Künstliche Intelligenz
03.06.2020
Künstliche Intelligenz
1. Teil: „KI-Start-ups als Treiber für Innovationen“

KI-Start-ups als Treiber für Innovationen

Artificial IntelligenceArtificial IntelligenceArtificial Intelligence
Alexander Limbach / shutterstock.com
Deutsche Jungunternehmen punkten mit KI-Anwendungen, doch oft fehlt es an Wagniskapital. Die Bundesregierung hat deshalb einige Projekte und Initiativen gestartet, um den Start-ups zu helfen.
Europas bestes KI-Start-up heißt Smartlane. Die vom Investorennetzwerk European Super Angels Club ausgezeichneten Münchner Gründer unterstützen Lieferanten und Transportfirmen mit selbstlernender KI-Software, ihre Touren zu optimieren. In wenigen Minuten disponiert das cloudbasierte System Tausende von Aufträgen vollautomatisch.
Start-ups wie Smartlane sind es, die das Thema KI voranbringen. Als Träger der Digitalisierung setzen sie Innova­tionsprozesse in Gang. KI-Gründungen tragen durch neue Technologien und Produkte nicht nur zur Wertschöpfung bei, sie entwickeln oft auch neue Geschäftsmodelle und transformieren Lieferketten und -netzwerke.
Besonders in der Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen, die sich oft schwertun mit KI, entstehen Win-win-Situationen. Kooperationen zwischen alteingesessenen Firmen und Start-ups ermöglichen es, bestehende Business-Modelle mit Hilfe von KI-Methoden rasch erfolgreich zu erweitern - oder völlig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
In puncto Zukunftstechnologie bilden die Jungunternehmen einen zentralen Wirtschaftsfaktor und nehmen eine wichtige Führungsrolle ein. Viele Politiker, Unternehmensführer und Analysten haben die Relevanz von KI-Start-ups für alle Branchen erkannt.

Branchen und Anwendungen

Die Voraussetzungen für Gründungen sind derzeit nicht schlecht. Weil der Zugang zu digitalen Technologien sehr einfach und kostengünstig ist, sind die Barrieren für die Gründer niedrig. Immer mehr junge Unternehmen in Deutschland beschäftigen sich daher mit KI. Aktuell gibt es laut einer Studie der Initiative appliedAI 247 deutsche KI-Start-ups. Die Jungunternehmer sind vor allem in Berlin und München angesiedelt und haben bereits viele innovative Lösungen entwickelt.
Die meisten Start-ups widmen sich den Unternehmensbereichen Marketing und Customer Service. Sehr häufig sind KI-Gründer den Sektoren Fertigung, Transport und Mobilität sowie dem Gesundheitswesen zuzuordnen. Der Fokus liegt dabei eher auf B2B als auf B2C. Im Gesundheitsbereich und in der Autobranche sind deutsche Start-ups besonders aktiv. So bauen beispielsweise die Gründer von German Autolabs einen digitalen Assistenten fürs Auto, der die Smartphone-Nutzung überflüssig macht. Ein großer Teil der Gründer in diesem Bereich arbeitet auf dem Feld selbstfahrender Autos.
In der Gesundheitsbranche, wo viele innovative Lösungen entstehen, engagieren sich einige junge Unternehmen auf dem Gebiet der Krebsentdeckung und -diagnose mit maschineller Bild­erkennung. Die Software des Berliner Start-ups Merantix Healthcare zum Beispiel erkennt mit KI-Methoden in der Brustkrebsvorsorge automatisch Mammografien ohne Auffälligkeiten.
Eine Reihe von Start-ups hat sich auf die Fortschritte bei der Text- und Spracherkennung spezialisiert - sie bauen KI-basierte Lösungen für den Kundenservice. Chatbots nutzen ausgereifte Texterkennungstechnologien, um Support-Anfragen schnell zu beantworten. Der lernfähige Chatbot des Münchner Start-ups E-Bot7 etwa beantwortet Kundenanfragen automatisch.

Lebenszyklus von KI-Start-ups

Grundsätzlich unterscheidet sich der Lebenszyklus von KI-Start-ups nicht von dem anderer Start-ups: Am Anfang steht bei allen Gründungen eine Idee. Die kommt bei KI-Start-ups vielfach aus dem universitären Umfeld - was aber nicht zwingend so sein muss. Georg Wittenburg, Co-Founder des Berliner Data-Analytics-Start-ups Inspirient, hatte beispielsweise während seiner Tätigkeit als Data Scientist bei einer Unternehmens­beratung den Einfall, die Analyse von Geschäftsdaten zu automatisieren (siehe auch Interview auf Seite 56).
Nach der Ideenfindung bauen die Firmen meist einen Prototyp und dann ein finales Produkt oder einen Service. In vielen Fällen kooperieren die Gründer bereits bei der Produktentwicklung mit anderen Firmen oder Forschungseinrichtungen.
Parallel dazu versuchen sie, Kunden zu akquirieren und den Finanzbedarf durch Venture Capital zu decken. Die Finanzierung ist für viele Start-ups die größte Herausforderung. Das ist auch Wittenburgs Erfahrung. Die Firma hat Mittel vom Bundeswirtschaftsministerium, vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und von der Saarbrücker Scheer Holding erhalten. Das Ziel ist natürlich, dass sich das Produkt aus laufenden Umsätzen finanziert.
„Bei einem idealen Lebenszyklus geht alles Hand in Hand“, erklärt Philipp Hartmann, Head of Strategy bei der appliedAI-Initiative von UnternehmerTUM, dem Gründerzentrum an der TU München. „Es kommen immer mehr Kunden, es werden immer mehr Produkte gebaut, es kommt mehr Finanzierung - im Idealfall vielleicht aus den USA. Das ist das allgemeine Start-up-Leben.“
2. Teil: „Zwei Gründungstypen“

Zwei Gründungstypen

  • Start-ups in Deutschland: Die Übersicht von appliedAI listet eine ganze Reihe von Jungunternehmen im Bereich Künstliche Intelligenz auf.
    Quelle:
    appliedAI
Sieht man sich die Art der KI-Lösungen und -Services näher an, die KI-Start-ups produzieren, lässt sich Folgendes feststellen: In den meisten Fällen klinken sich die Start-ups in bestehende Wertschöpfungsketten ein - in medizinische Prozesse, in die Produktentwicklung oder den Kunden-Support. Sie generieren oft Lösungen, um vorhandene Geschäftsprozesse zu automatisieren und zu optimieren. Oder sie unterstützen Unternehmen dabei, eigene Produkte zu entwickeln und zu vertreiben. Dass KI-Start-ups schlüsselfertige Endprodukte im B2C-Segment entwickeln, kommt seltener vor.
Das Berliner Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) hat aus empirischen Daten zwei Typen von KI-Start-ups herausgearbeitet: „AI-as-a-Service-Start-ups“ und „AI-as-a-Solution-Start-ups“. Letztere machen ein knappes Drittel aller deutschen KI-Junggründungen aus. Sie stellen Produkte her, die meist als eigenständige Marke direkt an private Endkunden vertrieben werden, bedienen also das Segment B2C.
Die Anwendung ist in der Regel auf eine bestimmte Branche fokussiert, um dort ein konkretes Problem zu lösen. Beispiele wären im Bereich Mobility KI-basierte Assistenten, die während der Autofahrt Auskunft geben, oder in der Gesundheitsbranche Assistenten, die bei gesundheitlichen Fragen Rat geben und helfen, Gesundheitsparameter zu verfolgen.
Der andere Gründertyp - AI-as-a-Service-Start-ups - fokussiert sich demgegenüber im Bereich B2B auf einen bestimmten Teil der Wertschöpfungskette. Diese Gründer machen etwa zwei Drittel aus und arbeiten an KI-Lösungen, die anderen Unternehmen helfen, Endprodukte mit Hilfe von KI zu entwickeln und diese zu vertreiben oder Unternehmensprozesse zu optimieren.
Das HIIG unterscheidet bei Service-Start-ups noch einmal zwei Gruppen. Die erste Gruppe - die Technologieentwick­ler - konzentriert sich auf die Entwicklung und Anwendung einer spezifischen KI-Technologie wie Bilderkennung. In Zusammenarbeit mit Unternehmen werden die hochspezialisierten Technologien in neue Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse eingebunden. Ein Beispiel für einen Techno­logieentwickler ist das Münchner Start-up Twaice, das eine Lösung für die Abschätzung der Lebensdauer von Akkus in E-Fahrzeugen entwickelt.
Die zweite Gruppe - die Geschäftsprozess-Transformato­ren - geht einen Schritt weiter in der Wertschöpfungskette und entwickelt Lösungen, um bestehende Prozesse in Unternehmen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz zu automatisieren und zu optimieren. Ein Beispiel für einen solchen Geschäftsprozess-Transformator ist die Firma rfrnz. Sie agiert im juristischen Bereich und hilft Rechtsabteilungen, juristische Daten besser zu verstehen. Die entwickelte Software wertet etwa Vertraulichkeitsvereinbarungen automatisch aus und prüft, ob der Rechtstext so in Ordnung ist. Solche KI-Lösungen optimieren also bestehende Prozesse.

Nur Platz drei für Deutschland

Auf den ersten Blick ist die deutsche KI-Start-up-Szene recht aktiv und kreativ. Im internationalen Vergleich fällt sie allerdings relativ klein aus - und ist ziemlich schwach finanziert.
Laut der Studie „The Road to AI - Investment Dynamics in the European Ecosystem“ der Unternehmensberatung Roland Berger, die Anfang 2020 publiziert wurde, liegt Deutschland mit 218 KI-Neugründungen im Jahr 2018 lediglich auf dem dritten Platz im europäischen KI-Ökosystem - hinter Großbritannien (590 Start-ups) und Frankreich (235 Start-ups). Großbritannien allein hat doppelt so viele KI-Start-ups vorzuweisen wie Deutschland.
Global betrachtet nehmen die Vereinigten Staaten mit fast 40 Prozent aller weltweiten KI-Start-ups die Führungsrolle ein. Dort haben auch 77 der 100 besten KI-Start-ups der Welt ihren Sitz. Diese werden regelmäßig vom US-Marktforschungsunternehmen CB Insights ermittelt. Europa liegt mit 22 Prozent aller KI-Gründungen weltweit immerhin hinter den USA an zweiter Stelle - noch vor China.
Der Studie zufolge hat das europäische KI-Ökosystem mit einem Manko zu kämpfen: „Viele Entwicklungen sind sehr erfreulich, da sie zeigen, dass das europäische KI-Ökosystem weiter stark wächst“, erklärt Jochen Ditsche, Partner bei Roland Berger. „Doch im Vergleich zu China und den USA ist das europäische KI-Ökosystem zu stark fragmentiert und leidet unter mangelnder Integration.“ Sein Kollege Ashok Kaul warnt: „Europa darf sich nicht weiter im Klein-Klein verlieren. Wir benötigen eine Strategie, die den freien Datenfluss sicherstellt, Synergien zwischen den Ländern schafft und damit die unterschiedlichen Stärken und Schwächen bei Patenten, In­frastruktur, Investitionskapazität und Fachkräften ausgleicht.“
3. Teil: „Schwache Finanzierung“

Schwache Finanzierung

  • Wissenschaft vorn: Hier kamen Ende vergangenen Jahres die meisten der mehr als 600 in Deutschland registrierten KI-Anwendungen zum Einsatz.
    Quelle:
    Plattform "Lernende Systeme"
Eine wichtige Metrik für die Wertschätzung von Start-ups ist das Wagniskapital. Ausreichendes Kapital ist ein entscheidender Faktor, damit ein KI-Ökosystem in einem Land entstehen kann. An den Investitionssummen, die in den jeweiligen Ländern in KI-Start-ups fließen, lässt sich deshalb gut ablesen, wie sich die jeweiligen KI-Ökosysteme entwickeln.
Ein Beispiel zeigt, um wie viel Geld es hier gehen kann und wer investiert: 2018 hatte sich das eingangs erwähnte deutsche Chatbot-Start-up E-Bot7 eine Finanzierung von 2 Millionen Euro gesichert. 2019 sammelte das junge Unternehmen erfolgreich noch einmal 5,5 Millionen Euro frisches Kapital ein - mit dem Ziel, über den deutschsprachigen Raum hinaus zu wachsen und international Fuß zu fassen.
Wie das Start-up-Portal Gründerszene berichtet, kommt das Geld vom Investor RTP Global, der auch bei dem Food-Liefer-Service Delivery Hero oder dem Sport-Flatrate-Anbieter Urban Sports Club engagiert ist, sowie den Altinvestoren 42CAP, dem Main Incubator (ein Frühphasen-Investor der Commerzbank-Gruppe) und einem Business Angel.
Solche Summen sind bei deutschen Start-ups allerdings eher die Ausnahme. Fakt ist: Es herrscht ein notorischer Mangel an Wagniskapital. Bei den Investitionen in KI-Start-ups liegt Deutschland laut der Roland-Berger-Studie mit rund 510 Millionen Dollar lediglich auf dem vierten Platz hinter Frankreich (1,3 Milliarden Dollar), Großbritannien (1,2 Milliarden) und Israel (902 Millionen). Im internationalen Vergleich ist die in Deutschland investierte Summe ein grotesk niedriger Betrag.
Die Situation ist insofern paradox, als Deutschland technologisch und in der KI-Forschung bestens aufgestellt ist. Es mangelt möglicherweise aber nicht nur an ausreichendem Risikokapital, sondern auch an den Start-ups mit den großen Ideen - und vielleicht auch an Mut. „In Nischen gibt es ein paar schöne Erfolgsgeschichten aus Deutschland - insbesondere im B2B-Umfeld“, hebt KI-Stratege Philipp Hartmann hervor. „Die großen Themen formen sich aber nicht in Deutschland. Wir sehen, dass es wenige Start-ups gibt, die groß wachsen oder die Big Problems angehen.“
Deutsche KI-Start-ups bauen vielleicht aus diesem Grund nicht selbstfahrende Autos, sondern liefern allenfalls kleine Teil­lösungen dafür. Die große Richtung bestimmen immer noch andere.

Fazit & Ausblick

In Deutschland gibt es also noch viel Luft nach oben, um die Situation für Gründer zu verbessern. Dies gilt umso mehr, als die etablierten Unternehmen Künstliche Intelligenz als Zukunftstechnologie noch immer nicht so richtig auf dem Schirm haben - oder nicht wirklich wissen, wie sie damit umgehen sollen. Folglich müssen es die Start-ups richten und Innovationen voranbringen.
Die Bundesregierung hat die Herausforderungen aber mittlerweile erkannt und im Rahmen ihrer 2018 verabschiedeten nationalen KI-Strategie zahlreiche Projekte und Initiativen auf den Weg gebraucht - auch und gerade für Start-ups. Eine wichtige Rolle nimmt dabei die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ins Leben gerufene Plattform „Lernende Systeme“ ein, die die Umsetzung der KI-Strategie begleitet.
So vernetzt die Bundesregierung mit ihrer De-Hub-Initia­tive an zwölf Standorten Mittelstand und größere Unternehmen mit Innovationspartnern aus Wissenschaft und der Gründerszene. In den Digital Hubs arbeiten etablierte Unternehmen aus der Industrie und der Digitalbranche gemeinsam mit Gründern und Start-ups an Produkten und Dienstleistungen für die digitale Transformation.
Auch Universitäten fördern Gründer und ermuntern ihre Studenten, ihre Ideen und Visionen in anwendbare Technologien umzusetzen. Eines der größten europäischen Innovations- und Gründungszentren ist an der TU München angesiedelt. UnternehmerTUM bietet Start-ups einen Rundum-Service von der Idee bis zum Börsengang. Ein Team aus erfahrenen Unternehmern, Wissenschaftlern und Managern unterstützt die Gründer. Die Experten begleiten beim Aufbau des Unternehmens, beim Markteintritt und bei der Finanzierung - auch mit Venture Capital - mit verschiedenen Programmen. Das Accelerator-Programm TechFounders beispielsweise bereitet Start-ups mit Hilfe von Coaching und Mentoring auf eine erste Risikokapitalrunde vor und bahnt mit Partnern aus der Industrie Kooperationen an. Und die Hightech-Werkstatt der UnternehmerTUM MakerSpace bietet einen Maschinenpark für den Prototypenbau und die Kleinserienfertigung. 
Die besten KI-Start-ups in Deutschland
Diese zehn KI-Start-ups gehören zu den innovativsten, best­finanzierten und wachstumsstärksten des Landes.
4. Teil: „Im Gespräch mit Dr. Georg Wittenburg von Inspirient“

Im Gespräch mit Dr. Georg Wittenburg von Inspirient

  • Dr. Georg Wittenburg: Co-Founder und CEO von Inspirient
    Quelle:
    Inspirient
Georg Wittenburg ist CEO des Berliner Start-ups Inspirient, das sich mit automatisierter Geschäftsdaten-Analyse befasst. Im Interview spricht er über die Anfänge seines Start-ups.
com! professional: Herr Wittenburg, Ihr Feld ist die Analyse von Geschäfts­daten. Was hat man sich darunter vorzustellen?
Georg Wittenburg: Die Rolle eines Data Scientists lässt sich genauso automatisieren wie die Rolle eines Lkw-Fahrers. Wie ein selbstfahrender Lkw in Bälde automatisch von Berlin nach München fahren kann, möchten wir das analog mit der Datenanalyse machen. Der selbstfahrende Lkw ist vor allem dann interessant, wenn er nicht nur die Strecke Berlin-München, sondern das ganze Bundesgebiet befahren kann. Ähnlich ist es auch bei der automatischen Datenanalyse.
Unser System überlegt sich anhand der gegebenen Daten eigenständig, wie man diese statistisch korrekt analysieren kann. Bei Sensormesswerten aus einer Produktionsanlage beispielsweise wird das System sagen: Ich habe hier eine Zeitreihe. Ich kann prüfen, ob es Ausreißer gibt oder ob es Werte gibt, die auf Kausalität schließen lassen. Solche Analysen kann das System automatisch und selbstständig durchführen.
com! professional: Wie haben die ersten Anfänge ausgesehen?
Wittenburg: Unsere Firma gibt es seit 2016. Ein Jahr später haben wir auf der Cebit das Produkt gelauncht, seitdem kommen immer mehr automatisierte Analysemethoden hinzu.
Begonnen haben wir mit einfachen Zeitreihen und Aggregationsanalysen, zum Beispiel der Frage „Wie ist mein Umsatz nach Geschäftseinheit?“ Inzwischen machen wir auch automatische Netzwerkanalysen, Betrugsanalysen, Forecasts und Ursachenforschung.
com! professional: Gibt es Kooperationen mit größeren Organisationen?
Wittenburg: Wir arbeiten mit dem Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) in Sankt Augustin zusammen. Wir integrieren einige von deren Algorithmen aus der Forschung für die Datenanalyse. Auch kooperieren wir recht eng mit dem Saarbrücker Unternehmen Scheer. Darüber hinaus haben wir noch eine Reihe von losen Kooperationen, meistens mit Unternehmen aus der Beratungsbranche.
com! professional: Was können Sie anderen Gründern mit auf den Weg geben?
Wittenburg: Start-ups sollten möglichst nah am Kunden arbeiten. Einfaches Beispiel: Als wir mit der ersten Produktversion gestartet sind, haben wir Datensätze ohne jedwede Rückfrage beim Kunden vollständig automatisch analysiert. Dem Kunden haben wir dann gesagt: Der Algorithmus hat diese und jene interessanten Ergebnisse herausgefunden. Aber der Kunde war nicht zufrieden. Für ihn hat sich das so angefühlt, als würde er sich in ein selbstfahrendes Auto ohne Lenkrad setzen. Das macht keiner gern. Der Kunde möchte Kontrolle darüber haben, was bei der Automatisierung passiert. Und seitdem haben wir das interaktiver gemacht. Das System stellt jetzt dem Nutzer Fragen und bezieht ihn mehr ein.
5. Teil: „Im Gespräch mit Dr. Philipp Hartmann von UnternehmerTUM“

Im Gespräch mit Dr. Philipp Hartmann von UnternehmerTUM

  • Dr. Philipp Hartmann: Head of Strategy bei der appliedAI-Initiative von UnternehmerTUM
    Quelle:
    appliedAI
Philipp Hartmann ist Head of Strategy bei der appliedAI-Initiative von UnternehmerTUM.
Im Interview beschreibt er den aktuellen Stand der KI-Start-up-Szene in Deutschland.
com! professional: Herr Hartmann, wie unterstützen Sie KI-Start-ups konkret?
Philipp Hartmann: Zunächst müssen Sie wissen: appliedAI ist Teil der UnternehmerTUM, des Gründerzentrums an der TU München, das Gründern und Start-ups einen Rundum-Service von der ersten Idee bis zum Börsengang bietet. In der UnternehmerTUM gibt es eine Reihe von Programmen und Initiativen, die sich gezielt um Start-ups kümmern. TechFounders beispielsweise ist ein Accelerator-Programm, das etablierte Firmen und Start-ups strukturiert zusammenbringt. XPLORE ist ein Inkubator-Programm, das Start-ups in der Frühphase hilft, ihr Geschäftsmodell zu finden. Wir als appliedAI produzieren jährlich die KI-Landkarte. Mit der Landkarte haben wir versucht, die ganze deutsche KI-Landschaft abzubilden und aktuell 247 KI-Start-ups identifiziert. Mit einer Reihe von Start-ups auf dieser Landkarte arbeiten wir eng zusammen. Beispielsweise laden wir die Start-ups zu Veranstaltungen mit unseren Firmenpartnern ein.
com! professional: Wie hilft die Landkarte Unternehmen bei der Anwendung von KI?
Hartmann: Die KI-Landkarte ist entstanden aus der Beobachtung, dass größere Firmen, die KI anwenden möchten, KI-Start-ups brauchen. Für viele Firmen ist es viel zu aufwendig und de facto unmöglich, KI-Anwendungen selbst zu entwickeln. Sie brauchen Partner. Doch die sind schwer zu finden. Viele heften sich das Label KI an, machen aber gar keine KI. Wir versuchen zum Beispiel, mit unseren Partnern zu eruieren, wer wirklich KI-Anwendungen entwickelt.
com! professional: Welchem Umfeld entstammen die KI-Start-ups?
Hartmann: Im KI-Kontext gibt es zwei Archetypen von Start-ups: Der eine Archetypus sind Wissenschaftler, die ein Thema akademisch im Rahmen von Forschungsarbeiten bearbeitet haben und dies über ein Start-up in wirtschaftlich verwertbare Produkte transferieren. Der andere Typus sind Start-ups, die ein Pro­blem der Industrie identifizieren, das sind die „funktionalen“ Start-ups. Sie nutzen KI, um dieses Problem der Industrie zu lösen.
com! professional: Wie wichtig sind Kooperationen von KI-Start-ups mit größeren Firmen?
Hartmann: Sehr wichtig. Um das nur an einem Beispiel festzumachen: KI bedeutet aktuell hauptsächlich maschinelles Lernen. Und das funktioniert nur gut, wenn Sie viele Daten haben. Sie brauchen genug Daten, um lernen zu können. Ein Start-up verfügt aber typischerweise nicht über viele Daten. Im KI-Umfeld ist es von Anfang an wichtig, mit großen Firmen Projekte zu machen - schon allein, um an die Daten heranzukommen.
com! professional: Wie sehen Sie die finanziellen Förderungsmöglichkeiten?
Hartmann: Grundsätzlich hat sich in den letzten Jahren in Deutschland einiges getan. Aus unserer Sicht fehlen aber große und massive Investitionen, die notwendig wären, um wirklich große Probleme anzugehen. Die großen Wachstumsraten liegen eher bei großen chinesischen und amerikanischen Firmen.

mehr zum Thema