Business-IT
25.07.2019
Blick über die Grenze
1. Teil: „IT in der Schweiz: Projekte und Investitionen“

IT in der Schweiz: Projekte und Investitionen

LumoVision von BühlerLumoVision von BühlerLumoVision von Bühler
Bühler
Kerngeschäft optimieren, neue Services lancieren - so lautet die Devise der Schweizer Konzerne. In vielen Unternehmen sind Cloud First und Mobile First zur Selbstverständlichkeit geworden.
  • Premiere: Im Juni 2018 nahm der private TK-Anbieter Sunrise die erste 5G-Antenne der Schweiz in Betrieb.
    Quelle:
    Sunrise
Die „Computerworld“ Schweiz hat mehrere Hundert Schweizer CIOs und IT-Entscheidungsträger gefragt, was dieses Jahr ganz oben auf der Prioritätenliste steht - von Blockchain bis 5G, VR bis Drohnen, Cloud bis ERP. Zudem blickt die Redaktion auf IT-Projekte des vergangenen Jahres und fasst branchentypische Entwicklungen zusammen.

Security und Blockchain

IT-Sicherheit, der Spitzenreiter der letzten Jahre, hat im Vergleich zum Vorjahr zwar ein wenig Bedeutung eingebüßt, trotzdem dominiert das Thema immer noch mit großem Abstand die Projekt-Agenden in Schweizer Firmen. Sicherheit, Cloud und Mobile greifen ineinander. „Das Thema Security wird weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere im Zusammenhang mit dem steten Wandel in Richtung Cloud-Plattformen“, prognostiziert Daniel Gahlinger, Chief Service Delivery Officer beim IT-Dienstleister AdNovum. Durch Migration in die Cloud werde auch die sichere digitale Identität für den Betrieb von Business-Lösungen wichtiger.
Gahlingers Unternehmen verfolge schon seit geraumer Zeit eine Cloud-First-Strategie, da die Cloud in Sachen Flexibilität und Skalierbarkeit viele Vorteile bringe. Der Wechsel auf eine Cloud-Plattform müsse aber gut überlegt sein und sei nicht nur eine rein tech­nische Angelegenheit, gibt Gahlinger zu bedenken. Vielmehr entstünden neue Geschäftsmodelle und auch das Wertschöpfungsnetzwerk verändere sich.
Der Nutzen einer neuen Technologie müsse daher immer im Kontext konkreter Business-Modelle überprüft werden. Seit 2016 setzt sich das Software-Haus intensiv mit dem Technologietrend Blockchain auseinander und sieht insbesondere bei „Blockchain for Business“ riesiges Potenzial. Im Oktober 2017 startete AdNovum deshalb zusammen mit der Universität Zürich, der Hochschule Luzern, der Automobilhandelsgruppe AMAG, dem Versicherungskonzern AXA und dem Straßenverkehrsamt Aargau das Blockchain-Projekt „Car Dossier“. Ziel: einen schweizweiten Standard für ein digitales Fahrzeugdossier zu schaffen. Für die Sicherheit des Ökosystems soll die „Secure Blockchain for Business“-Plattform sorgen.

Erste 5G-Pilotprojekte

Eines der bestimmenden Themen in der Schweizer IT-Branche im vergangenen Jahr war der 5G-Netzausbau. Die drei Mobilfunk-Provider nahmen rund 380 Millionen Franken in die Hand allein für die Lizenzen. Die Investitionen in die Technologie dürften in den nächsten Jahren um ein Vielfaches höher liegen - mit Ericsson (Swisscom), Huawei (Sun­rise/UPC) und Nokia (Salt) als Profiteuren. Auf dem diesjährigen „Mobile World Congress“ wurden erste 5G-fähige Smartphones vorgestellt und der Schweizer Telko Sunrise/UPC will bereits bis Ende des Monats 150 Städte und Orte mit 5G versorgen. Der Hochgeschwindigkeitszug 5G ist also angefahren. Bis die ganze Schweiz 5G-vernetzt ist, werden aber wohl noch zwei, drei, vier Jahre ins Land gehen.
Zu den Unternehmen, die erste 5G-Pilotprojekte aufsetzen wollen, zählt Leuthart Bau in Merenschwand. Walter Furrer, Projektleiter IT, sieht sein Unternehmen als Vorreiter für neue Technologien, und in der Tat gehört Leuthard Bau zu den wenigen Schweizer Firmen, die noch dieses Jahr erste Projekte mit dem Hochgeschwindigkeits-Mobilfunk starten wollen.
2. Teil: „VR/AR: Vom Hype zum Projekt“

VR/AR: Vom Hype zum Projekt

  • Rechenzentrum: Der Internet-Provider Green baut am Standort Lupfig ein neues Hochleistungs-Data-Center.
    Quelle:
    Green
„Ich bin lange genug im ICT-Business, um nicht gleich auf jeden neuen Hype aufzuspringen. Wir sind in der Um­setzung neuer Technologien meist pragmatisch“, unterstreicht Heini Kalt, CTO bei der Hotelplan Group. „Aber wenn wir Business-Opportunitäten sehen, gehen wir diese konsequent an.“ Zwar landet virtuelle Realität/erweiterte Realität in der Umfrage von „Computerworld“ auf einem der letzten Plätze, trotzdem gibt es je nach Markt und Branche sinnvolle Einsatzsze­narien. „Wir haben Pilotprojekte am Laufen: So können Kunden in einer Filiale oder auf Ferienmessen mit einer Samsung-VR-Brille - kombiniert mit Handy und Tablet - touristischen Content ganz neu erleben“, erzählt Kalt. Die Kreuzfahrtanbieter haben die Möglichkeiten der Technologie erkannt: Kann man den Luxus einer höheren Klasse vorab virtuell erleben, steigt das Upsell-Potenzial erheblich.
„Augmented-Reality-Ansätze wie Microsofts HoloLens überzeugen uns mehr, weil das Erlebnis aus unserer Sicht angenehmer ausfällt als die komplett abgeschottete virtuelle Realität“, urteilt Kalt. Im Back­end hat der Reiseanbieter 2018 die Umstellung auf die schnelle SAP-S/4HANA-Datenbank abgeschlossen. Denn die dynamische Paketierung der Reiseangebote, die viele Kunden wünschen, erfordert immer mehr Rechenleistung. Aus dem gleichen Grund stellt die Hotelplan-Gruppe im Bereich Frontend/Web auf granulare Microservices und Container-Lösungen um.

Drohnen heben ab

Das größte Dienstleistungsunternehmen im Land, die Schweizerische Post, kann sich über zu wenig Auslastung seiner IT-Systeme ebenfalls nicht beklagen. Im Jahresend­geschäft 2018 wurden Rekordmengen verarbeitet: Die Online-Käufer ließen sich rund 25 Millionen Pakete zustellen. Parallel zu Millioneninvestitionen in neue Verteilzentren testet die Post auch alternative Technologien - und musste jüngst zwei Dämpfer hinnehmen: Die Zustellroboter störten Zürcher Passanten, eine Drohne mit Laborproben stürzte ab. Nun liegen beide Projekte auf Eis.
Von mehr Erfolg gekrönt könnte der Drohneneinsatz in der Schweizer Landwirtschaft sein. Nach dem Willen des Kantons Aargau sollen in naher Zukunft vermehrt Düngungsdrohnen und Hack­roboter in den Betrieben zum Einsatz kommen. Und während der Demonstration einer Sprühdrohne im Weinbau konnte die Firma Agrair im Kanton Basel-Landschaft zeigen, dass die Technologie echte Vorteile bringt. So konnten etwa steile Weinberge auch nach Niederschlägen problemlos beflogen werden, während der Einsatz eines Traktors noch heikel war. Das Personal war den Pflanzenschutzmitteln weniger ausgesetzt und die verteilte Menge ließ sich präziser steuern.

Alles drängt in die Cloud

Bei mehreren Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes zeichnet sich der Trend ab, die Geschäftssysteme in die Cloud auszulagern. Vielenorts wird den Hyperscalern zwar wegen des Datenschutzes nicht über den Weg getraut, insbesondere bei global tätigen Konzernen kommen aber auch sie zum Zug. Die Maschinenbaufirma Agathon hat gemeinsam mit dem Software-Haus bbv eine Monitoring-Lösung realisiert, die in der Goo­gle Cloud wie auch in Microsoft Azure arbeitet. ABB will in Zukunft unter anderem global das CRM von Salesforce nutzen. Mit der IoT-Lösung des US-amerikanischen Anbieters will ABB die Betriebsdaten aus vernetzten Ge­räten auswerten, zum Beispiel, um die Wartungsqualität zu erhöhen.
Lebensmittelriese Nestlé vernetzt zunächst seine weltweit 210.000 Mitarbeiter. Dafür wurde Anfang des  Jahres mit dem Rollout von Workplace by Facebook begonnen. Einen kleinen Auftragswert dürfte die Auslagerung der Server von Stadler Rail in die Schweizer Rechenzentren von Equinix haben. Das gilt auch für die Outsourcing-Verträge zwischen dem Heiztechnikhersteller Hoval und Swisscom, den Deal zwischen Stihl Kettenwerk und dem IT-Dienstleister UMB sowie V-Zugs Full Outsourcing zu T-Systems.
In die Cloud gehen will auch die schon erwähnte Leuthart Bau. IT-Leiter Furrer möchte dort Exchange, Office 365 und die Kommunikations- und Chat-Plattform Microsoft Teams nutzen. Und er will im nächsten Jahr analysieren, ob die internen Speichermaschinen von neuer Hardware abgelöst werden oder ob verstärkt als Alternative Storage aus der Cloud zum Einsatz kommen soll.
Diese Nachfrage nach der Cloud trifft auf ein wachsendes Angebot. Die global aktiven Hyperscaler AWS, Google und Microsoft installieren zurzeit ihre Server und Software in Schweizer Rechenzentren. Die lokalen Anbieter bauen entsprechend aus. Equinix kündigte eine Investition von rund 50 Millionen Dollar in sein Zürcher Rechenzentrum an, Green baut für knapp 70 Millionen Franken ein drittes Hochleistungsrechenzentrum in Lupfig, und e-shelter erweitert sein Rechenzentrum in Rümlang für ebenfalls circa 70 Millionen Franken.
3. Teil: „Mammutprojekte ERP“

Mammutprojekte ERP

  • ERP überall: Sotax, ein Spezialist für pharmazeutische Prüfgeräte, implementier zum Beispiel das ERP von IFS.
    Quelle:
    Sotax / IFS
Schweizer Unternehmen setzen bereits KI ein, experimentieren mit Blockchain und finden sinnvolle Einsatzszenarien für virtuelle und erweiterte Realität. Die größten Zeit- und Kostenaufwände aber verschlingen klassische IT-Themen. Neben Cybersicherheit sind dies teils hochkomplexe Business-Software-Projekte. Finanz- und Gehaltsbuchhaltung, Lieferanten- und Kunden-Management, Big Data und Analytics, um Business-Opportunitäten zu identifizieren und den Geschäftserfolg zu steuern - das sind die Kernanliegen.
Ein Beispiel dafür ist Komax, das zurzeit auf SAP S/4HANA konsolidiert. Die weltweit tätige Technologiegruppe hat sich auf die Automatisierung der Kabelverarbeitung spezialisiert und ist damit sehr erfolgreich. Mit an Bord kamen in den letzten Jahren eine Reihe von Akquisitionen wie die österreichische Thonauer-Gruppe und die französische Laselec, die nicht nur neue Technik und Expertise, sondern auch jeweils andere Business-Software ins Mutterhaus einbrachten. „Wir haben derzeit SAP, Microsoft, Sage, Infor und einige lokale Lösungen im Einsatz. Insgesamt kommen da mehr als zehn unterschied­liche ERPs zusammen“, sagt Tobias Rölz, Vice President Global IT & Digital Business bei der Komax Gruppe.
Rölz will diese ERP-Vielfalt sukzessive harmonisieren. Zum einen entsprechen viele verschiedene ERP-Lösungen nicht mehr den Anforderungen an ein modernes ERP, zum anderen ist die Wartung und Pflege zu zeit-, personal- und kostenintensiv. „Wenn SAP sich bewährt, werden wir einen Großteil der Systeme durch S/4HANA ablösen“, gibt Rölz die Richtung für die nächsten Jahre vor. Ein Riesenprojekt, das über mehrere Jahre läuft: Sind die Migrationsprojekte in Deutschland, den USA, Japan und China erfolgreich, wird danach auch die Niederlassung in der Schweiz auf S/4HANA Cloud migrieren.
Weniger die Digitalisierung des Geschäfts als vielmehr die schlichte Notwendigkeit eines Software-Updates ist bei meh­reren Schweizer Industriekonzernen ein Hauptgrund für IT-Investitionen. Allenthalben laufen ERP-Migrationsprojekte. Der Wechsel auf die S/4HANA-Plattform von SAP muss bis 2025 abgeschlossen sein. Die Industriebetriebe Agathon, Komax, Perlen Packaging, Pi2 Process, Ricola, Rondo und Uster Technologies setzen auf die Technologie des deutschen Weltmarktführers und haben im abgelaufenen Jahr neue ERP-Lösungen eingeführt. Auf IFS Applications gewechselt haben hingegen der St. Galler Kunststoffspezialist Haka­Gerodur und der Basler Prüfgerätehersteller Sotax. Bei der Vat Group in Benken SG wird aktuell vom IT-Dienstleister BE-terna Microsofts Dynamics 365 implementiert
  • Operation am offenen Herzen: Bei PostFinance in Bern läuft seit gut einem Jahr ein neues Kernbankensystem.
    Quelle:
    PostFinance
Auch die Schweizerische Post möchte für budgetierte 83 Millionen Franken ihre ERP-Systeme konsolidieren. Die angestrebten Benefits sind die gleichen wie bei Komax, der Grund, jetzt aktiv zu werden und auf S/4HANA zu wechseln, ein anderer: Das alte SAP R/3 der Post wird ab 2025 nicht mehr unterstützt. Die Post schlägt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe und konsolidiert mit der Migration auf S/4HANA auch gleich ihre heterogene SAP-ERP-Landschaft. Das riesige Gesamtprojekt ist ein schwieriges Unterfangen. „Bei laufendem Betrieb wird ein komplett neues, hochkomplexes Finanz­system für die ganze Post-Gruppe aufgebaut“, erklärte Post-Finanzchef Alex Glanzmann gegenüber dem Bankenportal „Inside Paradeplatz“. Das Projekt beginnt dieses Jahr und soll laut Plan bis 2021 über die Bühne gehen.

Banken werden digital

Hunderte Millionen hat sich die Raiffeisen ein neues Kernbankensystem kosten lassen. Die Einführung war Ende Januar 2019 abgeschlossen. Damals war zu lesen, dass „Raiffeisen und Avaloq IT-Geschichte schreiben. Erstmals in der Finanzindustrie werden 246 Raiffeisenbanken, 6 Niederlassungen und die Zentralbank auf einer Plattform betrieben“. Das Projekt ging jedoch nicht ohne Verzögerungen und Mehrkosten zu Ende. Von mindestens einem Jahr Verspätung und über 200 Millionen Franken zusätzlichem Budget ist die Rede. Damit nicht genug, wird das System von Kinderkrankheiten heimgesucht. Die Raiff­eisen-Informatik wird wohl nicht ohne weitere Investitionen auskommen.
Von größeren Störungen verschont blieb die neue Kernbanken-Software der PostFinance, die vor gut einem Jahr eingeführt worden ist. PostFinance-CIO Markus Fuhrer sprach im Vorfeld von einer „Operation am offenen Herzen“. Sie ist gelungen. Neu investiert der Finanzdienstleister in bankenferne Bereiche: ein Big-Data-Archiv, einen französischsprachigen Chatbot, ein konzernweites CRM, ein E-Sports-Team, eine Hypothekenvermittlungsplattform und ein biometrisches Login-Verfahren.
Noch keine Lösung bietet PostFinance Kunden, die sich für digitale Wertanlagen inte­ressieren. Andere Schweizer Finanzdienstleister sind diesen Schritt bereits gegangen. Den Anfang machte Swiss­quote, das seinen Kunden seit Ende 2018 die Beteiligung an Initial Coin Offerings (ICOs) ermöglicht. Der Infrastrukturbetreiber SIX baut mit Corda Enterprise eine digitale Börse. Die liechtensteinische Union Bank, die Genfer Dukascopy Bank und das Baarer Start-up Alprockz wollen demnächst eigene Kryptowährungen für Finanz­geschäfte he­rausgeben. Und die Kryptobank Seba will mit dem Kernbankensystem Finstar der Hypothekarbank Lenzburg und mit Unterstützung von Julius Bär eine Brücke schlagen zwischen traditioneller Finanzwelt und digitalen Vermögenswerten.
4. Teil: „Kassenlose Kioske“

Kassenlose Kioske

  • Vorbild Amazon: Das Handelsunternehmen Valora präsentiert mit der „avec box“ ein kassenloses Ladenkonzept.
    Quelle:
    Valora
Was Airbnb für die Hotellerie ist, ist Amazon für den Einzelhandel. Die Schweizer Unternehmen stellen sich den He­rausforderungen durch den weltweit größten Versender, indem sie sich ihn als Vorbild nehmen. Der Kioskbetreiber Valora will beispielsweise das Konzept von Amazon Go in mehreren Varianten in der Schweiz testen. Im Lauf dieses Jahres soll erstens „avec box“ lanciert werden. Dort werden die Konsumenten via App in den Laden einchecken, die gewünschten Produkte aus dem Regal nehmen, die Barcodes scannen und den Laden wieder verlassen können. In der zweitens geplanten „k kiosk box“ entfällt das Scannen der Produkte auch noch, was den Einkaufsprozess noch einmal beschleunigen soll. Mit den beiden Konzepten will Valora nicht hauptsächlich Personal sparen, sondern sein Portfolio vergrößern. So sind für beide Ladenkonzepte Standorte vorgesehen, an denen es bislang kein oder nur ein sehr geringes Convenience-Angebot gibt. Weiter spekuliert der Händler darauf, zumindest die kassenlose „k kiosk box“ während 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche offen lassen zu können - wenn dies der Gesetz­geber und die Vermieter gestatten.
Eine Konkurrenz zum Weltmarktführer zu etablieren, strebt auch der Migros-Konzern an. Seine Tochterfirma Digitec Galaxus nimmt sich Amazons Homepage zum Vorbild. Dafür wurde ein internationales Versandzentrum in Grenz­nähe aufgebaut, der Markteintritt in Deutschland mit einem eigenen Verteilzentrum gewagt und das einheimische Sortiment massiv hochgefahren. Unter anderem Designermöbel von Teo Jakob, Luxuswaren von Globus, Medien von Ex Li­bris, Mode von Bestseller und Metro Boutique, Schuhe von Vögele Shoes, Sportartikel von Ochsner Sport und Taurus, Wein von Baur au Lac Vins sowie nicht zuletzt das gesamte Non-Food-Angebot der Migros sind via Galaxus bestellbar. Der Konzern erzielte zwar mit einem Gesamtumsatz von 992 Millionen Franken eine neue Rekordmarke, im Plus von 15 Prozent spiegelt sich aber das massiv größere Sortiment nicht wider. Immerhin: Platzhirsch Amazon wuchs im gleichen Zeitraum im Online-Handelsgeschäft auch „nur“ um 15 Prozent.

Cities werden smart

Die Schweizer Städte setzen ebenfalls auf Digitalisierung. Neue digitale Konzepte für den Transport gehen einher mit Ansätzen für die Planung von Städten und Serviceangeboten für ihre Bewohner. Die Schweizer Großstädte haben sich im abgelaufenen Jahr allesamt eine Smart-City-Strategie verordnet. Hier gehen die Kosten in die Millionen. Die Projekte in Zürich sollen die Verwaltung digitalisieren, den Verkehr elektrifizieren und die Partizipation der Einwohner vereinfachen. Bereits installiert sind 16 „eCityplan“-Informations-Stelen. Kostenpunkt hier allein eine halbe Million Franken. In Genf sind die Smart-City-Vorhaben eingebettet in die Strategie „Smart Canton“. Ein Beispielprojekt ist der elektronische Parkleitsensor PrestoPark des Genfer Anbieters IEM. Die Sensoren sind mittlerweile in der ganzen Schweiz und Südeuropa installiert. Hier wird mit smarter Technologie Geld verdient.
Welchen Stellenwert Smart-City-Konzepte erlangt haben, zeigt sich auch daran, dass neue Stellen geschaffen wurden, um den Wandel zu forcieren. Städte wie Winterthur etwa beschäftigen dedizierte Chief Digital Officers, um die digitale Transformation voranzutreiben und attraktiver für Einwohner und Wirtschaft zu werden. Gemeinden, Städte und Kantone haben Pilotprojekte ins Leben gerufen. Viele Innovationen kommen aber auch bei der Smart City von Start-ups. Manche Städte lancieren gleich eigene. So hat etwa die Stadt Baden das Start-up Digital Management ins Leben gerufen. Es soll ausloten, wo und wie die Stadt die Potenziale neuer Technologien am besten ausschöpfen und für die Bürger nutzbringend einsetzen kann. „Der Stadtrat will bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode 2019 bis 2022 drei konkrete Projekte umsetzen und so für die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Verwaltung erste Quick-Wins generieren“, konkre­tisiert Daniel Stoeri, Leiter Digital Management der Stadt Baden.
Wenn Unternehmen neue Technologien einsetzen, stehen meist finanzielle Interessen im Fokus. Städte, Gemeinden und Krankenhäuser wollen den Alltag von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern angenehmer sowie stressfreier gestalten. Seit Oktober 2018 bieten zum Beispiel die SBB auf ihrer App die Funktion „EasyRide“ an, mit der die Fahrgäste ihre Fahrtkosten automatisch begleichen können, ohne zuvor ein Ticket am Automaten oder Schalter lösen zu müssen. Das Ein- und Auschecken im öffentlichen Verkehr, ohne ein Billett von A nach B zu kaufen, komme bei den Kunden an, meldeten die SBB nach vier Monaten Feldversuch. Mit „EasyRide“ können Fahrgäste bei Fahrtbeginn einchecken und an jedem beliebigen Ort auschecken. Die App erkennt die gefahrene Strecke und bucht automatisch den Preis für das günstigste Ticket ab. 15.000 Kunden (Stand Februar 2019) hätten am Markttest teil­genommen, so die SBB.
5. Teil: „Die digitalisierte Kita“

Die digitalisierte Kita

  • Trends: Bei den IT-Projekten Schweizer Unternehmen steht das Thema IT-Sicherheit weit vorn auf der Agenda. Technologien wie KI oder Blockchain fließen aber zunehmend in Projekte ein.
    Quelle:
    IDC / Computerworld "Swiss IT 2019" (n=236, maximal fünf Nennungen möglich)
Kindererziehung ist ein Bereich, in dem man den Einsatz neuer Top-Technologien nicht unbedingt als Erstes vermuten würde. Und um allen Bedenken von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen, wiegelt Benjamin Heggenberger, Bereichsleiter Betriebswirtschaft bei Profawo Basel, erst einmal ab. Profawo Basel ist eine gemeinnützige Non-Profit-Organisation mit rund 150 Mitarbeitern, die in Basel sieben Kindertagesstätten, einen privaten Tageskindergarten, Feriencamps und eine Nanny-Vermittlung betreibt. „Im Fokus steht keine Ablösung unserer hochqualifizierten Fachpersonen in der Kita durch Roboter, auch der Ersatz der Kita-Leiterinnen und -Leiter durch komplexe Algorithmen ist nicht geplant“, stellt Heggenberger klar. Vielmehr will er die noch mit Papier und Bleistift durchgeführten betrieblichen Abläufe digitalisieren und die generierten Daten in der firmeneigenen Cloud speichern mit dem Ziel, Personaleinsatzplanung und Ressourcensteuerung zu optimieren. Im Personal-Pool von Profawo stehen zum Beispiel auch 100 Nannys, die je nach den Umständen sehr schnell für Notfälle eingesetzt werden. Rasches Handeln ist dann wichtig.
Vergangenes Jahr startete Profawo zusammen mit dem Beratungshaus PwC und auf Basis von Abacus-ERP mit der Implementierung von ProfawoCare, einer Business-Software für die Cloud, die ­besonders auf die Anforderungen der Kinderbetreuungsbranche zugeschnitten ist. Ein Prototyp wurde Ende Februar 2019 erfolgreich präsentiert. Die firmenweite Einführung ist für das vierte Quartal 2019 vorgesehen.
Bald sollen Eltern die Kitas auch virtuell besichtigen können. „Selbstverständlich wird die Besichtigung in personam vorerst weiterhin die übliche Vorgehensweise bleiben, Eltern möchten sich schließlich selbst und vor Ort einen genauen Eindruck verschaffen, wie ihre Sprösslinge betreut werden“, versichert Heggenberger. Aber für Expats, die in die Schweiz ziehen, und für Familien mit engem Zeitplan sei ein virtueller Rundgang durch die Kinderbetreuungsstätte sicher ein großer Vorteil.

Fazit

All diese Projekte und Herausforderungen lassen sich nur mit viel, viel Geld realisieren. Die Schweizer Wirtschaft investiert deshalb in den nächsten drei Jahren weiter kräftig in IT. Wie gewohnt nehmen die Sparten Industrie und Finanzen am meisten Geld in die Hand. Die Zahlen des Marktforschungshauses IDC belegen, dass das ver­arbeitende Gewerbe schon im Vorjahr die Schwelle von 5 Mil­liarden Franken überschritten hat. Das Kredit- und Ver­sicherungswesen übertrifft die Marke im laufenden Jahr. Bis 2022 wachsen die Ausgaben der Industrie dann aber stärker als im Finanzbereich.
Das kräftigste Plus bei den IT-Ausgaben erwarten die Marktforscher in der IT-Branche. Allein im nächsten Jahr steigt die Investitionssumme um über 5 Prozent. 2021 wird der IT-Sektor die öffentliche Verwaltung bei den IT-Investitionen sogar überholen: 1,85 Mil­liarden Franken sind es laut IDC dann in der IT, „nur“ noch rund 1,83 Milliarden bei den Behörden.
Mehrere Großunternehmen stecken mitten in riesigen Migrationsprojekten, mit dem Ziel, ihre IT-Infrastruktur und Business-Software-Landschaft zu kon­solidieren. In der gesamten Schweiz sind, bis auf wenige Ausnahmen, Cloud First und Mobile First zur Selbstverständlichkeit geworden. Auch die Hype-Technologien virtuelle Realität, Blockchain und Künstliche Intelligenz kommen zum Einsatz, aber nur, wenn sie ins Geschäftsmodell passen und konkreter Mehrwert zu erwarten ist.

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