Business-IT
08.10.2019
Nachhaltigkeit
1. Teil: „Lifecycle-Management as a Service“

Lifecycle-Management as a Service

Repairing SmartphonesRepairing SmartphonesRepairing Smartphones
Bild: Shutterstock / Andrey Popov
Dienstleister kümmern sich zunehmend um die IT-Assets in Unternehmen. Mit dem Product Lifecycle-Management kann zum Beispiel ein Gerät von der Entwicklung bis zur Entsorgung verwaltet werden.
Es gibt immer noch viele Unternehmen, die auf die fachgerechte Entsorgung von ITK-Produkten keinen großen Wert legen. Oft werden die Inhalte alter Smartphones oder Laptops mehr oder weniger sorgfältig gelöscht und die Geräte im Keller deponiert, bis sie irgendwann auf dem Wertstoffhof landen. Müssen neue Endgeräte angeschafft werden, so besorgt der Adminis­trator sie vielleicht bei seinem Systemhaus, vielleicht erhält der Reseller dann auch den Auftrag, die Hardware zu administrieren. Standardprodukte werden aber auch häufig bei einem günstigen Anbieter gekauft und der Administrator oder im schlimmsten Fall der Nutzer ist für das Einrichten selbst verantwortlich.
Doch es gibt auch immer mehr Firmen, die ihre ITK-Prozesse - vom Einkauf über die Konfektionierung bis hin zur Entsorgung - professionalisieren und an externe Dienstleister auslagern, Stichwort Lifecy­cle-Management (LCM).
Das moderne Lifecycle-Management hat die alte Idee der Nachhaltigkeit aufgegriffen und versucht sie in Unternehmen umzusetzen. Einer der wichtigsten Bereiche ist dabei das Product Lifecycle Management oder abgekürzt PLM. Mit PLM ist es etwa möglich, den gesamten Lebenszyklus eines Produkts von der Entwicklung und Produktion über den Vertrieb bis hin zur Wartung und Außerdienststellung zu verwalten. Dabei werden fünf Phasen unterschieden, die von der Einführung eines Produkts im Markt bis zu seinem sogenannten Marktaustritt reichen.
Bislang ging es bei Lifecycle-Services oft um Dienstleistungsverträge mit Enterprise-Kunden. Doch immer häufiger setzen auch mittelständische Unternehmen auf professionelles Lifecycle-Management. „Die Relevanz eines definierten ITK-Service-Stacks ist mittlerweile jedem Unternehmen, das in seiner Wertschöpfung auf funktionierende IT angewiesen ist, vollständig bewusst und klar“, erklärt Simone Blome-Schwitzki, Sprecherin der Geschäftsführung des ITK-Großhändlers Also Deutschland. Auch Eric Rositzki, Executive Director Lifecycle-Services beim Broadliner Ingram Micro, beobachtet ein „steigendes Interesse im mittleren Marktsegment“. Deshalb ist der Distributor gerade dabei, die Prozesse zu standardisieren - damit Partner die Lösungen einfacher buchen und vermarkten können.

Performance steigern

Beim IT-Lifecycle-Management (ITLM) geht es dagegen um die systematische Steigerung der betrieblichen und finanziellen Performance in der kompletten IT-Infrastruktur eines Unternehmens. Dabei werden die Assets, also zum Beispiel Desktop-PCs und Server, aber auch die Lizenzen und die Verträge mit geeigneten Lösungen verwaltet. Auf diese Weise soll etwa verhindert werden, dass nur der aktuelle materielle Wert der vorhandenen Güter in wirtschaftliche Überlegungen einfließt. So kann beispielsweise ein bestimmter Server natürlich auch so lange genutzt werden, bis er technisch versagt. Ob er bis dahin aber noch einen geschäftlichen Nutzen für das Unternehmen bringt, ist mehr als fraglich. Möglicherweise ist es zum Beispiel für das Unternehmen mittel- und langfristig besser, wenn der Server bereits nach zwei oder auch nach fünf Jahren durch eine aktuellere Version mit höherer Leistung und mehr Datensicherheit ersetzt wird.
Der Begriff „Alterung“ der vorhandenen IT-Ausrüstung bezieht sich oft nicht nur auf vermehrt auftretende Ausfälle oder andere Probleme. Die Alterung hängt auch damit zusammen, dass laufend neue, verbesserte Produkte auf dem Markt erscheinen.
Das britische Marktforschungsunternehmen Quocirca hat sich schon vor einigen Jahren mit diesem Thema beschäftigt und die Analyse „Don‘t sweat assets, liberate them!“ veröffentlicht. Darin gehen die Analysten der Frage nach, wa­rum viele Unternehmen die vorhandene Hardware so lange nutzen, bis sie fast schon auseinanderfällt, obwohl dem Unternehmen damit gar nicht mehr optimal gedient ist. Das könne in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sogar dazu führen, ein Unternehmen an den Rand seiner Existenz zu bringen.
Aber selbst wenn nicht mehr benötigte Hardware rechtzeitig ausgemustert wird, werden immer wieder Fehler gemacht, vor allem dem Thema Datensicherheit wird nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt.
2. Teil: „Mehrstufiges ITLM-Modell“

Mehrstufiges ITLM-Modell

  • ITLM-Modell nach Quocirca: Hier reicht der Produktzyklus von der ersten Einschätzung über die Stufen Beratung, Beschaffung, Bereitstellung, Aufrecht­erhaltung des Betriebs, Ausmustern und Datenvernichtung bis zur Entsorgung.
    Quelle:
    Quocirca
Im Auftrag des britischen IT-Lifecycle-Dienstleisters Bell Integration hat Quocirca deswegen ein mehrstufiges Modell entwickelt, um den für ein Unternehmen strategischen Wert seiner Hardware besser einschätzen zu können. Die Frage ist also, wie gut oder schlecht eine bestimmte Hardware noch ihren Zweck erfüllt. Ebenso müssen weitere Aspekte beachtet werden. So sinkt zwar in der Regel der materielle Wert der angeschafften Systeme im Lauf der Zeit, sind allerdings auf einer Storage-Einheit beispielsweise wichtige Daten gespeichert, dann erhöht sich dadurch der Gesamtwert für das Unternehmen wieder.
Nach Angaben von Quocirca geht es also in erster Linie darum, den idealen Zeitpunkt zu finden, an dem sich die Anschaffung einer neuen Hardware wirtschaftlich am meisten lohnt. Dabei sind neben dem materiellen (Rest-)Wert der vorhandenen Hardware auch Aspekte wie die Beschaffung neuer Produkte, das Testen dieser Geräte und ein möglichst weitgehend automatisierter Betrieb mit in die Überlegungen einzubeziehen. Sollen nicht mehr benötigte oder zu ersetzende Produkte ausgemustert werden, dann nur im Rahmen eines zuvor definierten Plans und unter Berücksichtigung einer ordnungsgemäßen und regelkonformen Vernichtung der darauf befindlichen Daten.
Das lässt sich nicht allein mit dem Führen von Excel-Tabellen erreichen, in denen alle vorhandenen IT-Güter mit Kaufdatum, Preis und eventuell noch Seriennummern aufgelistet werden. Bei dieser Vorgehensweise sind Fehler unvermeidbar, wenn zum Beispiel eine Hardware unerwartet ausfällt, die Liste aber nicht umgehend aktualisiert wird.

Lifecyle-Management als Dienst

Da viele Unternehmen nicht über die Fähigkeiten oder die Kapazitäten verfügen, den idealen Zeitpunkt zum Wechsel ihres Equipments selbst zu bestimmen, hat sich mittlerweile eine Handvoll Service-Provider wie Bell Integration auf diesen Bereich spezialisiert. Das britische Unternehmen bietet bereits seit einigen Jahren einen umfassenden IT-Life­cycle-Management-Service an, der in verschiedene Phasen unterteilt ist.
Zunächst werden die in einem Unternehmen vorhandenen IT-Assets aufgenommen und auf ihren wirtschaftlichen Nutzen analysiert. Während des Assessments wird aber nicht nur die Hardware aufgelistet. Es geht unter anderem auch um Fragen der Gewährleistung für diese Produkte durch den jeweiligen Anbieter und um den verfügbaren Support. Auf dieser Basis wird dann ein Service-Modell erstellt, das in Schritt zwei umgesetzt wird. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, die von einer Optimierung des Rechenzentrums über eine Migration zu geeigneten Cloud-Services bis hin zum Ausmustern und Recyceln nicht mehr benötigter Systeme reichen. Im Zuge dieser Maßnahmen erhalten die Kunden monatlich erstellte Berichte über die unternommenen Schritte.
Nach Einschätzung von Branchenkennern lohnt es sich bereits ab zehn Mitarbeitern, ins IT-Lifecycle-Management beziehungsweise in externe Lifecycle-Services einzusteigen. Zur Erledigung dieser Aufgabe werden IT-Asset-Management-Werkzeuge zur Inventarisierung benötigt, die das Netzwerk automatisiert nach Hardware und anderen Gütern durchsuchen und sie dann katalogisieren. Diese Tools müssen möglichst viele Details etwa über den Hersteller und die verbauten Komponenten sammeln, um ein verlässliches Gesamtbild der Lage abgeben zu können.
3. Teil: „Hersteller und Handel steigen ein“

Hersteller und Handel steigen ein

  • Fünf Produktphasen: Marketing-Experte Martin Heubel unterscheidet in seinem Lebenszyklus-Modell Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung und Degeneration.
    Quelle:
    Martin Heubel (www.smartmarketingbreaks.eu)
Neben spezialisierten Dienstleistern bieten mittlerweile auch viele größere und kleinere Hersteller Lifecycle-Services für ihre Produkte an. Dabei geht es aber meist nur oder vor allem um die Angebote des jeweiligen Herstellers. Hewlett-Packard Enterprise (HPE) zum Beispiel bietet an, nicht mehr benötigte IT-Assets im Auftrag der Kunden stillzulegen. Oft werden diese dann in speziellen Anlagen wieder aufbereitet, um sie anschließend ein zweites Mal verkaufen zu können. Bei HPE befasst sich der Bereich Finan­cial Services mit diesem Gebiet. Er lässt nach Firmenangaben jährlich etwa vier Millionen
Rechenzentrums- und Arbeitsplatzprodukte durch die beiden Technology Renewal Center in Andover, Massachusetts, und Erskine, Schottland, bearbeiten. Im vergangenen Jahr konnten laut HPE Financial Services rund 89 Prozent der dort aufbereiteten Produkte weiterverkauft werden, der Rest wurde recycelt.
Die angebotenen Lifecycle-Services haben unter anderem den Vorteil, dass HPE über diesen Weg auch Legacy-Produkte wieder als sogenannte „Certified Pre-Owned“-Geräte anbieten kann, die teilweise bis zu 25 Jahre alt sind, aber trotzdem noch einen Abnehmer finden. Eventuell noch vorhandene Daten auf diesen Produkten werden im Vorfeld mit Hilfe eigens entwickelter Asset-Recovery- und Asset-Upcycling- Services entfernt. Bei Festplatten haben die Kunden zum Beispiel die Wahl zwischen einer Entmagnetisierung und einem kompletten Schreddern.
Die Vernichtung der noch vorhandenen Daten, die sogenannte IT Asset Disposition (ITAD), ist bei Lifecycle-Services ein besonders wichtiger Aspekt. Der Begriff steht für eine sichere und ökologisch verträgliche Entsorgung nicht mehr benötigter und veralteter Geräte.
Wie wichtig eine fachgerechte Vernichtung alter IT-Geräte ist, hat vor Kurzem erst wieder die Aufregung um die Zerstörung mehrerer Festplatten in Österreich durch einen engen Mitarbeiter von Kanzler Sebastian Kurz gezeigt. Die auf nicht mehr benötigter Hardware gespeicherten Daten können nicht nur für Politiker, sondern auch für Unternehmen ein erhebliches Risiko darstellen. Aber trotz solcher und vergleichbarer Vorfälle gibt es immer noch Firmen, die der fachgerechten Entsorgung ihrer Hardware nicht den nötigen Stellenwert beimessen. Auf nicht mehr benötigten Geräten werden die Daten gelöscht und irgendwer bringt sie irgendwann auf den Wertstoffhof.
Unter anderem um einem befürchteten Wildwuchs bei der Beschaffung vorzubeugen, hat inzwischen auch der Fachhandel reagiert und bietet selbst schon Lifecycle-Services an. Die Händler können die verkauften Produkte dann vom Anfang bis zum Ende im Rahmen von lukrativen Dienstleistungsverträgen begleiten.
Größere Distributoren wie Ingram Micro, die die Systemhäuser in Deutschland und den Fachhandel beliefern, haben damit begonnen, die für Lifecycle-Services benötigten Prozesse zu standardisieren und diese wiederum ihren Partnern zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es auch wieder um die erwähnte sichere IT Asset Disposition, wie Eric Rositzki, Execu­tive Director bei Ingram Micro, erläutert: „Im vergangenen Jahr haben wir unser ITAD-Geschäft massiv aus­gebaut.“
4. Teil: „Zufriedenheit mit der IT steigern“

Zufriedenheit mit der IT steigern

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der für moderne Life­cycle-Services spricht: Viele Mitarbeiter in Unternehmen benötigen für ihre Tätigkeiten aktuelle Hardware - oder glauben dies zumindest. Das liegt unter anderem daran, dass eine Reihe von Arbeiten mittlerweile von unterwegs aus oder zu Hause im Homeoffice erledigt wird.
Laut der vom Marktforschungsinstitut Censuswide im Auftrag des Büromaschinenherstellers Sharp Business Systems erstellten Studie „IT-Zufriedenheit in europäischen Unternehmen“ ist mit 42 Prozent nahezu die Hälfte der Befragten überzeugt, dass sich moderne und einfach zu bedienende Technik am Arbeitsplatz positiv auf ihre Motivation auswirkt. 16 Prozent gaben sogar an, dass sie sich dadurch ihrem Arbeitgeber stärker verbunden fühlen und sich deswegen nicht nach einem neuen Job umzusehen brauchen.
Dazu kommt, dass laut Studie den Mitarbeitern in Deutschland im Büroalltag rund 20 Arbeitstage aufgrund von langsamer, fehlerhafter oder zu komplizierter Technik verloren gehen. Die technische Ausstattung am Arbeitsplatz gehöre folglich zu den größten Zeitfressern. Die genannten Gründe liegen allerdings nicht nur bei veralteter Hardware, sondern auch bei schwer zu durchschaubaren Dokumentenablagen, technischen Problemen im Netzwerk oder auch beim Drucken.
„Durch veraltete, fehlerhafte und komplizierte Technik riskieren Unternehmen verlangsamte Arbeitsprozesse, Einbußen im Gewinn und sogar den Verlust wertvoller Mitarbeiter“, erläutert Alexander Hermann, President Information Systems Europe bei Sharp. Es sei an der Zeit zu erkennen, wie wichtig aktuelle und smarte Technologien sind, die zu den sich stetig weiterentwickelnden Anforderungen der Mitarbeiter passen. „Mit der richtigen Technik steigt nicht nur die Effizienz der Teams, sie erhöht auch den Spaß an der Arbeit und die Attraktivität des Arbeitgebers“, so Hermann weiter.

Fazit & Ausblick

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die Menschen nicht erst seit Greta Thunberg. Schon Anfang des 18. Jahrhunderts formulierte der ehemalige Leiter des sächsischen Oberbergamts in Freiberg Hans Carl von Carlowitz den prägnanten Leitsatz „Schlage nie mehr Holz als nachwächst“. Europa befand sich damals in einer tiefen Krise. Die Menschen fällten mehr Bäume als nachwachsen konnten. Es musste sich deswegen etwas ändern. Wenn es um einen sparsamen und angemessenen Verbrauch der Ressourcen geht, so trifft das auch heute zu.
Nachhaltigkeit ist nicht nur eine gesellschaftliche Verantwortung, die junge Menschen zunehmend auf die Straße treibt. Sie ist auch eine ökonomische Notwendigkeit für Unternehmen. Nur wer nachhaltig wirtschaftet, sichert seine Zukunft kurz-, mittel- und langfristig. Ein modernes Life­cycle-Management ähnelt dabei dem klassischen Projektmanagement. Auf der Basis definierter Ziele und gemeinsam mit einem geeigneten Dienstleister können Strukturen und Abläufe neu geplant und während der Umsetzung laufend kon­trolliert werden.
Tabelle:


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