Business-IT
10.01.2019
Roboter erobern Software-Welt
1. Teil: „KI in der Robotic Process Automation (RPA)“

KI in der Robotic Process Automation (RPA)

Robotic Process AutomationRobotic Process AutomationRobotic Process Automation
PopTika / shutterstock.com
Die Künstliche Intelligenz hält auch bei Robotic Process Automation Einzug. Eingesetzt wird RPA vor allem in der IT beziehungsweise im Finanzbereich.
  • Warum setzen Unternehmen auf RPA? Die meisten wollen leistungsfähiger und agiler werden.
    Quelle:
    Deloitte
In der Fabrik hat sich der „Kollege Roboter“ bereits eta­bliert. Auch in Bereichen wie dem Einzelhandel oder als Hotelconcierge sehen Fachleute Einsatzfelder für solche Systeme. Doch neben der physischen Version beginnt sich eine weitere Spielart durchzusetzen: der Software-Roboter. Es handelt sich dabei um Algorithmen und Tools, mit denen sich wiederkehrende Aufgaben und Prozesse automatisieren lassen, etwa Abläufe in einer IT-Umgebung. Das Stichwort heißt Robotic Process Automation (RPA).
IBM definiert RPA als Methode zur Automatisierung einzelner, einfacher Aufgaben, die ansonsten manuell ausgeführt werden. „Typischerweise werden mit RPA Prozess-Schritte automatisiert, die repetitiv sind, ein hohes Volumen haben und deren Abarbeitung auf definierten Regeln basiert“, erläutert Thorsten Schlack, Chief Architect beim Beratungshaus Tata Consultancy Services (TCS). Diese Prozesse sind stabil, haben einen hohen Reifegrad und sind bereits auf Prozessebene optimiert. „Der Mensch wird somit von Rou­tineaufgaben entlastet und kann sich auf diejenigen Prozess-Schritte konzentrieren, die Erfahrung oder ‚weiche‘ Entscheidungen erfordern, die nicht fest definierten Regeln folgen“, so Schlack weiter.

Bot übernimmt eintönige Arbeit

An die Stelle menschlicher Mitarbeiter treten Software-Roboter (Bots). „Sie ahmen eine menschliche Interaktion mit Benutzerschnittstellen von Software-Systemen nach“, so Milad Safar, Managing Partner des Beratungsunternehmens Weissenberg Business Consulting, zu dessen Schwerpunkten die Automatisierung von Geschäftsprozessen zählt.
Die Bots übernehmen Aufgaben, die Menschen häufig als langweilig empfinden. Dazu zählen beispielsweise das Kopieren, Speichern und Verschieben von Dateien und die Bearbeitung von Informationen in Dokumenten und E-Mail-Anhängen. Auch das Umsetzen von Wenn-dann-Befehlen oder der Zugriff auf Webseiten und Social-Media-Plattformen sind klassische Jobs für Software-Roboter.

Große Bandbreite

„Die Bandbreite an Prozessen, die man automatisieren kann, ist bereits sehr groß“, erläutert Walter Obermeier, Managing Director und Vice President Sales DACH bei UiPath, einem der führenden Anbieter von Lösungen im Bereich Robotic Process Automation, „jedoch gibt es ein paar Eigenschaften, anhand derer man die passenden Prozesse auswählen kann.“ Solche Vorgänge sollten arbeitsintensiv, repetitiv und anfangs nicht allzu komplex sein. „Zudem ist es wichtig, dass die Prozesse klar reguliert sind und es möglichst wenige Ausnahmefälle gibt“, so Obermeier weiter. Am besten eignen sich aus seiner Sicht Hintergrundprozesse, weil diese nach einer Automatisierung keine menschliche Interaktion mehr benötigen. Andererseits können Prozesse auch so automatisiert werden, dass ein Mitarbeiter sie durch Aktivierung eines Roboters auslösen kann.
„Was die Einsatzfelder betrifft, sind die Top-Kandidaten IT-Services, das Personalwesen, die Finanzbuchhaltung und die Integration vorhandener IT-Systeme“, umreißt Bui Dinh Giap, Head of RPA Center of Excellence bei FPT Software, die Szenarien. Ebenso wie andere IT-Beratungshäuser, da­runter Accenture, Atos, Axians, Capgemini und Tata Consultancy Services, bietet FPT Software Unternehmen Hilfestellung, die IT-gestützte Prozesse automatisieren möchten. „Allerdings ist Robotic Process Automation kein Allheilmittel“, gibt Giap zu bedenken. „Die Technik sollte beispielsweise nicht bei fragmentierten und ineffizienten Prozessen zum Zuge kommen, sondern nur bei Prozess-Schritten mit einem hohen Mehrwert.“
2. Teil: „Schwerpunkt ist (noch) die IT“

Schwerpunkt ist (noch) die IT

  • Hindernisse bei der Einführung von RPA: Vor allem Sicherheitsbedenken und fehlendes Budget verhindern eine Implementierung.
    Quelle:
    ISG
Derzeit kommt RPA jedoch vorzugsweise im IT-Bereich zum Einsatz, so Thorsten Schlack von TCS. Mit der Technik lassen sich beispielsweise umfangreiche Jobketten oder die Server in einer Systemlandschaft überwachen. Außerdem klassifiziert eine RPA-Lösung Helpdesk-Tickets und ordnet sie den Experten zu. „Weitere Einsatzszenarien sind das Einspielen von Patches und Updates, die Verwaltung von Anwender-
Accounts und Berechtigungen sowie die Datenmigration.“ Allerdings werde RPA die größten Auswirkungen außerhalb der IT haben, etwa im Vertrieb und Kundenservice, aber auch in der Finanz- und Personalabteilung, prognostiziert Schlack.
Ein Teil der Prozesse, die sich im IT-Umfeld automatisieren lassen, ist im Bereich Support und Service-Desk angesiedelt. Ein Beispiel ist die Funktion „Neues Passwort zuweisen“. Wenn ein Nutzer seinen Zugangs-Code vergessen hat, teilt ihm das System bei Bedarf einen neuen zu. Geht es jedoch darum, einen IT-Nutzer bei der Suche nach Fehlerursachen zu unterstützen, ist RPA weniger tauglich. Reagiert etwa eine Applikation zu langsam, sind intelligente Analysefunktionen gefragt, um die Gründe dafür zu ermitteln.

Unterschied zu BPM

Robotic Process Automation sollte nicht mit Lösungen für das Business Process Management (BPM) verwechselt werden. Mit RPA lassen sich vorhandene Prozesse automatisieren, die auf der Verarbeitung von strukturierten Daten basieren. Die Anwendungen selbst werden dabei nicht angetastet.
BPM ist dagegen ein Ansatz, bei dem zentrale Geschäfts- oder IT-Prozesse überarbeitet werden. Dadurch sollen sie effizienter werden, einen Mehrwert bieten oder den Nutzern eine bessere User Experience verschaffen. Nutzer können dabei Mitarbeiter eines Unternehmens sein, aber auch dessen Kunden oder Partnerunternehmen. Als Tool kommt häufig eine BPM-Plattform zum Einsatz. An sie lassen sich Lösungen für RPA anbinden.
Vereinfacht gesagt, ist Business Process Management für das große Ganze ausgelegt, während Software-Roboter Teil­aufgaben übernehmen. Daher lässt sich eine RPA-Lösung relativ schnell implementieren, während bei BPM umfangreiche Analysen und Tests erforderlich sind.

Beispiel: Personalabteilung

Wie sich RPA-Bots in der Praxis verwenden lassen, zeigt das Beispiel des Onboardings von neuen Mitarbeitern. Die Personalabteilung erstellt in diesem Fall in der Regel mehrere Mails oder Tickets im IT-System, um Anfragen oder Änderungswünsche zu bearbeiten. Dazu zählen das Anlegen der E-Mail-Adresse des neuen Mitarbeiters und das Ausstellen von Zugangskarten. Außerdem benötigt der Mitarbeiter Zugriff auf IT-Applikationen und Server und muss in Verteilerlisten aufgenommen werden. Da die Vorgänge manuell bearbeitet werden, kommt es leicht zu Verzögerungen. Eine RPA-Lösung kann solche Prozesse schneller und mit einer geringeren Fehlerquote abwickeln, etwa indem sie dem neuen Kollegen automatisch eine Mail-Adresse zuweist.
Worauf es bei einer RPA-Lösung ankommt
Wer eine Lösung für die Robotic Process Automation sucht, muss etliche Kriterien berücksichtigen. Hier eine Aufstellung der wichtigsten:
Kosten:
Zunächst einmal fallen Aufwendungen für die Implementierung an. Sie können niedriger sein, wenn eigene IT-Fachleute die Software-Roboter einrichten und trainieren. Kommen Beratungs­unternehmen wie Accenture oder Capgemini ins Spiel, dann ist eine fundierte Kosten-Nutzen-Rechnung angebracht.
Bei den Lizenzgebühren kommen je nach Anbieter unterschiedliche Modelle zum Tragen. Einfache RPA-Bots werden oft kostenlos als Community-Version angeboten, komplexe Lösungen nur gegen Bezahlung. Ein Vergleich der Lizenzmodelle ist häufig aufwendig. Hilfestellung geben Vergleichsportale wie AppliedAI.com.
Bedienfreundlichkeit: Sie hängt maßgeblich davon ab, wie aufwendig es ist, Software-Roboter zu programmieren. Aufschluss gibt am ehesten eine Einführung durch den Anbieter der Lösung an einem Praxisbeispiel.
Zudem sollten Trainingskurse zur Verfügung stehen, entweder vor Ort oder online. Hilfreich ist auch eine lebendige Community, die bei speziellen Fragen weiterhilft. Ein dritter Aspekt ist die Bedienung von Bots im laufenden Betrieb. So sollte es möglich sein, automatisierte Prozesse auf einfache Weise zu unterbrechen, etwa während Wartungsarbeiten.
Technische Aspekte: Einige RPA-Lösungen ermöglichen es, mit Hilfe von Low-Code-Verfahren unkompliziert Workflows zu automatisieren. Das schaffen auch technisch weniger versierte Nutzer. Der Hersteller sollte für seine Lösungen Sicherheitszertifikate vorlegen können, ebenso Schnittstellen zu einer möglichst großen Zahl von Systemen und Anwendungen. Beide Faktoren sich entscheidend, denn RPA-Systeme werden mit zen­tralen Geschäfts- und IT-Prozessen verknüpft.
Wichtig ist darüber hinaus, welche Produkt-Roadmap ein Anbieter vorweisen kann. Darin sollten Automatisierungslösun­gen mit kognitiven und intelligenten Funktionen zu finden sein, die zudem Informationen in natürlicher Sprache verarbeiten können.
Branchenkenntnisse und Kundenbasis: Es lohnt sich ein Blick auf die Kundenbasis des Anbieters, etwa ob renommierte Unternehmen darunter sind oder Anwender, die in ähnlichen Branchen aktiv sind wie das eigene Unternehmen. Das ist vor allem in Sparten wichtig, in denen spezielle Compliance-Anforderungen gelten wie dem Finanz- und Gesundheitswesen.
Partnernetzwerk vor Ort: Eine Reihe Anbieter von RPA-Tools ar­beitet mit Partnern zusammen - von großen Beratungshäusern bis hin zu kleineren Software-Firmen. Hilfreich ist, wenn diesem Partnernetzwerk Unternehmen aus dem eigenen Sprach- und Wirtschaftsraum angehören, etwa aus der EU. Das erleichtert die Kommunikation und macht es einfacher, Unterstützung bei der Implementierung und dem Betrieb der Lösung zu erhalten.
Finanzielle Situation: Zuletzt sollten Interessenten einen Blick auf die Finanzlage des Anbieters und dessen Strategie werfen. Speziell im Bereich RPA sind viele kleinere Unternehmen aktiv. Dadurch ist das Risiko höher, dass solche Anbieter von Mitbewerbern oder großen Software-Häusern übernommen werden oder sich nicht auf dem Markt durchsetzen können.
3. Teil: „Vorteile durch Bots“

Vorteile durch Bots

  • Einsatzbereiche und Zufriedenheit mit RPA: Unternehmen weltweit setzen vor allem in der IT auf RPA besonders zufrieden sind sie mit dem Einsatz im Finanzbereich.
    Quelle:
    The Deloitte Global Outsourcing Survey 2018
So schön es auch sein mag, wenn Mitarbeiter durch Software-Roboter von lästigen Routine­aufgaben befreit werden: Für Finanzverantwortliche und Bereichsleiter zählen andere Fakten, etwa Kosteneinsparungen und eine höhere Effizienz von Mitarbeitern dank RPA. „Zwar werden manche Mitarbeiter alltägliche Aufgaben auch weiterhin erledigen, indem sie Daten manuell bearbeiten. Werden für solche Aufgaben jedoch RPA-Tools verwendet, sinkt die Fehlerquote bei einer gleichzeitigen Steigerung der Datenqualität“, erläutert Cathy Tornbohm, Vice President bei Gartner und Spezialistin für Business Process Outsourcing. Eine Automatisierung von Tätigkeiten im Bereich Datenerfassung und -bearbeitung kann Tornbohm zufolge zudem die Kosten reduzieren und die Einhaltung von Compliance-Vorgaben erleichtern.
Das französische Unternehmen Contextor, Anbieter einer RPA-Plattform, das vergangenen November von SAP übernommen wurde, schätzt die Zeitersparnis von Büromitarbeitern auf bis zu 30 Prozent, wenn Prozesse automatisiert ablaufen. Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG wiederum taxiert die Kosteneinsparungen, die mit Hilfe von RPA erreicht werden können, auf etwa 40 bis 75 Prozent. In vergleichbarem Rahmen liegen die Schätzungen anderer Experten, etwa von Ernst & Young. EY schätzt, dass durch den Einsatz von RPA im Rechnungswesen 20 bis 60 Prozent der Kosten eingespart werden können, die auf die Vollzeitstelle eines Mitarbeiters entfallen.
Allerdings sind für Unternehmen, die bereits eine robotergestützte Prozessautomatisierung einsetzen, nicht die Kosten das wichtigste Argument. Das ergab eine weltweite Studie des Consulting-Hauses Deloitte. So wollen mehr als 60 Prozent der Unternehmen mit RPA ihre Performance verbessern und rund 59 Prozent der Befragten Produkte und Dienstleistungen schneller auf den Markt bringen.

Respektables Wachstum

Dass das Thema Automatisierung mit Hilfe von Software-Robotern bei Unternehmen auf Resonanz stößt, zeigt sich in der Nachfrage nach solchen Lösungen. Gartner schätzt, dass die weltweiten Ausgaben im Bereich Robotic Process Automation 2018 ein Volumen von etwa 680 Millionen Dollar erreichen. Das ist auf den ersten Blick nicht sonderlich beeindruckend. Allerdings erwartet Gartner bis zum Jahr 2022 eine Verdreifachung des Absatzes auf rund 2,4 Milliarden Dollar. Vor allem große Unternehmen, die einen Umsatz von einer Milliarde Dollar oder mehr erzielen, sind die Hauptnutzer von RPA. 60 Prozent dieser Firmen, so die Gartner-Schätzung, setzen derzeit zumindest ein Tool im Bereich Robotic Process Automation ein.
In Deutschland wollen nach Angaben des Marktforschungsunternehmens ISG rund 60 Prozent der Unternehmen bis 2020 Robotic Process Automation verwenden. Aktuell sind es 32 Prozent. Damit übernimmt Deutschland im Bereich Nutzung von RPA in Europa die Führungsposition.
RPA ist nicht gleich Künstliche Intelligenz
Häufig werden Robotic Process Automation, Künstliche
Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) in einen Topf geworfen. Das ist nicht richtig, allerdings gibt es sehr wohl enge Verbindungen zwischen diesen Technologien.
Die Standards Association (SA) des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) hat Mitte 2017 eine Abgrenzung vorgenommen. RPA umfasst demnach den Einsatz von vorkon­figurierten Software-Instanzen, die auf Geschäftsregeln und Handlungsvorgeben zurückgreifen, um selbstständig einfach strukturierte Aufgaben durchzuführen.
Das kann zum Beispiel die Digitalisierung von Papierdokumenten sein oder das Kopieren eines E-Mail-Anhangs mit einer Rechnung in einen bestimmten Ordner auf einem Server. Ein RPA-System extrahiert zudem aus dem Attachment Daten, etwa die Adresse des Empfängers, und fügt sie in ein Überweisungsformular ein.
KI ist dagegen in der Diktion des IEEE eine Kombination von automatisierten kognitiven Verfahren in Verbindung mit maschinellem Lernen sowie dem Erstellen von Hypothesen und Analysemethoden. Das Resultat sind Erkenntnisse und Auswertungen, die denen von Menschen entsprechen. Eine KI-gestützte Automatisierungslösung ist daher in der Lage, aus Rechnungen, die in unterschiedlichen Formaten vorliegen, die relevanten Informationen herauszuziehen: den Namen und die Adresse des Rechnungsstellers, die Lieferantennummer, die Bezeichnung und Kenn-Nummer der Ware und das Fälligkeitsdatum.
Um mit den diversen Formaten umgehen zu können, in denen Rechnungen eingehen, muss eine KI-gestützte Automatisierungs-Software lernen können. Der Schwerpunkt von Robotic Process Automation liegt demzufolge auf dem „Tun“, also dem automatischen Umsetzen von einfach strukturierten Vorgängen. KI und ML dagegen werden mit „Denken“ und Lernvorgängen assoziiert.
4. Teil: „Cloud oder On-Premise“

Cloud oder On-Premise

Auf welche Weise sie Robotic Process Automation nutzen möchten, ob im eigenen Rechenzentrum oder als Cloud-Service, können die Anwender bei den meisten Lösungen selbst entscheiden. Die Mehrzahl der RPA-Lösungen steht als Software as a Service (SaaS) aus der Cloud zur Verfügung, lässt sich jedoch auch On-Premise im hauseigenen Data-Center implementieren.
„Die Entscheidung für das jeweilige Modell ist abhängig von den Anforderungen des Kunden und vom jeweiligen Prozess“, sagt Walter Obermeier von UiPath. „Bei Kernprozessen mit eigenen Kundendaten wird oftmals der On-Pre­mise-Ansatz vorgezogen. Soll hingegen die gesamte Bandbreite der Automatisierung genutzt werden können, ist eine Öffnung in Richtung Cloud- und Artificial-Intelligence-Lösungen, beispielsweise für Admin- und Support-Funktionen, fast unumgänglich.“ Eine dritte Option ist, alle RPA-Komponenten selbst zu entwickeln. In diesem Fall ist es von Vorteil, wenn die RPA-Plattform über eine große und agile Community verfügt. „Idealerweise stellt der Anbieter einer Plattform einen gemeinsamen Marktplatz zur Verfügung, auf den Nutzer ihre Automatisierungslösungen hochladen. Der Anbieter der Plattform prüft die Angebote und stellt sie anschließend anderen Nutzern zum Herunterladen bereit“, so Obermeier. In diesem Fall profitieren Unternehmen nicht nur von den Ideen ihrer eigenen Mitarbeiter, sondern auch von denen der gesamten Community.

Fragmentierter Markt

Wer eine RPA-Lösung einsetzen möchte, der hat die Wahl zwischen einer Vielzahl von Produkten. Marktforschungsunternehmen wie Gartner und Forrester zählen rund 25 Firmen zu den führenden Anbietern. Nimmt man regional aktive Anbieter hinzu, kommt man leicht auf die doppelte Zahl von RPA-Spezialisten. Bei einem Großteil von ihnen handelt es sich um kleine Unternehmen. Wie in vielen anderen Technologiebereichen zeichnet sich allerdings eine Konsolidierung des Marktes ab. Ein Beispiel ist die Übernahme des RPA-Spezialisten Syntel durch den französischen IT-Konzern Atos. Dagegen wilderte das deutsche Software-Unternehmen SAP wie erwähnt in Frankreich und übernahm mit Contextor ebenfalls einen Anbieter von Lösungen für Robotic Process Automation: „Die Übernahme ist ein wichtiger Schritt hin zu einer durchgängigen Prozessautomatisierung in unseren Anwendungen – allen voran natürlich SAP S/4 HANA“, kommentiert Markus Noga, Leiter des Bereichs Machine Learning bei SAP, die Akquisition.

Intelligente Automatisierung

Die Integration von Contextor in die Sparte maschinelles Lernen von SAP ist ein Indiz dafür, wohin die Reise geht: Die Automatisierung von IT-bezogenen Geschäftsprozessen wird immer stärker mit Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) verknüpft.
„RPA ist aus der klassischen Prozessautomatisierung hervorgegangen. Kognitive Lösungen stellen den nächsten Schritt dar. Er soll es ermöglichen, durch Lernen selbstständig Entscheidungen zu treffen“, erläutert Thorsten Schlack von TCS. „Dadurch lassen sich Probleme lösen, die die traditionelle Analytik nicht bewältigen kann.“
Nach Einschätzung der Berater von McKinsey kommen bei der intelligenten Prozessautomatisierung fünf Technologien zum Zuge:
  • Robotic Process Automation als Basis.
  • Smarte Arbeitsprozesse und entsprechende Management-Tools: Sie verwalten alle Aufgaben, die Menschen und Maschinen durchführen. Das gilt vor allem für Tätigkeiten, in die beide Gruppen involviert sind.
  • Maschinelles Lernen und Analysefunktionen auf Grund­lage von überwachtem und nicht überwachtem Lernen: Damit lassen sich große Datenbestände auf Muster durchsuchen.
  • Die Verarbeitung von natürlicher Sprache (Natural Language Processing und Natural Language Generation, NLG): Software-Roboter setzen beispielsweise strukturierte Finanzdaten eigenständig in einen Wochen- oder Monatsreport um. Das übernimmt eine Natural Language Engine.
  • Kognitive Agenten: Sie verwenden maschinelles Lernen und Natural Language Generation. Solche Agents führen nicht nur Aufgaben aus. Sie sind zudem lernfähig und können auf Basis des Gelernten Entscheidungen treffen. Beispielsweise setzen Ver­sicherungsunternehmen solche Lösungen bei der Beratung von Kunden ein. Außerdem können sie Anfragen von Mitarbeitern in einem Unternehmen beantworten.
Die Optimierung und Automatisierung von Prozessen mit Hilfe kognitiver Verfahren ist ein vielversprechender Ansatz. Entsprechende Lösungen benötigen allerdings noch Feinschliff, wie Murat Bayram, Head of IoT & Industrie 4.0 beim ICT-Dienstleister Axians IT, bestätigt: „Zwar gibt es bereits Demos, die zeigen, wie Machine Learning beispielsweise beim Ausfüllen einer Maske die passenden Werte wählt und einträgt. Jedoch sind diese Ansätze noch nicht zu 100 Prozent verlässlich, vor allem bei komplexen Themen.“
5. Teil: „Auswirkung auf Arbeitsplätze“

Auswirkung auf Arbeitsplätze

Bei allen Vorteilen, die mit der Automatisierung von Geschäftsprozessen und Aufgaben in der IT verbunden sind, darf jedoch ein Aspekt nicht übersehen werden: Eines der Ziele solcher Ansätze besteht darin, Arbeitsplätze einzu­sparen. „Eine Aufgabe von Beratungsunternehmen wie FPT Software ist es deshalb, den Mitarbeitern in Unternehmen die Angst zu nehmen, dass sie durch Robotic Process Automation ihre Jobs verlieren“, erläutert Bui Dinh Giap von FPT Software.
Wichtig ist daher nach Einschätzung von KPMG und der Beratungs- und Marktforschungsfirma Lünendonk & Hossenfelder ein stimmiges Change-Management-Konzept. Mitarbeiter sollten frühzeitig in den Planungsprozess eingebunden werden, wenn ein Unternehmen Automatisierungs-Tools einsetzen möchte. Zudem ist es notwendig, Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten, damit die Beschäftigten Know-how im Bereich Digitalisierung aufbauen können.
Ansätze wie RPA haben laut KPMG und Lünendonk & Hossenfelder jedoch auch positive Wirkungen auf die Beschäftigungslage: Durch den Einsatz von Automatisierungs-Lösungen sei es möglich, Tätigkeiten aus Ländern in Osteuropa und Asien wieder nach Europa zurückzuholen, die zuvor im Rahmen eines Offshorings aus Deutschland ausge­lagert wurden.
Hinzu kommt, dass sich mit Hilfe von Automatisierung die Folgen personeller Engpässe mildern lassen, etwa im Bereich IT-Fachkräfte. Dennoch bleibt die Frage, was mit jenen Mitarbeitern passiert, die sich nicht für anspruchsvolle Tätigkeiten eignen und deren Aufgaben von Software-Robotern übernommen werden. Dafür Antworten zu finden, ist eine Aufgabe, die Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen betrifft.
Lösungen für Robotic Process Automation (Auswahl)
6. Teil: „Im Gespräch mit Murat Bayram, Head of IoT & Industrie 4.0 bei Axians IT“

Im Gespräch mit Murat Bayram, Head of IoT & Industrie 4.0 bei Axians IT

Robotic Process Automation hilft Unternehmen dabei, gleichförmige und für Mitarbeiter langweilige Aufgaben schneller und effizienter zu bewältigen. Doch diese Technologie hat ihre Grenzen, so Murat Bayram, Head of IoT & Indus­trie 4.0 beim ICT-Dienstleister Axians IT. Sie entbindet IT-Abteilungen nicht, Schwachstellen in den Backend-Prozessen zu beseitigen.
com! professional: Welche Prozesse lassen sich derzeit mit Hilfe von Robotic Process Automation automatisieren? Es gibt ja eine Fülle von Ansätzen, von der Dokumentenerfassung bis hin zur automatischen Reaktion auf Vorfälle im Bereich IT-Sicherheit.
Murat Bayram: Das Thema ist speziell im letzten halben Jahr vermehrt in den Fokus gerückt. Vor allem dort, wo immer gleiche Prozesse stattfinden, ist der Einsatz sinnvoll, beispielsweise dann, wenn ein Sachbearbeiter mit immer gleich bleibendem Ablauf Datensätze öffnen und Informationen abgleichen oder übertragen muss. Dazu zählen sämtliche Copy-and-Paste-Prozesse. Dabei imitieren RPA-Tools, vereinfacht ausgedrückt, Maus- und Tastatureingaben des Anwenders.
com! professional: Warum sollten Prozesse überhaupt automatisiert werden?
Bayram: Mit RPA ist es möglich, in kurzer Zeit gute Ergebnisse für relativ einfache Workflows zu erzielen. Dem Anwender werden monotone Abläufe erspart und ihm bleibt mehr Zeit für komplexe Arbeiten. Dabei ist RPA einfach zu programmieren und besonders benutzerfreundlich. Die Technologie erfordert meist nur eine geringe Einarbeitungszeit und lässt sich flexibel an die Anforderungen des Anwenders anpassen. Zudem sind RPA-Tools nicht teuer, mittlerweile gibt es sogar gute Open-Source-Software. Die Investitionshürde ist daher gering.
com! professional: Ist RPA also eine Art Allheilmittel, um Geschäftsprozesse und Abläufe in IT-Umgebungen zu be­schleu­nigen?
Bayram: RPA-Lösungen können dazu dienen, kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Unternehmen sollten jedoch bedenken, dass RPA nur oberflächlich Erleichterung schafft. Oftmals lohnt es sich, Abläufe im Backend näher zu beleuchten und das Problem bei der Wurzel zu packen. Hierbei ist eine Prozessautomatisierung das Mittel der Wahl, also eine Business Process Automation. Dieses Vorgehen ist zunächst aufwendiger, hilft aber, Prozesse möglichst schlank und effizient zu halten.
com! professional: Wie wirkt sich das Automatisieren von Abläufen mit Hilfe von RPA auf die Sicherheit von Daten und Anwendungen aus? Erhöht sich das Risiko?
Bayram: Da RPA-Tools lediglich den Sach­bearbeiter imitieren, bleibt das Sicherheits­niveau bestehen. „Verklickt“ sich ein Mitar­beiter, können daraus natürlich Fehler resultieren. Dasselbe ist der Fall, wenn das Tool nicht richtig konfiguriert wurde. Zwar besteht immer das Risiko eines Hackerangriffs, es ist aber nicht größer als bei anderen Programmen wie Outlook.
com! professional: Welche Rolle spielen Technologien wie Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen im Zusammenhang mit der Automatisierung und RPA?
Bayram: Der Trend in Richtung Machine Learning suggeriert auf den ersten Blick, dass alles von alleine läuft. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Zwar gibt es bereits Demos, die zeigen, wie Machine Learning beispielsweise beim Ausfüllen einer Maske die passenden Werte wählt und einträgt. Jedoch sind diese Ansätze nicht zu 100 Prozent verlässlich, vor allem bei komplexen Themen.
com! professional: Bedeutet dies, dass Techniken wie Machine Learning bei RPA keinen Sinn ergeben?
Bayram: Nein, sinnvoller wäre es, wenn das System je nach Kontext passende Informationen erkennt und mittels Vorschlagsfunktion zur Auswahl anbietet - ähnlich wie das Smartphone Vorschläge für Wörter macht, die auf dem bisherigen Sprachgebrauch des Nutzers basieren. Der Einsatz von Machine Learning ist somit durchaus möglich, auch mit einem überschaubaren Aufwand, doch Anwendungsszenarien sind dafür noch nicht wirklich vorhanden. Außerdem spielt RPA seine Vorteile weniger bei komplexen Tätigkeiten aus, sondern vor allem bei wiederkehrenden Aufgaben.

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