Internet der Dinge
26.04.2018
Zukunft des Internet of Things
1. Teil: „Der IoT-Trend ist wie die Dotcom-Blase“

Der IoT-Trend ist wie die Dotcom-Blase

Internet der Dinge (IoT)Internet der Dinge (IoT)Internet der Dinge (IoT)
buffaloboy / shutterstock.com
Der Co-Gründer von Nomos System erklärt, weshalb das IoT noch in den Kinderschuhen steckt. Statt auf schnelles Wachstum setzt er mit seinem Unternehmen auf Nachhaltigkeit.
Das Start-up Nomos System bietet Engineering-Lösungen für das Internet of Things im B2B-Sektor an und fokussiert sich auf Herausforderungen im Bereich Heimautomation.
  • Bernhard Hüssy: Co-Gründer und CEO von Nomos System
    Quelle:
    Samuel Trümpy
Wohin sich der Markt für das Internet of Things entwickelt, erklärt Bernhard Hüssy, CEO von Nomos System, im Gespräch mit com! professional.
com! professional: Wo stehen wir bei der Entwicklung des Internet of Things heute?
Bernhard Hüssy: Es steckt noch in den Kinderschuhen. Hier sind wir noch nicht sehr weit gekommen in der Entwicklung. Die Situation erinnert mich an eine Blase wie die Dotcom-Bubble. Wie damals braucht die IoT-Branche heute ein Erdbeben, um auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen und um zu analysieren, welche Lösungen und Geschäftsmodelle nachhaltig sind.
com! professional: Wieso ist der IoT-Trend eine Blase?
Hüssy: Ein Grund ist, dass jeder Hersteller meint, seine Protokolle seien für den Datenaustausch der branchenweite Standard. Es gibt derzeit 18 Standardisierungsverbände. Hinzu kommen weitere proprietäre Standards. Alle nehmen für sich in Anspruch, der führende Standard zu sein. Das ist eine Utopie. In der Realität nutzen Anwender Systeme mit mehreren Protokollen und diese Lösungen müssen miteinander in Dialog treten können. Die Anbieter der Ökosysteme müssen verstehen, dass es eine Welt um sie herum gibt.
com! professional: Wie sieht Ihre Vision für das Problem aus?
Hüssy: Unser Claim lautet „The Key to IoT“. Unser System ist ein Monolith, an den jeder andocken kann. Jedes Ökosystem in der IoT-Welt kann es selbst sein. Wir nehmen einfach jedes wie es ist und sind Dolmetscher für die verschiedenen Ökosysteme im Markt für IoT-Lösungen. Das beginnt bei der Heimautomation und geht bis hin zu Industrieparks.
com! professional: Welche Branchen können am einfachsten von IoT-Lösungen profitieren?
Hüssy: B2B war für mich zunächst der logische Entscheid, um von Beginn an zu wachsen und ohne die Kontrolle über unsere Technik an Investoren abgeben zu müssen. Allerdings sehe ich die größten Chancen derzeit im Bereich der Heimautomation.
com! professional: Weshalb nicht in der Industrie, wo es ja offensichtlich Handlungsbedarf gibt?
Hüssy: Wir haben vieles probiert in der Industrie. Viele Geschäftsführer sehen durchaus die Chancen für ihr Business durch das IoT. Die Manager tragen aber eine gewaltige Verantwortung. Sie können keine Produktionsausfälle tolerieren und haben zusätzlich die Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern, dass der Betrieb läuft. Man kann die Produk­tion nicht einfach mal unterbrechen oder gar mehrmals stoppen, weil man unter Umständen etwas nachbessern muss. Das produzierende Gewerbe ist einfach noch nicht so weit. Im Heimbereich hingegen kann man das Anforderungsprofil an die Lösung einfacher definieren. Das Produkt wird greifbarer.
Tabelle:

2. Teil: „Nicht alles sollte in die Cloud migriert werden“

Nicht alles sollte in die Cloud migriert werden

com! professional: Was bereitet Ihnen Sorge im Hinblick auf die Entwicklung im Bereich IoT?
Hüssy: Sorge wäre ein großes Wort. Aber ich kann den Wunsch nicht nachvollziehen, unbedingt alles in die Cloud zu mi­grieren. Ich verstehe Entscheider in Industriebetrieben, die einen klaren Kosten- und Effizienzvorteil sehen, wenn sie ihre Lösungen in die Cloud verschieben. Aber inzwischen kommt jeder Entwickler, der sich auf Kickstarter ein Projekt finanzieren lässt, mit einem eigenen Cloud-Dienst inklusive API daher. Durch die Kombination mit all den Cloud-Services entspricht der Energieverbrauch eines Smartphones dem eines alten Kühlschranks. Das ist nicht energieeffizient. Hier braucht es ein Umdenken.
com! professional: Aber der Trend geht in Richtung Cloud.
Hüssy: Was lokal funktionieren kann, sollte auch lokal betrieben werden. Wenn man die Logik eines Prozesses in die Cloud auslagert, wird man früher oder später auf die Nase fallen. Der Router oder eine Leitung können ausfallen oder die Latenzzeiten erhöhen sich.
Stellen Sie sich vor, Ihre Großmutter geht in den Keller und ein über eine Webapplikation betriebener Bewegungsmelder schaltet das Licht nicht rechtzeitig ein, um einen Sturz zu verhindern. Nur weil die Latenzzeit just in dem Moment zu hoch war. Eine weitere Sache ist das Pricing.
com! professional: Was sehen Sie daran kritisch?
Hüssy: Wer heute eine IoT-Lösung kauft, sagt Ja zu zwei Dingen, die ich gefährlich finde: Man sagt Ja dazu, dass das Gerät von heute auf morgen obsolet werden kann. Zudem sagt man Ja zu einem Subskriptionsmodell. Ein Modell, das es einem erlaubt, ein erworbenes Gerät zu nutzen, jedoch nur, solange man regelmäßig bezahlt.
com! professional: Und auf welche Weise verdient Nomos System sein Geld?
Hüssy: Anstatt auf ein Leasing-Modell zu setzen, verkaufen wir eine Appliance mit unserer Software auf hochwertiger Hardware. Wer unser Gerät kauft, ist auch Eigentümer davon. Dadurch vermeiden wir versteckte Kosten für den Kunden. Zudem hat der Kunde auch noch in zwei Jahren das Anrecht auf ein Upgrade. Wir machen eigentlich all das, was wir in den letzten fünf Jahren in der Industrie gelernt haben, rückgängig.
com! professional: Wie sind Sie auf die Idee für Ihr Unternehmen Nomos System gekommen?
Hüssy: Im Frühling 2003 kam der iTunes Store heraus. Meine Bekannten kauften sich ihre Musiksammlungen nochmals neu bei iTunes, anstatt CDs zu rippen. Mir wurde klar, dass Software die Hardware als Quelle der Information ablöst.
Ursprünglich kam ich aus dem Bereich Bühnentechnik. Bei uns stand immer die Hardware wie Kabel und Schalter im Vordergrund. Es stellte sich also die Frage: Welche Software kann Software steuern und die Hardware quasi huckepack nehmen, wenn sie es muss?
com! professional: Wie sind Sie das Problem angegangen?
Hüssy: Wir haben im Sommer 2005 ein Proof of Concept in Java geschrieben. Wir stießen dabei auf zwei Beschränkungen: erstens die Latenzzeit bei der Signalübertragung über WLAN und zweitens die Limitierungen von Java. Je mehr man hinzuprogrammiert, desto exponentiell schwerer wird die Lösung. Wir haben gelernt, dass, wenn wir es richtig machen wollen, wir komplett auf C wechseln müssen, damit wir skalierbar sein können. Das haben wir gemacht und begannen als Einzelunternehmung. 2009 sparten wir Geld zusammen, um unser Unternehmen zu gründen.
com! professional: Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Hüssy: Damals war Automation ein Hardware-dominiertes Business und wir traten mit einer Software in einer Hardware-dominierten Branche an. Wir haben zwar mit unserer Idee recht behalten, wie sich heute zeigt. Aber damals blies uns ein eisiger Wind ins Gesicht.
com! professional: Was treibt Sie persönlich an?
Hüssy: Ich hätte mit meinem Unternehmen zweimal in die USA ziehen können. Ich entschied mich bewusst dagegen.
com! professional: Aber alle wollen doch im Silicon Valley durchstarten?
Hüssy: All das, was die im Silicon Valley machen, können wir auch in der Schweiz. Wir geben uns nur etwas bescheidener. Überdies ist mir Nachhaltigkeit wichtiger als das schnelle Geld. Man kann auch organisch wachsen.
com! professional: Muss Ihr Unternehmen nicht vor allem schnell wachsen? Mit Herstellern wie PTC oder Allthings haben Sie starke Konkurrenz. Wie wollen Sie sich behaupten?
Hüssy: Eben weil es diese Konkurrenz gibt, wachsen wir. Wir lösen praktische Probleme. Durch unsere Lösung können Unternehmen zum Beispiel die SAP-HANA-Cloud einfach betreiben. HANA-Cloud im IoT-Umfeld kombiniert mit unserem Produkt, ist nichts anderes als eine Art Facility-Management im Produktionsbetrieb. Wir halten dabei die Logik lokal. Man kann die Fabrik vom Web lösen und sie arbeitet immer noch.

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