Künstliche Intelligenz
20.11.2019
Start-up-Porträt
1. Teil: „H2O will jede Firma zum KI-Unternehmen machen“

H2O will jede Firma zum KI-Unternehmen machen

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jijomathaidesigners / shutterstock.com
Der KI-Shootingstar H2O hat das Ziel, Künstliche Intelligenz (KI) zu vereinfachen und zu automatisieren. Jedes Unternehmen soll die Möglichkeit bekommen, KI zu verwenden.
Auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz ist H2O aus dem kalifornischen Mountain View ein Senkrechtstarter. Das Start-up wurde 2012 von Sri Ambati gegründet und sammelte in relativ kurzer Zeit 147 Millionen Dollar Funding-Gelder ein, unter anderem von Wells Fargo, Goldman Sachs, Nvidia GPU Ventures und Nexus Venture Partners. Die Mission seines Unternehmens bringt Ambati so auf den Punkt: „Wir wollen Artificial Intelligence demokratisieren.“
AI soll nach dem Willen von Ambati für alle Unternehmen schneller, billiger und einfacher werden: „Bis heute ist AI zu teuer und zu schwierig zu installieren, weil man viel Erfahrung, Zeit und Ressourcen braucht, um es auszuprobieren und zum praktischen Einsatz zu bringen. Die Installationskosten sind sowohl für kleinere als auch für große Unternehmen zu hoch. Unser Ziel ist es, AI für Unternehmen jeder Größenordnung wirklich einfach zu machen und so weit wie möglich zu automatisieren.“
Seine Produkte und Services teilt H2O in zwei unterschiedliche Kategorien ein:
  • Open Source sind die Machine-Learning-Plattform H2O, die Integration des Cluster-Computing-Frameworks Apache Spark in H2O und die Integration der Nvidia-GPUs in H2O. Frei erhältlich ist die H2O-Technologie für Universitäten, Studierende und Angehörige akademischer Berufe sowie für Forschungsinstitute.
  • Als kommerzielles Enterprise-Produkt angeboten und von Support-Dienstleistungen flankiert wird die automatisierte Machine-Learning-Plattform H2O Driverless AI.
Damit gelang es H2O in den wenigen Jahres seines Bestehens schon über 18.000 Kunden „über alle Industriezweige hinweg und auf jedem Kontinent“ zu gewinnen, wie Ambati stolz berichtet. Dazu zählen zum Beispiel der Krankenversicherer Aetna, die Reisebuchungs-Metasuchmaschine Booking.com, die Apothekenkette Walgreens und der Finanzdienstleister Capital One. Für die Nutzung von H2O Driverless AI zahlen die Unternehmen einen monatlichen Betrag, der von der Zahl der Anwender abhängt, die mit der Software arbeiten. Einige Kunden haben sich sogar an der jüngsten Finanzierungsrunde beteiligt, um zum Fortbestehen der Firma beizutragen.
Besonderen Erfolg hat H2O im Retail-Bereich, weil viele Unternehmen in diesem Sektor mit ihrem bisherigen Online-Marketing unzufrieden sind, auch und gerade mit der Auswertung der Kundendaten. Oft können sie deshalb nicht mehr mit Marktgiganten wie Amazon mithalten.
Mit gegenwärtig etwa 170 Mitarbeitern ist H2O immer noch relativ klein, hat sein Headcount in den vergangenen 18 Monaten aber verdoppelt. Vor Kurzem wurde etwa ein Center for AI Excellence and Research in Prag eröffnet, außerdem verfügt H2O über eigene Vertretungen in Indien und Kanada, der chinesische und weitere asiatische Märkte sollen folgen.
H2O Sparkling Water
Sparkling Water: Verbindet die Machine-Learning-Algorithmen von H2O mit Apache Spark, einer Analytics-Engine für Big-Data-Processing.
H2O
H2O Sparkling Water
Zur Produktpalette von H2O gehört Sparkling Water. Im „Sprudelwasser“ sollen - so wie sich Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser verbinden - zwei Technologien zusammenkommen - das Machine Learning von H2O und die In-Memory-Plattform Spark von Apache.
CEO Sri Ambati hat es so formuliert: „Sparkling Water wurde entwickelt, um den Anwendern das Beste von Apache Spark - seine eleganten APIs, seine Resilient Distributed Datasets (RDD) und seinen mandantenfähigen Kontext - mit den schnellen H2O-Algorithmen für Machine Learning zur Verfūgung zu stellen (…). Mit Sparkling Water können Unternehmenskunden H2O-Algorithmen zusammen mit MLlib-Algorithmen von Apache Spark verwenden.“
2. Teil: „H2O Driverless AI“

H2O Driverless AI

  • Spitzenstellung: Forrester stufte H2O kürzlich neben Data­Robot als „Leader“ bei den „Automation-Focused Machine Learning Solutions“ ein.
    Quelle:
    Forrester „Automation-Focuses Machine Learaning Solutions“ (2. Quartal 2019)
Das Kernprodukt von H2O, die Driverless-AI-Plattform, hat vor allem den Ehrgeiz, Data-Science-Techniken in einfach anzuwendende Software umzusetzen, mit der Unternehmen Modelle für Datenvirtualisierung und Dateninterpretation entwickeln und eigene Data-Science-Aufgaben durchführen können. Die Plattform setzt dazu sehr stark auf Automatisierungstechniken und arbeitet viel mit GPUs - GPU-Pionier Nvidia zählt wie eingangs erwähnt zu den Unterstützern von H2O.
Mit H2O Driverless AI lassen sich laut Unternehmens-Website „Aufgaben in Minuten erledigen, die früher Monate in Anspruch nahmen“. Mit Driverless AI könne „jedermann, sowohl erfahrene wie auch Junior Data Scientists, Domain Scientists und Data Engineers, Modelle für Machine Learning entwickeln“.
Was dafür alles an Funktionen aufgefahren wird, deutet eine Auflistung auf der Website an: Automatic Feature Engineering, Machine Learning Interpretability (MLI), Natural Language Processing (NLP), Time Series, Model Deployment and Operations, Automatic Visualization, Flexibility of Data and Deployment, Nvidia GPU Acceleration und Bring-Your-Own Recipes.
Der grundlegende Ablauf der Arbeit mit Driverless AI besteht laut H2O aus fünf Schritten: Als Erstes bringen die Anwender ihre Daten aus unterschiedlichsten Quellen in das Modell ein, etwa Daten aus der Cloud, aus Big-Data- oder Desktop-Systemen. Als Nächstes dreht sich alles um das Verständnis der Daten, kümmert man sich um Zusammenhänge, Sonderfälle oder fehlende Angaben.
Drittens werden automatisiert Vorhersagen erstellt. Auf Basis von Best-Practice-Modellen und mit High-Performance-Computing werden Tausende von Modellen wieder und wieder durchkalkuliert. Im vierten Schritt geht es darum, die erstellten Vorhersagen zu prüfen und die komplexen Zusammenhänge auch für Nichtfachleute möglichst verständlich zu erklären. Das geschieht vor allem über automatisiert erstellte Dashboards. Im letzten Schritt schließlich können Anwender „ultra-low latency Python or Java Automatic Scoring Pipelines“ einbringen, „that include feature transformations and models“.
Und weil die großen Versprechungen von H2O mehr sind als bloßes Marketing-Getöse, hat Forrester Research H2O in seinem Report „Automation-Focused Machine Learning Solutions“ vom Mai 2019 neben DataRobot in das Spitzenfeld der „Leader“ eingestuft. Zur Begründung heben die Analysten die besondere Rolle der Automatisierung in Driverless AI hervor. Die Plattform biete dabei eine breite Palette an Konfigurationsmöglichkeiten, sodass die IT-Abteilung die Kon­trolle über die Automatisierung behalte.
Allerdings, so Forrester, müssten die Fähigkeiten der eingesetzten Modelle noch verbessert werden, insbesondere bei den Tests. Da viele Unternehmen aber Schwierigkeiten hätten, teure Data Scientists zu verpflichten, biete die H2O-Lösung mit ihrem Automatisierungspotenzial einen Ausweg, weil sie vorhandene IT-Teams produktiver mache.
Einsatzgebiete von KI
Machine Learning (ML) und Artificial Intelligence (AI) - beziehungsweise Künstliche Intelligenz (KI) - werden oft als Begriffspaar gebraucht, obwohl ML streng genommen eine Anwendung von KI ist, die Systemen die Fähigkeit verleiht, automatisch zu lernen und sich basierend auf Erfahrungen zu verbessern, ohne explizit in diesem Sinn programmiert zu sein. Der Oberbegriff AI oder KI kann als Simulation der menschlichen Intelligenz beschrieben werden, die von Maschinen und besonders von Computerprogrammen durchgeführt wird. Man unterscheidet dabei schwache und starke KI. Erstere steckt in einem System, das für eine spezielle Aufgabe trainiert worden ist, zum Beispiel die Sprachaus­gabe von Siri. Letztere kommt in einem System zur Geltung, das (teilweise) eigenständig auf unbekannte Situationen reagieren und eigenständig Lösungen finden kann.
Derzeit lassen sich im Wesentlichen sechs Einsatzgebiete für KI unterscheiden: Automatisierung etwa bei für wechselnde Abläufe programmierten Robotern, Machine Learning ohne spezielle Programmierung, Machine Vision mit Kameras, Natural Language Processing (NLP) bei der Sprach- und Texterkennung (etwa beim Klassifizieren von Spam), Roboter in der Autoproduktion oder Raumfahrt (mit fest definierten Aufgaben) und selbstfahrende Autos (Kombination mehrerer der genannten Varianten). Auch viele Software-Hersteller bauen mittlerweile KI-Komponenten in ihre Produkte ein.
3. Teil: „H2O in der Praxis“

H2O in der Praxis

  • Quellenvielfalt: H2O Driverless AI inte­griert Daten aus verschiedenen Quellen, um Datenmodelle zu erstellen.
    Quelle:
    H2O
Wer H2O Driverless AI kennenlernen will, kann das zum Beispiel über ein „Free Trial“-Angebot auf der Website machen. Für ernsthaftere Vorhaben bieten sich dann die großen Cloud-Plattformen an. H2O ist mit seinen Produkten auf dem IBM Marketplace, dem AWS Marketplace, auf Microsoft Azure und der Google Cloud Platform vertreten.
Tutorials und weitere Einführungen in H2O Driverless AI finden sich auch auf dem Open-Source-Portal Github unter https://h2oai.github.io/tutorials.
H2O selbst richtet mittlerweile internationale Konferenzen aus, um mit Informationen und Anwendungsbeispielen für seine Technologie zu werben - für ein junges Start-up ein eher ungewöhnliches Vorgehen. Auf der „H2O World 2018“ in New York konnten die Besucher zum Beispiel einen Vortrag von Gary Rapsey hören, dem Global Assurance Innovation Leader von PricewaterhouseCoopers. Er sprach unter der Überschrift „Truth in Numbers“ über den Einsatz von Driverless AI in seinem Beratungskonzern. Angesichts Millionen von Kunden allein in den USA hätten die herkömmlichen Methoden zur Datenanalyse nicht mehr ausgereicht. Buchhaltungs-Software, Excel oder ähnliche Tools seien nicht mehr in der Lage, die finanzielle Situation von Unternehmen angemessen zu erfassen und zu analysieren, so der PwC-Manager in seiner Keynote.

Fazit & Ausblick

H2O beschwört mit seinem Slogan „Every Company Can Be An AI Company“, wie leicht es dank seiner Plattform sei, Machine Learning und Künstliche Intelligenz zu verstehen und anzuwenden. Mit etwas Spezialwissen, das man sich mehr oder weniger leicht aneignen könne (und viel Hilfestellung durch Applikations- und Service-Verkäufer) könne praktisch jedes Unternehmen seine eigenen KI-Anwendungen bauen.
In den Worten des H2O-CEOs Sri Ambati klingt das, etwas dick aufgetragen, so: „Wir machen aus den Anwendern die wahren KI-Supermächte. Wir wollen die Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Daten zu Geld zu machen. Wenn sie ihre eigene KI aufbauen, dann können sie es mit Giganten wie Amazon, Google oder Microsoft aufnehmen, die es bloß auf ihre Daten abgesehen haben.“ Mit diesen Versprechungen ist Ambati nicht allein. Bei den Konkurrenten von H2O klingt das alles ganz ähnlich.
Ganz so einfach ist es am Ende des Tages dann aber wohl doch nicht. Die Website von H2O jedenfalls ist voll mit Tutorials und anderen Hilfsquellen. So finden sich unter www.h2o.ai/academic eine Reihe von Forschungsberichten, die den Umgang mit Machine Learning und Künstlicher Intelligenz erleichtern sollen, und unter www.h2o.ai/resources gibt es Anwenderberichte und Einführungen zum Einsatz von KI in den unterschiedlichsten Branchen wie Finanzwirtschaft, Versicherungen, Healthcare, Retail und Manufacturing. Für den Produktionssektor etwa werden als potenzielle Einsatzzwecke Predictive Maintenance, Supply-Chain-Optimierung, Produktionsplanung und Transportoptimierung aufgelistet.
H2O bietet viele Lernprogramme und Support-Dienstleistungen für Unternehmen an, die Artificial-Intelligence-Anwendungen innerhalb der eigenen IT-Infrastruktur aufbauen wollen. Wer allerdings dieses Risiko vorerst noch scheut und mit seinen Geschäftsanwendungen doch lieber auf der sicheren Seite bleiben will, sollte es vielleicht erst einmal bei der einen oder anderen Cloud-Plattform mit Artificial Intelligence as a Service versuchen. Ein durchaus vielversprechendes Produkt dafür steht mit H2O Driverless AI jedenfalls zur Verfügung.

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