Payment
12.09.2017
EU fördert Echtzeitüberweisungen
1. Teil: „In Sekunden überweisen mit Instant Payment“

In Sekunden überweisen mit Instant Payment

Instant PaymentInstant PaymentInstant Payment
Stockframe / shutterstock.com
Mit Instant Payment soll sich die Laufzeit von Überweisungen von ein bis zwei Tagen auf Sekunden verkürzen. Bis die Zahlungsmethode allerdings eingeführt wird, kann es noch dauern.
  • Quelle: Deutsche Bundesbank
Vorhang auf für Instant Payments: ­Relativ unbemerkt von der breiten ­Öffentlichkeit arbeitet die Europäische Union seit drei Jahren an einer Neuerung im Zahlungsverkehr. Auf Basis der SEPA-Überweisung will sie Instant Payments einführen, also Überweisungen in Echtzeit. Ziel ist, die heute noch üblichen Laufzeiten von Überweisungen von ein bis zwei Tagen im natio­nalen und von sieben bis zehn Tagen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr auf wenige Sekunden zu verringern. Der Startschuss für die Einführung fällt im November. Ab dann können Banken die schnellen Überweisungen ausführen – theoretisch.
Denn praktisch dauert die Einführung der neuen Regelungen etliche Jahre, da die Teilnahme der Banken freiwillig ist. Von den mehreren Tausend Geldinstituten in der EU haben sich bislang 39 für den Einstieg in Instant Payments entschieden. In Deutschland sind Deutsche Bank, Commerzbank,  HypoVereinsbank/UniCredit und Hessische Landesbank mit im Boot.
„Die ersten Tests zum Jahresende werden also in einem sehr erlauchten Kreis stattfinden“, betont Ernst Stahl, Research Director beim Institut Ibi Research an der Universität Regensburg. Als Leiter des Competence Centers E-Business hat er dort die Studie „Instant Payments – eine neue Revolu­tion im Zahlungsverkehr?“ geleitet. Eine wichtige Erkenntnis: Das Interesse von ­Unternehmen ist groß und auch deutlicher erkennbar als das von Privatpersonen. Dennoch können sich auch die Verbraucher gut vorstellen, Instant Payments zu nutzen. Für beide Seiten ist das Gebührenmodell ausschlaggebend für die Akzeptanz.
Was ist Instant Payments?
Instant Payments bezeichnet eine Überweisung, die binnen weniger Sekunden ausgeführt wird. Der Empfänger, zum Beispiel ein ­Online-Händler, bekommt das Geld in Echtzeit gutgeschrieben und kann sofort darüber verfügen. Zudem ist die Zahlung für den Empfänger garantiert, da sie vom Sender nicht rückgängig gemacht werden kann. Solche Echtzeitüberweisungen sind rund um die Uhr, auch nachts und an Feier­tagen, möglich und damit unabhängig von Banköffnungszeiten. Sie sind prinzipiell in allen Kanälen einsetzbar. In Europa forciert die Europäische Zentralbank die Einführung von Instant Payments. ­Basis ist der bekannte SEPA-Standard.
2. Teil: „Vorteil: schnelle Verfügbarkeit“

Vorteil: schnelle Verfügbarkeit

Den größten Vorteil sehen Unternehmen wie Verbraucher in der schnellen Verfügbarkeit des Geldes. Daher wünschen sie sich Instant Payments gerade auch im Online-Handel. „Wenn ein Kunde am Freitagmittag etwas bestellt, es am Samstag geliefert bekommt und Teile der Ware am Montag zurückschickt, ist die Retoure schon beim Händler, noch bevor eine Lastschriftzahlung überhaupt eingezogen wurde“, verdeutlicht Stahl.
Doch dieser Nutzen wird nicht für alle Branchen und Zielgruppen gleichermaßen gelten: „Für die Fashion-Branche mit ihren hohen Retouren-Quoten und einer weiten Verbreitung des Kaufs auf Rechnung wird Instant Payments nicht so wichtig sein“, meint Sebastian Gebele, Director Marketing beim Payment-Service-Provider Heidelpay, „im Online-Lebensmittelhandel, wo es auf eine schnelle Lieferung und damit auch auf eine schnelle Zahlung ankommt, dagegen schon“. Außerdem rechnet er vor allem bei Zielgruppen, die Zahlarten wie PayPal nicht so häufig einsetzen, mit größerer Akzeptanz. ­Gerade für ältere, nicht so internetaffine Online-Shopper sei eine sekundenschnelle Überweisung eine Alternative.
  • Die Argumente der Händler: Die schnelle Verfügbarkeit von Zahlungen spricht aus ihrer Sicht für die Einführung von Instant Payments, der Aufwand für Integration und Betrieb dagegen.
    Quelle:
    ECC Köln, Payment-Studie Vol. 21, Januar 2017
Letztlich ist aber jeder, der ein ­Bankkonto besitzt, ein potenzi­eller Instant-Payments-Nutzer. „Wenn ich mit einem Zahlungssystem jeden Kontoinhaber im ­Euro-Raum mit einer sicheren, einfachen Zahlung erreiche, ist das schon etwas Besonderes“, hebt Ralf Gladis, Geschäftsführer des Payment-Service-Providers Computop, hervor. Seiner Meinung nach wird Instant Payments deswegen insbesondere für international aufgestellte Online-Händler wichtig werden.
Ein weiterer Vorteil von Instant Payments ist die Einsetzbarkeit über alle Kanäle hinweg, also egal ob im Web, im stationären Laden, im Mobile-Shop oder in einer App. Monika Holdenrieder, die sich als Leiterin der Abteilung Treasury beim Multichannel-Händler Weltbild mit dem Thema ­beschäftigt, würde Instant Payments gern in einem ersten Schritt in den Filialen, später dann im Webshop einführen. Grund: Die einzelne Kaufsumme in den Weltbild-Filialen ist nicht so hoch, daher bezahlen die meisten Kunden eher bar als mit Karte. Das Handling und die Entsorgung von Bargeld wird aber immer komplizierter und teurer, da viele Banken ihr Service-Angebot für die Händler drastisch eingeschränkt haben – etwa bei der Beschaffung von Wechselgeld.
Doch Holdenrieder sieht auch, dass viele Kunden sich nur ­ungern vom Bargeld trennen – auch, weil viele seine Anonymität schätzen. Vielen bereite die lückenlose Dokumentierbarkeit von elektronischen Zahlungen Unbehagen. Für Holdenrieder ist daher auch wichtig, ob der Kunde bei Instant Payments für den Händler anonym bleiben kann.

Offene Fragen

Diese Frage hängt wie viele andere von den Spezifikationen ab, die derzeit erarbeitet werden. So ist etwa noch nicht abschließend geklärt, wer wie viel für eine Echtzeitüberweisung bezahlen muss. Prinzipiell ist die Überweisung ein relativ günstiges Zahlverfahren, da für die Abwicklung keine Drittanbieter nötig sind, die mitverdienen. Zudem ist es erklärtes Ziel der EU, die Gebühren für Instant Payments überschaubar zu halten. Damit könnte die schnelle Überweisung günstiger werden als etwa Lastschriftzahlungen, zumal sie so gut wie keine Zahlungsausfälle produziert. Und ein attrak­tives Gebührenmodell könnte durchaus Bewegung in den Payment-Markt bringen: ­„Instant Payments wird zwar keines der etablierten Bezahlverfahren verdrängen, aber ein sichtbarer Shift bei den Marktanteilen einzelner Zahlarten ist durchaus möglich“, meint Sebastian Gebele von Heidelpay.
Offen ist auch noch, ob und wie Zahlungen ab einer gewissen Höhe zusätzlich ­authentifiziert werden müssen. Ebenso ungeklärt ist die Frage, ob es bei der derzeit definierten Obergrenze von 15.000 Euro je Überweisung bleiben soll. Dies ist vor allem für den B2B-Bereich von großer Bedeutung, weil dort oftmals größere Beträge überwiesen werden. Im B2B-Handel sehen Monika Holdenrieder und ­Sebastian Gebele langfristig denn auch den größten Nutzen von Instant Payments.
3. Teil: „Große Veränderungen“

Große Veränderungen

  • Nutzer-Wünsche: Im Online-Shop möchte gut die Hälfte mit Instant Payment bezahlen, im stationären Handel nur jeder vierte.
    Quelle:
    Ibi Research "Instant Payments: eine neue Revolution im Zahlungsverkehr?", Juli 2016
Einig sind sich alle Experten, dass Instant Payments das Potenzial hat, den Markt grundlegend zu verändern: „Es wird Einfluss auf alle Bereiche des Handels haben – auf die Schlange an der Supermarktkasse, den Check-out im Webshop, den B2B-Bereich“, ist sich Ralf Gladis ­sicher. Und auch Monika Holdenrieder ist überzeugt, dass Instant Payments „in den kommenden drei Jahren spürbare Veränderungen“ mit sich bringen wird.
Der Wissenschaftler Ernst Stahl sieht zudem einzelne Geschäftsmodelle bedroht, etwa das Bonitäts-Scoring. Da das Konto zum Zeitpunkt der Zahlung nachweislich gedeckt ist und der Sender sie auch nicht rückgängig machen kann, braucht ein Händler keine Bonitäts-Abfrage mehr.
Bis es so weit ist, wird es aber noch ­Jahre dauern. Jetzt sind erst einmal die Banken am Zug. Sie müssen zuallererst ihre IT-Infrastruktur auf Vordermann bringen – ­eine gewaltige Herausforderung. Zudem müssen sie sich gemeinsam mit den anderen Marktteilnehmern um Schnittstellen und Spezifikationen kümmern. Daher ist frühestens Mitte bis Ende kommenden Jahres mit wirklich sichtbaren Instant-Payments-Angeboten zu rechnen.

Online-Händler sollten abwarten

Für Online-Händler bedeutet das, dass sie zunächst abwarten können – und sollten: „Solange die Spezifikationen nicht klar sind, ist kein blinder Aktionismus angesagt“, betont
Gebele. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich keine Gedanken machen sollen. Neben der Überlegung, ob und wenn ja wann die Einführung der schnellen Überweisung als Zahlart im Shop oder am PoS sinnvoll ist, ist zu klären, ob und mit welchen Dienstleistern ­zusammengearbeitet werden soll. Zudem sind laut Gladis mögliche Auswirkungen auf die Buchhaltung, die Betrugspräven­tion und das Risikomanagement zu ­bedenken. Zu guter Letzt muss auch die Shop-Technik angepasst und der Check-out umgebaut werden.
Ralf Gladis von Computop hat auch schon erste Anfragen von Händlern, erwartet aber nicht, dass sich der Markt in Rekordzeit komplett verändert, es werde alles seine Zeit dauern. Denn: „Revolutionen gibt es im Zahlungsverkehr in Deutschland nicht."
Standard im Entstehen
Für die Ausgestaltung der finanzwirtschaftlichen Details von Instant Payments ist der European Payments Council (EPC), ein Zusammenschluss europäischer Kreditinstitute, zuständig. Der EPC kümmert sich um die Festlegung von Obergrenzen, Regelungen zur Authentifizierung und das Gebührenmodell. Für die Definition und Festlegung technologischer Standards haben die Marktteilnehmer unter anderem die Standardisierungsorganisation GS1 aus Brüssel mit an den Tisch geholt. GS1 ist in Deutschland für die Vergabe der EAN (European Article Number) und den dazugehörigen Barcode verantwortlich. Eine Arbeitsgruppe dort beschäftigt sich mit den Prozessabläufen und den Schnittstellenbeschreibungen für Instant Payments am PoS. Nötig sind Schnittstellen zwischen der Händlerbank und dem Händlersystem, der Händlerkasse und dem Smartphone des Verbrauchers sowie zwischen dem Smartphone und der Bank des Verbrauchers. Eine erste Version der Schnitt­stellenbeschreibungen soll bis Jahresende vorliegen. Sie soll dann Banken, technischen Dienstleistern und Händlern zur Verfügung stehen.

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