Business-IT
14.02.2020
E-Commerce
1. Teil: „Marktübersicht von Software für B2B-Shops“

Marktübersicht von Software für B2B-Shops

Bauarbeiter mit mobilem Gerät in der HandBauarbeiter mit mobilem Gerät in der HandBauarbeiter mit mobilem Gerät in der Hand
Daisy Daisy / shutterstock.com
B2B-Shops brauchen spezielle Funktionen für Online-Bestellungen. Bei der Wahl des Shop-Systems sollte deshalb einiges beachtet werden.
  • Elektronikgroßhändler Zajadacz: Rund die Hälfte der rund 10.000 Geschäftskunden bestellt online.
    Quelle:
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Rund 300.000 Artikel umfasst der ­Online-Shop EVI der Adalbert ­Zajadacz GmbH in Neu Wulmstorf: von Akkus und Batterien über Kabel aller Art, Messgeräte und Werkzeuge bis hin zum Zubehör für Stahlpanzerrohre. Der Großhändler vor den Toren Hamburgs beliefert Elektrohandwerker, Elektrofachhandel und Industrie. Seit gut zehn Jahren können die mehr als 10.000 Geschäftskunden online bei Zajadacz ­bestellen - etwa die Hälfte nutzt aktiv den Online-Shop. Die größte Herausforderung eines solchen B2B-Shops ist für René Becker die Komplexität: „Wir haben sehr spezielle Zielgruppen, die sich deutlich voneinander unterscheiden“, berichtet der Leiter E-Sales & E-Services bei Zajadacz. „Kunden aus der Industrie dürfen oft nicht direkt bei uns bestellen. Sie nutzen den Shop vorwiegend als Informationsquelle. Der stationäre Fachhandel zeigt seinen Kunden in unserem Shop, wie ein bestimmtes Produkt aussieht - braucht also große, schöne Bilder. Und der Handwerker schließlich kennt seine Produkte und will einfach nur schnell bestellen, zum Beispiel weil er auf der Baustelle dringend mehr Teile braucht.“ Deswegen kann der Kunde bei Zajadacz auch zwischen einer Galerieansicht mit Bildern und einer einfachen Listenansicht wählen.

Kundenindividuelle Preise

Eine der wichtigsten Funktionen im Shop ist für Becker die Suche: Sie muss schnell und effektiv funktionieren und erkennen, was gemeint ist, wenn der Kunde Strapse (Kabelbinder), Schildkröten (vergitterte Schutzlampen) oder Bullen­eier (geschlossene Schwimmschalter) sucht. Selbst der Innendienst von Zajadacz nutzt die Shop-Suche, „weil sie so viel besser ist als die im ERP-System“, so Becker. Bei Zajadacz ergänzen an die 30 Produktkonfiguratoren die Suche. Sie zeigen an, welches Zusatzmaterial bei der ­Verwendung eines Produkts nötig ist, und sorgen so dafür, dass der Kunde alle notwendigen Teile für eine Installation bestellt.
Weitere wichtige Funktionen in seinem B2B-Shop sind für Becker die Darstellung der kundenindividuell vereinbarten Preise und die Echtzeitanzeige von Verfügbarkeiten und Lieferzeiten - und das im Zentrallager wie auch in den Niederlassungen. Nur so kann der Kunde spontan entscheiden, ob es sich lohnt, dass ein Mitarbeiter die Ware schnell in der nächstgelegenen Niederlassung abholt. Dem Großhändler ist auch wichtig, dass sich der Kunde Waren zu ­einem individuell festgelegten Termin an einen bestimmten Ort, etwa direkt auf die Baustelle, liefern lassen kann.
Um all diese Daten performant bereitstellen zu können, hat Zajadacz den Shop ans selbst entwickelte ERP-System an­geschlossen, in das ein Product-Information-Manage­ment-System (PIM) integriert ist. Der Shop selbst läuft auf der B2B-Variante von Oxid eSales. Ergänzend kommen zur Verwaltung und Synchronisation der Produktdaten die Content-Syndication-Lösung von Loadbee und das Produktdaten-Tool von Oxomi hinzu. Umgesetzt wurde der Shop von der Agentur Cgrd in Hamburg. Für Becker ist entscheidend, dass sein Unternehmen das Backend von Oxid mithilfe der eigenen Agentur selbst weiterentwickeln kann.
Von besonderer Bedeutung im B2B-Umfeld ist eine Rechte- und Rollenverwaltung im Online-Shop. Über sie kann der Kunde festlegen, welcher Mitarbeiter Produkte nur recherchieren, wer sie bis zu welcher Summe bestellen darf und wer größere Bestellmengen freigeben muss. „Im Idealfall kann der Kunde sogar festlegen, dass der Mitarbeiter X in den kommenden drei Wochen, in denen der ­eigentlich Berechtigte im Urlaub ist, ­Bestellungen tätigen darf“, verdeutlicht Becker.
2. Teil: „Gewohnheiten verändern“

Gewohnheiten verändern

  • Quelle:
    Ibi Research "Online-Kaufverhalten im B2B-E-Commerce" (Juli 2018) (n = 113)
Doch nicht immer sehen Kunden ­diese Vorteile sofort: „Die Eingewöhnung ist nach wie vor der anspruchsvollste Part“, erklärt Michel Kahrs, ­Geschäftsführer des Bremer Holzfachhandels Kahrs GmbH. Der Mensch sei als Gewohnheitstier Veränderungen gegenüber nicht immer aufgeschlossen. „Ein Kunde, der vorher per Mail oder Telefon bestellt hat, lässt sich deutlich leichter auf Online-Bestellungen umstellen als ein Kunde, der die Bestellung über das hauseigene ERP-System und per EDI vornimmt“, weiß Kahrs. Denn wer prinzipiell über das ERP-System und den elektronischen Datenaustausch EDI bestellt, muss bei einer Bestellung im Online-Shop alle Daten doppelt erfassen. Daher laufen bei dem Holzhändler noch immer viele Bestellungen über Telefon und E-Mail.
Dennoch überlegt Kahrs, mehr Kunden den Shop schmackhaft zu machen, etwa über How-to-Anleitungen zum Einrichten der Rechte- und Rollenverwaltung. Seiner Meinung nach ist die zentrale Anforderung an eine B2B-Shop-Software das Verständnis dafür, dass sich der Bestellprozess in einem Unternehmen aufgrund der Berechtigungen und Freigabeprozesse für den Einkauf von dem von Privatpersonen unterscheidet. Ohne  diese Funktionen ließen sich die individuellen Bestellprozesse im Unternehmen schlicht nicht abbilden. Daneben schätzt Kahrs die Möglichkeit, dass Kunden schnell gleiche Artikel wiederholt bestellen können. Das sollte seiner Meinung nach auch in einer personalisierten Navigation berücksichtigt sein, damit der Einkauf so unkompliziert wie möglich ist. „Endverbraucher wollen ein aufregendes Shopping-Erlebnis, im B2B muss es kurz und knackig ablaufen“, betont er.
Insgesamt ist Kahrs zufrieden mit dem Shop, der vor rund eineinhalb Jahren mit 3.000 Artikeln plus Varianten online ging. Die meisten der 3.000 registrierten Shop-Kunden nutzen das Angebot, um Lagerbestände und Lieferzeiten zu prüfen. „Dadurch fallen die vielen telefonischen Rückfragen nach Lagerbeständen weg“, hebt Kahrs hervor.
Der B2B-Shop von Kahrs läuft auf einer 5er-Version von Shopware. Er ist mit dem ERP-System des Händlers, in diesem Fall Microsoft Dynamics NAV, bidirektional verknüpft, sodass sowohl Kunden- und Artikeldaten als auch Lagerbestände in Echtzeit synchronisiert werden.
Bei der Auswahl hatte sich Kahrs auch Systeme wie Oxid eSales und Magento ­angeschaut. Bei Magento hat ihn vor allem der Eigentümerwechsel von Ebay zu einer Investorengruppe und schließlich zu Adobe sowie der Wechsel von Magento1 zu Magento2 abgeschreckt. „Letztlich ist ­nobody perfect und ich kann nur schauen, wo ich mir die wenigsten Probleme einkaufe“, so Kahrs. An Shopware ­bemängelt er lange Reaktionszeiten und eine schlechte Qualität des Kundensupports. „Wenn wir einen Fehler finden, stehen wir öfter vor der Wahl, ob wir so lange warten, bis der Hersteller ihn ­behebt, oder ob wir selbst Geld in die Hand nehmen und das Problem lösen“, schildert Kahrs das Dilemma.
3. Teil: „Kriterien für ein Shop-System“

Kriterien für ein Shop-System

  • Quelle:
    Ibi Research "Online-Kaufverhalten im B2B-E-Commerce" (Juli 2018) (n = 65)
Für die Auswahl eines B2B-Shop-Systems sind nach Ansicht von Ralf Lieser, Head of Technology Management bei der Agentur Netz98, drei Faktoren entscheidend. Als Erstes muss die Shop-Lösung gut in die ­bestehende IT-Systemlandschaft passen. Moderne Systeme setzten daher auf eine API-first-Strategie mit offenen Schnittstellen. „Dadurch kann ein Unternehmen etwa sein ERP von SAP mit einem Magento-Shop und dem CRM von Salesforce verbinden und die am besten geeigneten Systeme zusammenbringen“, erklärt Lieser.
Zum Zweiten sollte ein B2B-Shop-System skalierbar sein, und zwar sowohl technisch über eine dynamische Anpassung in der Cloud als auch architektonisch. Das bedeutet, dass der Shop in einzelne ­Module unterteilbar ist, sodass zum Beispiel die Warenkorbfunktion oder das Kundenkonto isoliert verändert und dann in einer neuen Version in das Gesamtsystem reintegriert werden können.
Zum Dritten sollte das Shop-System headless sein, also Back­end und Shop-Front­end trennen. Dadurch können an das ­Backend, das die Shop-Verwaltung und den Betrieb sicherstellt, verschiedene Frontends als Ausgabesystem angedockt werden, etwa ein Online-Shop, ein Amazon Skill und eine mobile Anwendung für den Außendienst. Ziel, so Lieser, sei die maximale Freiheit, alles abbilden zu können, was in Zukunft als Vertriebs­weg entsteht.
Außerdem können über solche Shop-Systeme besondere Anforderungen im B2B-Handel besser umgesetzt werden, etwa kundenindividuelle Preise aus dem ERP-System an ein beliebiges Shop-Front­end weiterzureichen oder spezielle Lieferanforderungen. Gleichzeitig warnt Lieser vor einer Feature-Jagd: Nicht alle angepriesenen Funktionen seien in jedem Fall notwendig. „Die Frage sollte immer lauten: Ist das für mein ­Business sinnvoll? Erleichtert es meinen Kunden den Einkauf?“
Tabelle:


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