Business-IT
03.03.2020
Generationenkonflikt
1. Teil: „Junge Leute in Entscheidungspositionen sind wichtig“

Junge Leute in Entscheidungspositionen sind wichtig

Junge Business LeaderJunge Business LeaderJunge Business Leader
lunamarina / shutterstock.com
Etablierten Unternehmen würde ein wenig mehr Start-Up-Kultur guttun. Der jüngeren Generation kann mehr Verantwortung übertragen werden, zum Beispiel beim Thema Digitalisierung.
Samuel Koch ist ein Jungunternehmer aus Wien. Der Mitgründer von WizHub, einem Bildungscampus, brachte im Oktober sein erstes Buch für Unternehmenschefs heraus: „Die Welt, die ihr nicht mehr versteht. Inside digitale Revolution“. Das Buch setzt sich mit dem Generationenkonflikt im digitalen Zeitalter auseinander. Und nicht nur der Titel provoziert, sondern auch der Inhalt: „Ich fordere euch auf, euch zurückzuziehen“, knallt Koch den Lesern vor den Latz. „Überlasst eure Positionen, welche auch immer das sind, jemandem von uns. Ihr versteht die Welt, in der wir leben und in der die Entscheidungen über die Zukunft fallen, nicht mehr.“
com! professional fragte bei Samuel Koch nach, wie die Unternehmensorganisation der Zukunft aussehen soll.
com! professional: Herr Koch, Sie haben ein Buch mit einem provozierenden Titel geschrieben. Ab wann zählt man für Sie denn zur Generation „ihr“?
Samuel Koch: Bislang habe ich auf die Frage immer die Ü40-Generation genannt. Aber das braucht ein bisschen Erklärung. Ich bin Start-up-Unternehmer im Bildungsbereich und habe da viel mit jungen Leuten zu tun. Gleichzeitig habe ich ein Software-Unternehmen mitgegründet und bin darüber mit großen Corporates in Kontakt. So wuchs ich in den vergangenen Jahren in diese Vermittlerrolle hinein und habe dabei immer mehr erkannt, wie groß die Konflikte und Verständnisprobleme zwischen der älteren und jüngeren Generation sind. Das ist aus meiner Sicht schade, denn wir leben in einer Zeit, die unglaubliche Gelegenheiten bietet, um Zukunft zu gestalten.
Aber dafür brauchen wir eine Kultur des positiven Streitens, die ich mit meinem Buch ein Stück weit entfachen wollte. Darin habe ich versucht, Beispiele und Bereiche aufzuzeigen, wo die junge Generation anders denkt und wo wir lernen müssen hinzuschauen und darüber zu sprechen.
com! professional: Dann nennen Sie doch bitte gleich mal ein paar konkrete Beispiele.
Koch: Beginnen wir mit dem Thema Arbeit. Der jungen Generation wird gerne mangelnde Leistungsbereitschaft vorgeworfen. Angeblich lassen wir uns für Projekte und Ideen nicht mehr gewinnen. Aus meiner Sicht müssen wir den Arbeits­begriff und die Leistungsbereitschaft aber neu definieren.
Seit jeher suchen Menschen Erfüllung in ihrer Arbeit. Aber Technologie und Digitalisierung ermöglichen es uns jetzt, das zu machen, was uns Freude bereitet. HR-Abteilungen sollten nicht darüber jammern, dass sie junge Menschen nicht mehr gewinnen können, sondern sich fragen, warum sie für die Generation nicht mehr attraktiv sind. Wir brauchen einfach neue Mindsets und Incentives bei der Arbeit.
com! professional: In Ihrem Buch fordern Sie außerdem, dass alte Unternehmenschefs ihren Platz für Jüngere räumen. Sollen Siemens, BMW und die Deutsche Bank künftig lieber von 23-jährigen Hochschulabsolventen geführt werden?
Koch: Natürlich nicht. Was ich fordere, ist eine Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt auf Augenhöhe und mit gegenseitiger Wertschätzung, Würde und Respekt. Doch die Begegnung auf Augenhöhe müssen wir - und vor allem die ältere Generation - noch lernen. Unser bisheriges System basiert ja eher darauf, dass jeder Einzelne versucht, sein eigenes Reich zu schützen, sodass einem niemand etwas wegnehmen kann. Aber die Arbeitswelt der Zukunft wird uns nicht erlauben, mit diesen Strukturen weiterzumachen.
Ganz praktisch wäre mein Wunsch, dass auch in großen Corporates früh damit begonnen wird, junge Leute in Entscheidungspositionen zu bringen. Denn die verstehen den digitalen Kunden der Zukunft einfach besser als die ältere Generation. Dafür können die Älteren einen wertvollen Erfahrungsschatz beisteuern. Wer hier Netzwerke aufbaut, sichert das Überleben des Unternehmens.
Ich sehe es aber ganz oft, dass der eigene Sessel und das eigene Wohlbefinden über dem Nordstern des Unternehmens stehen.
2. Teil: „Politik soll Träume und Utopien ernst nehmen“

Politik soll Träume und Utopien ernst nehmen

3. Teil: „“

com! professional: Über dem Nordstern des Unternehmens?
  • Samuel Koch:
    Autor und Mitgründer von WizHub
    Quelle:
    Lukas Beck
Koch: Ich meine damit das übergeordnete große Ziel jedes Unternehmens. Das muss man durchziehen - von der Start-up-Phase bis zum Corporate.
Doch wenn ich mit Führungskräften spreche, stellen wir oft fest, dass in vielen Unternehmen nicht jeder Mitarbeiter weiß, was der Nordstern eigentlich ist. Dabei sollte das jeder Angestellte in Fleisch und Blut haben. Denn dann richten sich die Leute danach aus - und die Chefetage kann damit beginnen, Kontrollstrukturen abzubauen.
com! professional: Kontrolle ist ein guter Punkt. Lässt man die jungen Leute mit ihren Ideen einfach laufen? Und: Wo zieht man die Reißleine, wenn es doch nicht funktioniert?
Koch: Kontrolle basiert für mich immer auf Misstrauen - und das hat noch nie gut gerochen. Aber diese Moonshots, die Sie ansprechen, sind absolut notwendig.
Mein erster Rat an Corporates wäre, eine Division zu gründen, die nur das Ziel hat, das eigene Unternehmen zu zerstören, bevor es jemand anderes macht. Schauen Sie sich die großen Namen wie Google, Facebook oder Amazon an: Deren Philosophie ist es, dass die neuesten Geschäftsideen in genau diesen Nebendivisionen entstehen, die darauf abzielen, außerhalb des Geschäftsalltags querzudenken. Generell würde ich wie in einer Start-up-Kultur zu flachen Hierarchien raten.
com! professional: Taugt die Führungskultur in Start-ups tatsächlich als Vorbild? Gerade in erfolgreichen Firmen werden die Mitarbeiter häufig größtenteils anhand von Kennzahlen und Leistungszielen bewertet?
Koch: Sie meinen, die Unmenschlichkeit steigt mit der Skalierung? Ja, leider ist das oft zu beobachten. Ein Grund dafür ist, dass in der Führungsebene der Mensch oft nicht an erster Stelle steht. Es gibt in Start-ups zwei Themen, die Corporates adaptieren können. Das eine ist die Orientierung am Nordstern. Und das andere sind Führungspersönlichkeiten, die wirtschaftliche Interessen und Menschlichkeit intrinsisch in sich tragen. Die Nachfrage nach guten Führungspersönlichkeiten ist riesig.
com! professional: Ihnen ist auch die Politik ein großes Anliegen. Nun ist jemand wie Sebastian Kurz ja noch verhältnismäßig jung. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen sprach noch vor nicht allzu langer Zeit von „digitalem Neuland“. Wie muss Politik organisiert sein, um für die Zukunft die richtigen Weichen zu stellen?
Koch: Das Erste, was mir einfällt, ist, dass die Politik die Träume und Utopien der jungen Generation nicht belächeln darf, sondern ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen muss. Wir sind leider in einer Gesellschaft aufgewachsen, wo professionelles Träumen grundsätzlich skeptisch angesehen wird. Aber ich verfolge die deutsche Politik stark und erkenne Bewegung.
Konkret sollte sich Frau Merkel einen Thinktank von jungen Leuten zwischen 20 und 30 Jahren aufbauen und sich mit ihnen einmal im Quartal zusammensetzen und ohne parteipolitisches Buch über unsere Zukunft nachdenken und unsere Utopien verstehen lernen. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn in den kommenden 20 Jahren 20 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen? Und wie können wir aus Deutschland he­raus Europas Anschluss an die USA und Asien sichern - und zwar auf Basis der Werte, die wir in Europa haben.
com! professional: Was wäre abschließend Ihr wichtigster Appell an die Unternehmen?
Koch: Auf Englisch wäre das: „Happiness over Money“. Wenn Freude im Unternehmen ist - vom Chef bis zum letzten Mitarbeiter -, dann wird das die Performance zum Positiven verändern. Und darüber müssen wir einen Diskurs führen.

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