Künstliche Intelligenz
30.07.2019
Unified Communications & Collaboration
1. Teil: „Der Kontakt zum Kunden wird intelligent“

Der Kontakt zum Kunden wird intelligent

Humanoider Roboter vor LaptopHumanoider Roboter vor LaptopHumanoider Roboter vor Laptop
Phonlamai Photo / shutterstock.com
Künstliche Intelligenz erkennt die Stimmungslage eines Anrufers und reagiert darauf. Und je weniger der Endkunde bemerkt, dass es sich um KI handelt, desto angenehmer ist es.
  • Prototyp von Avaya: Beim „Workplace for the Future“ erfüllt die virtuelle Assistentin Ava Funktionen wie die eines Übersetzungsservices.
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Wenn Sie Fragen zum Vertrag haben, dann drücken Sie die Drei“ - ein Anruf bei einem Contact-Center kann die Geduld eines Kunden (über-)strapazieren: Warteschleifen, die Bitte, das Anliegen einzugrenzen - entweder durch Tastendruck oder durch das Nennen einer Zahl -, und dann klappt irgendeine Kleinigkeit in dem Prozedere nicht und der Kunde muss von vorn beginnen.
Künstliche Intelligenz (KI) kann hier Abhilfe schaffen und den Kundenservice deutlich verbessern. Und eine ganze Reihe von Contact-Centern hat bereits heute Chat- oder Sprach-Bots im Einsatz. Viele Betreiber von Contact-Centern nutzen beispielsweise schon KI-gestützte ACD-Lösungen (Automatic Call Distribution), um die Abläufe effizienter zu gestalten und dabei gleichzeitig ihre Servicequalität zu steigern. „Ein konkretes Beispiel ist die Erkennung von Schlagworten im Dialog mit Anrufern, um Gespräche besser vorqualifizieren und die Agenten vorinformieren zu können“, berichtet etwa Starface-Geschäftsführer Florian Buzin.
Moderne Systeme können aber noch mehr: „Sie nutzen zuverlässige Mood- und Anger-Analysen, um die Stimmung des Anrufers einzuschätzen und automatisch zu eskalieren“, sagt Buzin. Erkennt etwa die KI, dass ein Anrufer sehr verärgert ist, so wird dieses Gespräch priorisiert und schneller an einen Agenten weitergeleitet. Klingt der Anrufer entspannt und zufrieden, so kann es sein, dass er bei starker Auslastung etwas länger in der Warteschleife verharren muss.
Doch damit sind die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz in Contact-Centern noch nicht erschöpft: „Zukünftig wird KI im Contact-Center-Umfeld alle standardisierten Kundenanfragen und Beschwerden entgegennehmen und bearbeiten können“, ist Markus Krammer, VP Products und New Business bei Nfon, überzeugt. Er sieht im Zusammenspiel von Big Data, Sprachanalyse und Sprachsynthese ein großes Potenzial. „Dieses erlaubt der KI künftig, ein eigenständiges und zielführendes Gespräch zu führen“, betont er. Big Data bedeute, eine intelligente Konversation zu führen, Sprachsynthese, so zu klingen wie ein realer Gesprächspartner, und Sprachanalyse, das Gespräch zu erfassen. Ziel aller Bestrebungen ist, die realen Agenten zu entlasten, damit sie die Zeit haben, sich um komplexere Probleme zu kümmern.

Akzeptanz der Kunden

Darüber hinaus bieten die Systeme eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit, höhere Erreichbarkeit und Performance sowie eine einfache Skalierbarkeit. Doch wie ist die Akzeptanz der Kunden? Würden diese nicht lieber mit einem echten Menschen kommunizieren? „Für Endkunden ist die beste KI diejenige, die sie nicht bemerken“, erklärt Andrew Maher, Customer Engagement Evangelist bei Avaya. „Wenn ich mit meiner Alexa suche, ist jede Menge Künstliche Intelligenz am Werk, aber ich bemerke es nicht“, führt er aus.
Umgekehrt gibt es aber auch viele Skeptiker, die allein aus Datenschutzgründen keine virtuellen Assistenten wie beispielsweise Amazons Alexa nutzen wollen - und neuen Technologien gegenüber nicht sonderlich aufgeschlossen sind. Zudem ist das Thema Künstliche Intelligenz derzeit omnipräsent in den Medien und wird häufig überaus kritisch diskutiert.
Florian Buzin von Starface glaubt, dass es hier einen deutlichen Generationenunterschied gibt: „Junge Leute, die zum Beispiel mit Apples virtuellem Assistenten Siri und Chat-Bots großgeworden sind, sprechen lieber mit einer KI, als einen menschlichen Ansprechpartner anzurufen und möglicherweise zu stören. Die über 30-Jährigen wollen, wenn man ihnen die Wahl lässt, lieber mit einem menschlichen Agenten sprechen“, so seine These.
Und Frédéric Oster, Country Manager DACH bei Wildix, geht vom goldenen Mittelweg aus: „Wenn KI sinnvoll und klug eingesetzt wird, findet sie bei den Kunden auch Akzeptanz“, ist er sich sicher. Die ideale Einsatzform sieht er in der Kombination von KI und menschlichen Akteuren, sodass Letztere bei Bedarf eingreifen können.
Doch es gibt auch einige Hürden, die nicht allein auf die mangelnde Akzeptanz der Kunden zurückzuführen sind.
2. Teil: „KI-Einführung“

KI-Einführung

  • Cisco Webex: Das Feature „People Insights“ zeigt öffentlich zugängliche Informationen direkt im Meeting an.
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„Oftmals finden wir heute Insellösungen bei Kunden vor, wenig integriert in die Gesamt-Contact-Center-Lösung und somit nicht wirklich wertschöpfend“, berichtet Anton Döschl, Architecture Lead Collaboration bei Cisco. Auch komplexe Lizenzmodelle und technisch schwer integrierbare Lösungen stellen häufig unüberwindliche Hindernisse dar. „KI ist nicht ein Software-Paket, sondern ein sehr komplexes Zusammenspiel vieler verschiedener Komponenten“, warnt denn auch Markus Krammer von Nfon.
Und Andrew Maher sieht den deutschen Perfektionismus als große Herausforderung. „Gespräche mit unseren Partnern haben gezeigt, dass wir Deutschen zum ,Over-Engineering‘ neigen. Alles muss zu hundert Prozent ausgedacht, ausgearbeitet und getestet sein, bevor es in den Betrieb geht“, hält er fest. Er ruft deshalb dazu auf, mutiger zu werden und mit einer kleinen Anzahl von Projekten zu starten, um dann zu testen und auch zu lernen, was gut funktioniert und was nicht so gut klappt.
Eine weitere Herausforderung, zumindest jetzt noch, ist die Qualität der Daten - denn sie sind das „Futter“ für alle KI-Systeme. In Verbindung mit Machine Learning kann die Qualität der Daten zwar verbessert werden, doch nach wie vor wird die Zeit, die dafür benötigt wird, um Daten gut für KI aufzubereiten, in vielen Fällen unterschätzt.
Deshalb greifen viele Hersteller beim Einsatz von KI auf Kooperationen zurück, häufig ist Google einer der Partner. Der Suchmaschinen-Gigant hat mit Google Contact Center AI eine Lösung auf den Markt gebracht, die KI in die Kundenbetreuung einbringen kann. Hersteller wie Atos/Unify, Wildix, Mitel und auch Cisco arbeiten in diesem Bereich mit Google zusammen. Avaya testet die Google-KI-Lösung derzeit. Der Hersteller hat darüber hinaus das Programm A.I. Connect entwickelt, um mit KI-Experten neue Anwendungen zu entwickeln.
Im nächsten Schritt erwarten die Experten, dass Künstliche Intelligenz künftig auch vermehrt in UCC-Lösungen (Unified Communications and Collaboration) integriert wird. „Selbstlernende und selbstheilende Systeme sind heute schon Grundlage in der Netzwerk-Technologie und werden in der Telefonie - auch in der Cloud - Einzug halten“, ist sich Nfon-Manager Krammer sicher. Die Münchner haben zwar keine eigene KI-Lösung im Einsatz, verfolgen die Entwicklungen aber laut Krammer sehr rege.
Andere Hersteller sind hier einen Schritt weiter: Cisco hat zum Beispiel unter dem Namen Cognitive Collaboration ein Programm aufgesetzt. Im Kern geht es dabei darum, he­rauszufinden, wie man KI und Machine Learning nutzt, um die Teamarbeit zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist eine neue Funktion, die Cisco in sein Collaboration-Tool Webex gebracht hat: People Insights baut mit Hilfe von KI eine Datenbank von öffentlich zugänglichen Informationen auf, die direkt in einem Webex-Meeting angezeigt werden.
Auch Avaya hat bereits konkrete Pläne und zum Teil Anwendungen für diesen Bereich - und dafür unter anderem im vergangenen Jahr einen Hackathon mit Partnern veranstaltet, um ausgewählte KI-Applikationen in seine Equinox-UC-Plattform zu integrieren. Darunter waren Sprachassistenten, Anwendungen für die E-Mail-Automatisierung und Sprachbiometrie-Funktionen. Maher betont: „Ich sehe hier keine Grenzen für die Einsatzmöglichkeiten von KI im Collaboration-Umfeld.“
KI-Angebote der UCC-Hersteller (Auswahl)
  • Atos/Unify: Bietet die aktuelle Version der OpenScape Contact Center Suite mit der Möglichkeit an, Chat-Bots verschiedener Hersteller zu integrieren. Diese virtuellen Assistenten werden sowohl in Web-Chats als auch in Social-Media-Kontakten genutzt. Zudem hat Atos eine strategische Kooperation mit Google auf dem Gebiet der KI abgeschlossen. KI-basierte Sprachassistenten und intelligente Chat-Bots können darüber hinaus in die UCC-Plattform Circuit eingebunden werden.
  • Avaya: Hat mit Ava (Avaya Virtuelle Assistentin) eine Plattform entwickelt, mit der Unternehmen ihre Social-Media-Seiten managen können. Ava bringt dabei die eingehenden Posts von verschiedenen Kanälen zusammen, übernimmt die erste Verarbeitung von Anfragen und bietet eine nahtlose Integration mit dem Contact-Center des Unternehmens. Außerdem hat der Hersteller einen „Workplace of the Future“-Prototyp entwickelt, in dem ebenfalls Ava enthalten ist. Zu den Funktionen zählen unter anderem das Erstellen von Mitschriften, Erinnerungen, To-do-Listen und Live-Übersetzungen.
  • Cisco: Kooperiert ebenfalls mit Google. Die Zusammenarbeit findet in folgenden Bereichen statt: Digital Flow, eine Art Vorqualifizierung von Kundenanfragen inklusive Bereitstellung von relevanten Daten, sowie KI und ML (Machine Learning). Dabei werden häufig auftretende Fragen von Kunden und die Bereitstellung der richtigen Ressourcen und Intelligenz aus einer Datenbasis, die sukzessive erweitert wird, analysiert. Darüber hinaus hat Cisco die Initiative „Cognitive Collaboration“ gestartet, mit der KI und ML die Zusammenarbeit in Teams verbessern sollen.
  • Mitel: Integriert Google Cloud Contact Center AI in seine Lösungen. Damit erweitert Mitel die Funktionsvielfalt seiner Anlage um einen KI-gestützten virtuellen Agenten für Produkt- und Service-Informationen mit Hilfe eines intelligenten Chat-Bots. Derzeit konzentriert sich der Hersteller bei seinen KI-Angeboten noch auf den Contact-Center-Bereich, es ist aber geplant, die KI- Funktionen auch in die UC-Lösungen einzubringen.
  • Starface: Führt keine eigene KI-Lösung, aber die Systeme von Google, Amazon, Apple und anderen großen Herstellern können in die Plattform integriert werden. Auch haben einige der Starface-Excellence-Partner Sprachsteuerungs- und KI-Module entwickelt. Weitere KI-Tools sind derzeit in Planung, dazu gehört zum Beispiel, die Mobile Clients für iOS mit Apples virtuellem Assistenten Siri zu verheiraten.
  • Wildix: Kooperiert beim Thema KI ebenfalls mit Google und bietet mit Wildix Business Intelligence (WBI) ein Feature-Set für seine UCC-Plattform an. Zu den Anwendungen zählen etwa Rufwahl über Spracherkennung (Automatic Speech Recognition), Text-to-Speech (TTS), Speech-to-Text (STT) sowie die Bereitstellung von Transkriptionen von Anrufen und Konferenzaufzeichnungen.

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