Business-IT
28.02.2020
KI beim Bezahlen
1. Teil: „KI verändert das Payment-Management“

KI verändert das Payment-Management

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Phonlamai Photo / shutterstock.com
Betrugsprävention und Inkasso sind ohne Künstliche Intelligenz nicht mehr denkbar. Auch beim Verkaufen und Bezahlen soll KI Händlern das Leben erleichtern.
Wer mit Bezahlvorgängen im Internet zu tun hat, ist immer auch mit ­Betrug und Zahlungsausfällen konfrontiert. Manche Kunden vergessen schlicht, eine Rechnung zu begleichen, andere sind pleite und können nicht zahlen. Oder aber Krimi­nelle haben Kreditkartendaten ergaunert. Für Händler bedeutet das: Sie müssen zwingend präventiv gegen Betrug vorgehen und über ein ausgeklügeltes Mahnwesen ihre offenen Forderungen beitreiben.
Künstliche Intelligenz und ­maschinelles Lernen helfen Händlern und vor allem Dienstleistern dabei. Die meisten Payment-Service-Provider, Inkasso-Anbieter und Auskunfteien setzen die Technologie heute bereits ein. Und auch Zahlungsanbieter wie Klarna und Pay­pal verwenden die schlauen Algorithmen: „Wir haben eine der besten Conversion Rates im Check-nout und eine der niedrigsten Betrugsraten - weil wir Künstliche Intelligenz einsetzen“, ­erklärt Sri Shivananda, CTO bei Paypal. Ohne KI könnte Paypal Services wie den Käuferschutz gar nicht ­anbieten, zu groß wäre das Risiko von massenhaften Zahlungsausfällen.

KI erkennt Betrug

Betrugserkennung und Inkasso sind derzeit die beiden wichtigsten Anwendungsgebiete von KI im Payment-Umfeld. Ausgangspunkt ist eine ­unüberschaubare Menge von Daten: Welche Kunden nutzen welche Bezahlverfahren? Was kaufen sie zu welcher Zeit und wie groß sind die Warenkörbe? Wo wohnen diese Kundengruppen, was für ­Geräte verwenden sie? In welchen sozialen Netzwerken sind sie aktiv?
Werden alle diese ­Daten gesammelt, miteinander verknüpft und analysiert, lassen sich eindeutige Muster erkennen. Wenn eine anstehende Bezahltransaktion diesem Muster nicht entspricht, weist dies auf einen Betrugs­versuch hin. Dabei gilt: Je stärker die ­Abweichung, desto wahrscheinlicher sind Kriminelle am Werk. Neben den Mustern liefern die Daten die Basis für ein Regelwerk, anhand dessen das Betrugspräventionssystem automatisch entscheidet, ob eine verdächtige Transaktion blockiert wird oder nicht
„Im Bereich der Risikoanalyse sorgt maschinelles Lernen als ein Teilbereich der KI bereits heute dafür, dass sich die Auswertungen selbstständig verbessern, indem sie betrügerische Transaktionen der Vergangenheit heranziehen, Risikofaktoren abgleichen und ihre Entscheidungslogiken selbstständig daraufhin anpassen. So werden neue Betrugsstrategien schnell entdeckt und in die Entscheidungsfindung einbezogen“, erklärt Ralf Gladis, Geschäftsführer und Gründer des Payment-Service-Providers Computop. Weil die Systeme ­eigenständig lernen, können sie Betrugsmuster auch dort erkennen, wo zunächst keine Zusammenhänge ver­mutet werden. Sie sind in der Lage, deutlich flexibler zu rea­gieren als auf Basis eines starren Regelwerks. Das wiederum sorgt für mehr Umsatz beim Händler. „Wo die Standardregeln eine Transaktion blockieren würden, erkennt das System anhand von händlerspezifischen Transaktionsprofilen wiederkehrende Muster und lässt mehr gute Transaktionen zu“, verdeutlicht Vasyl ­Ostapchuk, ­Director Digital Transformation beim Payment-Service-Provider Payone. Seiner Meinung nach müssen die Präven­tionssysteme immer ausgeklügelter werden - nicht zuletzt weil auch die Betrüger mit KI arbeiten. Sie identifizieren mit gezielten kleinen Angriffen Lücken im bestehenden Regelwerk, um diese dann im großen Stil auszunutzen. Herkömm­liche Regelwerke werden dem absehbar nicht mehr gewachsen sein. „Es wird einen Wettbewerb geben zwischen Betrügern, die KI anwenden, und Unternehmen, die gezwungen sind, sich immer stärker mit dem eigenen KI-Einsatz dagegen zu rüsten“,  ist Ostapchuk überzeugt. 
Damit stoßen einzelne Händler bei ­einer eigenständigen Betrugsprävention an ihre Grenzen. Denn: „Bei KI ist die ­Datenbasis entscheidend für die Qualität und das Ergebnis. Je mehr Daten eingespeist werden, desto präziser wird sie“, ­betont Mirko Hüllemann, CEO und Gründer des Payment-Service-Providers Heidelpay. Über solch große ­Datenmengen verfügen aber nur einige große Händler. Für die meisten Shop-­Betreiber dürfte es sinnvoller sein, die ­Betrugsprävention in die Hände eines ­externen Dienstleisters zu legen.
2. Teil: „KI hilft beim Inkasso“

KI hilft beim Inkasso

  • Quelle:
    Internet World Business
Ähnlich verhält es sich beim Inkasso: Auch hier hilft KI auf Basis von Datenanalysen, mehr Schuldner zum Bezahlen zu bewegen. Bis zu 80 Merkmale fließen in die Definition von Schuldnergruppen und Mahntypen ein - von der E-Mail-­Adresse und der Telefonnummer über den Wohnort und das Xing-Profil bis hin zu Handy-Nutzungsgewohnheiten und Einträgen in Auskunfteien. Mithilfe selbstlernender Algorithmen entwickeln Inkassodienstleister daraus Strategien, wie die Schuldner angesprochen werden.
„Wir bewegen uns bei säumigen Zahlern zwischen den Parametern können/nicht ­können und wollen/nicht wollen. Der ­Algorithmus erkennt, an welcher Stelle ­innerhalb dieser Vier-Felder-Matrix ein Schuldner steht, und präsentiert einen
auf ihn zugeschnittenen Lösungsansatz“, erläutert ­Stephan Stricker, CEO des Inkassodienstleisters Pairfinance. Wer die Zahlung vermutlich einfach nur vergessen hat, wird freundlich daran erinnert. Wer zahlungsunwillig zu sein scheint, wird nachdrücklicher auf die Konsequenzen seines Verhaltens hingewiesen. Gleichzeitig erhalten die Kunden individuelle Angebote, sei es eine Zahlungspause oder einen an die persönlichen Umstände angepassten Ratenzahlungsplan. Pairfinance bietet in Kooperation mit dem Recommerce-­Anbieter Clevertronic sogar die Inzahlungnahme hochwertiger elektronischer Geräte an, um die Schuld zu begleichen. 
Die Technologie hilft den Dienstleistern bei der Entscheidung für die richtige Form der Ansprache: „Die KI unterstützt beispielsweise die Wahl des optimalen Kommunikationskanals und den Zeitpunkt der Kundenansprache“, hebt Sebastian Hoop, Geschäftsführer des Fintechs und Lösungsanbieters Col­lect AI hervor. Dadurch lassen sich Kosten senken und die Erfolgsquote sowie die Kundenbindung verbessern. Als Beispiel führt Hoop Acer an: Der Elektronik-Anbieter setzt in sechs Ländern auf die Lösung von Col­lect AI. Das Tool steuert die Kommunikation mit dem Kunden nach der Rechnungsstellung. Dabei passt die Technologie das Zeitfenster der Kontaktaufnahme an. Der säumige Kunde erhält per Post, Mail oder SMS eine Nachricht samt Link zur Bezahlseite im Markenauftritt von Acer. Die Sprache auf der Website richtet sich nach den Browser-Einstellungen des Kunden. Er kann wählen, mit welchem Bezahlverfahren er seine Rechnung begleichen möchte. Will der Kunde nicht bezahlen, wird ihm noch auf der Bezahlseite ermöglicht, mit Acer in den Dialog zu treten. Acer konnte dadurch die Realisierungsquote, also den Anteil der im Mahnverfahren bezahlten Rechnungen, auf 95 Prozent steigern.

Loslösen des Bezahlens

Neben Inkasso und Betrugsprävention beeinflusst KI derzeit vor allem die Aussteuerung der Bezahlverfahren, die angeboten werden. Zum einen schließen die Systeme nach der Betrugsprävention für bestimmte Kunden risikobehaftete Zahlarten wie Rechnungskauf aus. Zum anderen erkennen die Systeme, welche Verfahren ein Käufer favorisiert, und können ihm diese im Rahmen eines personalisierten Kauferlebnisses gezielt offerieren. In anderen Bereichen wird KI das Payment nur bedingt verändern. Von Bedeutung könnte die Technologie beim Thema Conversational Commerce werden, also dem Verkauf aus Gesprächssituationen ­heraus, etwa über einen Chatbot. „Das wird nur dann Erfolg haben, wenn der künstliche Gesprächspartner überzeugend auf den Kunden eingehen kann“, meint Ralf Gladis von Computop. Und dabei helfe KI sehr. Das sieht Christian Bock, Geschäftsführer des Zahlungsdienstleisters CRIF Bürgel, ähnlich. Er verweist darauf, dass Bezahlprozesse immer einfacher werden und etwa künftig allein durch die Stimme ausgelöst werden könnten. Zudem hält er das Thema Identitätsprüfung für ­interessant: „Früher sind wir in einen ­Tante-Emma-Laden gegangen und wurden dort von der Verkäuferin erkannt. Heute sorgen Computersysteme für bessere Identifikationsverfahren, etwa mit Gesichts- oder Spracherkennung“, so Bock. Heidelpay-Gründer Hüllemann sieht im Maschine-zu-Maschine-Kontakt interessante Entwicklungschancen. „Wenn ein Auto an eine Tankstelle fährt und der Bezahlprozess autonom zwischen zwei Systemen stattfindet, die vorher nicht darauf konfiguriert wurden, dann ist die Einsatzmöglichkeit von KI gegeben und würde definitiv einen Mehrwert bieten“, meint er.
Deutlichster Trend derzeit ist ein Loslösen des Bezahlprozesses vom Kaufvorgang. „Payment wird zukünftig mehr und mehr im Hintergrund stattfinden, ohne die Kunden­erfahrung bei einem Kaufprozess negativ zu beeinflussen“, ist Thomas Wernet sicher, Senior Vice President Sales & Account Management beim Dienstleister Arvato Financial Solutions. Beim Fahrdienst Uber zum Beispiel werde die Fahrt automatisch über die in der App hinterlegten Zahlungsmittel abgewickelt.

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