Künstliche Intelligenz
12.12.2019
Textilwirtschaft als Vorreiter
1. Teil: „KI schafft Chancen für den Mittelstand“

KI schafft Chancen für den Mittelstand

KI in der IndustrieKI in der IndustrieKI in der Industrie
PopTika / shutterstock.com
Damit KMUs von Künstlicher Intelligenz profitieren, brauchen sie die richtige Herangehensweise. Das meiste Potenzial hat KI für KMUs aus dem produzierenden Gewerbe.
  • Quelle:
    PwC Deutschland (2018)
Abwarten und weitermachen wie bisher“ ist für den Mittelstand keine gute Strategie, glaubt Michael Steidle von der Textildruckerei Heinrich Mayer. Vielleicht ließe sich mit der aufkommenden KI ja sogar ein Trend umkehren, der in den 90er-Jahren einsetzte und  Jahrzehnte anhielt - die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer. Das Ziel, dank Künstlicher Intelligenz im globalen Wettbewerb mitzuhalten, steht bei dem Mittelständler ganz oben auf der Agenda. In Zusammenarbeit mit den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) hat das Unternehmen „smarte“ Textilien als Datenlieferanten für die Künstliche Intelligenz ins Visier genommen. Die beiden Partner arbeiten gemeinsam an der praktischen Umsetzung von textiler und nicht textiler Sensorik und Aktorik. Im Zusammenhang mit der Umstellung von Autoflotten auf Elektroantrieb und Leichtbau sei in der Autoindustrie das Interesse an diesen „intelligenten Stoffen“ bereits stark ausgeprägt. Diese Stoffe könnten dank ihrer hoch leitfähigen Keramikbeschichtung bereits nicht „nur“ heizen, sondern per Sensor schalten, leuchten und nebenbei auch Daten erfassen und an externe KI-Systeme weitergeben.
Das baden-württembergische Traditionsunternehmen aus Meßstetten-Unterdigisheim hat sich laut Michael Steidle vom klassischen „Ur-Textiler“ zum flexiblen Systemlieferanten von keramikbeschichteten High-Tech-Stoffen gewandelt. Das Portfolio reicht vom Sieb-, Rouleaux-, Rotations-, Sublimations-, und Flockdruck bis zur 3D-Beschichtung im Bereich der technischen Textilien. Mit hy­briden High-Tech-Textilien habe man sich die billige, aber qualitätsarme Low-Tech-Konkurrenz aus Südostasien vom Hals halten wollen. Das Konzept scheine Früchte zu tragen, denn die Heinrich Mayer GmbH sei zum nachgefragten Zulieferer der deutschen Automobilindustrie geworden. Mit der textilen High-Tech-Druckveredelung für KI-Systeme in der Automobilindustrie möchte das Unternehmen jetzt einen Gang höher schalten. Mit smartem Textilgewebe schlägt der deutsche Mittelständler eine Brücke zwischen der Welt physischer Interaktionen und rein digitaler KI.
2. Teil: „Intelligente Fasern“

Intelligente Fasern

  • Optimierte Shop-Gestaltung: Das Unternehmen Future-Shape visualisiert in einer Heatmap die Besucherströme in einem stationären Handelsgeschäft.
    Quelle:
    Future-Shape GmbH
Der Mittelstand brauche „Unterstützung beim Transfer von Forschung in die Praxis“, so Mareike Giebeler, Leitung Digitale Innovationen und Start-ups beim Gesamtverband textil+mode. Als nächsten Entwicklungsschritt stellt sich Giebeler in der Modebranche die tragbare KI vor. Textilien als Datensammler und eine mobile Schnittstelle zur Anbindung an KI-gestützte Assistenzsysteme sollen ein im doppelten Sinn „hautnahes“ Erlebnis von KI im Alltag ermöglichen.
Wie die deutsche Textil- und Bekleidungsbranche dank KI auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb führend sein kann, zeigte exemplarisch die Fachtagung des Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrums „Textil vernetzt“ im Mai dieses Jahres auf der Messe „Techtextil“ in Frankfurt. Hinter dem Kompetenzzentrum stehen unter der Leitung des Gesamtverbands textil+mode vier Partner: die erwähnten Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF), die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte For­schung aus Villingen-Schwenningen, das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University (ITA) und das Sächsische Tex­tilforschungs­institut (STFI). Textil vernetzt ist Teil des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital“, der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) initiiert wurde, um die Digitalisierung in KMUs und dem Handwerk vo­ran­zutreiben.
Neuronale Netze und KI sollen Bekleidungshersteller in die Lage versetzen, ihre Produktionsabläufe bedarfsgerechter auf die verschiedenen Formen des menschlichen Körpers einzustellen, erklärt Thomas Fischer von den DITF. Auf der Fachtagung zu sehen waren einige KMUs der Modebranche, in denen KI-Systeme bereits zum Einsatz kommen. Beim Berliner Taschenhersteller bagjack e.K etwa nutzen Mitarbeiter mobile Assistenzsysteme, um flexibler auf Kundenaufträge zu reagieren. Und die pro4tex GmbH plant die Implementierung von KI-gestützten Greifersystemen für das automatische Annähen von Textilien.
  • KI-Anwendungen: Intelligente Automatisierungen gelten für KMUs als sehr relevant, Sprachassistenten und Chatbots weniger.
    Quelle:
    Begleitforschung Mittelstand-Digital, WIK GmbH (n = 32)
An der „smarten Nutzbarmachung von Textilien“ arbeitet auch das Design Research Lab (DRLab) an der Berliner Universität der Künste. Professorin Gesche Joost und ihr Team befassen sich mit den zentralen Fragen der Mensch-Maschine-Interaktion und neuen Kommunikationsformen der Zukunft mit Hilfe von intelligentem Gewebe. „Unser Ziel ist es, auch mit textilen Wearables die Lücke zwischen technologischer Innovation und dem, was die Menschen wirklich brauchen, zu schließen“, erklärt Gesche Joost.
Damit sich ein neuer Lifestyle-Trend etablieren und weitverbreitete Konsumgewohnheiten aufmischen kann, muss auch ein Buzz-Wort her - vorzugsweise etwas so Eingängiges wie Wearables. Wer den Begriff nur einmal gehört hat, vergisst ihn nicht mehr, denn er steht für alles, was sich im weitesten Sinne tragen lässt, von vernetzten Textilien über funkfähige Jogging-Schuhe und Bergsteiger-Rucksäcke mit GPS-Positionssignal bis hin zu Smartwatches und dergleichen mehr.
Weniger einprägsam ist der Begriff „handlungsfähige“ Stoffe, obwohl diese Stoffe aus intelligenten Fasern ein breites Spektrum an KI-freundlicher Funktionalität in tragbaren wie nicht tragbaren Textilien versprechen und damit ähnlich viele Nutzungsszenarien abdecken wie Wearables - von der sensorischen Bauteilüberwachung über die Vitalparameterkontrolle, von Warnfunktionen in Berufsbekleidung über die Energierückgewinnung (aus Wärme oder Kälte) bis hin zur textilen Aktorik.
Von Aktorik ist die Rede, wenn reale Objekte nicht nur elektromagnetische, mechanische oder andere physikalische Informationen erfassen (und gegebenenfalls an digitale KI-Systeme weiterleiten), sondern diese auch gleich selbst in Reaktionen umwandeln. So kann sich etwa die Schutzweste eines Bauarbeiters beim Sturz aktiv in einen Airbag verwandeln (und vielleicht gleich noch via Funk Hilfe rufen). Was wie aus einem Science-Fiction-Film klingt, ist tatsächlich schon realisiert worden im Rahmen einer Forschungskooperation von Dream2Lab2Fab und dem Institut für Textiltechnik ITA der RWTH Aachen.
Ein neues Anwendungskapitel für intelligente Textilien schlägt auch die Future-Shape GmbH unter Firmenchefin Christl Lauterbach nach rund zehn Jahren Forschung an intelligenten Sensorböden und -matten auf. Das Unternehmen aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn bei München vertreibt großflächige Sensorsysteme, die sich unter Fußboden und Parkett, in isolierender Polyurethaneinbettung sogar unter Fliesen und Marmor wie auch an Wänden und hinter Glas einsetzen lassen. Die Sensorik von Future-Shape kann Messwerte an externe Applikationen zur Ganganalyse übertragen, etwa um die Verweildauer von Besuchern zu messen, die Publikumsströme zu visualisieren oder Notsituationen zu erkennen. Die Lösung kann wertvolle Erkenntnisse zur Shopgestaltung liefern, die Einbruchsicherheit steigern oder auch die therapeutische Betreuungsqualität von sturzgefährdeten Personen verbessern.
Die Grundlagen für Textilintelligenz wurden in Deutschland bereits Mitte der 90er-Jahre gelegt. Die Nachfrage nach faserbasierter Intelligenz steigt aber erst im Zusammenhang mit der KI-Revolution und so nimmt auch der Transfer von Forschungsergebnissen in die Indus­trie gerade jetzt kräftig an Fahrt auf. Und das nicht nur in der Textilbranche. Experten erwarten Impulse aus dieser Entwicklung etwa auch in der Elektronik-, Kunststoff- und Mikrosystemtechnik-Industrie.
3. Teil: „Chancen und Potenziale“

Chancen und Potenziale

  • KI-Chancen: Experten zufolge dürfen sich KMUs am meisten von Prozessoptimierungen durch KI erhoffen, am wenigsten in puncto IS-Sicherheit und Personalaufwand.
    Quelle:
    Begleitforschung Mittelstand-Digital, WIK GmbH (n = 33)
Eine Umfrage der Mittelstand-Digital-Begleitforschung des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) kam zu dem Schluss, dass die Künstliche Intelligenz eine zentrale Herausforderung für den deutschen Mittelstand darstellt.
An der Umfrage haben zwischen November 2018 und Februar 2019 40 ausgewählte Experten aus Forschungs- und Transferinstitutionen sowie Verbänden teilgenommen, insbesondere aus Bereichen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Implementierung in der Praxis. Zu nennen sind hier etwa das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt, das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen, das Institut für Neuro- und Bioinformatik (INB) der Universität Lübeck sowie mehrere Fraunhofer-Institute (IGP, IPA, IGCV).
Zentrale Erkenntnisse der Studie lauten: 77 Prozent der Experten stufen KI als „bedeutend“ für die Zukunft des deutschen Mittelstands ein, 70 Prozent sehen in der internationalen KI-Entwicklung eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands. Und als wesentliche Aufgabe wurde der Transfer von der Forschung in die Anwendung identifiziert.
„Der Mittelstand hat eine große Chance, durch eine intensive Betrachtung seines Geschäfts und seiner Prozesse in Hinblick auf mögliche KI-Anwendungen zu innovieren und zu optimieren“, resümiert denn auch Thomas Martinetz, Direktor des Instituts für Neuro- und Bioinformatik an der Universität Lübeck. Die Erwartungen an KI seien mittlerweile zwar sehr hoch, da werde es Enttäuschungen geben, aber es würden auch „viele solide Anwendungen mit großem Mehrwert dabei herauskommen“, führt er aus.
Auch Martin Ruskowski, Leitung Forschungsbereich Innovative Fabriksysteme am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) Kaiserslautern, sieht in Künstlicher Intelligenz „eine große Chance“ für den Mittelstand. Man dürfe sich KI jedoch nicht als ein großes, kompliziertes System vorstellen. Vielmehr gehe es um „verschiedene kleine Bausteine, die gewisse Pro­blemaspekte adressieren und lösen“. KI könne somit dem Menschen in Büro und Produktion zur Seite stehen. Sie könne große Datenmengen auswerten, aufbereiten und den Menschen mit daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen unterstützen. Auch könne sie Bilder analysieren, den Mitarbeitern viele manuelle Eingaben abnehmen oder das Ergebnis bestimmter Bewegungsabläufe überprüfen.

Am Scheideweg

  • Schritt für Schritt: Sensorik zur Gangbilderfassung ermöglicht KI-gestützte Langzeitanalysen etwa von Besucherströmen.
    Quelle:
    Future-Shape GmbH
Die Verbreitung von KI-Lösungen im Mittelstand könne grundsätzlich auf zwei Wegen geschehen, so die Experten in der Befragung des WIK. Zum einen sei die Implementierung von KI in die eigenen Prozesse, Produkte oder Services in Form von proprietären Entwicklungen denkbar. Zum anderen könnten Unternehmen auf KI-Dienste von Drittanbietern, zum Beispiel auf KI-as-a-Service-Angebote in der Cloud, zugreifen. Den befragten Experten zufolge wird der Mittelstand vorrangig den zweiten Weg einschlagen. Als Grund dafür nannten sie die niedrigeren Anforderungen an das IT-Know-how im eigenen Unternehmen (im Vergleich zur proprietären Entwicklung einer eigenen KI-Lösung), geringere Anfangsinvestitionen durch nutzungsbezogene Abrechnungsmodelle und überschaubare finanzielle Risiken. Die Implementierungsphase von KI lasse sich zudem durch Standardlösungen deutlich verkürzen (Time-to-Value).
Oft dürfte für KMUs die Nutzung von KI-Diensten von Dritt­anbietern auch die einzige Möglichkeit der Einbindung von KI-Lösungen darstellen, denn gerade in kleinen Unternehmen fehlt vielfach die Infrastruktur für proprietäre KI-Lösungen wie Rechenkapazitäten, Fachkräfte und  Daten. „KI-as-a-Service-Angebote sollten von den KMUs als eine Art krea­tive Toolbox gesehen werden“, argumentiert deshalb Martin Ruskowski. Aus diesen KI-Bausteinen könnten KMUs je nach individuellem Bedarf die passenden Services auswählen. „Gerade die flexiblen mittelständischen Unternehmen können diese Lösungen nutzen und sie für ihre Produktion oder ihre Produkte einsetzen“, erklärt Ruskowski.
4. Teil: „Datenarmut als Bremsklotz“

Datenarmut als Bremsklotz

KI-Technologie werde bereits in vielen Projekten eingesetzt, doch alles auf Biegen und Brechen auf KI umzustellen sei nicht die richtige Lösung, warnt Bastian Diedrich, Head of Business Development bei der Bremer Agentur hmmh multimediahaus, einem Gründungsmitglied von Bremen.AI, dem KI-Netzwerk der Hansestadt. „KI ist wirkungsvoll, zweifellos, aber derzeit überhypt“, findet er. Jedes Unternehmen, das seine Hoffnungen auf KI setze, müsse sich fragen: „Was ist das konkrete Problem? Was steckt wirklich dahinter? Wie kann ich den Nutzen für mich und meine Kunden durch KI steigern?“, so Diedrich. „Und da kann die Antwort auch mal lauten: Nein, es lohnt sich derzeit nicht.“
  • Wunschliste: Von der Aufbereitung von Best Practices erhoffen sich Experten am meisten Antrieb für den KI-Transfer in den Mittelstand.
    Quelle:
    Begleitforschung Mittelstand-Digital, WIK GmbH (n = 31)
Eine nicht zu unterschätzende Hürde für KMUs auf dem Weg zur KI stellt laut Diedrich eine unzureichende Datenbasis dar. „Das Ökosystem rund um die KI muss da sein, sonst wird aus dem Projekt nichts.“ Viele Unternehmen hätten keine ausreichende Datenbasis und falls doch, könne eine KI nichts damit anfangen. 60 bis 70 Prozent der Arbeit beim Einsatz einer KI stecke in der Datenaufbereitung. Die ersten Fragen, die sich Unternehmen auf dem Weg zur KI stellen müssten, betreffen deshalb die Verfügbarkeit und die Beschaffung auswertungsfähiger Daten.
„KI ohne Daten ist wie das Schwimmen ohne Wasser“ - zu diesem Schluss kommt auch die „KI-Studie 2019: Wie nutzen Unternehmen Künstliche Intelligenz?“ von Deloitte. Als größte Herausforderungen im Rahmen von KI-Initiativen nennen die dafür befragten deutschen Firmen an erster Stelle datenbezogene Probleme rund um Datenschutz, Datenqualität, Integration, maschinelle Interpretation und dergleichen. Auch die Einbindung Künstlicher Intelligenz in bestehende Prozesse, die Identifikation passender Use-Cases, oft hohe Entwicklungskosten und ein Mangel an Kompetenzen und Fachkräften erschwerten die KI-Nutzung.
Stolze 62 Prozent der Unternehmen räumen in der Deloitte-Studie denn auch eigene Schwächen in diesem Bereich ein. Der Mangel an KI-Entwicklern oder Data Scientists wird sogar als „gravierend“ empfunden, aber auch an Change-Management- und Transformations-Skills hapere es. Diese Erkenntnisse stimmen mit der Sicht der Experten in der Mittelstand-Digital-Begleitforschung überein. Die Experteninterviews der KI-Studie von Deloitte zeigen, dass Unternehmen den Mehrwert von KI vorrangig in der Optimierung von Produkten (52 Prozent) und internen Abläufen (42 Prozent) sehen. Der Effekt von Personaleinsparungen spielt dagegen in ihren Erwartungen eine eher untergeordnete Rolle (20 Prozent).
Das deckt sich im Großen und Ganzen ebenfalls mit den Resultaten der Erhebung der Mittelstand-Digital-Begleitforschung. Auch hier sehen nur rund 35 Prozent der Experten in KI eine „große oder sehr große“ Chance für die Verringerung des Personalaufwands. Die dort befragten KI-Experten aus der Wissenschaft sehen allerdings ein höheres Potenzial für KI im Bereich der Prozessoptimierung gegenüber der Pro­dukt­innovation - genau anders als die Praktiker aus den Unternehmen in der Deloitte-Studie.

Fazit & Ausblick

Um welche wirtschaftliche Dimension es beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz geht, macht der Blick auf einige Pro­gnosen zur Auswirkung des KI-Einsatzes auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich. Das McKinsey Global Institute beispielsweise erwartet von Künstlicher Intelligenz einen jährlichen Wachstumsschub für das Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 1,3 Prozent in Deutschland, das wären 50 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Indus­trierobotik soll mit 0,4 Prozent, ITK mit 0,6 Prozent wesentlich weniger zur neuen Wertschöpfung beitragen. PwC Deutschland wiederum hat einen theoretisch möglichen Anstieg des deutschen BIPs aufgrund KI-basierter Innovationen um 11,3 Prozent oder 430 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 errechnet.
Und eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums im Rahmen der Begleitforschung zum Technologieprogramm PAiCE unter dem Titel „Potenziale der Künstlichen Intelligenz im produzierenden Gewerbe in Deutschland“ prognostiziert eine kumulierte Bruttowertschöpfung durch KI in den Jahren 2019 bis 2023 von satten 32 Milliarden Euro allein im verarbeitenden Gewerbe.
Innovative, marktorientierte Unternehmen erschließen sich von diesem gewaltigen Kuchen immer größere Stücke, wie  an der um sich greifenden Verbreitung KI-getriebener Lösungen ablesbar ist. Doch liegt die Technologie bisher fast ausschließlich in der Hand von Großunternehmen mit globaler Reichweite. Der deutsche Mittelstand entwickelt sich hauptsächlich zum KI-Verbraucher. Wer sich jedoch ausschließlich auf externe KI-Lösungen verlässt - von digitalen Assistenten bis hin zu autonomen Fahrzeugen -, der muss für seine KI-gestützte Wertschöpfung zwangsläufig an andere zahlen.
Dem Mittelstand droht im KI-Zeitalter der Verlust der Datensouveränität in den Ökosystemen dominierender Geschäftspartner. Um dieses Ungleichgewicht zu überwinden, muss der Mittelstand den Schwenk vom KI-Konsumenten zum KI-Produzenten vollziehen. Einige Mittelständler aus der deutschen Textilindustrie machen gerade vor, wie das gehen könnte. Denn wie der Unternehmer Harald Christ sagt: „Wer Weltmarktführer bleiben will, braucht Künstliche Intelligenz.“ Und Weltmarktführer ist der deutsche Mittelstand auf vielen Gebieten - noch.

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