Soziale Netze
19.06.2019
Social Media Analytics
1. Teil: „Wie KMUs die Zielgruppen von morgen aufspüren“

Wie KMUs die Zielgruppen von morgen aufspüren

Social Media auf dem SmartphoneSocial Media auf dem SmartphoneSocial Media auf dem Smartphone
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Viele Unternehmen tun sich schwer damit, ihren Erfolg in sozialen Netzwerken zu messen. Lösungen für Social Media Analytics versprechen hier Abhilfe.
Jeden Tag nutzen 3,4 Milliarden Menschen soziale Medien und verbringen dort im Durchschnitt 116 Minuten.
Auch im deutschen Mittelstand hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es lohnend sein kann, sich in den sozialen Medien zu präsentieren. Björn Eichstädt, geschäftsführender Gesellschafter von Storymaker, einer Agentur für PR und digitale Kommunikation, sagt dazu: „Mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen, an dem jeder verstanden hat, dass das heute zu einem Kommunikations-Setup dazugehört.“

Überforderte Unternehmen

Laut einer Studie des Software-Unternehmens Pegasystems fühlen sich aber insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen oft überfordert. Sie wissen nicht, welchen Kanal sie wie bedienen sollen, welche Ziele sie damit erreichen wollen und wie man das Ganze misst. Dazu kommt, dass häufig genug der Werkstudent dazu verdonnert wird, sich neben­bei auch um Social Media zu kümmern – ein Zeichen dafür, dass den Plattformen wenig Bedeutung beigemessen wird. „Social Media ist kostenlos, oder gefühlt kostenlos, und somit für die Unternehmen nicht wirklich etwas wert. Und dann lohnt es sich auch nicht, da viel Zeit und Gedanken reinzustecken“, kommentiert Björn Eichstädt.
  • Überblick: Das Tool Snapshot zeigt auf einen Blick, was sich auf den Social-Media-Plattformen tut.
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Eine Erfolgsanalyse ist nicht nur wichtig, um intern zu dokumentieren, was man erreicht hat. Sie dient auch gegenüber Vorgesetzten als Argumentation, welchen Wert Social Media für das Unternehmen hat und welche Ressourcen dafür benötigt werden. Eine Analyse lässt erkennen, wie eigene Beiträge in der Zielgruppe ankommen, und ermöglicht es, sie entsprechend zu justieren. Zudem lässt sich der Wettbewerb gut beobachten, und das sogar, ohne selbst aktiv zu sein.
Thomas Kaczensky, Managing Partner des Social-Media-Dienstleisters Prettysocial Media, unterstreicht die Wichtigkeit und den Nutzen von Social Media: „In den sozialen Medien finden Sie die Zielgruppe von morgen. Hier können Unternehmen Bindungen aufbauen.“
Freddy Staudt, Vice President DACH bei Touchdown PR, einer Agentur, die sich auf Innovationen und Technologien im Enterprise-Umfeld spezialisiert hat, weiß, dass selbst große Firmen kaum je ein professionelles Setup für soziale Medien haben. „Viele halten das Social Web für eine Art kostenlose Marketing-Plattform. Das kann natürlich nicht funktionieren – bei Facebook zum Beispiel dringen werbliche Inhalte nur noch in Bezahlangeboten durch.“ Das grundlegende Problem sei das Fehlen eines Plans. „Einige Unternehmen verwenden Kanäle wie Xing, LinkedIn, Twitter und Facebook, um Content zu verbreiten.“ Aber fast niemand habe klare Ziele oder dedizierte Ressourcen im Sinne von Personal oder Budget. Entsprechend schwer sei es, Erfolge in irgendeiner Art zu messen. Wenn es überhaupt nennenswertes Social-Media-Engagement von Unternehmen gebe, seien es oftmals eher Einzelpersonen, die sich halb privat eine Followership aufgebaut haben und diesen Einfluss dann auch beruflich nutzen.
Auch Silostrukturen stehen den Unternehmen im Weg. Wenn es beispielsweise eine Performance-Abteilung gibt, eine für Branding und eine für Bewegtbild, dann liegt es auf der Hand, dass kein sinnvolles Gesamtbild zustande kommt.
Björn Eichstädt von Storymaker zufolge haben viele Unternehmen einen Grundsatz nicht verstanden: „Erst müssen wir etwas machen, dann können wir es messen. Viele wollen erst wissen, wie sie etwas messen, bevor sie etwas machen, das sie messen können.“ Die Problematik liegt folglich nicht darin, dass die Unternehmen den Erfolg nicht ermitteln können, sondern darin, dass sie das Ziel nicht kennen. „Wenn sie nicht wissen, wo sie hinwollen, dann können sie auch nicht messen, ob sie auf dem Weg vorangekommen sind.“ An Tools fehlt es nicht, die gibt es zu Tausenden. Viele KMUs wenden sich hilfesuchend an einen Dienstleister: „Dann sagt uns doch mal, was wir erreichen sollen – das habe ich durchaus schon gehört“, schmunzelt Eichstädt. Die KMUs haben jetzt die gleichen Probleme wie früher die Konzerne, die eher mit Social Media begonnen haben.
2. Teil: „Ziele definieren“

Ziele definieren

In den meisten Unternehmen lassen sich die Ziele am Ende herunterbrechen auf den Vertriebserfolg. Viele durchdenken aber den Weg nicht von „Ich mache jetzt etwas auf Facebook oder LinkedIn“ zu „Ich verkaufe etwas.“ Die größeren Unternehmen seien hier deutlich besser, meint auch Eichstädt: „Die Großen haben das durchdekliniert: Ich poste regelmäßig Content. Die Leute, die sich tiefer dafür interessieren, bekommen ein Whitepaper oder ein E-Book. Um das herunterladen zu können, müssen sie ihre E-Mail-Adresse hinterlassen und sich damit einverstanden erklären, von einem Vertriebler angerufen zu werden. In diesem Aussiebeprozess bleiben wenige übrig, aber die kann ich dann in den Vertrieb überführen.“
Ein anderes Ziel könnte sein, mit der Zielgruppe stärker ins Gespräch zu kommen, zum Beispiel in Dialogen oder Interviews zur Arbeit mit den Produkten des Unternehmens. Auch die Verknüpfung etwa von Followern bei Twitter mit einer Salesforce-Datenbank kann interessante Einblicke ermöglichen und Fragen beantworten: Wie viele Interaktionen mit den Kunden erfolgen über Social Media? Zudem werden neue Blickwinkel und Themen, die für die Kunden wichtig sind, quasi auf dem Silbertablett präsentiert. Wenn ein Unternehmen weiß, was es vermitteln will, welche Ziele es verfolgen will und was seine Story ist, dann kann es relativ einfach bestimmen, was es dafür messen können muss und welche Kennzahlen sinnvoll sind.

Relevante Plattformen

Im Dschungel der sozialen Medien ist es unmöglich, alle Kanäle zu bedienen. Die Zielgruppe und die Inhalte bestimmen primär das Medium. Ein Unternehmen, das im deutschsprachigen Raum potenzielle Interessenten ansprechen will, ist mit LinkedIn gut bedient, mit Facebook eher weniger. In Deutschland ist auch Xing stark vertreten. Hierzulande sind die berufliche und die private Sphäre meist strikt voneinander getrennt. Bei internationalen Aktivitäten können sich leicht andere Notwendigkeiten ergeben: „In Japan ist das beispielsweise ganz anders. Jeder Business-Kontakt dort fragt mich, ob ich auch bei Facebook bin“, berichtet Eichstädt. Dort funktioniert Facebook deshalb für das Kontakthalten im Business-Umfeld deutlich besser.
Es ist wichtig, das spezifische Verhalten der Zielgruppe zu kennen. „Nehmen Sie die Baubranche: Wenn man Baumaschinenführer erreichen will, kann man herausfinden, dass die alle WhatsApp nutzen“, so Eichstädt. Auch WhatsApp ist also ein Teil von Social Media. Bei der Nutzung des Dienstes im geschäftlichen Umfeld gilt es, die Regeln der DSGVO zu beachten, aber eine Anmeldung nur über die Telefonnummer sollte unproblematisch sein. Thomas Kaczensky von Prettysocial Media meint dazu: „WhatsApp ist ein interessanter Kanal, weil man hier eine Eins-zu-eins-Kommunikation pflegen kann.“
Twitter ist in erster Linie sinnvoll in Live-Situationen: im Rahmen einer Messe oder auf Vortragsveranstaltungen. Hier sind Unternehmen und Follower auf Augenhöhe – anders als beim hierarchisch organisierten Facebook. Twitter eignet sich somit gut für Monitoring, Beschwerden oder direkte Ansprache. Instagram hat ein meist junges Publikum, das die Plattform eher spontan verwendet, und ist auf mobile Endgeräte zugeschnitten.
Freddy Staudt von Touchdown PR empfiehlt KMUs, sehr genau zu überlegen, welche Social-Media-Kanäle für sie einen Mehrwert bedeuten gegenüber anderen Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen. Erreichen wir unsere Zielgruppe auf diesem Weg günstiger als über die Marketing-Kanäle, die wir bisher nutzen? Wenn ja, dann sollten Ziele festgelegt, Pläne erarbeitet, Budget bereitgestellt und die Arbeit professionell und nachhaltig angegangen werden.
3. Teil: „Wichtige Kennzahlen “

Wichtige Kennzahlen

Die naheliegendste Kennzahl bei Social Media ist die Größe der Community, sprich die Zahl der Follower bei Twitter, Fans bei Facebook oder Abonnenten bei Youtube. Diese Zahl hat für sich genommen aber wenig Substanz. Wenige Follower, die regelmäßig wiederkehren, sind wertvoller als viele, die nur einmal vorbeischauen. Um aussagekräftig zu sein, müssen diese Zahlen mit weiteren Kennzahlen verknüpft werden, etwa mit den entsprechenden Zahlen der Wettbewerber oder mit der Aktivität der Fans und Follower, also Anzahl der Kommentare pro Beitrag, Anzahl der Shares pro Beitrag und Anzahl der Likes pro Beitrag.
  • Klare Verhältnisse: Für zwei Drittel der Unternehmen weltweit ist Facebook die wichtigste Social-Media-Plattform
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Eine weitere wichtige Kennzahl ist die Reichweite, die Anzahl individueller Nutzer, die die veröffentlichten Inhalte in einem bestimmten Zeitraum gesehen haben. Und es gibt noch eine relevante Zahl: Wie viele derjenigen, die den Inhalt gesehen haben, sind auch Fans oder Follower geworden? Die Erfassung des Ist-Zustands reicht dabei nicht aus. Sinnvolle Rückschlüsse lassen sich erst mit einem zeitlichen Verlauf ziehen.
Die Bedeutung der Kennzahlen hängt immer von den Zielen des Unternehmens ab. Will man eine neue Marke bei einer großen Gruppe von Menschen bekannt machen, so sind Reichweite und Fan-Anzahl passende Kennzahlen. Wenn hingegen der Service im Vordergrund steht, dann haben die Anzahl der Service-Anfragen, der Anteil der beantworteten Anfragen sowie die Schnelligkeit der Beantwortung die größte Bedeutung und definieren die Erfolgskriterien.
Tabelle:

4. Teil: „Interne Erfolgsmessung“

Interne Erfolgsmessung

Einige soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit, die Daten direkt in der Plattform zu analysieren. Die Funktionen dieser Tools sind im Vergleich zu kommerziellen Analyse-Tools meist eingeschränkt, stellen aber einen guten Einstieg dar.
Facebook bietet Social-Media-Analysen über die Facebook-Insights-Plattform an. Dieses Tool ist für alle Unternehmen verfügbar, die mehr als 30 Fans haben. Es zeigt detaillierte Metriken zu Posts und Reichweiten an, Publikumsanalysen enthalten demografische und standortbezogene Informationen, und Engagement-Metriken zeigen, welche Art von Inhalten am besten funktioniert.
Google Analytics ist in erster Linie ein Webanalyse-Tool und liefert eine Übersicht der Social-Media-Seiten, die Traffic auf die Unternehmenswebseite lenken. Auch Twitter und Instagram bieten einfache Analysefunktionen.
Wie immer gilt: Qualität hat ihren Preis. So verfügen viele kostenpflichtige Tools über deutlich fortgeschrittenere Funktionen und mehr Flexibilität. Das bedeutet tiefergehende Einblicke, die weit über das Zählen von Mentions und Likes hinausgehen.
Die Informationen mit anderen Kanälen zu verknüpfen und Ergebnisse sinnvoll zusammenzufassen, ist nicht einfach. „Meine Einschätzung ist, dass die Herausforderung die Vernetzung ist. Plattformen wie Facebook sind stark daran interessiert, dass die Nutzer und am besten auch die Daten auf ihrer Plattform bleiben“, erklärt Thomas Kaczensky. „Facebook ist weit entwickelt, was Performance-Messungen angeht. Die haben auch ein eigenes Kampagnen-Ranking, um die Wirksamkeit zu bewerten.“ Allerdings sind viele Daten in Facebook für externe Tools nicht zugänglich. „Aber Facebook öffnet sich langsam“, so Kaczensky weiter.
5. Teil: „Analyse-Tools für Social Media“

Analyse-Tools für Social Media

Die erste Frage, die sich Unternehmen stellen sollten, lautet: Genügen die internen Funktionen der Plattformen oder greift man besser auf externe Programme zurück.
Eine Dritt-Software ist immer dann sinnvoll, wenn Daten aus mehreren Kanälen zusammengeführt werden sollen.  „Viele interne Daten können die externen Tools jedoch nicht herausziehen, etwa bei Facebook“, betont Björn Eichstädt. Um eine komplette Datenbasis zu erhalten, braucht man also beides. „Geschätzte 70 Prozent der Unternehmen haben ein Monitoring, machen aber nichts damit.“ Die Folge sei, dass man so weitermache wie bisher. Und noch ein Aspekt ist wichtig: Zwar gebe es unzählige Analyse-Tools, aber am Ende brauche man „auch mal ein Gehirn“.
„Je mehr die Leute auf Wunder-Tools hoffen, die ihnen alles abnehmen, desto mehr hören sie auf, selbst zu denken“, urteilt Eichstädt. Das eigenständige Denken erübrige sich aber erst dann, wenn alles automatisiert sei – vom Agieren in Social Media über die Auswertung, die Darstellung der Daten und die Ableitung von Konsequenzen bis hin zur Umsetzung einer veränderten Strategie.
„Wir erleben eine enorme Professionalisierung bei der Analyse-Software“, berichtet Thomas Kaczensky. Und das Angebot ist einfach sehr groß. „Es ist eine große Herausforderung für KMUs, da die passende zu finden. Letztlich sind sie auf spezialisierte Berater angewiesen. Den Unternehmen, die sich verweigern, entgeht eine Sichtbarkeit, die sie mit einem schmalen Budget innerhalb ihres Wirkungsumkreises aufbauen könnten.“ Es werde immer mehr spezialisierte Anbieter geben, die genau dem gerecht würden.
Angesprochen auf die Programme, erklärt Storymaker-Manager Björn Eichstädt: „Mit Socialbakers arbeiten viele, mit Tableau zur Datenvisualisierung oder sogar mit URL-Shortenern zur Unterscheidung der Quellen.“ Ein gemeinsames Merkmal vieler URL-Kürzungsdienste ist die Möglichkeit, die Anzahl der Klicks auf die Links zu verfolgen. So lässt sich für jeden Kanal ein anderer verkürzter Tracking-Link erstellen, um leichter zu sehen, welche Marketingkanäle das größte Volumen an eingehendem Traffic auf der Website erzeugen. „Jede Zielsetzung erfordert ein dafür definiertes Tool-Setup. Bei uns gibt es kein Projekt, das das gleiche Tool-Setup einsetzt wie ein anderes.“ Eichstädt fasst zusammen: „Man muss es sehr differenziert betrachten, genau wissen, was man will, auf dieser Basis verstehen, was man messen kann, und dann überlegen, welche Tools man dafür einsetzen möchte.“ Die Preisspanne reicht hier von null bis zu ein paar Tausend Euro im Monat.

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