Künstliche Intelligenz
20.11.2018
KI in der Praxis
1. Teil: „KI bringt Unternehmen so richtig voran“

KI bringt Unternehmen so richtig voran

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Peshkova / shutterstock.com
Zahlreiche Beispiele belegen, wie sehr Unternehmen von Künstlicher Intelligenz profitieren. Die Algorithmen werden stetig besser und immer mehr Unternehmen starten KI-Projekte.
Die Künstliche Intelligenz erlebt momentan einen regelrechten Hype und hat zudem einen Reifegrad erreicht, der sie für den Praxis­einsatz interessant macht. Es gibt daher wahrscheinlich kaum ein Unternehmen, das nicht die Möglichkeiten und Risiken des Einsatzes von KI diskutiert.
Auch wenn das wahre Potenzial der Künstlichen Intelligenz wohl erst in ein paar Jahren voll ausgeschöpft werden kann - die Algorithmen werden immer besser werden und es wird immer mehr Rechenleistung zur Verfügung stehen -, so betrachten Unternehmen in Deutschland KI bereits heute als praktikablen Ansatz zur Verbesserung ihrer Geschäftsmodelle. Laut einer Befragung des Marktforschungshauses IDC vom April dieses Jahres planen 69 Prozent der deutschen Unternehmen, in den kommenden zwölf Monaten neue Projekte rund um Künstliche Intelligenz zu realisieren. IDC ist daher auch davon überzeugt, dass KI in zwei Jahren in jedem Unternehmen präsent sein wird.
Wer bei Künstlicher Intelligenz allerdings automatisch denkt, dass es sich dabei um ein Thema für die IT-Abteilung handelt, der irrt: Nicht die IT, sondern die Fachabteilungen treiben in der Regel den Einsatz von Künstlicher Intelligenz voran. In mehr als einem Drittel der Unternehmen sind die Fachabteilungen bei der Planung von KI federführend. In einem weiteren guten Drittel erfolgt die Planung und Umsetzung im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Fachbereich und IT.

Was ist eigentlich KI?

Rund um Künstliche Intelligenz kursieren eine ganze Menge Begriffe wie Machine Learning, Deep Learning oder neuronale Netze. Doch was ist was, und was kann eine Künstliche Intelligenz eigentlich leisten?
Zunächst: Neu ist der Ausdruck Künstliche Intelligenz nicht. Bereits Mitte der 1950er-Jahre prägte der US-amerikanische Informatiker John McCarthy den Begriff. Sein Grundgedanke war, dass im Prinzip jeder Aspekt des Lernens oder jede andere Eigenschaft der Intelligenz sich so genau beschreiben lässt, dass eine Maschine diese Eigenschaften simulieren kann.
Schon damals tüftelten die Informatiker auch an sogenannten neuronalen Netzen: Computer ahmen die Funktionsweise von Nervenzellen im Gehirn, den Neuronen, nach, um Muster aufzuspüren und zu erkennen. KI ist also eine Art Simulation menschlicher Prozesse. Die eigentliche Herausforderung für die Computer ist aber nicht das Ausführen von Tätigkeiten, sondern vielmehr das selbstständige Beschaffen von Informationen und das Lernen daraus. Die Maschine soll Antworten und Empfehlungen auf Fragen geben beziehungsweise auf der Grundlage statistischer Korrelationen oder vorgegebener semantischer Beziehungen Schlussfolgerungen ziehen und diese dann auch für Folgeaktivitäten nutzen. Hierfür kommen Techniken wie Natural Language Processing (NLP) zum Einsatz, bei dem die Maschine natürliche Sprache verarbeiten kann. Das Ziel ist eine direkte Kommunikation zwischen Mensch und Computer auf Basis der natürlichen Sprache. Die vorhandene Rechenleistung war in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts selbstverständlich noch viel zu gering – erst die heute verfügbaren Ressourcen reichen aus, um Künstliche Intelligenz in der Praxis anzuwenden.
Und was hat es mit Machine Learning und Deep Learning auf sich? Machine Learning ist ein Teilbereich der KI. Vereinfacht ausgedrückt ist Machine Learning die Möglichkeit, den Computer nützliche Dinge erledigen zu lassen, ohne dass man ihn hierfür zuvor programmiert. Ein Beispiel ist die Bild­erkennung: Man bringt dem Computer bei, welche Dinge auf Bildern zu sehen sind. Wenn man das mit genügend Bildern gemacht hat, dann erkennt der Computer irgendwann selbst, was zu sehen ist.
Deep Learning geht noch einen Schritt weiter und ahmt die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nach, indem die erwähnten künstlichen neuronalen Netze zum Einsatz kommen.
2. Teil: „DB: Smarte Bahnhöfe“

DB: Smarte Bahnhöfe

  • Digitale Weichen: Die kleinen Kästen analysieren, wie stark sich Schwellen unter der Last eines Zuges senken - und schlagen Alarm, wenn Schotter nachgefüllt werden muss.
    Quelle:
    Deutsche Bahn
Digitalisierung und insbesondere Künstliche Intelligenz sind bei der Deutschen Bahn ein wichtiges Thema. „Für uns als Deutsche Bahn ist KI nicht weniger als ein Schlüssel zu mehr Verkehr auf der Schiene und mehr vernetzter öffentlicher Mobilität als Alternative zum eigenen Auto. Wir können im Kampf gegen Klimawandel, Feinstaub und verstopfte Innenstädte mit Hilfe von KI neue Maßstäbe setzen“, stellt Christa Koenen, CIO und Head of IT bei der Deutschen Bahn, heraus. Künstliche Intelligenz sei der zentrale Treiber der vierten industriellen Revolu­tion und habe absolut das Potenzial, eine vergleichbare Wirkung wie der Buchdruck und die Dampfmaschine zu entfalten.
Die Bahn befördert mit ihren Zügen und Bussen auf ihrem 33.000 Kilometer umfassenden Schienennetz mit knapp 6000 Bahnhöfen täglich rund siebeneinhalb Millionen Menschen. Eine solch umfangreiche Infrastruktur benötigt für die Entwicklung von Einsatzszenarien für Künstliche Intelligenz entsprechendes Wissen. Deshalb setzt die Deutsche Bahn verstärkt auf Netzwerke in Wirtschaft und Wissenschaft. Die Expertise von Verkehrswissenschaftlern und Eisenbahnprofessoren reiche, so Christa Koenen, nicht mehr aus. „Wir werden viel interdisziplinärer – sowohl in direkten Forschungskooperationen als auch bei der eigenen Bewertung von Technologietrends. Gleiches gilt für die Entwicklung konkreter KI-Anwendungen. Wir arbeiten hier mit Instituten und anderen Unternehmen auf Augenhöhe“, betont Koenen.
Schon heute kommt KI zum Einsatz, um Weichen oder Aufzüge und Fahrtreppen in Bahnhöfen bedarfsgerecht instand zu halten. Auch lernten in einem Pilotprojekt im vergangenen Winter an 22 Bahnhöfen installierte Kameras, wie sie selbst erkennen, wenn Schnee fällt. Alle 15 Minuten analysierte ein von der Deutschen Bahn trainiertes neuronales Netzwerk ein Bild des Bahnsteigs. Wenn das System erkannte, dass Schnee gefallen war, wurde das zentrale Bahnhofsmanagement informiert und der Räumdienst konnte beauftragt werden. Die Zuverlässigkeit der Schnee-Erkennung lag laut Deutscher Bahn bei Werten von über 90 Prozent. So rückten die Schneeräumer in etlichen Fällen noch rechtzeitig aus, obwohl die Wetterprognosen gar keinen Schneefall vorhergesagt hatten. „Diese Einsätze hätten ohne die Wetterkameras nicht ausgelöst werden können beziehungsweise erst, wenn Fahrgäste einen nicht geräumten Bahnsteig gemeldet hätten“, zeigt sich Christa Koenen zufrieden.
Ein weiteres Beispiel sind die Konux-Sensoren an Weichen. Gemeinsam mit dem Münchner IoT-Start-up Konux arbeitet die Deutsche Bahn an dem Ziel, mit Hilfe einer digitalen In-frastruktur die Verfügbarkeit des Streckennetzes zu erhöhen. Die Sensoren werden im Hochgeschwindigkeitsverkehr an Weichen angebracht und messen die sogenannte Weichenschwellenhohllage. Vereinfacht gesagt: Die Sensoren regis­trieren, wie stark sich die Schwellen senken, wenn ein Zug da­rüberfährt. Wenn die Schwelle unter der Last des Zuges zu stark nachgibt, dann muss darunter Schotter nachgefüllt
werden.
Die von Konux-Sensoren gesammelten Daten sollen künftig an die Diagnose- und Analyseplattform DIANA übermittelt werden. Die Plattform der Deutschen Bahn überwacht bereits heute den Antrieb von mehr als 15.700 Weichen. Zahlreiche Algorithmen und Künstliche Intelligenz sollen auf diese Weise einen Großteil der Weichenfehler identifizieren und vorhersagen. Das System überwacht also quasi den Gesundheitszustand von Weichen anhand mehrerer Messgrößen wie Vibration, Stellstrom und Weichenheizungstemperatur und beurteilt so die dynamische Verschleißwirkung von Zügen auf Weichen.
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz fordert die IT-Infrastruktur in besonderem Maß. So stellt Bahn-CIO Christa Koenen zufolge die vorausschauende Instandhaltung von Weichen über Sensoren im Gleis eine ganz andere Anforderung dar als etwa die Weiterentwicklung von Kunden-Apps. „Generell steigt die Datenmenge mit KI exponentiell an, zugleich der Anspruch an Flexibilität, Effizienz und Sicherheit der IT.“ Deshalb orientiere man sich eindeutig Richtung Cloud. Dabei setzt die Deutsche Bahn auf mehrere Anbieter, die die gleichen Sicherheitsstandards bieten wie die eigenen Rechenzentren.
Christa Koenen betont, dass die Qualität einer Künstlichen Intelligenz stark abhängig ist von der Qualität der Daten, die ihr zugrunde liegen – „das gilt für IT-gestützte Systeme generell, das ist bei intelligenter IT nicht anders.“ Wenn man ein Analysesystem mit Test- und Trainingsdaten unzureichender Qualität anlerne, dann werde auch das Analyseergebnis nur eine mangelnde Qualität aufweisen. „Machine Learning ist auch noch kein Selbstläufer.“ Dank der heute verfügbaren Rechenkapazitäten sei es aber bereits möglich, aufwendige statistische Verfahren anzuwenden, die noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wären. Häufig werde durch Mittel der KI – wie Clustering oder Text-Mining – erstmalig die Qualität von Daten überhaupt sichtbar. „Unter dem Strich ist KI ein enormer Gewinn.“
Das Ziel der Deutschen Bahn ist in jedem Fall klar: „Wir wollen perspektivisch den gesamten Bahnbetrieb in Deutschland intelligent machen. Züge, Stellwerke und Bahnsteige werden nach und nach digitale Zwillinge erhalten“, erklärt Christa Koenen. Das helfe zum einen, die Qualität und Kapazität auf der Schiene zu erhöhen, und zum anderen die über Jahrzehnte gewachsene heterogene Datenlandschaft bei der Bahn zu harmonisieren.
3. Teil: „ISS: KI im All“

ISS: KI im All

  • KI im All: Der kleine Roboter CIMON unterstützt die Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS unter anderem bei Experimenten.
    Quelle:
    Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Wenn sich der deutsche Astronaut Alexander Gerst derzeit ein weiteres Mal im All befindet, dann bekommt er diesmal Unterstützung von einem kleinen Roboter: CIMON (Crew Interactive Mobile Companion).
Der fußballgroße Roboter soll Gerst und seinen Kollegen an Bord der Internationalen Raumstation ISS mit Künstlicher Intelligenz unter die Arme greifen. Ein rund 50-köpfiges Projektteam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Airbus, IBM und der Ludwig-Maximilians-Universität München arbeitete in den vergangenen beiden Jahren an der Realisierung des astronautischen Roboters, der einen Durchmesser von 32 Zentimetern hat und rund fünf Kilogramm wiegt.
Der Roboter soll zeigen, inwieweit es möglich ist, die Menschen auf der Raumstation bei ihren Arbeiten zu unterstützen und sie vor allem bei Routineaufgaben zu entlasten. CIMON ermöglicht es dem Astronauten, beide Hände frei zu haben - er muss zum Beispiel während Experimenten keinen Computer bedienen. Durch den vollständig sprachgesteuerten Zugriff auf Dokumente und Medien navigiert der Astronaut durch Bedienungs- und Reparaturanleitungen und Prozeduren für Experimente und Anlagen. CIMON dient so als komplexe Datenbank mit allen notwendigen Informationen für Arbeiten auf der ISS und kann gleichzeitig als mobile Kamera für Dokumentationszwecke genutzt werden.
Für die Text-, Sprach- und Bildverarbeitung, für das Auffinden spezifischer Informationen und Erkenntnisse, etwa Informationen zum Ablauf von Experimenten sowie die Interpretation von Stimmungen und Gefühlen, setzt CIMON auf die Künstliche Intelligenz von IBM Watson. Selbstständig neu hinzulernen darf CIMON allerdings dabei nicht - aus Sicherheitsgründen muss er aktiv durch Menschen trainiert werden.
Doch nicht nur die Künstliche Intelligenz von CIMON ist interessant - auch die Hardware beeindruckt: Die Struktur des Roboters wurde komplett in einem 3D-Verfahren gedruckt und besteht aus Metall und Kunststoff. Die „Augen“ des Roboters sind zwei Kameras und zur Gesichtserkennung ist eine weitere Kamera eingebaut. Zwei Seitenkameras dienen der Videodokumentation und könnten auch für weitere computergenerierte Funktionen wie Augmented Reality genutzt werden.
Zur Kollisionserkennung messen Ultraschall-Sensoren Abstände. Als „Ohren“ fungieren sieben Mikrofone zur Richtungserkennung plus ein Richtmikrofon für eine gute Sprach­erkennung. CIMONs „Mund“ ist ein Lautsprecher, über den er sprechen und Musik abspielen kann. Mit seinen 14 Ventilatoren bewegt sich CIMON frei in alle Richtungen. So kann er sich zum Beispiel dem Astronauten zuwenden, wenn er angesprochen wird.
4. Teil: „Continental: Smart Car“

Continental: Smart Car

  • Intelligentes Auto: In wenigen Jahren sollen Fahrzeuge wie der Mensch Wahrnehmungen einordnen können und so beispielsweise unachtsame Fußgänger erkennen.
    Quelle:
    Continental
Das Hannoveraner Traditionsunternehmen Continental, einer der weltweit größten Automobilzulieferer, ergänzt zahlreiche Unternehmensprozesse durch Künstliche Intelligenz. So wurde im Rahmen einer Kooperation mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) an dessen Standort Kaiserslautern ein gemeinsames Forschungslabor eingerichtet. Hier sollen Continental-Mitarbeiter Grundlagen erforschen und konkrete Problemstellungen adressieren. Unter anderem werden KI-unterstützte Methoden der Datenauswertung und Software-Entwicklung erforscht.
Zudem kooperiert Continental mit diversen Technologieunternehmen wie Nvidia und Baidu sowie zahlreichen Forschungsinstituten wie der Universität Oxford und der Technischen Universität Darmstadt. In Budapest eröffnete der Continental-Geschäftsbereich Fahrerassistenzsysteme in diesem Jahr ein Kompetenzzentrum für Deep-Machine-Learning. Insgesamt hat der Automobilzulieferer vor, bis Ende dieses Jahres weltweit rund 400 Ingenieure mit speziellem KI-Know-how zu beschäftigen.
Eine der Anwendungsmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz bei Continental ist der Bereich Materialfluss: Mit Hilfe des maschinellen Lernens lässt sich der Rohmaterialbedarf präziser prognostizieren.
Ein weiteres Beispiel ist die Produktentwicklung: Voraussichtlich für das Jahr 2020 plant das Unternehmen eine neue Kamerageneration für Fahrzeuge, die zur beschleunigten Objekterkennung erstmals neuronale Netze nutzt. Dazu gehört etwa das Erkennen von Fußgängern, der Hinweis auf unachtsame Smart­phone-Besitzer oder das Deuten menschlicher Gesten wie ausgestreckter Arme als Halt-Signal. Eine sogenannte Computer-Vision-Plattform von Continental soll aus den Kamerabildern mittels KI-Algorithmen den Aufmerksamkeitszustand des Fußgängers sowie Körpergesten berechnen. Die Künstliche Intelligenz ähnelt damit einem routinierten Autofahrer, der eine Situation instinktiv als kritisch erkennt und sich auf ein Bremsmanöver einstellt.
Im Bereich der Reifenproduktion setzt Continental Künst­liche Intelligenz bereits heute ein, wie die Bundesdruckerei berichtet. Wenn die Reifen die Fertigung verlassen, wird eine Qualitätsprüfung durchgeführt. Früher übernahmen das Mitarbeiter, später Röntgengeräte. Diese schlugen aber zu häufig Alarm. Seit Continental die Bildauswertung der Röntgeninspektion um ein KI-Verfahren erweitert habe, sei die Fehlerrate auf 1 Prozent gesunken.
5. Teil: „Ratis: Roboter-Anwalt“

Ratis: Roboter-Anwalt

  • Roboter-Anwalt von Ratis: Der Chatbot ermöglicht eine recht­liche Ersteinschätzung – wie in diesem Beispiel über die Erfolgsaussichten einer Entschädigung bei einer Flugverspätung.
Auch im Rechtssektor gibt es viele potenzielle Anwendungsbereiche für Künstliche Intelligenz. Beispiele sind die automatische Erstellung und Prüfung von Verträgen, die Analyse und Erschließung großer Gesetzesbestände oder die Verbesserung interner Abläufe sowie der Kommunikation zwischen Anwälten und ihre Mandanten.
Für die Ratis Rechtsanwaltsgesellschaft aus Passau sind insbesondere die letzten beiden Aspekte interessant. Sie hat einen Chatbot namens Ratisbot entwickelt, der Mandanten eine erste virtuelle Unterstützung bei Flugverspätungen, Kündigungen oder Fragen zu Lebensversicherungen gibt. Ratisbot steht über die Webseite oder über den Facebook Messenger zur Verfügung. „Immer wiederkehrende Fragen können beantwortet werden und eine gewisse ,Grundberatung‘ durchgeführt werden, ohne dass ein menschlicher Anwalt benötigt wird“, erläutert Martin Bartenberger, Technischer Direktor bei Ratis.
Der Ratisbot, seine Macher nennen ihn den „ersten deutschen Roboter-Anwalt“, soll, so die Passauer Anwälte, den menschlichen Anwalt lediglich ergänzen. „Wir glauben, dass Rechtsberatung im Kern immer eine zwischenmenschliche Aufgabe sein sollte und sein wird“, betont Martin Bartenberger. Aber neue Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz und Automatisierung könnten sinnvolle Ergänzungen und Entlastungen bringen, damit Mitarbeiter ihre menschlichen Stärken in den Bereichen voll ausspielen können, wo sie unersetzbar sind.
Die Ratis Rechtsanwaltsgesellschaft entwickelt ihre Anwendungen rund um Künstliche Intelligenz übrigens ausschließlich selbst und betreibt hierfür einen eigenen leistungsfähigen On-Premise-Server. Nur wo man an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten stößt, setzen die Anwälte auf den Cloud-Dienst von Microsoft Azure und nutzen dabei unter anderem das Microsoft Bot Framework.
Die Kanzlei hat mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz bislang gute Erfahrungen gemacht. Aber: „Es ist wichtig, sich nicht von dem Hype um KI beeinflussen zu lassen, sondern sachbezogen zu überlegen, wo der Einsatz von KI für das
eigene Unternehmen Sinn macht und wo nicht“, gibt Martin Bartenberger zu bedenken.
6. Teil: „TK: Interne Prozessoptimierung“

TK: Interne Prozessoptimierung

Die Techniker Krankenkasse (TK) nutzt Künstliche Intelligenz insbesondere zur Optimierung ihrer internen Prozesse. „Wir setzen KI beispielsweise bei der Bilderkennung ein und dazu, um automatisch Informationen aus Texten zu ziehen“, so Thomas Heilmann, Fachreferatsleiter im Versorgungsmanagement bei der TK. „Das hilft uns bei der schnelleren Bearbeitung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für unsere Versicherten.“
Weitere KI-Anwendungsfälle seien die Aufdeckung von Abrechnungsbetrug und die Versorgungsforschung, beispielsweise zur Patientensicherheit. In einem Projekt werden Risiken von neuen Arzneimitteln identifiziert und ermittelt, welche Medikamente für welche Patientengruppen schädlich sein können.
Solche Prognosemodelle entwickelt die Techniker Krankenkasse in der Regel selbst. Für standardisierte Anwendungen wie die automatische Erkennung von Bildern oder Textelementen greift man bei Bedarf auch auf die Software externer Anbieter zurück.
Aber nicht alle Daten dürfen verarbeitet werden. Vor allem für den Umgang mit sensiblen Patientendaten gelten laut Thomas Heilmann strenge gesetzliche Vorgaben. „Die vorliegenden Abrechnungsdaten dürfen von den Kassen nicht für beliebige Auswertungen, zum Beispiel mit Hilfe von KI, he­rangezogen werden.“ Wenn es keine gesetzliche Ermächtigung für eine Auswertung gibt, dann darf diese auch nicht durchgeführt werden.
Die Techniker Krankenkasse sieht jedoch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, etwa in den Bereichen Achtsamkeit und Stressprävention. „So haben wir für das KI-basierte Tool Alexa ein ganz besonderes Skill entwickelt“. Das Skill TK Smart Relax für den smarten Amazon-Lautsprecher hilft auf Zuruf mit Entspannungsübungen und Meditation gegen Alltagsstress. „Ich bin sicher, dass sich in Zukunft viele weitere Einsatzfelder für KI ergeben werden. Das Thema hat für die Techniker eine sehr hohe Relevanz.“

Weitere Beispiele aus der Praxis

Windparks bei Siemens Gamesa: Der Hersteller von Windkraftanlagen verringert durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Inspektionszeit für die Turbinenblätter um bis zu 75 Prozent – von sechs
  • Optische Windpark-Inspektion: Siemens Gamesa verringert die Wartungszeit der Windkraftturbinen dank Künstlicher Intelligenz um bis zu 75 Prozent.
    Quelle:
    Siemens Gamesa
Stunden auf 90 Minuten.
Die bis zu 75 Meter langen Glasfaser-Turbinenblätter werden durch spezielle optische Scans auf mögliche Fehler gescannt. Eine Künstliche Intelligenz von Fujitsu untersucht die Aufnahmen der Blätter und schafft es, selbst kleine Haar­risse zu erkennen, die langfristig zum Komplettausfall der Anlage führen können.
Die Deep-Learning-Komponente des KI-Frameworks nutzt nach Angaben von Fujitsu neuronale Netze zur Verarbeitung von Bilddaten für die Erkennung relevanter Muster. Umgewandelt in ein Bildanalyseformat ist auf diese Weise eine automatisierte und beschleunigte Erkennung relevanter Muster in NDT-Ultraschall-Scan-Daten (Non-Destructive Testing) möglich.
KI statt Mitarbeiter bei Zalando: Der Online-Versender setzt in seiner Marketingabteilung verstärkt auf Automation. Aufgaben wie das Versenden von Werbe-E-Mails erledigen künftig nicht mehr nur Mitarbeiter, sondern auch Künstliche Intelligenz. Dafür muss allerdings eine dreistellige Zahl an Mitarbeitern im Marketing in andere Bereiche wechseln – neu hinzu kommen andererseits Entwickler und Analysten.
Smarte Kartoffeln bei der Ernte: Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz hat mit nPotato einen Sensor entwickelt, mit dem Landwirte in Echtzeit erfahren, ob die Einstellung ihrer Kartoffelroder optimal ist und ob die Ernte­umfänge den Erwartungen entsprechen.
Der nPotate-Sensor ähnelt in Größe und Aussehen einer echten Kartoffel und basiert auf dem Konzept eines reizempfindlichen Objekts, einem sogenannten Nociceptive Object, wodurch sich Stoß- und Rotationsbewegungen auswerten lassen. Hierbei wird maschinelles Lernen eingesetzt und mit Technologien des Internet of Things und Sprachtechnologien verbunden. Lernverfahren wie Long Short-term memory (LSTM) dienen der Klassifikation einzelner Bewegungen und der Erkennung des Gesamtzustands der nPotato. Das Ergebnis wird mit Hilfe sprachtechnologischer Verfahren in sprachliche Äußerungen umgesetzt, die für den Fahrer des Kartoffelroders unmittelbar verständlich sind.
Die Daten werden mit Hilfe einer Low-Code Plattform nicht nur für den Fahrer aufbereitet, sondern auch für den Landwirt im Büro und den künftigen Verarbeiter der Kartoffeln. So könnten weitere Geschäftsmodelle entwickelt werden: Von der Entscheidungshilfe für den Landwirt, wann er die Kartoffeln am besten auf den Markt bringt, bis hin zu Qualitätsstufen, ob sich die Charge für den Sternekoch oder für Stärkemehl eignet. Auch Produktionsmaschinen können sich anpassen und etwa die Kartoffelschale tiefer abschälen.
Preisoptimierung bei Douglas:
Die Kosmetikkette Douglas will künftig KI nutzen, um ihre Preis- und Werbeangebote zu optimieren. Um dem vor allem in Deutschland herrschenden Preiskampf zu begegnen, setzt Douglas neben einer eigenen Abteilung dazu auf ein SaaS-Tool zur Preis- und Promotion-Optimierung von Revionics. KI-Algorithmen und die Auswertung zahlreicher Datenquellen sollen so für den Händler stets die besten Preise he­rausholen. Insbesondere das Ver­arbeiten von Daten über Käufer soll erfolgreiche Werbeaktionen gewährleisten.
7. Teil: „Im Gespräch mit Wolfgang Thronicke, Principal Consultant und Mitglied der Scientific Community bei Atos“

Im Gespräch mit Wolfgang Thronicke, Principal Consultant und Mitglied der Scientific Community bei Atos

  • Wolfgang Thronike: Principal Consultant und Mitglied der Scientific Community bei Atos
    Quelle:
    Atos
Viele Experten sehen in der Künstlichen Intelligenz die nächste technische Revolution. Wolfgang Thronicke, Principal Consultant und Mitglied der Scientific Community beim IT-Dienstleister Atos, erklärt, wie sehr KI die Unternehmen und Produkte tatsächlich verändert und welche Branchen besonders davon profitieren.
com! professional: Herr Thronicke, welche Bedeutung hat Künstliche Intelligenz Ihrer Ansicht nach für Unternehmen und deren Produkte und Dienstleistungen?
Wolfgang Thronicke: Der Digitalverband Bitkom betrachtet die Künstliche Intelligenz als den wichtigsten Treiber der Digitalisierung. Und das sehen auch wir bei Atos so. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass künftig ihre Wett­bewerbsfähigkeit davon abhängt, wie es ihnen gelingt, Systeme mit Daten und Erfahrungswerten für ein besseres Geschäft zu trainieren.
com! professional: Für welche Branchen ist KI besonders relevant? Und welche Rolle kann KI im Bereich Industrie 4.0 beziehungsweise IoT spielen?
Thronicke: An KI kommt keine Branche vorbei. Bei Indus­trie 4.0 im produzierenden Gewerbe geht es zunächst um die Vernetzung und Verfügbarkeit von Daten. Nach dem Managen und Verarbeiten der Messwerte steht im nächsten Schritt das Verstehen der Daten an, wozu maschinelles Lernen entscheidend beiträgt. Ein interessantes Einsatzfeld ist hier beispielsweise Predictive Maintenance.
com! professional: Welchen Rat geben Sie Unternehmen, die sich für den Einsatz von KI interessieren?
Thronicke: Für eine erfolgreiche Umsetzung eines initialen KI-Projekts sollte ein Unternehmen mit einem erfahrenen Dienstleister den Teil seiner Wertschöpfung bestimmen, in dem der Einsatz sinnvoll ist und absehbar einen konkreten Nutzen bringt. Mit einer klaren Abgrenzung vermeidet ein Unternehmen zum einen Fehleinschätzungen - KI ist kein Allheilmittel - und kann zum anderen den Anwendungsfall effizient und mit reproduzierbaren Ergebnissen umsetzen. Unternehmen schaffen sich im Idealfall eine Blaupause, die sie für weitere Projekte verwenden können.

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