Business-IT
27.12.2018
Empirische Studie
1. Teil: „Machine Learning ist in Deutschland angekommen“

Machine Learning ist in Deutschland angekommen

Künstliche IntelligenzKünstliche IntelligenzKünstliche Intelligenz
Omelchenko / shutterstock.com
Die Unternehmen in Deutschland haben das Potenzial der Künstlichen Intelligenz entdeckt. Immer mehr setzen inzwischen auf KI- und Machine-Learning-Projekte.
  • Schwindende Verweigerung: Nur noch 19 Prozent der deutschen Unternehmen entfalten gar keine Aktivitäten in Richtung Maschine Learning.
    Quelle:
    Crisp Research "Machine Learning in deutschen Unternehmen" (n = 1902 Business- und IT-Entscheider)
Unter all den Schlagwörtern rund um die digitale Transformation sind Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) in kurzer Zeit zu den Begriffen mit der mächtigsten Breitenwirkung geworden. Eine Fülle an Studien und Veröffentlichungen sowie spektakuläre Warnungen prominenter Experten haben die Diskussion um Macht und Grenzen der KI befeuert.
Getragen ist diese Entwicklung von technischen Fortschritten: Cloud-Computing stellt die notwendige Rechenleistung flexibel und skalierbar bereit, gigantische, rasch wachsende Datenmengen dienen als unerlässliche Grundlage für Modellentwicklung und Training und immer mehr Geld fließt in Verfahren, Tools und Frameworks.
Zugleich kommen immer mehr Produkte von und für Unternehmen auf den Markt, die zumindest laut Marketing auf einer Künstlichen Intelligenz beruhen. In vielen Branchen von Industrie bis Logistik, Banking bis Gesundheitswesen setzt man große Erwartungen ins Machine Learning. Aber auch der Alltag von Millionen Menschen ist bereits von ML-Technik durchsetzt - am sichtbarsten in den digitalen Assistenten in Autos, Lautsprechern oder Smartphones. Angesichts dieses Hypes stellen sich zwei Fragen: Ist die ganze Aufregung noch viel Lärm um nichts oder ist Machine Learning als zentrale Technik der Künstlichen Intelligenz bereits in den Unternehmen angekommen? Und: Wie groß ist der Anteil an der Wertschöpfung deutscher Unternehmen, der sich jetzt oder in naher Zukunft KI und ML zurechnen lässt?
Antworten darauf gibt ein Studienreport, den Crisp Research im Auftrag des IT-Dienstleisters The unbelievable Machine Company (*um) und Dell EMC erstellt hat. Sein Titel lautet: „Machine Learning in deutschen Unternehmen. Eine empirische Studie zu Betrieb und Anwendung von Künstlicher Intelligenz“.

Wachsendes Interesse

Wie rasant der Wandel vonstattengeht, lässt sich an der Kernaussage des Studienreports ablesen: Demnach beschäftigen sich inzwischen mehr als 50 Prozent der deutschen Unternehmen aktiv mit Machine Learning. Vor zwei Jahren lag diese Quote noch bei gerade einmal 28 Prozent. Und diese Hinwendung zum Machine Learning erschöpft sich auch nicht in Theorie. Mehr als jedes fünfte Unternehmen nutzt die Technik bereits produktiv.
Folgerichtig halten auch nur noch 19 Prozent der befragten Business- und IT-Entscheider das Planen beziehungsweise Evaluieren von ML-Techniken im Fall ihres eigenen Unternehmens für sinnlos. 2017 waren das noch fast doppelt so viele (36 Prozent). Dagegen befassen sich bereits 37 Prozent der Unternehmen aktiv mit Machine-Learning-Prototypen (12 Prozent mehr als im vergangenen Jahr).
Diese neue Aufgeschlossenheit spiegelt sich auch in den Aussagen der Befragten zur Bedeutung dieser Technologie in ihrem Unternehmen wider. 44 Prozent sehen in Machine Learning einen wesentlichen Aspekt ihrer künftigen Analytics- und Big-Data-Strategien, 31 Prozent stufen den Einsatz zumindest für begrenzte Sektoren als sinnvoll ein, 15 Prozent weisen ML eine sehr hohe Bedeutung als Kerntechnologie für komplett digitalisierte Unternehmen zu. Nur 5 Prozent sehen in ML einen Hype ohne sinnvolle Anwendungsszenarien für ihre Branche.
Strategische Empfehlungen
Die Autoren der Crisp-Studie geben Unternehmen, die an ML und KI interessiert sind, einige strategische Empfehlungen:
  • Durch Planung und Umsetzung erster Use Cases, Proofs of Concept und Projekten sollte eine unternehmens­interne Aufklärung hinsichtlich der verschiedenen Spielarten von KI und ihren technologischen Möglichkeiten und Implikationen erfolgen.
  • Die Komplexität der Technologien (Hard- und Software) gepaart mit den Hosting-Möglichkeiten sind ohne eine neue Strategie nicht handhabbar. Hier sollten Schwerpunkte und Verantwortlichkeiten klar geregelt sein.
  • Partner sollten sorgfältig und intensiv geprüft werden und möglichst gemischt in die Teams integriert werden, um den Know-how-Transfer so früh wie möglich zu eta­blieren („Bridging the Gap“).
  • Special-Purpose-Hardware bietet interessante Möglichkeiten, um das Training von Modellen und die Entwicklung von Algorithmen zu beschleunigen. Managed-Hosting- und Public-Cloud-Provider bieten die Möglichkeit
  • zu einem Einstieg ohne hohe Vorabinvestitionen.
  • Bei der Auswahl der externen Dienstleister sollte darauf geachtet werden, dass zukünftige Partner über einen Mix aus Skills und Erfahrungen in den Bereichen Machine Learning, Analytics, Cloud und IT-Betrieb verfügen.
  • IT-Strategie und Risikomanagement sind im Hinblick auf juristische und gesellschaftliche Fragestellungen im Bereich Machine Learning anzupassen und es sind entsprechende Exit-Strategien einzuplanen.
2. Teil: „Wachsende Wertschöpfung“

Wachsende Wertschöpfung

  • Kräftiges Wachstum: Der Wertanteil von Machine Lerning am Umsatz digitaler Produkte bei den Top-100-Unternehmen in Deutschland soll von 13 Milliarden 2018 auf 104 Milliarden im Jahr 2022 steigen.
    Quelle:
    Crisp Research (Umsatz der Top-100-Unternehmen in Deutschland)
So entwickelt sich Machine Learning der Crisp-Studie zufolge denn auch kurz- und mittelfristig zu einem der wesentlichen Treiber der digitalen Wertschöpfung. Schon 2022 soll jeder vierte Euro des Digitalumsatzes der deutschen Unternehmen mit ML-basierten Produkten erwirtschaftet werden.
„Heute schon stammt ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Wertschöpfung eines Automobils aus Software, vor allem im Premium-Bereich. Mit der Machine-Learning-Technologie dringt nun ein weiterer ,softer‘ Anteil in physische Produkte ein und definiert deren Wert“, erklärt Björn Böttcher, Senior Analyst/AI & Data Practice Lead bei Crisp Research und einer der Studienautoren.
Doch lässt sich das schon in Zahlen ausdrücken? Ja, wenn es nach Crisp Research geht. Basierend auf mehreren Studien und Befragungen wagt das Marktforschungshaus erste Prognosen zum Wertschöpfungsanteil von ML an den digitalen Produkten und Lösungen der führenden deutschen Unternehmen (Top 100).
Der Wertanteil von ML- und KI-Technologien am Digitalumsatz soll demnach von rund 13 Prozent 2018 auf 25 Prozent im Jahr 2022 steigen oder anders ausgedrückt von 13 Milliarden auf etwa 104 Milliarden Euro.
Auch für die nähere Zukunft nennt Crisp Research Zahlen. Demnach werden nach Einschätzung der befragten Entscheider im Jahr 2020 von 303 Milliarden Euro Umsatz mit digitalen Produkten bereits stolze 61 Milliarden Euro auf den Einsatz von Machine Learning und intelligenter Algorithmen zurückzuführen sein. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass der Gesamtumsatz der Top-100-Firmen im Jahr 2020 bei rund 2019 Billionen Euro liegen soll. Das sind dann doch noch ganz andere Dimensionen.
44 Prozent der befragten Entscheider erwarten, dass bis 2020 der Wert eines Produkts zu 11 bis 20 Prozent durch Machine Learning bestimmt wird. 37 Prozent schätzen diesen Anteil sogar auf 21 bis 40 Prozent. 7 Prozent führen 51 bis 80 Prozent des Wertanteils auf KI zurück.
Ein etwas differenzierteres Bild ergibt sich, wenn man diese Erwartungen auf die Größe der betrachteten Unternehmen herunterbricht. Von den Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern erwarten 67 Prozent, dass der Wertanteil von Ma­chine Learning im Jahr 2020 zwischen 11 und 20 Prozent liegen wird. Zum Vergleich: Von den Unternehmen mit 5001 bis 10.000 Mitarbeitern rechnen stattliche 48 Prozent sogar schon mit einem Anteil von 21 bis 50 Prozent.

Vielfältige Anwendungen

„Das enorme Potenzial von ML ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft, kündigt sich aber bereits in immer mehr Anwendungsszenarien an“, bilanziert Crisp-Research-Analyst Björn Böttcher. 60 Prozent der befragten Business- und IT-Entscheider setzen im Moment auf Machine-Learning-Funktionalitäten für die klassische Prozessoptimierung, zum Beispiel durch Vernetzung von Anlagen in der Produktion, um Einsparungen in den Verarbeitungs- und Analyseschritten zu erzielen.
Auch bei digitalen Produkten ist oft schon ein Quantum Machine Learning mit im Spiel. Die Hälfte der Befragten (52 Prozent) wenden derartige Funktionen im Bereich Customer Analytics an, insbesondere Bilderkennung, Abwanderungsanalysen oder Lead Scoring.
Mehr als ein Drittel (34 Prozent) verfügt bereits über autonome, in der Regel KI-basierte Roboter entlang der Prozesskette (Robotic Process Automation). Auch in der Fertigung findet Robotertechnik mit 32 Prozent oft schon Verwendung. Ein Fünftel (22 Prozent) nutzt ML zur Optimierung der Automatisierung von Wartungs- und Serviceleistungen. In 21 Prozent der Fälle kommt ML für Predictive Maintenance zum Einsatz, 19 Prozent lassen Chatbots Kommunikationsaufgaben erledigen.
3. Teil: „Cloud vs. On-Premise“

Cloud vs. On-Premise

  • Favorit: Die Mehrheit der Unternehmen nutzt Machine Learning as a Service für den Einstieg in die Materie.
    Quelle:
    Crisp Research "Machine Learning in deutschen Unternehmen" (n = 154), Mehrfachnennungen
Noch ziemlich zweigeteilt ist das Bild, wenn man die Hosting-Varianten betrachtet, die für Projekte der Künstlichen Intelligenz gewählt werden.
„Geht es um die Umsetzung von konkreten Projekten, nutzen mehr als die Hälfte (55 Prozent) das Rundum-sorglos-Paket der großen Cloud-Anbieter“, weiß Crisp-Analystin und  Co-Autorin der Studie Anna-Lena Schwalm. „Durch die Nutzung von APIs der MLaaS-Angebote wird den Unternehmen ein einfacher Zugang zu ML-Technologien ermöglicht und eine schnelle Integration in Software-Produkte erzielt. Hinzu kommt der Vorteil, dass diese standardisierten Angebote bereits auf Skalierung optimiert sind“, erläutert Schwalm weiter.
Die Möglichkeit, die Machine-Learning-Plattform im On-Premise-Umfeld zu betreiben und zu kontrollieren, nutzen 46 Prozent der Entscheider. „Hier spiegelt sich auch die Stärke des Mittelstands in Deutschland wider. Eine produktions- und fertigungsnahe Analyse von Daten erfordert aufgrund der Latenz bei der Datenübertragung zum Teil immer noch eine On-Premise-Installation“, so Anna-Lena Schwalm.

Fazit & Ausblick

„Die Ergebnisse der Studie zeigen klar, dass Machine Learning in den deutschen Unternehmen angekommen ist. Nur noch wenige Entscheider in den Business- und Digital-Units sowie in der Enterprise-IT glauben, den Innovationswettkampf der kommenden Jahre ohne die Fähigkeiten zur schnellen, automatisierten und intelligenten Datenanalyse mittels Machine Learning gewinnen zu können“, bringt Carlo Velten, CEO von Crisp Research, die zentrale Aussage der Studie auf den Punkt. Künstliche Intelligenz sei kein Hype- und Marketing-Trend für die Internetkonzerne, sondern eine der wesentlichen Stellschrauben für die zukünftige Wettbewerbsstärke und Profitabilität fast aller Unternehmen.
Die Studienautoren ziehen aus ihren Befragungen zudem den Schluss, dass Industrieunternehmen sich immer stärker zu Software-Unternehmen transformieren müssten. Agilität und Effizienz könnten nämlich in umkämpften Märkten den Unterschied ausmachen. „Die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Automatisierung auszuschöpfen, ist damit längst nicht mehr optional. Digital first ist daher die Lösung in vielen Industrieunternehmen“, betont Velten.
  • Aufschlussreich: Die Illustration von Crisp Research zeigt auf einem Bild, in welchen Branchen die verschiedenen Machine-Learning-Funkitionen ein besonders großes Einsatzpotenzial haben.
    Quelle:
    Crisp Research "Machine Learning in deutschen Unternehmen"
Damit die Transformation vom Industrie- zum Software-Unternehmen und die Integration von Verfahren der Künstlichen Intelligenz in den Produktentwicklungsprozess gelinge, müssten Konzerne wie Bosch, Siemens, ABB oder Toyota vor allem drei Anforderungen erfüllen:
Erstens: Sie benötigten ein neues Denken, ein „Digital Mindset“, und eine neue Art und Weise, IT bereitzustellen. IT müsse zum festen Bestandteil der Product Experience gemacht werden, zu einem Teil des Produkts und des Kundennutzens.
Zweitens: Wie in klassischen Software-Unternehmen bräuchten sie einen Chief Technology Officer (CTO), der über ein tiefes Verständnis moderner Cloud-Architekturen und Technologie-Stacks verfüge.
Drittens: Das Product Lifecycle Management müsse in allen Stufen auf ein software- und servicebasiertes Geschäftsmodell ausgelegt sein.
4. Teil: „Im Gespräch mit Ravin Mehta, Geschäftsführer *um“

Im Gespräch mit Ravin Mehta, Geschäftsführer *um

  • Ravin Mehta: Geschäftsführer *um
    Quelle:
    The unbelievable Machine Company
Ravin Mehta ist Gründer von The unbelievable Machine Company (*um), einem Full-Service-Dienstleister für anspruchsvolle Digitalprojekte und Spezialisten für Big Data und Cloud-Services. *um ist Teil der Basefarm-Gruppe, einem Unternehmen der Orange Business Services, und beschäftigt rund 150 Mitarbeiter in Berlin, Frankfurt und Wien.
Im Gespräch mit com! professional analysiert Ravin Mehta Potenzial und Grenzen von KI und Machine Learning.
com! professional: Welche Rolle spielen KI und ML aus Ihrer Sicht für die digitale Transformation?
Ravin Mehta: Machine Learning ist der Treiber für digitale Transformationsprozesse. Denn Machine Learning kann die Grundlage für optimierte und automatisierte Prozesse, für bessere User Experience und besseren Kundenservice, sogar für neue Geschäftsmodelle sein. Die Anwendungsmöglichkeiten und Wertschöpfungspotenziale sind immens - über sämtliche Branchen und Unternehmensgrößen hinweg. Allerdings braucht es für die erfolgreiche Umsetzung von Machine-Learning-Projekten agile Strukturen, eine performante IT und den Willen zur Veränderung.
com! professional: In der von Crisp Research für Dell EMC und *um erstellten Studie „Machine Learning in deutschen Unternehmen“ heißt es, dass KI und ML „in Deutschland angekommen sind“. Nur in den Köpfen oder auch schon im Unternehmensalltag?
Mehta: Laut der Studie befassen sich bereits 37 Prozent der Unternehmen konkret mit der Implementierung von Machine Learning und haben schon erste Erfahrungen zumindest mit Proto­typen gemacht. 17 Prozent nutzen Machine Learning produktiv in ausgewählten Bereichen, 5 Prozent in weiten Teilen des Unternehmens. Diese Ergebnisse decken sich mit unseren Erfahrungen. Während wir vor einigen Jahren noch über die Sinnhaftigkeit von Big Data und Data Science aufklären mussten, sind viele Unternehmen inzwischen einen erheblichen Schritt weiter und haben eigene Abteilungen in diesen Bereichen aufgebaut.
com! professional: Wie viel Intelligenz steckt heute schon in KI, wie viel Lernvermögen in ML?
Mehta: In der Tat ist es noch recht vermessen, bei maschinellem Lernen von „Intelligenz“ zu sprechen, auch wenn die Ergebnisse erstaunlich sein können. Wenn die Menge an Trainingsdaten und die Rechenleistung groß genug sind, dann kann Machine Learning sogar menschliche Intelligenz überflügeln, siehe Googles Projekt AlphaGo Zero.
Je kontrollierter die Umgebung und bekannter die wiederkehrenden Strukturen sind, umso besser funktioniert Machine Learning. Für die Zukunft sind der Fantasie allerdings keine Grenzen gesetzt. Denn das Prinzip, nach dem maschinelles Lernen funk­tioniert, kommt dem menschlichen Lernen durchaus nahe - daher gibt es keinen Grund zur Annahme, dass künstliche Systeme in einem absehbaren Zeithorizont nicht über Fähigkeiten verfügen werden, die von menschlicher Intelligenz kaum zu unterscheiden sind. Das heißt letztlich, dass sie in der Lage sein werden, neue Aufgaben auszuführen, für die sie nicht programmiert wurden, indem sie Gelerntes auf andere Bereiche adaptieren - eben wie ein Mensch.
com! professional: Kaum eine Business-Software kommt heute ohne das Label „KI-basiert“ auf den Markt. Ist Ihrer Erfahrung nach überall KI drin, wo KI draufsteht?
Mehta: Der Begriff KI wird inflationär verwendet und nicht trennscharf von Machine Learning abgegrenzt. Es muss Unternehmen klar sein, dass es keine „Künstliche Intelligenz“ am Markt zu kaufen gibt, sondern nur Machine Learning - zu deren richtigem Einsatz aber nach wie vor „menschliche Intelligenz“ gehört.
com! professional: Unserem Eindruck nach dienen KI-Projekte derzeit in erster Linie noch dazu, bestehende Prozesse zu optimieren. Von den viel beschworenen „neuen Geschäftsmodellen“ ist noch nicht so viel zu sehen.
Mehta: Bisher inszenieren sich vor allem amerikanische Unternehmen öffentlichkeitswirksam als Vorreiter des Machine Learnings. Allerdings investieren auch deutsche Unternehmen massiv in diesen Bereich. Automobilhersteller rollen neue Services für das „Connected Car“ aus und treiben die Entwicklung (teil-)autonomen Fahrens voran. Banken und Versicherungen nutzen Ma­chine Learning für die Modellentwicklung, für Betrugserkennung und Dokumentenklassifizierung, der Handel für den Kundendienst und Marketingmaßnahmen. Zugegebenermaßen - hier ist nicht immer deutlich abzugrenzen, ob es sich um Prozessoptimierung oder Verbesserungen bestehender Geschäftsmodelle geht. Dass die bessere User Experience durchaus geschäftskritisch sein kann, gilt nicht nur im E-Commerce. Dort sind übrigens die ersten neuen Geschäftsmodelle zu sehen, wenn es um hyperpersonalisierten Content und passgenaue Angebote geht.
com! professional: Was sollten Unternehmen beachten, die sich jetzt daran machen, sich mit ML und KI zu beschäftigen?
Mehta: Sie sollten die Scheu ablegen, mit kleinen Schritten beginnen und Ideen agil entwickeln. Dazu braucht es zuallererst die richtigen Strukturen und das richtige „Mindset“, um agil, iterativ und ergebnisoffen an die Dinge heranzugehen.
com! professional: Was sind die größten Stolpersteine für ML-Projekte? Oder andersherum gefragt: Welche Faktoren machen KI-Projekte Ihrer Erfahrung nach erfolgreich?
Mehta: Zunächst geht es darum, explorativ vorzugehen. Data Science ist eine wissenschaftliche Disziplin, das heißt, anders als sonst in der Managementwelt mag vielleicht das Ziel klar sein, aber der Weg dorthin ist vorher nicht bekannt und planbar. Es kann also vorkommen, dass sich eine theoretische Idee in der Praxis nicht umsetzen lässt. Wenn es sich aber in einem Proof of Concept umsetzen lässt, dann ist es wichtig, von vornherein zu planen, dass daraus ein Produkt wird und das Projekt nicht bei der Theorie stehenbleibt. Dazu gilt es, von Beginn an mit einem Partner zu arbeiten, der sämtliche Schritte von der Ideenentwicklung über den Aufbau einer Datenplattform bis zum langfristigen Betrieb versteht und umsetzen kann - von der Idee bis zum Kabel.

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