vielmehr mit ihnen arbeiten werden. Nur 8 Prozent der Befragten fürchten um ihren Job.
Auch für die Unternehmen steht bei der Einführung von Robotic Process Automation sehr viel auf dem Spiel. „Vielfach vergessen Unternehmen, dass es bei RPA nicht um die Automatisierung von Aufgaben, sondern von Prozessen geht“, gibt Gerrit de Veer, Senior Vice President MEE beim Berliner RPA-Anbieter Signavio, zu bedenken. Der Prozess müsse jedoch im Mittelpunkt stehen. „RPA-Lösungen entfalten ihren größten Nutzen immer erst in Kombination mit Prozessverbesserungen.“
Deshalb mahnt der Experte für Robotic Process Automa­tion die Unternehmen zur Umsicht. Solche Projekte könnten auch schnell und vor allem folgenreich scheitern, weil die Roboter sich auch zunehmend um unternehmenskritische Aufgaben kümmern. Der Kardinalfehler liege in solchen Fällen häufig bei zu schnell ins Leben gerufenen RPA-Ini­tiativen.
Aus diesem Grund hat Gerrit de Veer sieben Voraussetzungen für die erfolgreiche RPA-Einführung in Unternehmen formuliert. Deren Umsetzung soll nicht nur Zeit und Kosten einsparen, sondern nicht zuletzt auch wiederholt anfallende Tätigkeiten reduzieren und die Fehlerquote bei gleichzeitig steigender Qualität verringern.
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